Carlsen Clips: Killyou! - Daniel Höra - E-Book

Carlsen Clips: Killyou! E-Book

Daniel Höra

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Tim ist ein ganz normaler Teenager. Er spielt Fußball, chillt mit Kumpels, zockt am Computer. Doch seit einigen Wochen verbringt er immer mehr Zeit mit seinem Lieblingsspiel CALL OF THE FORCE. Denn da ist einfach alles drin: Strategie, Geballer, Action, Rätsel ... Er sitzt nächtelang am Bildschirm, beginnt sich abzuschotten, hat langsam Schwierigkeiten, Realität und Fantasie auseinanderzuhalten. Seine Freunde erreichen ihn nicht mehr. Seine Mutter ist überfordert. Und irgendwann stellt sich die Frage: Findet Tim überhaupt noch aus der virtuellen Welt zurück in die echte? Rasant und ganz nah dran erzählt Daniel Höra von virtueller Action und realen Problemen. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 95

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Carlsen CLIPS – Daniel Höra: Killyou!

Tim (14) ist ein ganz normaler Teenager. Er spielt Fußball, chillt mit Kumpels, zockt am Computer. Doch als es in der Schule stressig wird, verbringt er immer mehr Zeit mit seinem Ego-Shooter-Spiel. Er beginnt sich abzuschotten, verliert den Boden unter den Füßen, hat Schwierigkeiten, Realität und Fantasie auseinanderzuhalten. Seine Freunde erreichen ihn nicht mehr. Seine Mutter ist überfordert. Erst als sich ein Familienhelfer einschaltet – ein junger, engagierter Typ –, findet Tim aus der virtuellen Welt zurück in die echte.

Außerdem in der Reihe Clips im Carlsen Verlag erschienen:

Alles auf eine Karte

Auf dich abgesehen

Aufs Ganze gehen

Dann kauf’s dir doch!

Egal, was morgen ist

Herz über Klick

Ich weiß alles über dich

Ich will das nicht!

Immer on

Kopf runter, durchhalten

Likes sind dein Leben

Mehr als ein Spiel (ab Januar 2021 erhältlich)

Totalabsturz

Weil ich so bin

Wir sehen uns im Westen

Wohin soll es gehen?

  Buch lesen

  Vita

1

Verdammt, beinahe hätte er mich erwischt. Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig ducken. Feuerte fast das gesamte Magazin auf den Bastard. Blutfontänen spritzten aus den Wunden. Eine Frau schrie. Ich drehte mich um die eigene Achse. Nichts. Also weiter, die Zeit lief.

Wo war der plötzlich hergekommen? Ich hatte doch alles abgesichert. Ich war wohl nachlässig geworden, hatte mich zu sicher gefühlt. Unterwegs schaltete ich noch ein paar Gegner aus und rannte, rannte, rannte. Wieder hörte ich die Frau schreien.

Das verwirrte mich für einen Augenblick. Doch der Moment reichte aus, um den Typen vor mir nicht gleich zu bemerken. Er fuchtelte bereits in meinem Gesichtsfeld rum. Ich drückte den Abzug. Zu spät. Als ich den Knall hörte, explodierte schon mein Kopf.

Shit, Shit, Shit! Ausgerechnet jetzt. Ich war so nah dran gewesen. Wieder schrie die Frau.

„Tim!“

Es war meine Mutter. Sie stand in der Tür und wirkte ziemlich wütend.

„Sag mal, hörst du mich nicht? Ich hab schon ein paarmal gerufen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Mich kotzt das an. Du bist völlig versunken, wenn du an der Konsole sitzt. Das wird immer schlimmer. Ich finde, wir sollten mal über ein Zeitlimit nachdenken.“

Blablabla. Das kannte ich schon, das kam ständig. Aber am Ende passierte nix und ich ballerte weiter. Ja, es stimmte, ich verbrachte Zeit an der Konsole. Aber nicht übertrieben viel. Vielleicht drei Stunden pro Tag. Na gut, manchmal vergaß ich auch einfach die Zeit.

Ich hatte die Konsole zum zwölften Geburtstag bekommen. Seitdem zockte ich eben nach der Schule. Anfangs richtig viel, wie das so ist bei neuen Sachen. Strategiespiele, Autorennen, Fifa und so was. Aber das hat man schnell durch und dann wird es öde. Es hatte Tage gegeben, da spielte ich gar nicht. Ich hab sogar darüber nachgedacht, die Konsole zu verkaufen.

Aber dann kam Call of the Force raus. DAS Spiel! Das war vor einem halben Jahr und seitdem faszinierte es mich total. Es war einfach alles drin: Strategie, Geballer, Action, Rätsel, Autorennen. Das Spiel forderte einen richtig, und wenn man weiterkam, hatte man wirklich was geschaffft.

Ich kannte jede Menge Leute, die schnell aufgaben, weil das Spiel zu knifflig war.

Umso besser. Call of the Force spielten nur die richtig guten Gamer. Mütter kapierten so was nicht. (Vielleicht hätte mein Vater es geschnallt, aber der interessierte sich nur für seine neue Familie.)

Ich schlurfte in die Küche, hockte mich an den Tisch und bekam den nächsten Anschiss.

„Setz dich doch mal richtig hin. Irgendwann kriegst du noch einen Buckel!“

Die Bemerkung sollte witzig sein, war es aber nicht. An meiner Mutter war gar nichts witzig. Sie war der pure Stress.

Das Essen verlief wie immer: Ich stocherte auf meinem Teller rum, meine Mutter laberte und ich hörte nicht zu. Nickte nur hin und wieder.

„Wie war es in der Schule?“, fragte sie irgendwann.

„Toll“, gab ich zurück.

Sie schaute genervt. „Kannst du vielleicht etwas mehr erzählen?“

„Wie immer.“

Sie hob hilflos die Arme. „Ich hab keine Ahnung, wie es immer in der Schule ist. Allzu viel höre ich ja nicht von dir.“

„Langweilig.“

„Geht es vielleicht auch in ganzen Sätzen?“

„Die Schule war langweilig. Subjekt, Prädikat, Objekt.“

„Danke für das Gespräch“, antwortete sie und aß dann schweigend weiter. Es war eines dieser Schweigen, das sich wie ein schwarzes Tuch über uns legte.

Jetzt war sie schon wieder wütend. Das war sie dauernd.

Was sollte ich aber auch von der Schule erzählen? Dass wir in Chemie über Säure-Base-Reaktionen sprachen? Dass wir in Englisch einen Test geschrieben hatten? Dass der Sportlehrer meinte, ich solle an meiner Haltung arbeiten? Das war alles so langweilig.

Außerdem war ich gut in der Schule. Ich schrieb gute Noten. Das wusste meine Mutter. Also wozu darüber reden? Das brachte doch alles nichts.

Hoffentlich ging sie bald zu ihrem verdammten Yoga-Kurs. Da konnte sie dann Atemübungen machen und sich einreden, dass sie dadurch ein besserer Mensch wurde. Und ich konnte endlich wieder weiterzocken.

Ich war mit Josh, einem anderen Call of the Force-Spieler, online verabredet. Wir wollten zusammen dieses verdammte Depot mit den Waffen für die Rebellen finden. Das war eine Aufgabe, die erledigt werden musste. Zack! Das ging nicht mit Labern und Peace und Herzchen-Emojis, das war Realität.

Okay, sie war virtuell, ich war ja nicht doof. Aber sie war spannend. Und man konnte ganze Welten entdecken. Neue Welten, die nicht so öde waren wie die alte, in der wir lebten. Wo alles schon entdeckt, untersucht, ausgelutscht und genormt war. Wo Leute Fahrradhelme trugen und Lebensversicherungen hatten. Wo es keine Abenteuer mehr gab. Nur noch tote Menschen.

2

Im Bus zur Schule traf ich Helen.

Ich mochte sie. Sie war nicht eingebildet, so wie die anderen Schnepfen. Die mit den Schmink-Tutorials und den Instagram-Smoothie-Snapchat-Kätzchen-Postings und den idiotischen LOL-, FML- und DAD-Kürzeln. Helen verstand zwar nichts von Spielen, aber sie redete gern über Musik. Und ich hörte ihr gern dabei zu.

„Ich war gestern bei End of Days“, begrüßte sie mich. „Das ist ’ne Indie-Band aus Polen. Großartig.“ Sie strahlte wie eine Wunderkerze. „Nach dem Konzert sind wir noch mit der Band rumgezogen. Das war lustig.“

„Kann ich mir vorstellen“, sagte ich.

„Du solltest mal zu einem Konzert mitkommen.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ja, irgendwann.“

„Nächste Woche. Da spielen Bleep. Das könnte doch das Irgendwann sein, das du meintest.“

„Ich denke mal drüber nach.“

„Mann, ist das schwierig mit dir.“ Helen verdrehte die Augen. „Ich besorge auch die Karten. Du musst nur mitkommen, ein bisschen zur Musik wippen und so tun, als hättest du Spaß.“

„Okay“, sagte ich grinsend.

Helen grinste ebenfalls. „Also haben wir ein Date?“

„Abgemacht“, antwortete ich. Wir gaben uns die Hand.

Im Schulgebäude trennten wir uns. Wir waren in verschiedenen Klassen.

Ich ging den Flur entlang zu unserem Raum. Ich grüßte nach links, ich grüßte nach rechts. Ich bewegte mich wie ein Fisch im Wasser. Und wir schwammen ja alle im selben Teich, das schweißte zusammen.

Aber mit den meisten hatte ich trotzdem nichts zu tun. Was nicht daran lag, dass ich sie nicht mochte oder sie mich nicht. Ich war einfach nicht daran interessiert, Beliebtheits-wettbewerbe zu gewinnen. Während andere ständig ihre Outfits zur Schau stellten oder Selfies posteten oder den Coolen hinterherrannten, hielt ich mich zurück.

Ich hatte mit niemandem Streit und wollte auch keinen. Aber ich ließ mir auch nichts gefallen. Das wussten die Leute und respektierten mich.

„Hey Bro!“ Cem klatschte mich ab. „Ich hab gestern den Turm geknackt.“

Cem zockte auch und Call of the Force war unser Ding.

„Wie hast du das geschafft?“ Seit Tagen versuchte ich in diesen verdammten Turm zu kommen, auf dem sich mehrere Assassins versteckt hielten. „Nee, stopp. Ich will es gar nicht wissen. Ich krieg das auch so hin.“

Cem grinste. „Kleiner Tipp?“ Er zeigte mir mit Daumen und Zeigefinger, wie groß der Tipp sein sollte. „Du musst zurück zur alten Festung.“

Wie oft war ich da rumspaziert? Und doch hatte ich offenbar etwas übersehen.

Auch wenn ich es nicht wollte, ich warf Cem einen bewundernden Blick zu.

Dann ging die Tür auf und Johnny English kam rein.

Er hieß eigentlich Uwe Kloß, war unser Klassenlehrer und gab Deutsch und Englisch. Wir nannten ihn nach der Figur aus den Filmen mit diesem britischen Komiker. Kloß sah so ähnlich aus wie der Typ und er war genauso verpeilt.

Taluah hatte ihn mal gefragt, ob er schon versucht hätte bei Finder eine Frau zu daten. Johnny English war nämlich auf der Suche, das war kein Geheimnis. Er hatte geantwortet, dass er diese Finder-Diskothek nicht kennen würde. Aber das wäre eh nichts für ihn. Er sei mehr der Romantiker.

Warum wir so lachten, hat er nicht verstanden. Na gut, er war ja auch schon alt. Vielleicht vierzig. Und eigentlich war er ganz in Ordnung. Als er unsere Tests austeilte, blieb er kurz bei mir stehen und wiegte den Kopf.

Eine Fünf. Mist! So schlecht war ich sonst nie.

Aber ich wusste auch, warum es dieses Mal so danebengegangen war: Am Abend vor dem Test hatte ich gespielt, statt zu lernen. Ich hatte versucht das Rätsel um den magischen Cube zu knacken, bis Mitternacht. Und es schließlich auch geschafft. Da musste Englisch leider zurückstehen.

Okay, für die Deutsch-Arbeit in der nächsten Woche würde ich was tun. Erst lernen, dann zocken.

Am Nachmittag saß ich vor der Konsole und überlegte. Eigentlich sollte ich jetzt also lernen. Eigentlich. Aber das Spiel lockte mich. Ich hatte schon die Hand ausgestreckt, um einzuschalten. Dann zögerte ich.

Doch erst Deutsch? Spielen?

Ich beschloss, ein wenig zu lernen und danach die Konsole anzuschalten.

Also nahm ich mir die Arbeitsblätter vor. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Es ging um Mediennutzung. Genauer gesagt um Tageszeitungen. Das kam mir so von gestern vor. Wer las denn so was noch?

Und außerdem musste ich ständig daran denken, was Cem über die alte Festung erzählt hatte. Irgendetwas hatte ich dort übersehen. Die Sache nagte an mir.

Drei Minuten später war ich in der Festung und suchte nach Hinweisen.

Hoffentlich hatte Cem mich nicht reingelegt. Als Spieler waren wir ja auch Konkurrenten. Manchmal kämpften wir gegeneinander. Manchmal miteinander. Manchmal wusste man gar nicht, wer Freund oder Feind war. Das war dann besonders heftig.

Nach einer Weile entdeckte ich eine Chipkarte. Sie lag in einer rostigen Konservendose.

Wie hatte ich die übersehen können? Am liebsten hätte ich in den Bildschirm geschlagen. Ich war so wütend, dass ich die Konsole ausstellte.

Okay, vergiss die Karte und mach jetzt Deutsch, redete ich mir zu.

Es gelang mir tatsächlich, an diesem Tag nicht mehr einzuschalten. Allerdings ging ich die Abläufe des Spiels in Gedanken immer wieder durch. Ich träumte sogar davon.

Und in meinem Traum war ich es selbst, der durch die Szenerien marschierte, rumballerte, Rätsel löste.

Lustig, ich war eine Spielfigur.

3

In den Pausen hing ich inzwischen öfter mit Helen rum.

„Denk an das Konzert“, sagte sie jedes Mal, wenn wir uns verabschiedeten.

Ich fand Helen nett. Manchmal ertappte ich mich dabei, wie ich vor mich hin grinste, wenn ich an sie dachte. Sie war lustig und sagte Dinge, über die ich lachen musste. Es gab nicht viele Mädchen, die das schafften. War ich in sie verliebt? Keine Ahnung. Auf jeden Fall war ich gern mit ihr zusammen.

Doch gerade hatte ich anderes im Kopf. Ich hatte es geschafft, zwei Tage lang nicht zu zocken. Ich hatte für Deutsch gelernt, ich hatte Hausaufgaben gemacht und ich hatte das Essen fertig, wenn meine Mutter von der Arbeit kam. Manchmal war eine Pause gar nicht so schlecht.