Castor Pollux 3 - Rafael Marques - E-Book

Castor Pollux 3 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Judäa, 36 n. Chr.
"Hört mich an, Samariter!", rief Hanikos, ein angesichts seiner ungewöhnlichen Größe auffälliger Mann. "Die Römer haben uns lange genug geknechtet. Ich bin Taheb, der Prophet, auf den unser Volk so lange gewartet hat, um dieses Land seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben.
Mein Geist wird euch zu dem heiligen Berg Garizim leiten, wo vor langer Zeit unser Tempel gestanden hat. Und noch länger ist es her, dass die fünf Bücher Mose dort ihren Platz gefunden haben - nicht auf dem Tempelberg in Jerusalem, wie die Juden es behaupten. Folgt mir auf den Gipfel, das Zentrum unserer Welt, denn dort werde ich sie euch zeigen, und mit ihnen finden wir die Kraft, die Römer zu besiegen."
Jubel brach aus, und Hanikos lächelte zufrieden, als er sah, dass ihm die aufgestachelte Menge zu folgen begann ...


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Seitenzahl: 142

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Inhalt

Cover

Titel

WIE WAR´S WIRKLICH?

Im Reich des Dämons

Fußnoten

Impressum

Die Verlorenen

von Rafael Marques

Judäa, 36 n. Chr.

»Hört mich an, Samariter!«, rief Hanikos, ein angesichts seiner ungewöhnlichen Größe auffälliger Mann. »Die Römer haben uns lange genug geknechtet. Ich bin Taheb, der Prophet, auf den unser Volk so lange gewartet hat, um dieses Land seinen rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben.

Mein Geist wird euch zu dem heiligen Berg Garizim leiten, wo vor langer Zeit unser Tempel gestanden hat. Und noch länger ist es her, dass die fünf Bücher Mose dort ihren Platz gefunden haben – nicht auf dem Tempelberg in Jerusalem, wie die Juden es behaupten. Folgt mir auf den Gipfel, das Zentrum unserer Welt, denn dort werde ich sie euch zeigen, und mit ihnen finden wir die Kraft, die Römer zu besiegen.«

Jubel brach aus, und Hanikos lächelte zufrieden, als er sah, dass ihm die aufgestachelte Menge zu folgen begann …

WIE WAR´S WIRKLICH?

In diesem Roman haben gleich zwei reale Figuren einen Auftritt. Der Prominentere von ihnen dürfte zweifelsfrei Pontius Pilatus sein. Er war im Jahr 26 zum Statthalter von Judäa ernannt worden und griff zehn Jahre später tatsächlich eine Gruppe von Samaritanern an, die sich auf dem Marsch zum heiligen Berg Garizim befand. Dafür und für zahlreiche andere Vorwürfe, darunter Bestechung, Raub und Grausamkeit, wurde er schließlich seines Postens enthoben.

Seinen Platz in der Weltgeschichte verdankt er einem einzigen von ihm geführten Gerichtsprozess: Er verurteilte einen gewissen Jesus von Nazareth zum Tode.

Ungleich weniger bekannt ist Gessius Florus, der wie im Roman als judäischer Statthalter fungierte und sich dabei wohl noch weniger als Pilatus durch diplomatisches Geschick und zurückhaltendes Auftreten auszeichnete. Im Frühjahr 66 ließ er den Tempelschatz von Jerusalem plündern, angeblich, weil Kaiser Nero nach dem großen Brand in Rom 64 Geld für den Wiederaufbau der Stadt benötigte. Was bei den Judäern verständlicherweise nicht gut ankam.

Dieser Vorfall soll eine der Ursachen für den jüdischen Aufstand 66 n. Chr. gewesen sein – neben der hohen Steuerlast für die Bevölkerung und religiösen Bewegungen wie den Zeloten, die durch die Anwesenheit der römischen Besatzungstruppen heiligen Boden entweiht sahen.

Spannungen dieser Art hatte es bereits zuvor immer wieder gegeben und die Region zu einem Pulverfass gemacht. Dem von Rom eingesetzten Vasallenkönig Herodes war es zwar lange gelungen, diese Spannungen zu entschärfen, unter anderem, indem er mit dem Ausbau des Tempels in Jerusalem eine der größten Anlagen dieser Art in der Antike überhaupt schuf. Doch Herodes starb 4 n. Chr., die Konflikte gärten weiter, bis sie sich Jahrzehnte später entluden.

Wie erwartet, ließen sich die Römer nichts gefallen. Nero beauftragte seinen Feldherrn Vespasian (der 69 selbst Kaiser wurde) mit der Niederschlagung des Aufstands. Es war jedoch nicht Vespasian selbst, sondern dessen Sohn Titus, der im Jahre 70 die Stadt zunächst belagerte und dann eroberte.

Dabei wurde der Tempel niedergebrannt und vollständig zerstört. Endgültig beendet wurden die Kämpfe drei Jahre später mit der Erstürmung der Bergfestung Masada, die bis dahin von den Zeloten verteidigt worden war.

Michael Schauer

Im Reich des Dämons

Nicht schon wieder – das war Pontius Pilatus’ erster Gedanke gewesen, als die Nachricht von einem weiteren ›Messias‹ an ihn herangetragen wurde, der einige hundert – einige Quellen sprachen sogar von weit über tausend – Männer, Frauen und sogar Kinder aus dem Volk der Samariter um sich versammelt hatte und nun dabei war, in Richtung des Berges Garizim zu ziehen. Welche Gefahr von einem Mann wie diesem Hanikos ausging, erlebte er tagtäglich, und obwohl der Anführer dieser jüdischen Sektierer nun schon vor einigen Jahren am Kreuz gestorben war, ließen sie sich einfach nicht ausrotten.

Mit müdem Blick und einem Becher voll Wein in der Hand stand er am Fenster seiner Villa und blickte hinaus auf die Stadt Jerusalem und den Tempel, der diesem Volk so heilig war. Pilatus waren und blieben die Traditionen der örtlichen Bevölkerung fremd, außerdem zeigte sie sich relativ widerstandsfreudig gegen die als Besatzer angesehenen römischen Truppen.

Besonders gut ließ sich das an einem Vorfall vor einigen Jahren festmachen, als er die Feldzeichen der Truppen und ein Abbild von Kaiser Tiberius in die Stadt hatte bringen lassen. Die Menschen hatten sich derartig darüber erzürnt, dass er schließlich gezwungen war, die Zeichen wieder aus der Stadt zu schmuggeln.

Obwohl der Rang eines Präfekten für ihn natürlich einen steilen Aufstieg innerhalb der römischen Gesellschaft darstellte und allein der Gedanke eine schwere Sünde war, verfluchte er den Kaiser innerlich dafür, ihn zum Nachfolger von Valerius Gratus ernannt zu haben, der angeblich bei einem Reitunfall ums Leben gekommen war. Wie gerne hätte er stattdessen von dem Landsitz seiner adligen Familie auf die Berge der Apenninen geblickt und sich an der Schönheit seiner Geliebten Juliana erfreut. Wenn nichts Außergewöhnliches geschah, würde er sie wahrscheinlich nie wiedersehen.

Pilatus vertrieb diese Gedanken wieder.

Er musste sich um das Hier und Jetzt kümmern, um den immer wieder aufkeimenden Widerstand der lokalen Bevölkerung, den er mit harter Hand niederzuschlagen pflegte. Ob religiöse Führer, Pilger oder Priester, immer wieder ließ er Legionäre aussenden, um den Menschen mit blutiger Hand vorzuführen, wer die wahren Herrscher dieser Welt waren.

»Präfekt?«

Die ungeduldige Stimme von Marcus Sorianus, dem Legaten der römischen Truppen in dieser hart umkämpften, rauen Provinz, ließ ihn verärgert die Mundwinkel verziehen. Zwar zog Pilatus ebenso wie er das Schwert jeder Feder vor, jedoch bedurften solche schwerwiegenden Entscheidungen einer gewissen Überlegungszeit, was ein junger Emporkömmling wie er nicht verstand. Nun, Marcus Sorianus war eben noch keine zehn Jahre im Amt, sondern erst wenige Monate.

Mit dem Becher in der Hand drehte er sich um und musterte den Befehlshaber, der ebenfalls aus einer wohlhabenden Familie stammte und angesichts seiner untersetzten, nicht gerade einem Legionär würdigen Statur bei seinen Soldaten relativ geringes Ansehen genoss. Diesen Mangel an Rückhalt versuchte er mit impertinenter Arroganz und Rücksichtslosigkeit auszugleichen.

»Es steht zweifellos fest, dass von diesem Zug in Richtung des Berges Garizim eine Gefahr ausgeht«, sah sich Pilatus genötigt, wieder das Wort zu ergreifen. »Keiner von uns kann ein Interesse daran haben, dass sich eine weitere Widerstandsbewegung entwickelt, immerhin haben wir bereits mit den Zeloten enorme Probleme. Nicht wahr, Legat?«

Pilatus genoss es, den wesentlich jüngeren Römer zu provozieren, dessen Kopf bei dieser Bemerkung bereits hochrot anlief. Hätte man ihn nicht gezwungen, seine Waffen bei den vor der Tür wartenden Wachen abzugeben, hätte er ihm wohl sein Schwert gegen die Kehle gedrückt. So blieb ihm nicht viel anderes übrig, als die Worte des Präfekten zu nehmen, wie sie kamen.

»Auch du hast ihnen bisher keinen Einhalt geboten«, presste Sorianus wütend hervor.

Pilatus hob die Schultern.

»Mag sein, aber ich bin Verwalter und kein Kämpfer. Jedenfalls bin ich nicht schon so lange Statthalter dieser Provinz, weil ich solchen Bedrohungen mit Milde und Nachsicht begegnet bin. Nein, wir müssen den Widerstand der Bevölkerung gnadenlos brechen, ein Zeichen setzen, und deshalb erwarte ich, dass du vier bis fünf Zenturien ausschickst, um dieses rebellische Treiben zu beenden. Schick so viele Reiter wie möglich aus! Niemand aus Hanikos’ Zug darf entkommen. Und bring mir den Kopf dieses falschen Propheten, denn sollte er entkommen, wird er sicher wieder versuchen, seinem Volk mit seinen Versprechungen von einem freien Judäa Hoffnung zu geben. Er soll ja von auffällig großer Erscheinung sein, deshalb dürfte es deinen Männern nicht schwerfallen, ihn aufzutreiben. Meinst du, du bist dieser Aufgabe gewachsen, Marcus Sorianus?«

Der Legat fixierte ihn mit seinem eisigen Blick.

»Deine Überheblichkeit wird eines Tages auch dein Untergang sein«, zischte er ihm zu. »Der Kaiser hat mit dir zehn wertvolle Jahre vergeudet. Aber gut, ich werde deinen Wunsch erfüllen und dir den Kopf dieses Mannes bringen.«

Im Stand fuhr Marcus Sorianus herum und stürmte aus dem Raum.

Pilatus scherte sich weder um seine Wut noch um die Worte des Legaten. In seiner langen Amtszeit hatte er schon zahlreiche Drohungen und Verwünschungen gehört, und nie war etwas passiert. Außerdem waren andere Dinge sowieso wichtiger – beispielsweise der Zug der Samariter, von dem bald nur noch blutige Reste zurückbleiben würden.

Selbst seine Legionäre zeigten sich von dem Gemetzel vor ihren Füßen entsetzt. Hier, am Fuße des Berges Garizim, hatte kein Kampf stattgefunden, sondern ein Massenmord.

Tiberius Paxus’ Einheit war aus der Ferne Zeuge geworden, wie die Reitergarden auf die knapp über tausend Samariter zugeritten waren und ihre Waffen auf die kaum Widerstand leistenden Männer, Frauen und Kinder niederfahren ließen. Erstere hatten sich tatsächlich mit Schwertern oder Speeren bewaffnet, die meisten Opfer der Soldaten waren dagegen völlig wehrlos gewesen. Trotzdem waren kurz darauf noch mehrere Hundertschaften auf sie zugestürmt und hatten so lange auf sie eingeschlagen, bis sich auf dem trockenen Boden nichts mehr bewegt hatte.

»Bei den Göttern«, murmelte ein Optio, in dessen bleiches Gesicht blanker Schrecken gemeißelt war.

Jeder von Tiberius’ Männern war es gewöhnt, sich auf Schlachtfeldern und im Kampf Mann gegen Mann zu bewähren, doch was in den letzten Jahren in Judäa geschah, hatte mit normaler Kriegsführung nichts mehr zu tun.

Natürlich lag es im Ermessen Roms, ihre neueroberten Provinzen gegen äußere und innere Feinde zu verteidigen. Mit weiteren derartigen Gräueltaten stachelte man den Widerstand allerdings eher noch an, statt ihn im Keim zu ersticken. Die Zeloten, diese paramilitärische jüdische Widerstandsgruppe, machte den Truppen nun schon seit einiger Zeit zu schaffen, und wenn die Kunde von diesem Massaker in den umliegenden Orten Einzug hielt, würden sie sicherlich weiteren Zulauf erhalten.

Wäre es nach Tiberius Paxus gegangen, hätte sein gleichnamiger Kaiser den Präfekten längst abberufen. Leider war er nur ein Zenturio, wenn auch ein hochrangiger in den Truppen des Marcus Sorianus, sonst hätte dieser ihn nicht mit der heiklen Aufgabe betraut, Hanikos, den Anführer des Samariter-Zuges, aufzuspüren und seinen Kopf sicherzustellen.

Sein erster Verdacht, dass sich sein Leichnam unter den leblosen Körpern seiner niedergemetzelten Anhänger befinden könnte, bestätigte sich nicht. Einerseits litt dadurch die Moral der halben Zenturie, die ihm für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt wurde, zumindest bei jenen, die dem Blutbad nicht völlig stoisch gegenüberstanden. Andererseits wäre sein Auftrag dadurch auch schon zu leicht erfüllt gewesen.

Tiberius Paxus sah zum Gipfel des Garizim hinauf. In knapp dreihundert Fuß Höhe breitete sich ein flaches, waldloses, wenngleich felsiges Plateau aus, das von den Einheimischen normalerweise gemieden wurde. Die Samariter sahen diesen Berg als heilig an, weil dort oben vor langer Zeit einmal ihr wichtigster Tempel gestanden hatte.

Dem widersprechend, erzählten sich andere düstere Geschichten von finsteren Gestalten, die dort oben ihr Unwesen getrieben haben sollen und immer noch trieben. Angesichts dessen verwunderte es den Zenturio umso mehr, dass Hanikos all die Menschen überzeugen konnte, ihn ausgerechnet an diesen Ort zu folgen.

»Seht, dort oben«, rief einer der Legionäre, hob seinen Gladius an und deutete mit der Spitze auf einen Punkt etwa in halber Höhe vom Gipfel. Bisher hatte der Zenturio die Gestalt nicht bemerkt, die dort mit flinken Schritten an knöchernen Bäumen und bleichen Felsen vorbei den Hang empor eilte, als wären die Götter persönlich hinter ihm her. Das musste Hanikos sein, zumindest passte die Größe zu seiner Beschreibung.

Tiberius Paxus riss seinen Gladius in die Höhe.

»Da ist er«, machte er auch die anderen Legionäre auf den Fliehenden aufmerksam. »Holt ihn euch!«

Das Geschrei der römischen Soldaten trieb Hanikos dazu an, seine Schritte noch weiter zu beschleunigen. Er holte alles aus seinem schlanken Körper heraus, ohne Rücksicht darauf, dass er längst an seine Grenzen gekommen war. Immerhin ging es hier um nichts weniger als sein Leben, denn wenn die Römer ihn in die Hände bekamen, würde selbst der Tod eine Gnade für ihn bedeuten. Erst würde man ihn zur Schau stellen, dann foltern und quälen, bis er so weit gebrochen war, dass er als menschliche Hülle in einem dunklen Verlies verrotten würde.

In früheren Zeiten hätte er vielleicht eingesehen, dass er genau dieses Schicksal verdiente. Keiner seiner gnadenlos abgeschlachteten Anhänger hatte an seinen aufrührerischen Worten gezweifelt, schließlich wartete sein Volk schon so lange auf Erlösung von der Unterdrückung der westlichen Invasoren. Insofern war es ihm ein Leichtes gewesen, sie davon zu überzeugen, der lange erwartete Taheb zu sein, ein legendärer Prophet, der am Ende aller Tage erscheinen und die Toten zum Leben erwecken sollte – in diesem Fall, um gegen die Römer zu Felde zu ziehen.

Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass genau dies sein Plan gewesen war. Doch Hanikos war kein Prophet, sondern ein Diener einer finsteren Macht, wenngleich er durchaus eherne Ziele verfolgte. Die Samariter waren zu schwach, die Juden ebenso, und die Anhänger jenes Religionsstifters, der vor einigen Jahren von Pontius Pilatus ans Kreuz genagelt worden war, würden ihre Feinde auch nicht zu Fall bringen.

Hanikos dagegen war einen anderen Weg gegangen, und wenn sein Plan aufgegangen wäre, hätte er seine Jünger nicht mehr als Menschen, sondern als dämonische Wesen gegen die Römer in die Schlacht geführt.

Dieser Traum war zerplatzt wie eine Seifenblase. Nun ging es nur noch darum, dass wenigstens seine Bemühungen gewürdigt wurden und er Schutz vor seinen Häschern fand.

Die Legionäre waren um einiges athletischer als er und stürmten brüllend den Hang hinauf, während er selbst weiter in Richtung Gipfel hastete. Immer wieder riss er sich die nackten Fußsohlen an scharfen Felsen auf oder spürte, wie ein Ast eines alten Baumes über sein Gesicht fuhr. Von seiner Konstitution her war er den Römern hoffnungslos unterlegen. Seine einzige Chance war, vor ihnen den Gipfel zu erreichen.

Der Gedanke an das, was dort oben auf ihn wartete, gab ihm neue Kraft. Was hatte er sich von seinen Eltern, insbesondere seinem Vater Isaak, alles anhören müssen, als er ihnen seine Pläne offenbart hatte. Dessen Warnungen vor den Mächten der Finsternis waren verhallt, und beinahe wäre Hanikos der endgültige Triumph gelungen. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass die Römer längst auf ihn aufmerksam geworden waren und so gnadenlos zuschlagen würden. Vielleicht war er zu naiv gewesen.

»Ihr kriegt mich nicht«, feuerte er sich selbst an. »Weiter! Weiter!«

Die wütenden Schreie der Legionäre schwollen immer weiter an, gleichzeitig tanzten bereits Sterne vor seinen Augen. Obwohl längst etwas Fremdes in ihm steckte, war er immer noch ein Mensch geblieben, mit all seinen Schwächen, die er in Zukunft zu überwinden gedachte. Und mit seinem neuen, mächtigen Verbündeten würde ihm das auch gelingen.

Hanikos schnaufte, als er bemerkte, dass das Gelände deutlich abflachte.

Erste Grundmauern rückten in sein Blickfeld, Spuren der menschlichen Besiedelung des Plateaus, die vor langer Zeit ihr Ende gefunden hatte. Nicht einmal seine Großeltern waren jemals hier oben gewesen, weil sie den Berg für so heilig ansahen, dass niemand ihn betreten durfte. Jedenfalls nicht, seit der große Tempel der Samariter hier zerstört worden war. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich jedoch auch von dunklen Geschöpfen, die seitdem über das Plateau herrschten, weshalb die Menschen aus nah und fern einen großen Bogen um diesen Ort machten.

»Holt ihn euch!«, hörte er einen Römer hinter sich rufen, gefolgt von dem Gebrüll der Legionäre.

Hanikos hingegen keuchte und ächzte, da er spürte, wie ihn die Kräfte verließen. Gleichzeitig nahm er auch die mächtige Ausstrahlung einer ihm nur allzu bekannten Kraft wahr, die sich seit langer Zeit hier oben gefestigt hatte und nun sehnlichst die Ankunft ihres Dieners erwartete. Nur würde sie nicht die ihr versprochenen Opfer erhalten, jene verblendeten Menschen, die ihm gefolgt waren.

»Vergib mir«, murmelte er mit bebender Stimme. »Ich habe alles getan, was du mir aufgetragen hast. Nichts wäre mir lieber gewesen, als dein Heer in den Kampf gegen die Römer zu schicken.«

Ob seine Worte gehört wurden, sah und hörte er nicht, dafür erblickte er bald den sich in einer Kuhle erhebenden Monolithen. Der pechschwarze Gesteinsblock reckte sich mehr als zehn Fuß in die Höhe und stand dort wie ein stummes, finsteres Mahnmal einer längst vergangenen Zeit.

Selbst jemand, der nicht so dachte wie Hanikos, musste spüren, dass in dem offenbar bearbeiteten, glatt geschliffenen Stein mehr steckte, als es nur den Anschein machte. Die finsteren Kräfte waren geradezu greifbar, und der hochgewachsene Mann nahm sie mit jeder Faser seines Körpers wahr.

Seine Kräfte schwanden immer mehr, während er den Hang hinabtaumelte. Inzwischen befand er sich nur noch wenige Schritte von dem schwarzen Monolithen entfernt und sah sich bereits über seine ungewöhnlich glatte, spiegelnde Oberfläche streichen. Dieses Bild zerriss schlagartig, als er einen unheilvollen Luftzug vernahm und spürte, wie sich etwas mit brachialer Gewalt durch seinen Rücken bohrte.

Ein Röcheln entwich seinem Mund, als er die metallische Speerspitze sah, die gerade durch seinen Bauch drang. Die folgenden Schmerzen raubten ihm den Verstand. Seine Knie gaben nach, dennoch gelang es ihm, zwei weitere Schritte nach vorne zu taumeln, bis er mit den ausgestreckten Armen gegen die Oberfläche des Gesteinsblockes stieß. Zu seiner Überraschung versanken seine Hände in dem sich offenbar verflüssigenden Monolithen, und da er sich längst nicht mehr aus eigener Kraft auf den Beinen halten konnte, stürzte er mit seinem gesamten Körpergewicht in die schwarze Masse hinein. 

Tiberius Paxus selbst hatte den Wurfspeer geschleudert und zufrieden festgestellt, dass sein schon während seiner Ausbildung erkanntes Talent für diese spezielle Technik nicht verloren gegangen war. Sein Lächeln gefror jedoch, als er sah, dass Hanikos nicht einfach zusammenbrach, sondern in den seltsamen Monolithen hineinkippte. Außer einigen am Boden verstreuten Blutstropfen blieb nichts von ihm übrig.