Castor Pollux 7 - Rafael Marques - E-Book

Castor Pollux 7 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Sein schwarzer Mantel flatterte im Wind, als er die Reiter beobachtete, die ihre Pferde durch das Waldstück trieben. Der Duft von Blut lag bereits in der Luft, obwohl noch kein Mensch zu Schaden gekommen war.
In der Nähe existierte ein großes Landgut, das von einem reichen Römer bewirtschaftet wurde. Dort lag das Ziel der Banditen. Noch waren sie zu weit entfernt, als dass die Bewohner etwas von dem nahenden Unheil geahnt hätten.
Sobald sich Feuer und Rauch gelegt hatten und die letzten Schreie der Sterbenden verklungen waren, würde er das Schlachtfeld betreten und seine Aufgabe erfüllen, wie er es schon seit sehr langer Zeit tat. Vielleicht heute zum letzten Mal ...

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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Titel

Der Rächer

… UND IM NÄCHSTEN ROMAN LESEN SIE:

Fußnoten

Impressum

Der Rächer

von Rafael Marques

Sein schwarzer Mantel flatterte im Wind, als er die Reiter beobachtete, die ihre Pferde durch das Waldstück trieben. Der Duft von Blut lag bereits in der Luft, obwohl noch kein Mensch zu Schaden gekommen war.

In der Nähe existierte ein großes Landgut, das von einem reichen Römer bewirtschaftet wurde. Dort lag das Ziel der Banditen. Noch waren sie zu weit entfernt, als dass die Bewohner etwas von dem nahenden Unheil geahnt hätten.

Sobald sich Feuer und Rauch gelegt hatten und die letzten Schreie der Sterbenden verklungen waren, würde er das Schlachtfeld betreten und seine Aufgabe erfüllen, wie er es schon seit sehr langer Zeit tat. Vielleicht heute zum letzten Mal …

Der Rächer

Spurius Tomalus ließ seine Finger durch die fülligen schwarzen Haare der Sklavin gleiten, die ohne eine Faser am Leib neben ihm in seinem Gemach lag und sich eng an ihn schmiegte. »Amalia«, flüsterte er. Er wusste, dass sie das nicht aus Pflichtbewusstsein tat, dazu war die aus Germanien stammende Frau viel zu stolz, sondern weil sie ihn wirklich liebte.

Und diese Liebe war es auch, die ihn in all den schweren Zeiten am Leben hielt.

Heiraten würden sie niemals können, das verboten die Standesregeln, auch wenn das für ihn nichts bedeutete. Sie war die Frau an seiner Seite, das wusste jeder auf dem Hof, selbst wenn sie weiterhin die normalen Tätigkeiten einer Sklavin übernahm. Seit dem Tod seiner Frau vor vielen Jahren war sein Denken allein auf die Geschäfte fokussiert gewesen, auf den Handel mit Häusern und Grundstücken, durch den er zeitweise zu einem gewissen Vermögen gelangt war.

Andererseits hatte ihn seine Versessenheit darauf, immer reicher zu werden, irgendwann fast in den Ruin getrieben. Inzwischen fuhr das Schiff seines Lebens wieder durch ruhigere Gewässer, und mit Amalia an seiner Seite sollte das hoffentlich noch lange so bleiben.

In dieser Nacht wollte er dennoch keine Ruhe finden, weshalb er mit offenen Augen auf der Matratze lag, während Amalias Kopf auf seiner Brust ruhte. Mit der wunderschönen Sklavin hatte sein Zustand nichts zu tun, eher mit einem Mann namens Pius Maximus, einem sogenannten Freund, dem er eine hohe Summe schuldete und der dieses Geld so bald wie möglich zurückerhalten wollte.

Dazu war er im Moment jedoch nicht in der Lage, weshalb er ihn um Aufschub oder wenigstens eine Ratenzahlung gebeten hatte.

»Entweder ganz oder gar nicht«, war Pius Maximus’ Antwort gewesen, und insbesondere die Betonung des zweiten Satzteils jagte ihm immer noch einen Schauer über den Rücken.

Vorsichtig drückte der achtundvierzigjährige Geschäftsmann Amalias Kopf zur Seite und bettete ihn sanft auf das Kissen.

»Träum schön weiter, meine Liebe«, flüsterte er und richtete sich auf.

Im durch den Vorhang sickernden Mondschein blickte er auf seinen Körper hinab. Das ruhige Leben auf dem Land trug nicht eben dazu bei, dass er eine Statur wie ein Kämpfer besaß, andererseits, so übergewichtig wie manch anderer Händler oder Senator war er auch nicht geworden. An der linken Brust zeichnete sich eine Narbe ab, die noch aus seiner Kindheit stammte, von einem Streit, der seinem Leben beinahe ein jähes Ende gesetzt hätte.

Seine Erinnerungen brachen ab, als von den nahen Feldern aus lautes Hufgetrappel durch das Fenster zu dringen begann. Reiter, so spät in der Nacht? Er dachte an eine Gruppe Soldaten auf der Durchreise, doch so nahe, wie sie seinem Landgut gekommen waren, erschien ihm das eher seltsam.

Als er an das Fenster trat und den Vorhang zur Seite schob, gefror sein Blut zu Eis.

Die Gestalten, die sich seinem Hof näherten, waren ganz sicher keine Soldaten. Ihm kamen sie eher wie Ausgeburten aus Plutos Unterwelt vor, die in dieser Nacht losgeschickt worden waren, um Unheil über die Menschen zu verbreiten.

Er sah Schwerter, Äxte und Armbrüste, ebenso lodernde Fackeln, die die wie Geister erscheinenden Männer wild lachend hin und her schwenkten und bereits auf Heuhaufen, Pferdefuhrwerke und das gelagerte Holz schleuderten.

Eine schier endlos lange Zeit stand Spurius stumm am Fenster und starrte auf die Reiterschar, statt seine Sklaven und Angestellten zu warnen. Zu überrascht und geschockt war er, dass dies wirklich geschah. Es gab keinen Grund, warum ihn eine Gruppe Söldner oder gedungener Mörder heimsuchen sollte, es sei denn, es hing mit Pius Maximus’ Kredit zusammen.

Ja, so musste es sein. Dieser Halsabschneider war mit seiner Antwort und der Bitte um Aufschub nicht zufrieden gewesen und wollte sich auf diese Weise sein Geld zurückholen. Vielleicht hätte er es längst wissen und seine Konsequenzen ziehen sollen.

Schon hallten erste Schreie durch das Landgut, ebenso das Brechen von Glas und Holz und das typische Knistern auflodernder Flammen. Wenn er nicht bald etwas tat, würde er diese Nacht nicht überleben, denn dass Pius Maximus’ Helfer nur sein Vermögen mitnehmen und ihn verschonen würden, glaubte er nicht. Er war nicht nur Zeuge, sondern auch der Einzige, der die Angreifer mit ihm in Verbindung bringen konnte.

»Amalia!«, schrie er schließlich, während er sich eilig eine Tunika überzog. »Wach auf, wir müssen weg! Schnell!«

Die Sklavin fuhr in die Höhe, schien aber noch nicht ganz bei Sinnen zu sein, so benommen, wie sie ihn in diesen Momenten anstarrte. Ihr Mund öffnete sich, ohne dass ein Ton über ihre Lippen drang, was auch gar nicht möglich war.

Sie war stumm, warum, darüber wollte sie sich trotz seiner steten Nachfragen nicht äußern. Es musste sich um ein schlimmes Trauma handeln, das sich auf keinen Fall in dieser Nacht wiederholen durfte, weshalb er ihr in wenigen Worten die Situation erklärte und sie so dazu brachte, ihr Kleid überzuziehen.

Obwohl er nie selbst in einer Schlacht gekämpft oder wenigstens in der Armee gedient hatte, riss er ein Schwert von der Wand und eilte zu einem mannshohen Spiegel, hinter dem sich ein Geheimgang verbarg. Er schob ihn zur Seite und öffnete so den Zugang zu dem dunklen Schacht. Eine Wendeltreppe führte in die Tiefe und in einen Tunnel unter der Erde.

Eilig entzündete er zwei Öllampen und übergab Amalia eine. Spurius kannte den Tunnel nicht nur aus der Beschreibung der Vorbesitzer, er war ihn in der Vergangenheit auch schon einige Male abgegangen, um sicher zu sein, dass er nicht in eine Sackgasse führte.

»Komm, schnell!«, trieb er seine Geliebte an, die Stufen hinabzueilen, während er erneut nach dem Spiegel griff, um den Zugang wieder zu verschließen. Wenn seine Verfolger in sein Gemach eindrangen, würden sie niemals seinen Fluchtweg bemerken. Zumindest hoffte er das.

Die Luft in dem Treppenschacht war nicht nur eiskalt, sondern auch schwer zu atmen. Die Öllampen, die Amalia und er mit sich führten, leuchteten ihnen nicht nur den Weg aus, sondern dienten auch dazu, festzustellen, ob die Luft noch atembar war. Erlosch die Flamme, mussten sie sich umso mehr beeilen, wollten sie nicht an diesem düsteren Ort den Tod finden.

Spurius war überrascht, wie ruhig und gefasst er das Geschehen hinnahm. Das Krachen und die fernen Schreie waren noch längst nicht verklungen, trotzdem dachte er an nichts anderes als an sein Leben und das seiner Geliebten. Vielleicht betäubte ja der Schock seine Gefühle, sonst müsste er sich der harten Realität stellen, dass sein Leben vorbei war, egal ob sie der Fluchttunnel in die Freiheit führte oder nicht.

Mit dem Hof wurde gerade seine gesamte Existenzgrundlage zerstört, sein Lebenswerk. Sein Vermögen war hier versteckt, und wenn es den Angreifern in die Hände fiel oder verbrannte, besaß er nichts mehr außer das Wenige, das er am Leibe trug.

Auch Amalia blieb äußerlich ruhig, wenn man einmal davon absah, dass sie darauf bedacht gewesen war, von ihm überholt zu werden, um immer nah an seinem Rücken zu laufen. Da sie nicht sprach, wusste er nur aus ihren Gebärden und auf Wachstäfelchen niedergeschriebenen Aussagen, dass sie in ihrem Leben schon einiges mitgemacht hatte. Niemand wurde freiwillig versklavt, und bis Frauen auf den Märkten verkauft wurden, erlebten sie Dinge, über die Spurius gar nicht so viel erfahren wollte.

Längst waren sie in einem langen gemauerten Tunnel unterwegs, in den seit seinem letzten Besuch Wasser eingedrungen war. Das Rinnsal behinderte sie allerdings nicht bei ihrer Flucht, auch nicht die Ratten, die sich fiepend in Deckung brachten und in ihren Löchern verschwanden. Da der Himmel sich in dieser Nacht fast wolkenfrei zeigte, genügte das Sternenlicht, um bereits die Umrisse der Tür am Ende des Stollens aus der Dunkelheit zu reißen.

»Bleib immer hinter mir«, zischte Spurius, als sie sie erreichten.

Da er befürchtete, ihre Feinde könnten sie auf der anderen Seite bereits erwarten, hielt er das Schwert schlagbereit. Obwohl er wahrlich kein Kämpfer war, würde er sein Leben und das seiner Geliebten so teuer wie möglich verkaufen.

Als er die morsche Tür aufriss, atmete er auf. Der Tunnel wurde von einigen Wurzeln bedeckt, die von am Hang wachsenden Bäumen stammten. Offenbar war der Mörderbande dieser Fluchtweg nicht bekannt, sodass Amalia und ihm nichts geschah, als sie ins Freie traten und den kleinen Bach erreichten, der hinter seinem Landgut durch ein schmales Tal floss.

Ein unterdrückter Schrei ließ ihn herumfahren.

Amalia stand auf einem großen Felsen, hielt die Arme vor der Brust über Kreuz und weinte bitterlich. Die ganze Zeit über war Spurius so in Gedanken versunken gewesen, dass das wahre Geschehen immer mehr zurückgedrängt worden war.

Jetzt aber, da er sich sicher war, dass ihnen noch rechtzeitig die Flucht gelungen war, wurde ihm das ganze Ausmaß der Katastrophe bewusst. Sein Landgut, auf dem er seinen Lebensabend in Ruhe verbringen wollte, stand komplett und lichterloh in Flammen. Vor seinem geistigen Auge formten sich schreckliche Bilder von dem, was mit den anderen Bewohnern des Hauses geschehen war, etwa mit seiner Nichte, die vom Tod ihres Mannes traumatisiert in einem Nebengebäude lebte und die er nur selten sah, weil sie sich sehr zurückzog.

Wenn sie Männern wie diesen grobschlächtigen Gestalten in die Hände gefallen war …

»Pius Maximus«, stieß Spurius hasserfüllt hervor, sank in die Knie und grub seine Finger in die feuchte Erde. Zu gerne hätte er sein Schwert genommen und es diesem falschen Freund in den Hals gerammt, immerhin hätte er ebenso sterben sollen wie alle anderen auf dem Hof. Gleichzeitig wurde er sich in diesen Momenten seiner eigenen Ohnmacht bewusst, denn es gab nichts, was er noch tun konnte. Sein Vermögen war verbrannt, sein Heim ebenso und mit ihm alle Unterlagen, die auf den Kredit des Geschäftsmannes hinwiesen.

Nichts, absolut gar nichts würde er tun können, um Pius für seine Verbrechen zu bestrafen …

Als Spurius Tomalus eine Stunde später zu den Ruinen seines Landgutes zurückkehrte, war er ein gebrochener Mann. In der Zeit, in der er hilflos aus der Entfernung mitansehen musste, wie sein Lebenswerk nach und nach ein Raub der Flammen wurde, war ihm erst so richtig bewusst geworden, dass von diesem Punkt aus kein Weg mehr in die Zukunft führte.

Obwohl er noch atmete und nicht von diesem Mörderpack getötet worden war, gab es für ihn nichts mehr zu tun. Er besaß kein Geld, um den Hof wiederaufzubauen, keine Freunde, mit deren Hilfe er irgendwo eine neue Existenz hätte starten können, und er war sowieso zu alt, um noch einmal von vorne anzufangen. Er hätte wohl gar nicht erst fliehen und sich lieber seinem Schicksal ergeben sollen.

Mit müden Schritten bewegte er sich durch die lodernden Trümmer, die von dem prachtvollen Anwesen übriggeblieben waren. Einige Säulen und Außenwände standen noch, überraschenderweise war sogar die Scheune relativ unversehrt geblieben, das Nebengebäude hingegen war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Überall fand er Leichen, was ihm nur noch einmal mit aller Deutlichkeit vor Augen führte, dass die Angreifer keine Zeugen für ihre schändliche Tat hinterlassen wollten.

Trotz der Tatsache, dass er ihnen entkommen war, waren die Männer schließlich abgezogen. Hier gab es sowieso nichts mehr zu holen, weder für sie noch für ihn. Von einem Moment zum anderen war sein Glück zerstört worden, von einem Mann, der einmal sein Freund gewesen war.

Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass Pius nicht allein gewesen war. Auch andere waren an dem Kredit beteiligt gewesen, auch ein ehrbarer Senator, ein Freund, von dem er dies zumindest immer angenommen hatte. Wie man sich doch in Menschen täuschen konnte.

Bald schon legte sich über die Ruine eine bedrückende Stille, die lediglich von dem Knistern der wenigen noch lodernden Flammen durchbrochen wurde. Was aus Amalia geworden war, sah Spurius nicht, dafür war er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Verzweifelt versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen, eine Idee, mit der er seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen könnte.

Leider fiel ihm nichts ein.

Wenn er selbst Pius aufsuchte, um ihm mit dem Schwert den Schädel zu spalten, würde er es nicht einmal an der ersten Wache vorbeischaffen. Und wenn er versuchte, der Mörderbande auf die Spur zu kommen, lief er zwangsläufig gegen Wände. Er kannte weder Namen noch Gesichter, was also hätte er den Behörden sagen sollen?

»Du hast alles verloren, oder?«

Spurius zuckte zusammen. Die fremde Männerstimme war quasi aus dem Nichts aufgeklungen, und obwohl er den Sprecher nicht sah, rann ihm ein Schauer über den Rücken. Etwas an dem Timbre gefiel ihm nicht, es hörte sich fremd an, nicht wirklich menschlich.

Wieso ihm ein derartiger Gedanke kam, wusste er selbst nicht so genau.

Ängstlich blickte er auf und stellte schnell fest, dass er nicht mehr allein war. Wenige Fuß von ihm entfernt, vor einem emporragenden Mauerrest, stand eine unheimliche Gestalt mit kreidebleicher Haut und haarlosem Schädel. Bekleidet war der Fremde mit einer schwarzen Tunika, über der er einen ebenso schwarzen Mantel trug.

Was tat ein solcher Mann mitten in der Nacht in den Überresten eines verbrannten Hauses?

Spurius erinnerte sich noch sehr gut an die Szene, als die Reiterschar in Richtung seines Landgutes galoppiert war. Gesichter hatte er keine erkannt, wohl aber die Köpfe der Angreifer, und einer wie er wäre ihm dabei sicher aufgefallen. Wenn er also nicht zu Pius Maximus’ Helfern gehörte, musste es sich um jemanden handeln, der einsam durch die Gegend streifte. Wie ein Landstreicher sah er allerdings nun wirklich nicht aus, seine Kleidung wirkte edel, wenn auch ein wenig unheimlich.

»Dir ist nichts mehr geblieben, nicht wahr?«, hakte der Fremde nach. »Der Tod liegt in der Luft, der Geruch nach verbranntem Fleisch, auch die Schreie der verlorenen Seelen, denen kurz vor ihrem Ende Schreckliches widerfahren ist. Sie flehen um Erlösung, gleichzeitig spüre ich auch ihren Wunsch, Rache an all jenen zu nehmen, die für diese grausame Tat verantwortlich sind. Ist es nicht auch das, nach dem dir der Sinn steht? Möchtest du nicht die Männer dafür bezahlen lassen, die dir das angetan haben – und jene, die den Auftrag dafür erteilten?«

»Woher weißt du …?«, entfuhr es Spurius, der überrascht in die Höhe fuhr. Selbst wenn dieser Kerl nicht an dem Angriff direkt beteiligt gewesen war, musste er mit ihm in Verbindung stehen, denn außer Pius, seinen Freunden und ihm selbst wussten nur die mordenden Söldner von den Hintergründen dieses Angriffs.

»Ich habe es in deinen Gedanken gelesen.«

Spurius wich einen Schritt zurück.

Seltsamerweise dachte er gar nicht daran, dass der Fremde ihn nur auf den Arm nehmen könnte. Seine Worte waren mit einer solchen Überzeugung gewählt, dass sie einfach der Wahrheit entsprechen mussten. Zudem sprach sein Auftreten allein schon dafür, dass es sich bei dem Mann mit der totenbleichen Haut nicht um einen normalen Menschen handelte, sondern um ein übernatürliches Wesen. Vielleicht sogar um einen Sendboten der Götter, die dieses Unrecht nicht mitansehen konnten.

»Wer bist du?«, fragte Spurius leise.

»Nenn mich Gabriel.«

Der Geschäftsmann nickte.

»Also, Gabriel, sag mir, warum du gekommen bist! Ich habe das Gefühl, dass du nicht zufällig hier aufgetaucht bist, um mir das alles zu sagen.«

Wie ein Büßer senkte der Glatzköpfige seinen Kopf.

»Es stimmt, es ist kein Zufall. Ich bin den Fanalen des Todes gefolgt, die bereits Stunden zuvor erklangen und davon kündeten, dass sehr bald großes Unheil über die Menschen an diesem Ort kommen würde. Meine Aufgabe in dieser Welt ist es, Unrecht abzugelten und den Opfern schändlicher Taten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Deshalb möchte ich dir ein Geschäft vorschlagen: Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen, aber mein Preis ist hoch.«

»Du wirst …«, ächzte Spurius, ballte die Hände zu Fäusten und fletschte die Zähne.

In seinen Gedanken sah er sich selbst dabei, wie er Pius und den anderen auflauerte und ihnen mit eigenen Händen die Hälse umdrehte, um sie all jene Schmerzen spüren zu lassen, mit denen er in diesen Stunden kämpfte.

Schließlich seufzte er, schloss die Augen und senkte die Schultern.

»Ich bin bereit, jeden erdenklichen Preis zu zahlen«, erklärte er.

»Nichts anderes habe ich von dir erwartet.«

Es überraschte ihn, dass Gabriel seinen Preis nicht nannte. Stattdessen löste der Fremde sich von seiner Position und wandelte geschmeidig zwischen den Trümmern hindurch, ohne dabei auch nur das leiseste Geräusch zu verursachen. Dass es sich bei Gabriel nicht um einen Geist handelte, sondern um ein Wesen aus Fleisch und Blut, erfuhr Spurius erst, als er eine Hand auf seine linke Wange legte. Etwas rieselte durch seinen Körper, ein merkwürdiges Gefühl, das er nicht in Worte zu fassen vermochte.

Nach der kurzen Berührung wich Gabriel zurück, ging vor ihm in die Hocke und nahm etwas von der verbrannten Erde in die Hand. Wie ein Tier schnüffelte er daran, schleuderte sie zur Seite und blickte zu ihm auf. Jetzt, aus der Nähe betrachtet, fiel Spurius auf, dass die Pupillen seiner Augen fast völlig weiß waren. Was er von ihnen erkannte, schien mit der Spitze eines Messers in die Augäpfel geritzt worden zu sein.