Caterpillar Cop - James McClure - E-Book

Caterpillar Cop E-Book

James McClure

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Unionsverlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Jonathan hat sich sein erstes Rendezvous mit Penny anders vorgestellt. Kaum kommen sie sich näher, spürt er die Blicke eines Beobachters. Wutentbrannt stürmt er los, um dem vermeintlichen Spanner eine Lektion zu erteilen. Doch als er ihn hervorzerrt, sackt dieser zusammen: Der Unterleib ist blutüberströmt. Lieutenant Tromp Kramer erfährt, dass es sich bei dem Toten um den 12-jährigen Boetie handelt, der mit einem Draht erdrosselt und erbarmungslos verstümmelt wurde. Nun beginnt für Kramer und Sergeant Zondi eine intensive Zeit der Investigation. Ein grausamer Mord an einem Kind – das ist auch für die beiden erfahrenen Ermittler ein harter Brocken. Zudem sitzt ihnen der neue Colonel höchstpersönlich im Nacken; genauso wie die Witwe Fourie, Mutter von vier Kindern.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 368

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch

Ein 12-Jähriger wird tot aufgefunden. Erdrosselt mit einem Draht, grausam verstümmelt. Der Akt eines Pädophilen? Auf dem Grundstück des Golfclubs, Spielfeld der reichen Weißen? Für Kramer und Zondi beginnt eine intensive Zeit. Ein grausamer Mord an einem Kind – das ist auch für die beiden erfahrenen Ermittler ein harter Brocken.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

James McClure (1936–2006) lebte in Südafrika, bis er 1965 nach England zog. Seine Krimiserie rund um das Ermittlerduo Kramer und Zondi schildert die Jahre der Apartheid. Steam Pig wurde 1971 mit dem CWA Gold Dagger ausgezeichnet.

Zur Webseite von James McClure.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

James McClure

Caterpillar Cop

Südafrika-Thriller

Aus dem Englischen von Erika Ifang

Kramer & Zondi ermitteln (3)

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

HINWEIS: Ihr Lesegerät arbeitet einer veralteten Software (MOBI). Die Darstellung dieses E-Books ist vermutlich an gewissen Stellen unvollkommen. Der Text des Buches ist davon nicht betroffen.

Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 1 Dokument

Die Originalausgabe erschien 1972 unter dem Titel The Caterpillar Cop im Verlag Victor Gollancz Ltd, London.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1975 unter dem Titel Ein vorwitziges Kind im Scherz Verlag, Bern.

Für die vorliegende Ausgabe wurde die deutsche Übersetzung nach dem Original durchgesehen.

Originaltitel: The Caterpillar Cop (1972)

© by The Estate of James McClure 1972

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Paula Vogg

Umschlaggestaltung: Heike Ossenkop

ISBN 978-3-293-30968-5

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 22.06.2022, 02:16h

Transpect-Version: ()

DRM Information: Der Unionsverlag liefert alle E-Books mit Wasserzeichen aus, also ohne harten Kopierschutz. Damit möchten wir Ihnen das Lesen erleichtern. Es kann sein, dass der Händler, von dem Sie dieses E-Book erworben haben, es nachträglich mit hartem Kopierschutz versehen hat.

Bitte beachten Sie die Urheberrechte. Dadurch ermöglichen Sie den Autoren, Bücher zu schreiben, und den Verlagen, Bücher zu verlegen.

http://www.unionsverlag.com

[email protected]

E-Book Service: [email protected]

Unsere Angebote für Sie

Allzeit-Lese-Garantie

Falls Sie ein E-Book aus dem Unionsverlag gekauft haben und nicht mehr in der Lage sind, es zu lesen, ersetzen wir es Ihnen. Dies kann zum Beispiel geschehen, wenn Ihr E-Book-Shop schließt, wenn Sie von einem Anbieter zu einem anderen wechseln oder wenn Sie Ihr Lesegerät wechseln.

Bonus-Dokumente

Viele unserer E-Books enthalten zusätzliche informative Dokumente: Interviews mit den Autorinnen und Autoren, Artikel und Materialien. Dieses Bonus-Material wird laufend ergänzt und erweitert.

Regelmässig erneuert, verbessert, aktualisiert

Durch die datenbankgestütze Produktionweise werden unsere E-Books regelmäßig aktualisiert. Satzfehler (kommen leider vor) werden behoben, die Information zu Autor und Werk wird nachgeführt, Bonus-Dokumente werden erweitert, neue Lesegeräte werden unterstützt. Falls Ihr E-Book-Shop keine Möglichkeit anbietet, Ihr gekauftes E-Book zu aktualisieren, liefern wir es Ihnen direkt.

Wir machen das Beste aus Ihrem Lesegerät

Wir versuchen, das Bestmögliche aus Ihrem Lesegerät oder Ihrer Lese-App herauszuholen. Darum stellen wir jedes E-Book in drei optimierten Ausgaben her:

Standard EPUB: Für Reader von Sony, Tolino, Kobo etc.Kindle: Für Reader von Amazon (E-Ink-Geräte und Tablets)Apple: Für iPad, iPhone und Mac

Modernste Produktionstechnik kombiniert mit klassischer Sorgfalt

E-Books aus dem Unionsverlag werden mit Sorgfalt gestaltet und lebenslang weiter gepflegt. Wir geben uns Mühe, klassisches herstellerisches Handwerk mit modernsten Mitteln der digitalen Produktion zu verbinden.

Wir bitten um Ihre Mithilfe

Machen Sie Vorschläge, was wir verbessern können. Bitte melden Sie uns Satzfehler, Unschönheiten, Ärgernisse. Gerne bedanken wir uns mit einer kostenlosen e-Story Ihrer Wahl.

Informationen dazu auf der E-Book-Startseite des Unionsverlags

Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

Unsere Angebote für Sie

Inhaltsverzeichnis

CATERPILLAR COP

1 – Das Kreuz des Südens funkelte über dem Platz …2 – Mord war eigentlich gar keine so schlechte Sache …3 – Es war zwei Uhr nachts, aber alles andere …4 – Kramer hielt sie hoch. Er wartete einen Augenblick …5 – Man soll den Tag nicht vor dem Abend …6 – Der Colonel drückte es wieder anders aus …7 – Zondi versuchte weiterzuschlafen. Aber als der Vierte sein …8 – Bei Kramer hatte es laut »Klick« gemacht9 – Während er auf Zondis Rückmeldung wartete, ließ Kramer …10 – Die Mittagspause war fast vorüber, als endlich der …11 – Wenn es etwas gab, was Kramer absolut zum …12 – Der Bericht, den Kramer am darauffolgenden Morgen um …13 – Alles fügte sich perfekt für Pembrook. Kaum hatte …14 – Auf zum Gefecht! Genau um 10.30 Uhr des …15 – Wieder bei null anfangen – eine erschreckende Aussicht …

Mehr über dieses Buch

Über James McClure

»Wenn meine Gedanken in Südafrika sind, höre ich immer Gelächter«

Andere Bücher, die Sie interessieren könnten

Bücher von James McClure

Zum Thema Südafrika

Zum Thema Afrika

Zum Thema Kriminalroman

Zum Thema Spannung

Für Bay und Ella

1

Das Kreuz des Südens funkelte über dem Platz, an dem Jonathan Rogers seine Smokingjacke ablegte, um sich an Penny Jones ranzumachen. Seite an Seite ausgestreckt, Ellbogen an Ellbogen, konnten sie durch eine kleine Lücke in den sich wiegenden Zweigen der Akazien, die den Trekkersburg Countryclub umgaben, das Sternbild wie eingerahmt genau über sich sehen. Und es erschien ihnen irgendwie viel romantischer als der Mond.

Das war schließlich das ganze Geheimnis dabei – es so hinzukriegen, als handle es sich um die Liebesaffäre, die bald in strahlendem Technicolor auf Breitwand verfilmt werden würde. Selbst wenn man vor Morgengrauen keinen gläsernen Schuh finden würde. Selbst wenn man es nur machte, weil es angeblich noch nie jemand gemacht hatte. Zumindest nicht mit Miss Jones.

Jonathan fand ihre Hand, löste vorsichtig ein Papiertaschentuch aus seiner Umklammerung und schob seine Finger über die ihren. Dann beschrieb er mit dem Daumen enge kitzlige Kreise in der feuchten kleinen Handfläche.

»Nicht!«, flüsterte sie.

Er hielt sofort inne wie ein gescholtener Spaniel.

»Tut mir leid«, sagte sie. »Es ist nur – «

»Keine Sorge.«

»Nein, ehrlich. Ich möchte nicht, dass du sauer bist.«

»Bin ich auch nicht.«

»Versprochen?«

»Lass dir ruhig Zeit, Pen.«

Sie drückte sich an ihn und seufzte glücklich.

Aber nicht die ganze Nacht, Schätzchen – es gab schließlich eine Deadline für ihn. Punkt neun sollte das Einzel-Play-off beginnen, und um Mitternacht wurde das Team in der Stadt im Hotel zurückerwartet. Jonathan, hatten sie gesagt, als sie ihn auf sie ansetzten, Jonathan, Junge, wir geben dir Zeit bis 23.30 Uhr, okay? Sie waren ein ganz netter Haufen im Team, aber an ihren Traditionen war nicht zu rütteln. Es wurde als böses Omen angesehen, wenn sie nicht alle für eine letzte Runde wieder zusammenkamen, bevor sie abfuhren. Und da laut Gesetz eine Frau nichts in einer südafrikanischen Bar zu suchen hatte, blieb Jonathan nichts anderes übrig, als die ganze Sache im Freien hinter sich zu bringen. Pronto.

Er brachte seinen Daumen wieder in Bewegung.

»Wie ist es denn so?«, fragte sie schüchtern.

»Was?«

»Ein Tennisstar zu sein.«

»Das bin ich doch noch gar nicht.«

»Du wirst es aber – morgen.«

»Schaust du wieder zu?«

»Natürlich!«

Jetzt war er an der Reihe, sie an sich zu drücken, zu seufzen und zu schweigen. Es funktionierte.

»Was ist denn? Willst du nicht, dass ich hingehe?«

»Ich muss doch den Ball im Auge behalten, oder?«

Sie lachte. »Du sagst, du hättest mich die ganze letzte Woche auf der Tribüne gesehen?«

»Das hat mir ganz schön zu schaffen gemacht, wahrhaftig.«

»Wo habe ich denn gesessen?«

Statt zu antworten, tätschelte er sie.

»Jonathan!«

Stille – wie Richter sie eintreten lassen, bevor sie das Urteil sprechen.

»Jetzt bist du sauer, Pen. Stimmts?«

»Nein.«

»Bestimmt nicht?«

»Nein!«

»Darf ich dich dann küssen?«

»Wenn du willst.«

Er probierte es noch einmal. Dieser war auch nicht besser als das erste halbe Dutzend; ihre Lippen waren zwar weich, teilten sich jedoch nicht richtig, sodass sie mit den Zähnen aneinanderstießen, und sie hatte ziemlich harte Zähne.

»O Jonathan …«

Er setzte sich langsam auf und schaute sich um, wobei er sich fragte, ob er seine Zunge riskieren sollte.

Es war erstaunlich, wie hell der Wald zu sein schien, sobald sich die Augen vom grellen Licht des Tanzsaals umgestellt hatten. Er konnte sogar sehr gut sehen. Die Akazienstämme ragten deutlich erkennbar aus dem Farnkraut über ihm empor. Er konnte sogar Spinnenaugen ausmachen, aus dunklen Ecken hervorschimmernd, zwischen denen die unsichtbaren Netze aufgespannt waren. Und einen Stofffetzen, hängen gebliebenes Zeichen eines Cross-Country-Laufes. Der Mond lag irgendwo da oben auf der Lauer, so viel stand fest, er zierte sich wohl noch ein bisschen. Aber Jonathan wartete schon ungeduldig darauf, dass er sich endlich einen Weg durch die Bäume bahnte und Wunder wirkte bei zwei nackten Brüsten, an denen sonst nichts Besonderes war. Er schloss die Augenlider, um in seiner Fantasie ihr Bild entstehen zu lassen.

Das war der Augenblick, wie er später immer wieder sagte, in dem er über seine Schulter hinter sich ins Unterholz hätte spähen sollen. Nur ein kurzer Blick, und alles wäre anders gelaufen. Natürlich auch furchtbar, aber nicht so. Dann überlief ihn immer ein Schauder, und er dachte an Miss Jones, während seine Freunde versuchten, sich durch ein stilles Gedenken an sie der Peinlichkeit des Augenblicks zu entziehen. Die arme alte Penny Jones, die alte Jungfer der Gemeinde. Für immer und ewig.

»Was gibts?«

Er hielt die Augen geschlossen und drehte den Kopf mit einem leichten Lächeln zur Seite. »Nichts.«

»Du bist wirklich komisch, Jonathan. Warum hast du die Augen zugemacht?«

»Ich habe gelauscht.«

»Ach ja? Ist jemand …?«

»Ich habe dir doch gesagt, dass es hier in Ordnung ist; weit und breit keine schwarze Seele. Es ist etwas anderes –hörst du nichts?«

»Die Musik?«

»Ja.«

»Sie kommt vom Clubhaus.«

»Stimmt. Und das Stück?«

Klang ganz nach Stevie-Boy. Jedes Team hatte seinen Komiker, und Steve besaß die Fähigkeit, noch komischer als andere zu sein. Jetzt stand er sicher gerade auf der Bühne, machte einen auf Sinatra und schmetterte sein Lied so verflucht laut herunter, dass sein Doppelpartner im Wald es nicht überhören konnte. Und die übrige Mannschaft kugelte sich ohne Zweifel bis zum Umfallen.

»Kenne ich nicht. Aber ich höre nicht viel Radio, nur die Hitparade, wenn meine Schwester sie anstellt.«

Das war vielleicht ganz gut so. Steve wartete jetzt mit dem Oldie »Have you met Miss Jones?« auf.

»Unser Lied«, kicherte Jonathan.

»Wirklich?«

Weit mehr: Es war eine Herausforderung. Auf dem Platz oder anderswo, bei den Jungs hing es ganz vom Captain ab, ob sie eine hohe Spielmoral bewiesen, indem er das Unmögliche möglich machte. Jetzt konnte er nicht mehr mit eingekniffenem Schwanz zurück.

Jonathan begann, die Rinde von einem heruntergefallenen Ast abzuziehen, und drehte sich dabei unauffällig um, sodass sie nur seinen Rücken sehen konnte. Er wartete. Der Gesang verebbte. Er wartete noch etwas länger.

»Es ist doch etwas!«, sagte sie.

Er zuckte die Achseln.

»Du musst es mir sagen. Was ist los?«

»Teufel auch. Ich glaube, es liegt daran, dass du anders bist.«

»Inwiefern?«

»Einfach anders, sonst nichts. Nicht wie die anderen.«

»Wie wer?«

»Diese Mädchen, die zu uns zum Tanzen kommen – du weißt schon, was ich meine.«

»Nein, weiß ich nicht.«

»Dann musst du ein sehr behütetes Leben gehabt haben. Hast du nie gehört, warum die meisten von ihnen kommen? Es ist so, als wäre man ein Popstar. Du weißt schon.«

»Du meinst …?«

»Ja.«

»Verstehe.«

Langsam bis zehn zählen.

»Nein, tust du nicht. Davon spreche ich nicht. Jedenfalls nicht genau davon.«

»Sondern?«

»Pen, ich glaube, ich liebe dich. Ist das nicht verrückt?«

Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs –

»Warum sollte es?«

Sieben, acht, neun, zehn.

»Du findest es also nicht verrückt? Obwohl wir uns erst heute Abend kennengelernt haben?«

»Ich – ich habe letztes Jahr dein Bild aus der Zeitung ausgeschnitten.«

»Und warum?«

»Weil du auch anders bist, Jonathan. Das habe ich allen gesagt.«

»Woran hast du das gemerkt?«

»Ich weiß es einfach.«

Er schnippte den Ast ins Farnkraut.

»Legst du dich wieder hin, Jonathan?«

»Nein.«

»Aber du hast doch gesagt …«

»Du bist anders, Pen. Anders. Es macht mir Angst.«

»Was?«

»Dass ich dich immer noch – küssen will und so.«

»Vielleicht bin ich doch wie sie.«

»Sei nicht albern! Ich habe dir ja gesagt, was ich fühle. Ist mir noch nie passiert.«

»Ich … ich liebe dich auch, weißt du.«

»Schlimm genug.«

Ihre Hand bewegte sich, und das Laub raschelte.

»Ich habe sie abgenommen, Jonathan.«

Teufel auch. Ohne Brille sah Penny Jones plötzlich gar nicht mehr wie eine angehende Grundschullehrerin aus. Jetzt kamen ihre dichten, langen Wimpern zur Geltung, ebenso ihr keckes, mit witzigen Sommersprossen übersätes Näschen. Die Kurzsichtigkeit verlieh ihr den letzten Schliff: die großen, vertrauensvoll unschuldigen Augen. Die Gesamtwirkung war tatsächlich recht appetitanregend.

Jonathan ließ sich langsam wieder zurücksinken, nahm den ersten Teil des Kusses vorsichtig mit gespitzten Lippen in Angriff, bearbeitete ihren Mund sanft mit den Fingerspitzen, wie er es bei seinem Hund zu tun pflegte, wenn er ihm eine Medizin gegen Würmer verabreichte, und verschaffte sich so Einlass in ihre Mundhöhle.

Einen schrecklichen Augenblick lang dachte er, die Fingersprache lernen zu müssen. Doch dann überließ sie sich ihren ersten Empfindungen als erwachsene Frau und ließ seinen Atem stocken.

Buchstäblich.

Unter Anspannung aller Muskeln seines athletischen Körpers gelang es ihm, ein Husten zu unterdrücken, und dann ging er gleich zur nächsten Stufe über. Wieder war seine hervorragende Kondition von ausschlaggebender Bedeutung, denn sie gestattete ihm, sich leicht auf ihre rechte Seite zu legen und sein Gewicht dabei ganz auf seine andere Körperhälfte zu verlagern. Jetzt brauchte er nur noch ihre Lippen beschäftigt zu halten, während die Hitze seines Körpers sie umfing.

Sie schmolz schnell dahin, und sein Knie sank in ihre Wärme ein. Er nahm vorsichtig rhythmische Bewegungen auf. Ihre Schenkel klammerten sich so fest um sein Bein, dass er unwillkürlich losließ.

»Du bist stark«, murmelte er.

»Vom Reiten«, sagte sie. »Ich bin in einem Ponyclub.«

Gott, war das komisch. Beide mussten sie lachen. Nur fand sie offenbar das Absurde daran komisch und er den unfreiwilligen Humor. Im Lachen verlor sich auch seine Spannung, die durch eine gewisse Sorge verursacht wurde – wenn sie schon von einem Sattel malträtiert worden war, brauchte er sie nicht mehr zu entjungfern, und das war immer eine Erleichterung. Besonders wenn die Jungs einen unter Zeitdruck setzten.

»Ich liebe dich, Pen«, sagte er.

»Wirklich?«

»Ganz und gar. Mit Haut und Haar. Darf ich gucken?«

Bevor sie noch den Kopf heben konnte, hielt er sie mit dem Mund unten und ließ seine linke Hand vorn an ihrem Pseudo-Regencykleid heruntergleiten, um die lange Reihe von Knöpfen zu öffnen. Seine Rechte löste geschickt durch den dünnen Stoff an ihrem Rücken hindurch die Haken ihres BHs.

Dann setzte er sich auf – verblüfft.

Einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul. Aber sie war untendrunter einfach unglaublich. Wie Sahne, die aus einer Kanne fließt – verschiedene Formen wie aus einem Guss in schönster Vollkommenheit. Es war unmöglich, Einzelheiten herauszugreifen.

»Du bist …« Er fand keine Worte.

»Ist mein Busen nicht zu dick? Darum trage ich immer solche Kleider wie dieses.«

»Was?«

»Das ist unfair, Jonathan.«

»Was ist unfair?«

»Dass du mich anschaust. Und ich kann dich nicht sehen!«

»Soll ich mich …?«

»Ohne Brille, meine ich.«

»Pen, soll ich – ja?«

Sie nickte.

Und als er bis auf seine schwarzen Socken nackt war, kicherte sie und sagte: »Du bist immer noch ganz verschwommen. Du musst sie mir suchen.«

»Berühre mich lieber, Pen.«

Sie tat es, erst widerstrebend. Dann wie ein Bildhauer, der seine Hand über ein Werk von Michelangelo gleiten lässt, voller Ehrfurcht und Schöpferdrang.

Er berührte sie ebenfalls, hier und dort, und vergaß ganz, ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte. Nicht dass es noch eine Rolle gespielt hätte.

Sie zog ihn in sich hinein. Rein instinktiv.

Der Instinkt. Ein Überbleibsel aus der Urzeit, das den Menschen bei einem Paar Augen, das ihn anstarrt, in Alarm versetzt.

Jonathan ließ sein Kinn auf ihrer Stirn ruhen und schaute ins Gebüsch.

Die Augen starrten ihn an.

Ein Gesicht war auch da. Das Gesicht eines Jungen mit blondem Haar, der ihn durch die niedrige Astgabel eines Baumes hindurch anlächelte.

»Jonathan?« Sie klang beunruhigt.

In kalter Wut löste er sich von ihr und rollte auf die Seite. Sie tastete nach ihm.

»Was ist denn jetzt los? Bitte! Wir sind doch schon …«

Er stieß sie beiseite. Er zitterte, so wenig hatte er sich in der Gewalt. Auf seinem Gesicht lag nur eins: Abscheu.

Ehe sie ihn wieder bitten konnte, war er schon auf und davon, brach sich einen Weg durch den Farn, stöhnend, fluchend, geradewegs auf den Jungen hinter dem Baum zu.

Der sich nicht rührte.

Bis er ihn an den Schultern gepackt und zu Boden gezerrt hatte. Jonathan holte eben mit dem Fuß zu einem Tritt in die Leiste aus, als ihm plötzlich so übel wurde, dass er drei Schritte stolperte und über einen Stamm fiel.

Sekunden später kam sie mit einem Dorn im Fuß auf einem Bein aus dem Farn gehüpft, hoppelnd wie ein Häschen und heulend.

»Liebe mich doch!«, weinte sie. »Ich bin nicht anders!«

Damit warf sie sich auf die verschwommene männliche Gestalt und zog eine schlaffe Hand an ihre Brust.

Dann bemerkte sie die Starre. Und das Blut an der Stelle, wo die Männlichkeit hätte sein müssen.

»Jonathan!«

»Ich bin hier drüben«, keuchte er, »an dem Stamm.«

Mit ihrem letzten klaren Gedanken fasste Miss Jones den Entschluss, nie wieder die Brille abzunehmen.

Die arme Penny Jones.

2

Mord war eigentlich gar keine so schlechte Sache, sinnierte Lieutenant Trompie Kramer vom Trekkersburger Morddezernat. Er hatte seine Vorteile. So dachte jedenfalls auch jeder Mörder – wenn auch nur für die Hälfte einer vom Blitz gespaltenen Sekunde. Und eine erstaunliche Zahl von sogenannten Opfern ebenfalls, nach der Art und Weise zu urteilen, wie sie solche Kerle geradezu herausforderten.

Er fuhr seinen langen schwarzen Chevrolet mit Vollgas am Rand der Vorstadt vorbei und auf den doppelspurigen Highway zum Countryclub. Er schlürfte eine Tomatensaucenmatsche als Aperitif herunter, ehe er sich an einen Hamburger machte.

Und dann denke man nur an die große Masse der Menschen: Man frage sie, wie gern sie ohne Mord leben würden. Nicht sehr gern. Bei genauerem Nachdenken sogar überhaupt nicht. Ein Mann mit einer Seele von Stahl tat eine Menge für die blutarme Welt, die die meisten Menschen bewohnten; alle, von den bleichen Richtern, die ihre Filz- und Bleistifte wie Messer und Gabeln ordnen, bis hin zu den alten hohlwangigen Weibern auf der Besuchergalerie, das Riechfläschchen in der Tasche, waren gern dabei – und die Jungs von der Presse mit ihrem Sinn für die Bedürfnisse der Öffentlichkeit rührten einen schönen Brei zur Frühstückslektüre daraus. Und wenn für einen Artikel nichts Echtes da war, gab es immer noch die unzähligen Morde, die gegen Entgelt mit der Feder begangen wurden. Ja, sie hielten alles in Gang, genauso wie die Pin-up-Fotos in antarktischen Wetterstationen. So wurde auf Kosten von ein oder zwei Menschen, höchstens mal einer Familie, dafür Sorge getragen, dass ein größerer Teil der Gesellschaft entweder zu beschäftigt oder zu zufrieden oder beides war, um Dummheiten zu machen. Etwas, das all dies bewirkte, konnte doch nicht schlecht sein! No, Sir.

Aber gemeine Sexualmorde, bei denen Jugendliche betroffen waren, waren eine ganz andere Sache. Kramer leckte sich die klebrigen Finger ab und fragte sich, warum eigentlich.

Den ersten Ansatz einer Antwort erhielt er, als er sich die Reaktion der Witwe Fourie auf die Nachricht von seinem Auftrag vor ein paar Minuten ins Gedächtnis zurückrief. Er hatte es ihr ohne Umschweife gesagt und sich entschuldigt, dass ihre gemeinsamen Pläne nun durchkreuzt wurden. Als sie sich daraufhin abrupt abwandte, hatte er sich noch einmal entschuldigt. Dann erst war ihm aufgefallen, dass sie sich krampfhaft bemühte, nicht zum Zimmer ihrer Kinder hinüberzuschauen. Und das war die Antwort: Gegen diese Art von Mord war niemand gefeit. Man selbst und seine Lieben kamen infrage, wenn nicht dieses Mal, dann vielleicht nächstes Mal, ganz gleich, wie sehr man heikle Situationen vermied, ganz gleich, wie oft man mit einem Cop schlief. Schon das Wissen um einen frei herumlaufenden Lustmörder reichte aus, dass man die Tatsache verfluchte, vier nette, hübsche Kinder zu haben. Hübsch! Mann, alles Süße wurde bitter, wenn irgend so ein Tier im Schatten lauerte.

Ein entgegenkommendes Fahrzeug blendete kurz auf, ehe sich der Lichtstrahl wieder senkte, und Kramer musste daran denken, wie sachverständige Zeugen plötzlich die Augen zu senken pflegten, wenn er das Wort »Tier« fallen ließ. Zur Hölle mit ihnen und all dem Scheiß von Muttersöhnchen und gestörter Kindheit; er wusste, wovon er redete. Bei Menschen wird ermittelt, Tiere werden gejagt.

Und da er Kriminalbeamter war und kein verfluchter Ranger, nagte das immer an ihm. So viel –

Sein Fuß war vom Gaspedal auf die Bremse gesprungen.

Kaum hundert Meter vor ihm war ein Landrover hinter einem abgestellten Bulldozer in die Straße eingebogen und fuhr gemächlich über den Mittelstreifen. Angesichts des Bulldozers, der bereits einen Teil der Straße versperrte, blieb dem Chevrolet bei seiner derzeitigen Geschwindigkeit nur ein Weg in die nächste Kurve, und der führte geradewegs durch den Landrover hindurch.

So weit die unbestreitbaren Fakten.

Kramer verstärkte instinktiv seine spontane Reaktion, indem er noch einmal voll auf das Pedal trat und um die eigene Achse wirbelte, gerade als sich der andere Fahrer voller Erstaunen über die Störung umwandte. Er war genau der Typ, der einen zum Sprung ums liebe Leben zwingt. Der Landrover bockte. Kramer schloss die Augen.

Als er sie in der plötzlich eingetretenen Stille wieder öffnete, merkte er, dass er in der Richtung, aus der er gekommen war, stand. Er war erleichtert, als er feststellte, dass der Chevrolet immer noch bei ihm war. Alles schien unversehrt zu sein – besonders der Bulldozer. Kramer murmelte ein Stoßgebet, das in keinem Gebetbuch stand.

Der Landroverfahrer hatte keine Zeit für ein gemeinsames Gebet. Kramer konnte sich gerade noch seine Autonummer merken. Verfluchter Bauer.

Das war es, dachte Kramer, als er durch die Büsche zum Countryclub weiterfuhr, was ihn an Sexualmorden so fuchsteufelswild machte: Sie waren ebenso gemein wie Unfallflucht. Zeit und Ort waren reiner Zufall – die einzige Verbindung zwischen den Beteiligten war ein einziger spontaner Gewaltakt. Und da er nicht von emotionalen Verflechtungen ausgehen konnte, durch die er auf X, Y oder Z hätte schließen können, nützte ihm auch seine analytische Brillanz nichts, auf die er sich normalerweise verließ.

Letztlich ebenso wenig, wie wenn man die Angehörigen von jemandem, der von einem bösartigen Nashorn platt gewalzt wurde, fragen würde, ob der Verstorbene vielleicht mit dem Tier Streit gehabt hätte.

O ja, kein Wunder, dass die Ranger ein so ungebildeter Haufen waren.

Blut sieht bei Mondschein schwarz aus.

Das hatte Constable Hendriks bei zahllosen Gelegenheiten bemerkt, ohne sich je darüber Gedanken zu machen, ob es viel zur Gesamtwirkung beitrug. Manchmal erinnerte es ihn nur an Zuckerrohrsirup. Bisweilen wurde ihm auch übel davon – vielleicht, weil Sirup etwas zum Essen war. Das war meistens der Fall, wenn Fliegenschwärme herumsurrten und das Bild unscharf werden ließen, aber Gott sei Dank war es weit über die Zeit hinaus, wo sie schlafen zu gehen pflegten. Wie auch über seine eigene und wahrscheinlich auch die des Jungen zu seinen Füßen. Er gähnte.

Beim Geräusch herannahender Schritte erstarrte er in Habtachtstellung. Die Schritte stoppten genau am Rand der Lichtung. »So, wohin wollen Sie sie haben?«

»He? Wer ist denn da?«

»Entschuldigen Sie, Kumpel, und reden Sie nicht so gestelzt – Pringle von der Feuerwache mit den Lampen, die Sie angefordert haben.«

Sechs Feuerwehrleute standen in respektvoller Entfernung bei Pringle; zwei von ihnen schleppten einen tragbaren Generator, drei trugen Lampen, die an ihren Händen baumelten, und die anderen waren mit aufgerollten Starkstromkabeln behängt. Alle versuchten, einen Blick auf die willkommene Tragödie zu erhaschen, die die Eintönigkeit von Steppenfeuern und Snookerspielen unterbrach.

»Habe gehört, es wäre ein Jüngelchen«, sagte der kleinste Feuerwehrmann in Afrikaans.

Hendriks zuckte die Achseln, trat jedoch zu ihm hinüber.

»Was ist denn mit diesem Redneck?«, fragte er und fasste dabei Pringle scharf ins Auge. »Wieder so ein verfluchter englischer Einwanderer?«

»O nein, er kommt aus dem Norden. Er ist in Ordnung.«

Pringle musste gemerkt haben, dass eine entschuldigende Bemerkung über ihn gemacht wurde, wie er sie wohl schon öfter gehört hatte. Er fügte hilfsbereit hinzu: »Uganda.«

»Ja, da oben ist es fürchterlich«, erwiderte Hendriks gewichtig – und auf Englisch. Alles lächelte.

Es trat eine Pause ein. Pringle schob einen Finger unter seinen Umhang und die Schlafanzugjacke, um seine Hitzebläschen zu kratzen. Die zwei mit dem Generator warteten ungeduldig auf Befehle und stellten die Maschine ab, wo sie gerade standen. Pringle zog eine Augenbraue hoch und ließ sie nach reiflicher Überlegung wieder sinken.

»Warum eigentlich nicht?«, sagte er. »Unsere Truppe hat Anweisung, nicht zu nahe heranzugehen wegen der Fußabdrücke und so weiter. Sollen wir die Scheinwerfer an die Bäume dort hängen?«

»Sicher. Braucht ihr Hilfe?«

»Danke, wir kommen am besten allein zurecht. Auf gehts. Viljoen.«

»Sir.«

»Ich werde inzwischen den Generator anstellen«, sagte Pringle. Während er sich daran zu schaffen machte, erzählte er Hendriks, seine Heimatstadt sei Margate. Hendriks sagte, Margate sei nicht übel, es würde aber viel von seinem Reiz verlieren durch die Haifischnetze. Pringle erklärte ihm, sein Margate sei das andere Margate, obwohl das am Indischen Ozean natürlich viel hübscher sei. Hendriks sagte, für seinen Urlaub zöge er ohnehin Umkomaas vor.

Es war kein richtiges Gespräch, geschweige denn ein Dialog, aber es schuf immerhin eine Atmosphäre professioneller Unbekümmertheit. Die gegenseitige Achtung wuchs.

In weniger als fünf Minuten waren die Lampen in den Bäumen aufgehängt und an den Generator angeschlossen. Pringle riss kräftig am Anlasser, und die kleine Maschine knatterte beim ersten Mal los und scheuchte eine Waldtaube mit lautem Flügelschlagen aus den Zweigen über ihren Köpfen. Als Hendriks und die anderen, die bei dem Lärm alle nach oben geschaut hatten, die Augen wieder auf die Lichtung richteten, gaben sie ein leises Geräusch von sich wie Kinder im Pantomimentheater, wenn der Vorhang aufgeht.

Zuerst huschte nur ein blasser Schein über die Elfengrotte, bis sich der Generator zur Höchstleistung aufgeschwungen hatte, und dann hob sich endlich jeder Zweig, jedes Blatt und jeder Grashalm mit einer lebendigen, künstlichen Sprödigkeit gegen die schwarzen Tiefen des Hochwaldes ab. Es sah aus, als wäre alles aus Draht, Papier und Farbe gemacht. Das Licht der Lampen zuckte im schnellen Rhythmus des Zweitakters und erfüllte die unwirkliche Szene mit einem eigenen flackernden Leben.

Und in der Mitte ausgebreitet ein nackter Elf. Es musste ein Elf sein, denn wie jeder sehen konnte, war er geschlechtslos.

Wenn auch erst seit Kurzem.

Kramer überraschte Sergeant Bokkie Kritzinger, der auf dem Parkplatz des Countryclubs auf ihn wartete, bei einer ungehörigen persönlichen Eigenart.

»Kauen Sie immer noch daran, Bokkie?«

Der große Kerl spuckte das Ende seines Schlipses aus. »Sir? Mir ist nur ein wenig mulmig, sonst nichts.«

»Warum sind Sie denn hier draußen?«

»Ich wollte ein Wörtchen mit Ihnen reden, bevor Sie sie sehen – irgendwas an der Sache gefällt mir nicht.«

»Wovon sprechen Sie denn?«

»Von den beiden, die den Jungen angeblich gefunden haben. Sie sind blutbeschmiert.«

»Das haben Sie schon am Telefon gesagt.«

»Nicht nur die Hände. Ich habe genauer hingesehen – es ist untendrunter.«

»Wo drunter?«

»Unter ihrer Kleidung.«

»Aber – «

»Am Körper, Sir!«

Kramer streckte die Hand aus und steckte Bokkie das feuchte Ende seines Schlipses in die gebauschte blaue Hemdfront. Der Sergeant grinste, die Fäuste heimlich hinter dem Rücken geballt.

»Da drunter, meinen Sie, Bokkie?«

»Ja, Sir.«

»Dann gehen wir ihre Geschichte lieber noch einmal durch. Hier, wir können uns in diese Kutsche setzen.«

Sie schoben sich auf den Vordersitz des Ambulanzwagens der Feuerwehr. Kramer zündete sich eine Lucky Strike an und stellte fest, dass die Vielzweckeinrichtung alles hatte außer einem Aschenbecher für sein Streichholz.

»Nun, Sir, es ist im Grunde so wie vorher. Der Bursche ist ein Junior-Tennisass aus Transvaal und heißt Jonathan Rogers. Siebzehn Jahre alt, im letzten Schuljahr, spricht Englisch als Muttersprache. Bei dem Mädchen handelt es sich um Penelope Jones, sechzehn Jahre alt, kurz vor dem Schulabschluss, und sie kommt aus der Gegend von Greenside.«

»Und was ist nach ihren Angaben passiert?«

»Der Junge behauptet, er hätte die Tanzveranstaltung – sie wird immer vom Trekkersburger Tennisclub für die Mannschaften von außerhalb organisiert – ungefähr um elf Uhr verlassen. Er und das Mädchen hätten sich die Stadt bei Nacht ansehen wollen.«

»Mitten im Gebüsch?«

»Es ist seine Geschichte, Sir. Jedenfalls habe ich ihm die gleiche Frage gestellt, und darauf hat er geantwortet, er hätte gedacht, es sei ein kleiner Hügel dort, von wo aus man die Lichter gut sehen könnte.«

»Hm.«

»Sie waren auf dem Weg dorthin, als sie einen Jungen erblickten, der sie zu beobachten schien. Sein Kopf ruhte in einer Astgabel, so, und er hing irgendwie darin, mit den Armen auf der anderen Seite.«

»Und dann?«

»Rogers sagt, er hätte den Jungen gefragt, was er dort macht. Als der Junge keinen Ton sagte und sich nicht rührte, gingen sie zu ihm. Sie hätten gedacht, der Junge sei vom Baum herabgerutscht und hätte sich in der Gabel verfangen. Wäre verletzt. Wie Rogers sagt, haben sie versucht, ihn da herauszuholen, und dabei ist er rückwärts auf sie heruntergefallen und hat sie unter sich begraben. Erst dann wurde ihnen klar, dass er – «

»Hat lange genug gedauert!«

»Finde ich auch, Sir.«

»Blut?«

»Jede Menge.«

»Und wie lange ist der Junge Ihrer Meinung nach tot?«

»Er war noch ziemlich warm, als ich gegen Mitternacht dorthin kam.«

»Aha. Und was hat das Mädchen zu erzählen?«

»Nichts.«

»Nichts?«

»Sie steht unter schwerem Schock. Sitzt einfach nur im Büro des Clubs herum. Sie ist nicht dazu zu bewegen, den Mund aufzumachen. Wenn sie einen anschaut, ziehts einem den Arsch zusammen. Ich sage Ihnen, an der ganzen Sache ist etwas verflucht faul, Sir. Darum habe ich bisher ihren Vater von ihr ferngehalten.«

»Gut. Wer ist denn jetzt bei ihr – und bei dem Burschen?«

»Constable Williams. Er wird seine liebe Mühe und Not haben, sie rauszuhalten.«

»Wen?«

»Den Sekretär Pipson. Mr Jones, ihren Vater. Und den Transvaal-Trainer Freddie Harris.«

»Was zum Teufel will der denn?«

»Er ist völlig aufgelöst, dieser Freddie. Sagt, seine Chancen für eine Meisterschaft im Einzel wären damit ruiniert – und auch das übrige Team wäre morgen nicht zu gebrauchen; sie sind alle völlig verstört.«

»Scheiße, der tot aufgefundene Junge interessiert ihn wohl nicht. Ist er schon identifiziert worden?«

»Die Hauptwache kümmert sich darum; bisher nichts. Ich habe Hunde, Verstärkung und so fort angefordert, wie Sie gesagt haben. Der Kreisarzt ist gerade auf dem Weg hierher.«

»Hm. Was ist mit den übrigen Teilnehmern an der Tanzveranstaltung?«

»Alle wieder zu Hause oder im Hotel.«

»Gut.«

»Stimmen Sie mir nicht zu, dass es …?«

»Hören Sie, Bokkie, ich stimme überhaupt nie zu, ehe ich Fakten habe, die stimmen. Vielleicht ist etwas seltsam daran, vielleicht auch nicht. Gehen Sie zurück, und sorgen Sie bei den zweien für Ruhe, während ich mir die Sache mal ansehe. Ich kann bis hierher hören, dass sie inzwischen Licht dort haben.«

Mit dem Seufzer des Untergebenen, der so oft recht hat, auf den seine Vorgesetzten aber nie hören, glitt Bokkie vom Sitz und landete schwer auf dem Asphalt. Er blieb stehen, um seinen Lederkoppel mit dem Pistolenhalfter wieder in die richtige Lage zu bringen.

»Bokkie«, murmelte Kramer, »ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass es vielleicht ihr Blut war?«

Als Vater zweier heranwachsender Töchter war Sergeant Kritzinger verständlicherweise schockiert.

Es stimmte, die Leiche fühlte sich immer noch warm an. Sehr warm, obwohl mehrere Stunden verstrichen sein mussten, so, wie das Blut geronnen war. Höchst eigenartig.

Kramer rieb die Finger im Sand ab und stand auf. »Gut aussehender Junge«, bemerkte er.

Hendriks sperrte beim Anblick der verschwollenen Gesichtszüge und starren blauen Augen ungläubig den Mund auf. Irgendwo war da ein Gesicht.

»Ein nettes Lächeln«, sagte er zum Scherz.

Woraufhin es Kramer war, der zusammenzuckte und nun ihm einen komischen Blick zuwarf.

»Na los, Mann. Wenn Sie Ihr Hirn fertig zermartert haben, können wir vielleicht endlich das Formular ausfüllen.« Hendriks zog sich den Bleistift aus dem Ohr.

»Also los. Wir haben einmal die ganze Umgebung abgegrast und nichts gefunden. Nun zur Leiche – schreiben Sie ›1.‹ in die Spalte.«

»Leiche, erstens.«

»Junge erdrosselt durch am Nacken achtfach zusammengedrehten Draht. Keine Wunden oder Blutergüsse durch Gegenwehr an den Armen, also vermutlich ohne Warnung von hinten überfallen, andere Verletzungen wahrscheinlich später entstanden. Drahtbeschreibung: Zehner-Rollendraht, wie er bei Obstkisten Verwendung findet, weich, leicht zu biegen. Kein Anzeichen von Rost, in regelmäßigen Abständen von etwa zehn Zentimetern Knicke, was darauf schließen lässt, dass er zum Tatort mitgebracht wurde.«

Kramer zündete sich eine Lucky Strike an und wartete, bis Hendriks aufgeholt hatte.

»Zweitens: tiefe Schürfwunden unter dem Kinn und zu beiden Seiten des Kiefers, auf denen Rindenteilchen von Baum A kleben. Dies stimmt mit der Beschreibung des Zeugen Rogers überein, dass er die Leiche halbhoch an Baum A gelehnt gefunden habe, mit dem Kinn in einer Astgabel. Es wird außerdem durch eine Blutlache am Fuß von Baum A bestätigt.«

»Und das Blut am Baum, Sir.«

»Wie schnell können Sie eigentlich schreiben? Okay, schreiben Sie’s hin, und erwähnen Sie auch die Druckstellen am ganzen Körper. Jetzt zu drittens …«

Kramer hockte sich hin und untersuchte die Leiche noch einmal, ehe er weiterdiktierte.

»Drittens: mehrere Stichwunden in Leiste und Leistengegend, Genitalien abgetrennt, später neben Baum A aufgefunden. Wundmerkmale lassen auf gebogenes Messer und Anwendung bei aufrechter Stellung des Körpers schließen.«

»Wie das, Lieutenant?«

»Er ist nicht gerade groß, Mann. Wenn diese Bastarde so richtig in Fahrt sind, haben sie Kräfte wie ein verfluchter Ochse. Halten ihn locker mit einer Hand am Baum hoch. Hier noch ein paar Bemerkungen: Verstümmelungen entsprechend der wilden Attacke eines Perversen – mehr Nieten als Treffer. Verhältnismäßig wenig Blut, aber ein paar Spuren, die darauf hindeuten, dass diese Wunden nach Eintritt des Todes zugefügt wurden. Haben Sie das? Dann viertens: im Rücken lange Schnitte, drei quer über die Schultern, einer, der diese drei durchkreuzt und vom Nacken zur linken Gesäßhälfte hinunterläuft. Diese Wunden lassen einen Ritualmord vermuten. Und jetzt noch fünftens: braunes Muttermal auf rechter Schulter.«

Ein Bantupolizist erschien schüchtern am Rand des Lichtkreises, den Schlagstock so haltend, als wüsste er nicht, was er in feiner Gesellschaft damit anfangen sollte.

»Was gibts, Mann?«

»Sergeant Kritzinger sagt, ich muss Kleider holen kommen, mein Vater.«

»Hast du die Plastikbeutel?«

Kramer nahm sie entgegen und packte das weiße T-Shirt, die Kakishorts und die Slips ein, die in der Nähe des gegabelten Baums gefunden worden waren. Den Inhalt der Taschen – ein kakifarbenes Taschentuch, Radiergummi, drei Kaugummipapierchen und ein Taschenmesser mit nur einer Klinge – packte er in einen Extrabeutel. »Da. Sag dem Sergeant, die Leiche hätte ein braunes Mal von der Größe eines Löffels auf der rechten Schulter, wenn er das nicht schon weiß. Und sag ihm, dass keine Schuhe dabei sind, weil das Herzchen barfuß ging.«

»Doktor kommt, Sir.«

»Dann mach dich davon.«

Kramer hielt inne und fragte sich, ob es nicht noch etwas gab, von dem er Kritzinger in Kenntnis setzen sollte. Dann wandte er sich wieder zu Hendriks und runzelte die Stirn: Er war es leid, pickelige Jungs zur Verfügung gestellt zu bekommen, die jeden freien Augenblick zum Pickelausquetschen benutzten. Hendriks bearbeitete gerade eine Reihe dicht über seinem Kragen und strich die goldgelbe Ernte auf sein Taschentuch. Das reichte, um einem den Magen umzudrehen.

»Was haben Sie eigentlich damit vor?«, giftete Kramer. »Wasser draufgießen wie auf einen Teebeutel?«

Hendriks wurde rot – er war so jung und kam so weit hinten aus dem Busch, dass bei ihm noch alles möglich war. Ihm war anzusehen, dass ihm allmählich einiges einfiel, was er über sein derzeitiges Gegenüber gesagt hatte. Wie treffend!

Kramer hob eine der Stablampen auf, die die Feuerwehrleute dagelassen hatten, ehe sie sich auf Befehl hin unter leisem Gemurmel zum Begleitwagen zurückzogen. Der Lichtstrahl war so stark, dass es schien, als könnte er mit seiner Kraft die Zweige der Bäume wegbiegen. Eine zweite, ebenso starke warf er Hendriks zu.

»Gut. Ich gehe jetzt mal zu der Stelle, von der aus der Bursche und das Mädchen den Jungen zuerst gesehen haben wollen. Sie bleiben hier und sehen sich die Lichtung noch einmal an.«

»Aber, Sir.«

Kramer war schon aus dem Lichtkreis herausgetreten, als er herumwirbelte und Hendriks mitten in einer Grimasse ertappte.

»Vielleicht fällt Ihnen die Arbeit leichter, wenn ich Ihnen sage, dass doch etwas zu finden ist«, sagte er.

»Woher wissen Sie das, Sir?«

»Weil ich es dort hingeschmuggelt habe. Meine Zigarettenkippe, eine Texan. Klar?« Kramer gönnte sich ein hinterhältiges Grinsen, als er sich vorsichtig durch das Farnkraut arbeitete. Hendriks hätte eigentlich auffallen müssen, dass etwas mit dem Markennamen nicht stimmte.

Aber seine Heiterkeit sollte nicht lange währen. Kramer hatte kaum einen Flecken merkwürdig platt gedrückter Vegetation genau inspiziert, als ein triumphierender Schrei ertönte.

»Ich habe sie!«

»Was?«

»Ihre Texan, Sir.«

Herrje.

»Sind Sie denn schon ganz durch?«

»Fast. Ich habe noch zwei Helfer, und eben ist auch Doktor Strydom gekommen.«

Kramer seufzte. Gerade hatte er angefangen, gewisse Dinge über einen jungen Tennisstar herauszufinden, der es besser hätte wissen müssen, als solche Lügen aufzutischen. Wie schade, dass sein kleiner Trick, der eine fieberhafte Suche hatte auslösen sollen, nicht besser funktioniert hatte. 

Er folgte einer Spur, die jemand durchs Gestrüpp gebahnt hatte, der auf einem Bein gehüpft sein musste; ein normaler Schritt hinterließ keine Spuren auf dem wirren Pflanzenteppich, aber wenn das volle Körpergewicht auf einer einzigen Ferse ruhte, lag die Sache anders. Als er die Taschenlampe ganz flach an den Erdboden hielt, zeichnete sich klar und deutlich eine Reihe von Eindrücken ab. Hm. Interessant.

Dr. Strydom war schon bei der Arbeit, gebückt wie ein rundlicher Gartenzwerg in Arbeitskleidung, dem selbst der graue Spitzbart nicht fehlte, nur dass er statt der Angelrute ein Analthermometer hielt. Er schob es ein und lächelte Kramer zu.

»Hallo, Lieutenant. Der Bursche hat ein bisschen Temperatur. Darum werden wir uns gleich kümmern.«

»Er kam mir sehr warm vor.«

»Ja. Natürlich, das ist häufig der Fall bei Asphyxie durch Abschnüren des Halses.«

Hendriks und einige andere Polizisten, die Kramer von der Zentrale her kannte, schlenderten herbei.

»Ach, wirklich?«, sagte einer mit einem ersten Schnurrbart, der länger als das Haar auf seinem Schädel war.

»Allerdings, und eine Gehirnblutung hat ab und zu so ziemlich die gleiche Wirkung. Hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Frau, die sich im Gefängnis erhängte, und sie trieb die Quecksilbersäule noch drei Stunden später über die 40er-Markierung.«

»Sieh mal an!«, ließ sich Hendriks vernehmen, dem die Wunderdinge der Wissenschaft jeden eigenen Gedanken raubten.

»Dieser junge Mann hier hat mich über Ihre Schlüsse bezüglich der Verletzungen aufgeklärt, Lieutenant. Sie erscheinen mir ganz vernünftig: die normale Vorgehensweise eines Triebtäters. Sozusagen eine Beschneidung …«

Dr. Strydom wühlte in seiner Tasche nach Watte. Er wischte das Thermometer ab und hielt es schräg ins Licht. »Aufgepasst, Jungs, mal sehen, was es uns sagt.«

Kramer schnippte mit den Fingern und wies auf die Kippe. Hendriks reichte sie ihm grinsend, um sich dann wie seine Kollegen wieder mit gesammelter Aufmerksamkeit den medizinischen Vorgängen zu widmen.

Die Kippe stammte von einer Texan und war frisch, und das war noch nicht alles.

»Allmächtiger Gott, der Junge macht es einem aber nicht gerade leicht, Lieutenant.«

»Wie bitte?«

»Sehen Sie, wenn wir von einer durchschnittlichen Abkühlung des Körpers um etwa zwei Grad pro Stunde in den ersten zwölf Stunden ausgehen könnten, wäre es leicht. Aber hier haben wir einen nackten Körper, der noch einmal um die Hälfte schneller abkühlt. Kapiert? Aber – noch ein Aber – die Nacht ist heiß, was die Sache wieder verlangsamt. Und obendrein haben Sie recht – die Körpertemperatur ist höher als normal.«

»Und?«

»Ich muss auch berücksichtigen, dass es sich fast noch um ein Kind handelt, das außerdem recht schmal gebaut ist.«

»Soll ich für Sie zusammenrechnen, Doktor?«

»Ich will Ihnen ja nur erklären, warum ich mir nicht sicher bin. Es gibt noch andere Faktoren. Diese dunklen Druckstellen sind Anzeichen für nach dem Tod eingetretene blaue Flecken, aber sie sind nicht so eindeutig, wie ich erwartet hätte.«

»Vergessen Sie nicht, dass die Leiche bewegt worden ist.«

»Ah ja, richtig. Warten Sie mal …«

Dr. Strydom tastete die Gliedmaßen ab. »Die Leichenstarre hilft hierbei auch nicht weiter – es ist heiß, und er ist nicht das stärkste Kerlchen. Sie setzt dann schneller ein, müssen Sie wissen, besonders wenn der Stoffwechsel bei Eintritt des Todes gesteigert war, was der Fall gewesen wäre, wenn er um sein Leben gerannt wäre oder so etwas.«

»Nur eine Schätzung, Herrgott noch mal!«

»Sagen wir, vergangene Nacht gegen sechs. Und nicht vor fünf.«

»Danke. So, ich habe noch im Clubhaus zu tun. Halten Sie ein Auge auf die Dinge hier, Hendriks.«

»Okay.«

»Und noch etwas, Hendriks.«

»Ja?«

»Für wen halten Sie mich eigentlich? Für eine verfluchte Schwuchtel?«

»Aber Sir!«

Kramer war jedoch schon weg, unter lautem Knacken und Knirschen den Hang hinauf, in der Hand eine Texankippe, an der ein Hauch von orangerotem Lippenstift war.

3

Es war zwei Uhr nachts, aber alles andere als still. In der Empfangshalle des Clubhauses lieferten sich Freddie Harris, Mr Jones und Sergeant Kritzinger ein verbales Gefecht, das lautstark von den Wänden widerhallte und bis in den Tanzsaal zu hören war. Dort bemühten sich ein paar Hundedresseure, ihre Schützlinge von den Palmenkübeln fernzuhalten, während sich etwa dreißig Uniformierte darum stritten, was sie mit dem Schwein von Lustmörder machen würden, wenn sie es hätten. Und aus der Küche kamen die strengen Töne eines Teams von Bantubeamten, die das Personal des Clubs verhörten – die Leute waren alle aus den Betten im Anbau gezerrt worden und glaubten, sich in einem Albtraum zu befinden.

Das Billardzimmer war der ruhigste Ort, den Kramer finden konnte. Und er war noch ruhiger geworden, nachdem Jonathan Rogers endlich aufgehört hatte, zu weinen wie ein Baby.

»Wohin soll ich zielen, Miss Jones?«, fragte Kramer und legte den Billardstock an. »Ins obere Loch oder in die Mitte?«

Immer noch vermochte nichts auch nur die leiseste Reaktion bei ihr hervorzurufen. Die gelbe Kugel prallte mit einer herrenlosen roten zusammen; eine Kugel rollte in das obere, die andere in das mittlere Loch. Keine Reaktion.

»Ich hätte es mir denken können«, sagte Jonathan.

»Dafür werde ich schließlich bezahlt«, sagte Kramer leichthin, »dass ich zwei und zwei zusammenzähle. Oder zwei und eins, wie bei dir. Danke für die Abrundung nach unten.«

»Aber all die Einzelheiten!«

Kramer legte die von einem kleinen Alufolienpäckchen abgerissene Ecke auf den Rand des Tisches. Jonathan wimmerte.

»Schon gut, Söhnchen – ich bin kein Katholik. Dachte mir nur, du wolltest es mal sehen. Und so gibt es für alles eine Antwort – selbst für das Blut.«

»Glauben Sie mir denn?«

»Warum nicht? Außerdem hast du ja ein Alibi für den ersten Teil des Abends, und nur darauf kommt es an. Mein Job besteht einfach darin, die losen Fäden zusammenzuknüpfen. Hast du eine Zigarette? Meine sind alle.«

Jonathan wühlte ein Päckchen aus seiner Jacke und hielt es hin.

»Texans, was? Rauch Texan und huste wie ein Cowboy. Willst du auch eine?«

»Nein, danke.«

Kramer zündete sie an und rieb die Spitze seines Billardstockes mit Kreide ein. »Wie kommts, dass ein Tennisspieler raucht?«

»Ach – nur auf Partys.«

»Hm.«

Die braune Kugel teilte sich ein Loch mit einer roten –immer ein schwieriger Stoß.

»Wann hattest du deine letzte, wenn ich fragen darf?«

»Zigarette? Danach, glaube ich. Um meine Nerven zu beruhigen. Ja.«

»Und Miss Jones?«

»Sie raucht nicht – «

»Auch nicht, wenn’s zum Lehrplan gehört?«

»Bitte!«

»Du hast also nicht versucht, sie mit einem kleinen Zug da runterzuholen?«

»Nein!«

»Schon gut, schon gut. Meinst du, ich kann mir ein bisschen von ihrem Make-up abwischen? Frag sie mal.«

Jonathan flüsterte Miss Jones etwas zu, die nur laut schluckte.

»Nur zu, Lieutenant. Ich bin sicher, sie …«

Kramer ging zu ihr hinüber und riss einen alten Briefumschlag auf. »Es gibt kaum etwas Saubereres als die Innenseiten von so was«, bemerkte er. »Ich erinnere mich noch, dass mir eine Krankenschwester einmal gesagt hat, sie wären fast steril, falls man dringend etwas zur Ersten Hilfe benötigte. So wird es gehen.«

Er stützte Miss Jones sanft mit der linken Hand den Kopf und presste ihr den Umschlag an die Lippen. Als er das Papier wieder abzog, trug es einen großen, klebrigen orangeroten Lippenstiftabdruck.

»Sie trägt aber dick auf!«

»Ich habe Ihnen ja gesagt, Lieutenant, dass sie noch nicht viel Erfahrung mit solchen Gelegenheiten hatte.«

»Darauf möchte ich wetten.«

Ein Faden hing noch lose.

»Warum schauen Sie mich so an?«