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Hier handelt es sich um zwei Kriminalgeschichten des Privatdetektivs "Düse". Lady Mouse und ihre Familie ermittelt wieder. Es geht um Mord, Wirtschaftskriminalität und die Entführung eines kleinen Mädchens. Zusätzlich bekommen sie Unterstützung von Kater Arthur.
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Seitenzahl: 253
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die Tote im Fluss
KI – Katzenintelligenz
Vielleicht kennen einige von Euch Lesern meine Familie schon aus den beiden vorigen Geschichten. Das waren die ersten Katzenkrimis, die Brigitta geschrieben hat. Ich, der Kater Beppo, bin nach wie vor das Familienoberhaupt. Meine Partnerin, Lady Mouse, hat dennoch meistens das Sagen, aber das sollte bitte unter uns bleiben. Unsere beiden Ziehsöhne heißen Titus und Panino. Und seitdem Ylvie nebenan eingezogen ist, gehört sie quasi auch zu meiner Familie, denn Panino ist unsterblich verliebt in die Kleine. Kann ich sogar verstehen, denn sie ist bildhübsch. Aber natürlich geht nichts über meine Lady Mouse, die ist einfach klasse! Sie ist ebenfalls eine Schönheit und hat zudem ein kluges Köpfchen, das merke ich immer wieder. Seitdem Mats die ehemalige Geistervilla und uns auch gleich mit übernommen hat, führen wir eigentlich ein ruhiges Leben. Auch seine Lebensgefährtin Henrike ist eine ganz liebe Person. Mats und Henrike arbeiten beide nach wie vor bei der Polizei. Wir konnten Mats ja bereits zwei Mal bei der Aufklärung von Verbrechen unterstützen, weil die in unserer Nähe stattgefunden haben. Eines davon hat sich sogar in unserem Haus abgespielt, so haben wir Mats überhaupt erst kennengelernt. Jetzt steht die Hochzeit der beiden an. Das soll ein großes Gartenfest werden, und Mats und vor allem Henrike sind schon seit Wochen mit den Vorbereitungen dafür beschäftigt. Sie haben die Beete vom Unkraut befreit, einige neue Pflanzen gekauft und die Obstbäume gestutzt. Außerdem haben sie für den großen Tag den ganzen Garten festlich geschmückt. Überall in den Bäumen und Büschen sind große, weiße Schleifen aufgehängt worden, und wir haben neuerdings sogar einen Rosenbogen, durch den die Brautleute nach der Trauung schreiten sollen. Gestern kam ein großes Auto und lud jede Menge Tische und Stühle aus, die im Garten verteilt wurden. Am Hochzeitsmorgen wurden die Tische weiß eingedeckt und mit kleinen Blumensträußen und langen Efeuranken geschmückt. Alle Stühle bekamen weiße Hussen übergestreift. Das haben die Mütter der beiden übernommen. Die Eltern von Henrike und Mats sind nämlich schon seit vorgestern hier, um bei den Vorbereitungen zu helfen. Es hat schon seit Wochen nicht mehr geregnet, und auch heute ist es schon richtig heiß. Aber für eine sommerliche Hochzeit im Garten ist das genau richtig, meint Lady Mouse. Zudem hat Henrike sich das so gewünscht. Junge, Junge, so eine Hochzeit ist für Menschen eine richtig ernste Sache – gut, dass wir Katzen uns damit nicht aufhalten. Natürlich sind wir alle gespannt und freuen uns auf das große Ereignis. Auch Markus hat tüchtig dabei geholfen. Er ist bei uns eingezogen, seitdem Shari wieder zurück in ihre Heimat gegangen ist. Shari war nämlich zwar nur ganz am Rande, aber immerhin, in dem Fall mit der toten Studentin verwickelt. Da ging es um Drogen. Danach wollte sie lieber nach Hause, um dort ihr Studium fortzusetzen. Ab und zu kommen bunte Postkarten von ihr. Da stehen auch immer Grüße an uns mit drauf. Wir hatten sie alle sehr gern und hoffen, sie kommt uns mal besuchen.
*
„Der Bräutigam soll die Braut nicht in ihrem Hochzeitskleid sehen, das bringt Unglück“, sagte Anna zu Henrike.
Anna ist die beste Freundin von Henrike und half ihr gerade, das lange, weiße Kleid anzuziehen. Auch die Frisur von Henrike hatte sie gezaubert. Ganz fremd, aber wunderschön sah sie aus, fand Lady Mouse, die mit ins Schlafzimmer gehuscht war. Auch Anna sah ihre Freundin bewundernd an.
„Mit Mats hast Du wirklich das große Los gezogen“, sagte sie ein wenig neidisch.
Sie hatte sich erst vor Kurzem von ihrem langjährigen Freund getrennt, weil sie dahintergekommen war, dass er sie betrogen hatte.
„Alle gleich, die Kerle – na ja, die meisten jedenfalls“, schimpfte sie, beeilte sich dann aber hinzuzufügen: „Bis auf Mats natürlich, das sage ich ja immer!“
Henrike stand auf und nahm Anna in den Arm.
„Du hast recht, Mats ist ein Schatz. Deshalb will ich ihn ja nicht gehen lassen! Aber ich bin sicher, Du wirst auch noch den Richtigen treffen“, tröstete sie Anna.
Auch Lady Mouse tat Anna leid, deshalb gab sie ihre Deckung auf und strich Anna leise schnurrend um die Beine. Anna stutzte und lachte dann.
„Hast Du es doch wieder geschafft, mit ins Schlafzimmer zu kommen. Du warst sicher neugierig, oder?“
Lady Mouse zog es vor, darauf nicht zu antworten, aber natürlich war es ihr sehr unangenehm, durchschaut worden zu sein. Dann griff Anna nach dem Schleier und befestigte ihn mit einigen gekonnten Handgriffen in den hochgesteckten Haaren von Henrike. Mats würde sicher begeistert sein von seiner Frau.
„So, fertig“, befand Anna, nachdem sie zum Abschluss noch schnell ein paar Parfumspritzer über Henrike verteilt hatte.
Für Menschen mochte das ein angenehmer Geruch sein, für die empfindliche Nase von Lady Mouse weniger. Sie begann zu niesen, und beide Frauen lachten. Gleich darauf klopfte es an der Tür. Mats fragte, wann die Damen denn so weit sein würden, der Pastor sei auch soeben eingetroffen, informierte er sie.
„Gib ihm ein Glas Sekt, wir kommen gleich“, rief Henrike übermütig, indem sie sich vor dem großen Spiegel hin und her drehte, um sich zu bewundern.
„Alles klar“, tönte es zurück.
Henrike und Anna schauten sich an.
„Bist Du aufgeregt?“, erkundigte sich Anna.
„Ein wenig schon“, gab Henrike zu.
„Das gehört unbedingt dazu.“
„Ich weiß, aber lass uns jetzt gehen, sonst überlegt Mats es sich womöglich doch noch anders.“
„Mats? Niemals!“, war Anna sicher.
„Nein, natürlich nicht, das war doch ein Scherz! Außerdem wäre es ohnehin zu spät, denn standesamtlich sind wir ja schon verheiratet“, erinnerte Henrike sie.
Dann verließ Lady Mouse das Zimmer mit den beiden Freundinnen, um sich im Garten zu ihrer Familie zu gesellen.
„Ah, da kommt ja die Braut!“, rief jemand und alle Augen wandten sich in ihre Richtung.
Mats eilte mit strahlendem Gesicht auf seine Liebste zu und überreichte ihr einen riesigen Blumenstrauß, den sie, mit einem Kuss lächelnd entgegennahm.
„Oh, wie romantisch“, hauchte meine Lady Mouse verzückt. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, was das für ein Gemüse war, aber den Frauen hat es offenbar gefallen, denn auch Ylvie bekam ganz glänzende Augen. Natürlich können Katzen damit nix anfangen, ein handfesteres Geschenk, wie eine fette Maus, ist denen im Endeffekt lieber, aber so sind die weiblichen Wesen nun mal. Hoffnungslos romantisch eben, wie Lady Mouse das nennt. Alle Gäste klatschten begeistert, als Henrike kam. Mats und sie hatten viele Leute eingeladen. Ihre Eltern natürlich, Kolleginnen und Kollegen und unsere Nachbarn von nebenan. Das sind die beiden Mädchen Hanna und Clara mit ihren Eltern. Alle hatten sich zu diesem Anlass extra fein angezogen. So gehört sich das für eine Hochzeitsfeier, klärte Lady Mouse uns auf. Ich sage ja, sie kennt sich aus. Mats zwängt sich sonst so gut wie nie in einen Anzug; und so einen Strick um den Hals, er nennt das komische Ding Krawatte, trägt er normalerweise auch nicht. Aber ich muss zugeben, er sah gut damit aus. Jedenfalls konnte es jetzt losgehen, nachdem auch die Braut erschienen war. Auf dem Rasen vor dem Rosenbogen waren jetzt die Stühle aufgestellt. Dorthin gingen nun alle Gäste, um sich zu setzen. Henrike und Mats nahmen auf den beiden geschmückten Stühlen, die in der Mitte davorstanden, Platz. Dann trat der Mann im schwarzen Frack, der aussah wie ein Kleid für Männer, vor sie hin und erzählte einiges, was ich allerdings total langweilig fand. Verstanden habe ich davon auch so gut wie nichts - das ist halt Menschenkram. Zwischendurch wurde seltsame Musik gespielt und alle sangen dazu. Klang etwas dünn, der Gesang, aber das störte scheinbar keinen. Die Musik, die Mats und Henrike sonst hören, klingt ganz anders. Das gefällt mir auch nicht immer, aber solche Töne hatte ich hier im Haus noch nie gehört. Dafür war Markus zuständig, er kennt sich mit Technik gut aus. Markus war es auch, der ganz viele Fotos von der Feier geschossen hat. Ich hoffe, auf einigen sind wir auch zu sehen, denn schließlich gehören wir ja zur Familie, obwohl natürlich an diesem Tag Henrike und Mats die Hauptrolle spielten. Nach dem Lied erzählte der Pastor, so wurde der Kerl genannt, wie Lady Mouse wusste, noch mal ein paar Worte. Und dann standen Henrike und Mats auf. Clara und Hanna traten ebenfalls vor. Beide hatten jeweils ein flaches Schälchen in der Hand. Clara ging zu Henrike und Hanna stellte sich an die Seite von Mats.
„Das ist das Wichtigste“, flüsterte Lady Mouse.
Ich verstand mal wieder nur Bahnhof. „Jetzt fragt er sie gleich, ob sie immer zusammenbleiben wollen und anschließend stecken sie sich gegenseitig die Ringe an“, erfuhr ich.
Und so war es. Ich wundere mich immer wieder, woher Lady Mouse solche Dinge weiß, aber, wenn ich sie danach frage, dann sagt sie meistens nur, dass sie, bevor wir zueinander gefunden haben, schon mal mit Menschen zusammengelebt hat. Aber das war ein ganz anderes Leben. Nachdem die Leute sich zwei große Hunde angeschafft hatten, hat Lady Mouse es vorgezogen, ihre damalige Familie zu verlassen. Zu meinem Glück, wie ich oft denke. Jedenfalls schaute sie gebannt zu, wie Mats von Hanna den Ehering gereicht bekam und ihn Henrike an den Finger steckte. Umgekehrt nahm Henrike den Ring von Clara und steckte ihn Mats an den Finger seiner rechten Hand. Anschließend wurden von dem Macker im schwarzen Dress noch ein paar Sätze gesagt. Zum guten Schluss hob er seine Hände und ließ sie kurz über den Köpfen der Frischvermählten schweben, wobei er wieder einige Worte sagte.
„Das ist der Segen“, klärte Lady Mouse uns auf.
„Warst Du bei so einer Hochzeit schon mal dabei?“, fragte ich sie.
„Klar“, mehr war in dem Moment nicht aus ihr rauszukriegen.
Ich glaube, es gibt vieles, was ich von ihr noch nicht weiß, obwohl wir doch schon lange Zeit zusammenleben. Ist auch egal, ich finde es schön, dass sie immer wieder imstande ist, mich zu überraschen. Die Musik brauste noch mal auf, Henrike und Mats küssten sich und alle Gäste klatschten Beifall. Anschließend gingen die beiden Arm in Arm durch den Rosenbogen in den Teil des Gartens, in dem die Tische und das große Büfett schon aufgebaut waren. Bevor alle Anwesenden dann darüber herfielen, schlossen sie sich dem Brautpaar an, um ihnen zu gratulieren. Dabei lachten alle und freuten sich. Die meisten nahmen Mats und Henrike in den Arm und sprachen ein paar nette Worte. Einige überreichen Henrike Blumen oder ein hübsch verpacktes Geschenk. Andere gaben Mats lieber einen Umschlag. Markus stand immer dabei und schoss in einer Tour Fotos. Nur die beiden Mütter wischten sich, wie schon während der ganzen Zeremonie, verstohlen öfter mal eine kleine Träne aus den Augenwinkeln, als sie dabei zusahen.
„Wieso heulen die denn?“, wunderte sich Panino, der es auch gesehen hatte.
„Davon verstehst Du nichts“, fuhr Lady Mouse ihn an. „Wenn zwei Menschen beschließen, ihr ganzes restliches Leben zusammen verbringen zu wollen, dann ist das eine große Sache!“
„Wieso? Das wollen Ylvie und ich doch auch, aber von Euch hat noch niemand deshalb geweint“, gab Panino zurück.
Erstaunlicherweise hatte sein Bruder Titus das verstanden. „Wir sind ja auch keine Menschen, die ticken eben anders“, meinte er weise.
So ist es, das habe sogar ich längst begriffen.
„Los kommt, wir sollten den beiden auch alles Gute wünschen!“, forderte Lady Mouse uns auf, nachdem sie bemerkt hatte, dass nur noch zwei Leute vor Mats und Henrike standen, um mit ihnen zu sprechen. Also marschierten wir geschlossen hin. Henrike sah uns auf sich zukommen und rief: „Schau Mats, die Katzen kommen auch, um uns zu gratulieren – wie lieb von Euch!“
Sie beugte sich zu uns hin, um uns einzeln auf den Arm zu nehmen und zu knuddeln. Sie weiß einfach immer, was angebracht ist, unsere liebe Katzenmama.
„Ja, meine Süßen, heute ist wirklich ein ganz besonderer Tag für uns. Ich denke, das habt Ihr verstanden, oder?“
„Macht Ihr Witze? Klar wissen wir, was los ist“, maunzte Titus verärgert.
Er hasst es, wenn er nicht ernst genommen wird, da ist er ein bisschen empfindlich. Lady Mouse gab Henrike schnell ein Nasenküsschen und schnurrte dann aus Leibeskräften, um ihr zu zeigen, wie erfreut sie über die Heirat war. Dann wurde Lady Mouse an Mats weitergereicht, damit sie ihm ebenfalls gratulieren konnte. Danach war ich dran, wurde hochgenommen und folgte dem Beispiel von Lady Mouse, indem ich Henrike auch schnell ein Nasenküsschen gab. Das tue ich höchst selten, nur in Ausnahmefällen, aber dieser Tag war eben etwas ganz Besonderes. Nach uns beiden kam Ylvie dran, während Panino und Titus brav darauf warteten, dass auch sie ihre Glückwünsche loswerden konnten. Aber die mögen es noch weniger als Lady Mouse und ich, wenn sie auf den Arm genommen werden. Ich glaube, die beiden waren froh, als das zu Ende war.
„Für Euch gibt es zur Feier des Tages auch was Leckeres – versprochen!“, hörten wir Mats sagen.
Er winkte Clara herbei, und sie ging mit uns in die Küche, wo unsere Futternäpfe stehen. Wir bekamen an diesem Tag tatsächlich ganz besonders leckeres Futter. Zum Glück konnten wir das in aller Ruhe fressen, denn im Garten wurde es jetzt richtig laut.
„Jetzt geht die Feierei los“, wusste Lady Mouse.
Gut, das sei ihnen gegönnt, dachte ich, aber da mussten wir nicht mehr dabei sein. Titus wollte ohnehin noch mal auf die Pirsch gehen, und Ylvie und Panino zogen sich in den Garten nebenan zurück, da war es wenigstens etwas ruhiger. Lady Mouse und ich wollten ein Schläfchen machen, so gut das bei dem Krach möglich war, deshalb gingen wir uns in unseren Wintergarten. Später würden wir uns vielleicht noch mal unter die Gäste mischen. Wir erwachten beide gleichzeitig von einem lauten Knall. Erschrocken flitzten wir schnell zu dem großen Fenster, durch das man in den Garten sehen kann. Die Kollegen von Mats hatten ein Feuerwerk vorbereitet und schossen jetzt mehrere bunte Raketen in den Himmel. Währenddessen kamen lachend zwei junge Arbeitskolleginnen von Henrike mit einer riesigen Hochzeitstorte aus dem Haus.
„Überraschung!“, riefen sie im Chor.
Und dann mussten Henrike und Mats die Torte gemeinsam anschneiden. Das war der Höhepunkt der Party. Um es kurz zu machen, die Feier ging noch eine Weile weiter, aber nach dem Feuerwerk wurde die Musik deutlich leiser, und bald danach gingen die meisten Hochzeitsgäste nach Hause. Nur gut, dass ab morgen wieder Normalität einkehren wird, dachte ich. Die Eltern von Mats und Henrike wollten noch eine Nacht bleiben, das wussten wir. Das Haus ist ja groß genug. Unterm Dach ist ein Zimmer mit angrenzendem Bad, das immer an Studenten vermietet wird. Momentan wohnt Markus da. Und zwei Gästezimmer haben wir zusätzlich. Die werden eher selten benutzt, aber in diesem Fall konnten Regina mit Jörg und Uwe mit Inge da übernachten. Die kommen uns ja sonst auch öfter mal für ein paar Tage besuchen, meistens allerdings nicht gleichzeitig. Es ist immer Leben in der Bude, wenn wir Besuch haben. Ist ja auch in Ordnung, aber wir Katzen haben nun mal lieber unsere Ruhe. Deshalb wollten wir wenigstens noch eine kurze Runde schlafen. Nachdem Lady Mouse und ich zum zweiten Mal in dieser Nacht aufgewacht waren, gingen wir erst mal in die Küche, um nach dem Rechten zu schauen. Zum Glück hatte Clara daran gedacht, unsere Fressnäpfe noch mal mit Trockenfutter aufzufüllen. Dass die Jungs mit Ylvie zwischendurch hier gewesen waren, das sah man daran, dass aus ihren Näpfen schon ein Teil weggefressen war. Aus dem Garten ertönte immer noch leise Musik. Neugierig, wie wir nun mal sind, schlichen wir dorthin. Da tanzten Mats und Henrike eng umschlungen miteinander, sahen sich verliebt in die Augen und zwischendurch küssten sie sich. Alle anderen waren längst gegangen, spät genug war es ja.
„Komm, hier sind wir überflüssig“, raunte Lady Mouse mir zu.
Das hatte sogar ich kapiert, auch ohne, dass sie mich darauf aufmerksam machen musste. Daher verzogen wir uns schnellstens und ließen die beiden allein. Es war eine laue, sternenklare Nacht, und ein kugelrunder, heller Vollmond leuchtete am Himmel. Eine Nacht, in der es auch uns Katzen besonders viel Freude macht, um die Häuser zu ziehen. Aber ein Kavalier genießt und schweigt – auch das habe ich von meiner Lady Mouse gelernt. Sie bemüht sich nach wie vor redlich darum, unsere Manieren zu verbessern. Zum Teil mit zweifelhaftem Erfolg, wie ich leider zugeben muss. Vor allem Titus sträubt sich oft gegen ihre Erziehungsversuche. Aber das gehört nun wirklich nicht hierher. Es würde Lady Mouse gar nicht gefallen, wenn ich so private Dinge ausplaudere, deshalb ist jetzt Schluss mit diesem heiklen Thema. Wir verbrachten jedenfalls ein paar wundervolle Stunden und kehrten erst am frühen Morgen zurück nach Hause. Titus und Panino waren noch nicht da.
„Sie sind erwachsen, mach Dir keine Sorgen, Liebste“, versuchte ich Lady Mouse zu beruhigen.
Sie meint gelegentlich immer noch, die beiden beschützen zu müssen. Auch ein liebenswerter Zug von ihr, wie ich finde. Ohnehin ist sie vollkommen - jedenfalls für mich. Muss wohl Liebe sein, oder? Auf leisen Pfoten schlichen wir nach oben in den Wintergarten. Das ist nach wie vor unser liebster Aufenthaltsort im ganzen Haus. Eng aneinandergeschmiegt gönnten wir uns noch ein Nickerchen, bis wir durch Geräusche im Haus geweckt wurden. Die beiden Mütter, Inge und Regina, waren dabei aufzuräumen. Sie sammelten das schmutzige Geschirr ein, stellten es in die Boxen und suchten die benutzten Gläser zusammen. Außerdem kümmerten sie sich auch noch um die Reste vom Büfett. Währenddessen machten die Männer im Garten Ordnung. Sie stapelten die Stühle übereinander und die Tische wurden auch dazu gestellt, sodass der Party-Service die mit abholen konnte. Es war ein richtiges Gewusel im ganzen Haus und Garten. Deshalb verzogen Lady Mouse und ich uns lieber und gingen runter zum Fluss, aber erst, nachdem wir einen Blick in unsere Futternäpfe geworfen hatten. Leider hatte an diesem Vormittag noch niemand daran gedacht, sie mit Nachschub zu füllen. Als wir nach einer Weile zurückkamen, war das anders. Mats und Henrike waren ebenfalls aufgestanden, und sogar Markus tauchte mit verstrubbeltem Haar am einladend gedeckten Frühstückstisch auf.
„Guten Morgen, Du Schlafmütze!“, wurde er von Regina begrüßt. „Hier, trink erst mal eine Tasse Kaffee, dann wirst Du ganz schnell richtig wach.“
„Das war eine tolle Feier, Kinder!“, stellte
Uwe fest, und Jörg stimmte ihm zu.
„Ihr wart ja schon richtig fleißig“, freute sich Henrike, während Mats laut gähnte.
„Wir wollten Euch ausschlafen lassen.“
„Das war wirklich nett von Euch.“
„Alte Leute brauchen eben nicht mehr so viel Schlaf“; ulkte Mats.
„Pass auf, Du…“, drohte ihm seine Mutter scherzhaft.
„Die Leute vom Party-Service kommen erst am Nachmittag, und jetzt ist es kurz vor elf“, überlegte Henrike. „Wenn wir gleich gefrühstückt haben, sollten wir uns erst mal in Ruhe die vielen Geschenke anschauen“, schlug sie vor.
Mats nickte. Geschenke? Lady Mouse spitzte die Ohren. Sie liebt es sehr, wenn das Einwickelpapier raschelt und sie mit dem Schleifenband spielen kann. Als Henrike und Mats im letzten Jahr Weihnachten gefeiert haben, das war auch für uns ein schönes Fest. Es gab sogar Geschenke für uns Katzen. Spielmäuse, ein frisches Katzenminzekissen für jeden von uns, und von dem Lachs, den Mats und Henrike sich gegönnt haben, bekamen wir auch eine Portion ab. Aber das Schönste waren die Kartons und das bunte Einwickelpapier. Hinterher sah das große Wohnzimmer aus wie ein Schlachtfeld, aber Henrike hat nur gelacht und uns den Spaß gelassen.
„Da müssen wir unbedingt dabei sein“, bestimmte Lady Mouse, denn eigentlich wollten wir uns nach dem Frühstück wieder aufs Öhrchen legen, aber das konnten wir immer noch tun. Deshalb liefen wir ins Esszimmer. Auf dem langen Tisch und der Anrichte standen etliche Geschenke und Blumensträuße. Die hatten Regina und Inge schon im Laufe der Feier dorthin gebracht. Ein Stapel mit Karten und Briefen lag ebenfalls dabei.
„Da sind sicher die Geldgeschenke drin“, vermutete Lady Mouse.
Die interessierten uns weniger, aber Mats umso mehr, denn als alle im Esszimmer versammelt waren, langte er zuerst danach. Aber Henrike fiel ihm in den Arm und sagte: „Da kannst Du doch später immer noch reinschauen.“
„Außerdem habt Ihr beide noch gar nicht nachgesehen, was wir vier Euch gemeinsam schenken möchten“, mischte Inge sich ein und schwenkte einen großen, bunten Umschlag. „Wir sind ja sooo gespannt, was Ihr dazu sagen werdet!“
„Dann fangen wir doch damit an“, schlug Mats vor.
Strahlend überreichte Inge ihm den mit einer Schleife verzierten Umschlag, den er an Henrike weiterreichte.
„Versucht doch gemeinsam den Umschlag zu öffnen“, riet ihnen Regina, die vor Ungeduld ganz zappelig wurde. Endlich war es geschafft, und Henrike zog ein Blatt aus dem Umschlag und las Mats vor, was darauf stand: „Das ist ein Gutschein für ein luxuriöses Romantic-Hotel am Rhein, stell Dir vor, Mats.“
„Der ist zwei Jahre gültig, aber wir hatten gedacht, dass Ihr vielleicht im Herbst zur Weinlese noch einige Urlaubstage nehmen könnt, als verspätete Flitterwochen“, warf Uwe ein.
„Das ist eine tolle Idee!“, fanden Henrike und Mats, „das machen wir. Seit unserem Einzug hier haben wir ja noch keinen Urlaub gemacht – es ging einfach nicht, das wisst Ihr ja.“
„Eben, genau deshalb sind wir ja auf dieses Geschenk gekommen“, erklärte Jörg. „Markus hat versprochen, dass er sich in der Zeit um die Katzen kümmert“, setzte er hinzu.
Dann nahmen sich alle noch mal in den Arm, und endlich begannen sie unter fröhlichem Gelächter damit, auch die vielen anderen Geschenke auszupacken. Sobald das erste Schleifenband zu Boden fiel, war Lady Mouse nicht mehr zu halten. Sofort schoss sie aus ihrer Ecke hervor, packte es sich und begann, damit zu spielen. Amüsiert sah ich ihr dabei zu. In solchen Momenten könnte man wahrhaftig glauben, sie sei noch ein ganz junges Kätzchen.
Kurz nach dieser Aktion gingen die Eltern von Mats und Henrike nach oben, um ihre Koffer für die Heimreise zu packen. Als sie fort waren, kehrte endlich die von uns so ersehnte Ruhe ein. Panino und Ylvie tauchten sowieso erst gegen Mittag kurz auf, und Ylvie lief anschließend gleich nach Hause, weil sie ein wenig schlafen wollte. Titus kam etwas später ebenfalls heim. Er erzählte von einer Keilerei, die er sich in der letzten Nacht mit einem anderen Kater geliefert hatte. Er neigt manchmal ein wenig zur Übertreibung, aber weil er tatsächlich eine Macke am Ohr hatte, glaubten wir ihm.
Er prahlte: „Ist nicht so schlimm, Ihr solltet mal meinen Gegner sehen. Dem hab ich es aber gegeben!“
Mats und Henrike saßen währenddessen auf der Terrasse, unterhielten sich und schmiedeten Pläne für ihren Urlaub am Rhein.
Am Montag musste Mats schon wieder arbeiten, aber Henrike durfte noch einige Überstunden abbummeln und zu Hause bleiben. Sie verteilte erst mal die vielen Blumensträuße im ganzen Haus und werkelte ein wenig im Garten. Der Postbote kam und wollte ein Päckchen bei uns abgeben, das aber für unsere Nachbarn bestimmt war. Mehr passierte in diesen Tagen nicht – zum Glück. Wir Katzen lieben unsere Routine und mögen es gar nicht, wenn zu viel Trubel herrscht. Die Hochzeitsfeier von Henrike und Mats war natürlich etwas Anderes. Aber dann tauchte diese mysteriöse Tote auf, und schon waren wir mal wieder mittendrin in einem abenteuerlichen Kriminalfall.
Dieses Mal war es Titus, dem wir das zu verdanken hatten. Lady Mouse und ich gehen oft abends an den Fluss, der sich durch unser Revier schlängelt. Da ist es schön ruhig und wir genießen dort gern den Sonnenuntergang und vor allem unsere Zweisamkeit. Wir beide saßen gerade im Wintergarten und überlegten, ob wir auch an diesem Abend einen Spaziergang dorthin machen sollten. Panino war zu Ylvie nach nebenan geschlendert, und wir vermuteten, dass Titus auch schon wieder auf Tour war. Plötzlich kam er völlig außer Atem angerannt. Keuchend berichtete er uns, dass er unten am Fluss etwas Seltsames gesehen hatte.
„Ich glaube, da liegt ´ne Tote im Fluss“, stieß er hervor.
„Wieso? Wie kommst Du denn darauf?“, maunzte Lady Mouse entsetzt.
„Ach was, da musst Du Dich verguckt haben“, wiegelte ich ab.
Es war ein lauer Abend, und wir waren in bester Stimmung, das wollte ich mir nicht kaputtmachen lassen.
„Doch, da schwimmt etwas im Wasser, und ich bin sicher, das ist ein Mensch!“
Der Junge ließ einfach nicht locker. Seufzend machten wir uns also mit ihm zusammen auf den Weg. Kurz bevor wir an unserem Lieblingsplatz ankamen, rief Titus aufgeregt: „Dort, seht Ihr?“
„Wo?“, fragte ich.
Manchmal bin ich leider doch etwas begriffsstutzig, aber Lady Mouse hatte es auch gesehen.
„Los, komm mit, das will ich mir genauer anschauen“, rief sie und rannte los.
Was blieb mir anderes übrig, als mich aufzurappeln und ihr zu folgen.
Im Näherkommen sah ich ebenfalls, was Titus und sie bemerkt hatten. In den langen, bis ins Wasser herabhängenden Zweigen der alten Weide, die direkt am Flussufer steht, hatte sich ein toter Körper verfangen. Vor Schreck sträubten sich mir alle Haare im Pelz. Lady Mouse riss ebenfalls entsetzt ihre schönen Augen weit auf.
„Es ist eine Frau und sie ist tot – eindeutig“, stellte sie fest.
„Bist Du wirklich sicher?“, fragte ich vorsichtshalber.
„Natürlich bin ich sicher“, fauchte sie mich an „Wenn jemand mit dem Gesicht im Wasser liegt und hin und her schaukelt, muss dieser Mensch tot sein. Außerdem tragen nur Frauen Kleider. Der Fall ist klar, und wir müssen Mats einschalten.“
Dann lobte sie Titus: „Es war ganz richtig, dass Du uns geholt hast.“
Ich seufzte. Das war es dann mit unserem ruhigen Abend, aber natürlich hatte sie recht, wie immer. Also liefen wir drei auf dem schnellsten Weg zurück nach Hause. Dort saßen Henrike und Mats auf der Terrasse und hatten sich ein Glas Wein eingeschenkt. Jede Wette, sie wollten sich einen romantischen Abend zu zweit machen, so wie Lady Mouse und ich ursprünglich ja auch. Gleich als wir durch das Gartentor flitzten, versuchten wir, unsere beiden Turteltäubchen durch lautes Miauen auf uns aufmerksam zu machen.
„Oh hallo, da seid Ihr ja wieder“, freute sich Henrike. „Aber was habt Ihr denn?“
Eine Frau spürt gleich, wenn etwas los ist, das sagt Lady Mouse immer. Mats sah etwas gekränkt drein, und ich glaube, er fühlte sich durch unseren stürmischen Auftritt gestört. Darauf konnten wir in dem Fall allerdings keine Rücksicht nehmen.
„Euer Abendessen habt Ihr doch schon gehabt“, grummelte Mats und machte sogar Anstalten, uns zu verscheuchen. Eine Unverschämtheit war das, fand ich. Aber Henrike fiel ihm ins Wort und meinte: „So komisch benehmen sich die Katzen doch sonst nie, ich glaube, sie wollen uns etwas sagen“, meinte sie und stand auf.
„Hurra, sie hat uns verstanden“, jubelte Lady Mouse, strich Henrike kurz um die Beine, und rannte anschließend sofort in Richtung Gartentor, wo Titus schon auf uns wartete. Ich flitzte hinterher und vergewisserte mich, dass die beiden uns folgten. Das taten sie auch, erst etwas zögerlich, aber dann schien auch Mats verstanden zu haben, dass wir sie nicht ärgern wollten, sondern wirklich ein Problem hatten. Zum Glück ist es nicht weit bis zum Fluss. Auf dem Weg dorthin sahen wir uns immer wieder nach Mats und Henrike um, um uns zu vergewissern, dass sie hinter uns herkamen. Titus ist eindeutig der Schnellste von uns, aber auch Lady Mouse ist immer noch gut in Form, wenn es darauf ankommt. Darüber staune ich immer wieder. Sie und Titus liefen schnurstracks zu der Stelle, an der die langen Zweige der alten Weide ins Wasser ragen. Dort angekommen, miauten die beiden erneut aus Leibeskräften. Aber das wäre nicht nötig gewesen, denn Mats und Henrike hatten die Tote ebenfalls schon entdeckt. Entsetzt stieß Henrike einen lauten Schrei aus.
„Bleib zurück“, befahl Mats ihr, und sie gehorchte ohne Widerspruch, als er näher zu der Stelle am Ufer ging, um sich die Tote genauer anzuschauen. Wir hörten ihn laut fluchen, als er sein Smartphone aus der Tasche zog, um seine Kollegen anzurufen. Inzwischen liefen wir zu Henrike, um sie zu beruhigen. Ganz blass war sie, unsere liebe Katzenmama. Sie hatte sich den Abend sicher ganz anders vorgestellt.
Trotzdem lobte sie uns: „Das habt Ihr prima gemacht“, und setzte hinzu: „Ich wusste doch, Ihr benehmt Euch nicht ohne Grund so komisch.“
„Du gehst jetzt mit den Katzen nach Hause“, ordnete Mats an. „Ich warte hier auf die Kollegen.“
„Könnte es nicht doch ein Unglücksfall gewesen sein?“, hoffte Henrike.
„Nein, bei der Riesenbeule an ihrem Hinterkopf ist das kaum möglich“, stellte Mats sachlich fest. „Lange kann sie noch nicht tot sein, und zum Glück hat ihr Körper sich in den Zweigen verfangen, wer weiß, ob wir sie sonst gefunden hätten. Aber so ein Anblick ist nichts für eine Frau. Geh nach Hause. Ich komme nach, sobald ich kann“, bat er noch einmal.
Widerstrebend taten wir, was er verlangte. Henrike jetzt allein zu lassen, das kam natürlich nicht infrage, obwohl wir viel lieber Mats bei seiner Arbeit unterstützt hätten. Wäre schließlich nicht das erste Mal. Wenn er einen so strengen Ton anschlägt, dann ist es eindeutig besser, zu tun, was er verlangt. Sogar Titus maulte: „Ich will aber wissen, wie es weitergeht.“
„Das kriegen wir schon mit, keine Angst“, beschwichtigte ich ihn.
„Ach Beppo, ich hatte mich so auf einen schönen Abend mit Dir gefreut!“, seufzte Lady Mouse.
Dabei blinzelte sie mich mit ihren schönen Augen liebevoll an.
„Ich auch“, raunte ich ihr zu, als wir neben Henrike her trabten, die eindeutig sehr erschüttert war.
„Wie geht es denn nun weiter?“, wollte Titus wissen.
„Na, wir nehmen natürlich unsere eigenen Ermittlungen auf, sobald wir von Mats erfahren, wo wir ansetzen können“, schlug ich vor.
Damit musste Titus sich für den Moment zufriedengeben. Außerdem wusste ich, dass auch Lady Mouse keine Ruhe geben würde, bis sie mehr über die Tote herausgefunden hatte; das Glitzern in ihren Augen war eindeutig. So sieht sie immer aus, wenn sie auf dem Kriegspfad ist. Plötzlich äußerte sich Titus, der sonst eher schweigsam ist, noch einmal und sagte: „Ich glaube, ich habe die Frau schon mal gesehen.“
„Was? Wo?“, wollte Lady Mouse wissen.
„Das ist noch nicht lange her. Im Park des Damenstiftes habe ich gesehen, wie sie mit einer der Bewohnerinnen sprach“, erzählte Titus.
„Und das fällt Dir erst jetzt ein?“, schimpfte Lady Mouse.
Aber sie kennt ihren Ziehsohn. Ehe der etwas ausplaudert, muss er sicher sein, dass es wichtig ist; und diese Information war eindeutig wichtig.
„Na bitte, dann wissen wir doch, wo wir mit unseren Nachforschungen beginnen können“, triumphierte Lady Mouse.
Inzwischen waren wir wieder zu Hause angekommen, und Henrike ging mit uns in die Küche. Sie holte die Dose mit den Leckerlis raus und gab uns allen eine kleine Belohnung.
„Es ist schrecklich, nicht wahr?“, fragte sie und fügte dann hinzu: „Aber ohne Euch hätte man die Tote womöglich nicht so schnell gefunden.“
