Cats & Christmas - Brigitta Rudolf - E-Book

Cats & Christmas E-Book

Brigitta Rudolf

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Beschreibung

24 Weihnachtsgeschichten rund um die Katze, zu lesen wie ein Adventskalender- Es ist das neunte Buch mit Weihnachtsgeschichten.

Das E-Book Cats & Christmas wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Katzen und Tiere,Weihnachtsgeschichten,Adventskalender,Lesefreundlich,Familienfreundlich

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Seitenzahl: 198

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Weihnachtsmarkt auf dem Birkenhof

Eine Kreuzfahrt zu Weihnachten

Schneeflöckchen

Eine Überraschung im Tannenbaum

Der Pausenengel

Kater Fritzl trifft den Weihnachtsmann

Mr. und Mrs. Cat

Die Puppenwerkstatt

Fussel´s erstes Weihnachtsfest

Gefunden

Sunny´s Heimkehr

Die Weihnachtslüge

Philippa und die kleine Katze

Erstens kommt es anders…

Weihnachten mit Hedy

Ein Kater auf Abwegen

Weihnachten, das Fest der Hoffnung

Auch ein kleines Weihnachtswunder

Wenn wieder Weihnachtssterne blühn…

Die Katzen vom alten Friedhof

Der Wunschbaum

Endstation Weihnacht

Wirbel am Heiligabend

Ein verspätetes Weihnachtswunder

Weihnachtsmarkt auf dem Birkenhof

Meine Freunde und ich leben auf einem großen Bauernhof, der allerdings nicht mehr bewirtschaftet wird. Die Menschen, die sich um uns kümmern, haben sich dem Tierschutz verschrieben. Deshalb leben hier drei Pferde, ein Hund, vier Schafe, ein Schwein, mehrere Hühner, eine alte, dreibeinige Katze und ich, der Esel Timon. Wir haben mächtig Glück gehabt, dass wir auf dem Birkenhof gelandet sind, denn hier können wir uns bis ans Lebensende sicher und geliebt fühlen. Das war nicht immer so, im Gegenteil. Die meisten von uns haben schlimme Dinge erlebt, aber davon soll hier gar nicht die Rede sein, denn das gehört der Vergangenheit an. Die Unterhaltung eines Gnadenhofes kostet viel Geld. Unser Futter, die Tierarztkosten und dergleichen mehr, und alles muss ja bezahlt werden. Deshalb hatte Karin, die Gründerin des Birkenhofes, eine Idee.

„Wir veranstalten einen Weihnachtsmarkt“, schlug sie vor. „Wir könnten doch Stände aufstellen, an denen selbstgebackene Kekse, Wolle und Gebasteltes verkauft wird. Und mit einigen Tieren könnten wir sogar eine lebende Krippe aufbauen. Was haltet Ihr davon?“, fragte sie ihre Helfer. Die waren sofort hellauf begeistert.

„Ich kann gut Strümpfe stricken, das hat meine Oma mir beigebracht. Und ich habe noch viele Wollreste zu Hause. Vor allem Kindersocken dürfen doch kunterbunt sein“, meinte Ria.

„Deine Kekse sind immer superlecker. Hast Du Lust einige für den Verkauf zu backen? Die Kosten für die Zutaten bekommst Du natürlich erstattet“, schlug Karin, an Silvia gewandt, vor.

Die nickte. „Klar mache ich das, aber unentgeltlich, das ist doch Ehrensache!“

„Ich habe bei mir im Keller viele leere Marmeladengläser. Mit Schleifenband und Sternchenaufklebern könnte ich die ohne großen Aufwand zu Windlichtern machen“, regte Ulrike an.

„Und auf der großen Deele stellen wir Tische und Stühle auf und ich biete selbstgebackene Waffeln und Glühwein an“, rief Christel.

So schwirrten schon im Sommer die Ideen hin und her. Viele Tiere wussten mit dem Wort „Weihnachten“ nicht viel anzufangen, aber der Hund Bosco und auch die Katze Gritli erinnerten sich gut daran, dass Weihnachten für die meisten Menschen große Bedeutung hat.

„Früher, als ich noch auf dem anderen Bauernhof gelebt habe, da musste ich im Sommer auf dem Feld arbeiten, und wenn im Winter genug Schnee lag, habe ich einen Schlitten gezogen. Damit sind die Menschen am Heiligen Abend zur Kirche gefahren“, erzählte mein Pferdefreund Max. Die zwei weiblichen Tiere heißen Liese und Ella.

„Und in der Weihnachtsgeschichte kommen übrigens auch ein Ochse und ein Esel vor. Die stehen bei dem neugeborenen Christkind im Stall“, wusste Gritli. „Aber von einer Katze ist leider nirgendwo die Rede“, fügte sie bedauernd hinzu.

„Wieso?“, fragte ich. „In einem Stall gibt’s doch immer viele Mäuse, und dann sind auch Katzen da.“

Darauf wusste Gritli leider keine Antwort. Unterdessen verging der Sommer, es wurde Herbst, und eines schönen Tages brachte Andreas, der Mann von Karin, mehrere Tannenbäume auf dem Anhänger seines Traktors mit nach Hause. Den größten stellte er in der Deele auf, und die Frauen begannen sofort damit, ihn mit bunten Kugeln, Sternen, Schleifen und Kerzen festlich zu schmücken. Die anderen Bäume wurden auf dem Gelände des Hofes verteilt. Später wurden sie ebenfalls mit Strohsternen und Schleifen verziert.

„Übermorgen ist der erste Advent. Dann kommen bestimmt viele Besucher hierher. Meistens ist die Spendendose, die auf der Deele steht, hinterher sehr schwer, und vielleicht kriegen wir von denen sogar das eine oder andere Leckerli“, hoffte Gritli.

Einige Male im Jahr öffnet der Birkenhof seine Tore auch für auswärtige Besucher. Diese Veranstaltungen sind sehr beliebt. Die Kinder, die in der Stadt leben, kennen uns Haustiere nämlich oft nur aus Bilderbüchern. Viele von ihnen reißen sich darum, einmal auf dem Rücken von Max oder den beiden Stuten sitzen zu dürfen, während andere die Tiere nur streicheln möchten. Manche haben aber auch Angst, vor allem vor den großen Pferden. Die schauen erst bei mir vorbei, bevor sie sich zu ihnen auf die Koppel trauen. Zweimal habe ich so einen „Tag der offenen Tür“ bislang erlebt. Ich mag Kinder gern und bin sehr geduldig mit ihnen. Außerdem freue ich mich, wenn ich zur Belohnung einen frischen Apfel oder mal eine leckere Möhre zugesteckt bekomme. Nachdem die Weihnachtsbäume aufgestellt waren, zimmerte Andreas mit Stefan einige Holzhütten zusammen. Darin sollte alles angeboten werden, was Karin und ihre Mitarbeiterinnen für diesen Tag vorbereitet hatten. Sie hatte den Dachboden aufgeräumt und dort vieles gefunden, was zwar noch in Ordnung, aber für sie nicht mehr ganz so wichtig war. Altes Kinderspielzeug, Bücher und Geschirr zum Beispiel.

„Es wird bestimmt toll, aber die Attraktion ist sicher die lebende Krippe!“, meinte Stefan.

Dafür wurde der kleinste Stall von ihm und Andreas so gut es ging saubergemacht. Dann stellte Karin eine kleine Futterraufe auf, füllte sie mit Stroh und legte eine große Puppe hinein. Die sah tatsächlich aus wie ein echtes Baby und hat früher ihrer Tochter Maike gehört.

„Die symbolisiert das Jesuskind“, wisperte Gritli.

Aha, dachte ich. „Einen Ochsen haben wir hier ja nicht, aber die Schafe und Du, Ihr müsst es bewachen“, erklärte sie mir. „Das ist eine große Ehre, deshalb will ich auch dabei sein!“

Um ehrlich zu sein, mir war das Ganze nicht geheuer. Ich hätte mich lieber, wie sonst auch, frei auf dem ganzen Hof bewegt, aber ich wollte den Menschen den Spaß nicht verderben. Also habe ich mich an dem Sonntag, kurz bevor die ersten Besucher kamen, willig in den Stall bringen lassen. Die Schafe waren schon da. Eines lag in der Ecke und döste, die anderen standen neben der Krippe und schauten ein bisschen ratlos auf das angebliche Jesuskind. Meine Freundin Gritli huschte ebenfalls schnell mit in den Stall. Bosco musste allerdings draußen bleiben.

„Davon, dass Hunde das Jesuskind besucht haben, steht nichts in der Bibel“, sagte Gritli zu ihm.

„Du hast selbst gesagt, dass da von Katzen auch nicht die Rede ist“, antwortete er mürrisch. Ich glaube, er war ein bisschen beleidigt. Aber das hält bei ihm zum Glück nie lange an. Zum guten Schluss hängte Andreas noch eine brennende Laterne auf.

Christel war total begeistert. „Davon muss ich unbedingt ein Foto machen!“, rief sie und rannte los, um ihren Fotoapparat zu holen. Sie hatte schon während der Vorbereitungen viele Bilder geschossen und lief während des ganzen Nachmittags immer wieder hin und her, um „die tolle Weihnachtsstimmung festzuhalten“, wie sie sagte. Auch Karin, Stefan und die anderen Mitarbeiter des Birkenhofes fanden die lebende Krippe sehr stimmungsvoll. Wenig später kamen die ersten Gäste. Sie schlenderten zwischen den Ständen hin und her, kauften eine Kleinigkeit, aßen Waffeln und tranken Kakao und Glühwein oder bestaunten und streichelten die Tiere. So gut wie alle schauten sich auch die lebende Krippe an, und viele weitere Fotoapparate wurden gezückt.

„Schau mal, wie niedlich das Jesuskind ist“, sagte eine Frau. Ihr Mann nickte und bemerkte: „Ich finde es erstaunlich, dass die Tiere so geduldig sind.“

Gritli war ganz in ihrem Element und genoss es sichtlich, dass sie so oft fotografiert wurde.

Wie oft haben Besucher sie schon bedauert, weil sie nur drei Beine hat, aber das mag sie gar nicht. Sie kennt es von Geburt an nicht anders, weiß aber längst, dass so eine Behinderung für viele Menschen ein Makel ist – leider. Daher rollte sie sich zu Füßen des Jesuskindes zusammen, sodass man das nicht sehen konnte. Gritli fand es prima, wenn die Leute lachten und sich freuten, dass sich sogar eine Katze um das Jesuskind kümmerte. Ich glaube, so viele Leute waren noch nie hier. Am Ende dieses aufregenden Tages waren alle müde von dem ganzen Trubel, aber sie hatten viel Geld eingenommen und waren sehr zufrieden, dass sich ihre Mühe gelohnt und es den Besuchern so gut gefallen hatte. Alle waren sich einig, dass sie im nächsten Jahr unbedingt wieder so einen schönen Weihnachtsmarkt organisieren wollten.

Wisst Ihr, was ich am allerschönsten fand? Das war der Moment, in dem Andreas sagte, dass er für sich und Karin ein Erinnerungsfoto machen wollte. Auch Max und Bosco wurden in den Stall geholt, und alle, die zu der gelungenen Veranstaltung beigetragen hatten, stellten sich dazu. Durch diese nette Geste war Bosco endgültig versöhnt. Das Bild hängt jetzt in der Deele, wie Gritli mir erzählt hat.

Eine Kreuzfahrt zu Weihnachten

Als Marla und Dennis sich im November des vorletzten Jahres kennengelernt hatten, da waren sie sich gleich einig, Weihnachten, das war eher ein Fest für Leute mit Familie. Sie hatten beide keine Verwandten und waren ohnehin viel unterwegs. Daher sahen beide diese freien Tage eher als einen zusätzlichen Urlaub an, mehr nicht. Jetzt war es wieder Mitte November und sie beratschlagten, wie sie diese Tage am besten gestalten wollten. Keiner von beiden wollte so ein verkitschtes Weihnachtsfest „mit viel Flitterkram und Engelchen“, wie Dennis es ausdrückte. Auch eventuelle gegenseitige Geschenke sollten abgesprochen und zweckmäßig sein, so hatten sie es abgemacht. In jedem Laden, den man zu dieser Zeit betrat, dröhnte einem unaufhörlich das Lied Stille Nacht oder andere Weihnachtsmusik entgegen, das ging sowohl Marla als auch Dennis gehörig auf die Nerven, darin waren sie sich einig. Bis vor Kurzem hatten sie noch in getrennten Wohnungen gelebt, waren allerdings im Herbst doch zusammengezogen.

„Erst mal auf Probe“, wie Dennis gesagt hatte. Diese Ausdrucksweise hatte Marla zwar geärgert, aber sie hatte beschlossen, diese flapsige Bemerkung vorläufig zu vergessen.

Jetzt nahte die Adventszeit, und erstaunt sah Dennis, wie seine Lebensgefährtin einen kleinen, roten Puppenschlitten hervorholte, ihn mit Tannenzweigen auslegte und ihren Lieblingsteddy hineinsetzte. Daneben stellte sie eine hohe, weiße Kerze, deren LED-Licht den ganzen Tag flackerte. Dennis war wenig begeistert, und Marla hatte für diesen speziellen Auftritt ihres Teddys regelrecht kämpfen müssen, aber er war seit ihrer Kindheit ihr ständiger Begleiter und seitdem ihr Trost in allen Lebenslagen. Diese Dekoration war seit vielen Jahren ihre einzige Konzession an das Weihnachtsfest, und darauf wollte sie nicht verzichten. Ätzend gab Dennis nach, weil er merkte, wie wichtig Marla diese Tradition war. Er freute sich auf die freien Tage, ein wenig Ruhe vom Stress des Alltags und gutes Essen, denn das schätzten er und Marla durchaus. Ansonsten hatte das Fest schon lange keine besondere Bedeutung mehr für Dennis. Häufig hatte er sogar in der Vergangenheit den zweiten Feiertag genutzt, um seine Steuererklärung vorzubereiten. In diesem Jahr hatte Marla bereits im Sommer die Idee gehabt, die Feiertage für einen Kurzurlaub zu nutzen – sie wollte in die Sonne. Dem erwartungsgemäß trüben Wetter hier in Deutschland zu entgehen, das hielt auch Dennis für eine gute Idee, und so waren sie sich schnell darüber einig geworden. Marla hatte aus dem Reisebüro jede Menge dicker Prospekte angeschleppt und sie gründlich studiert. Die Auswahl ihres Reisezieles hatte Dennis großzügig ihr überlassen.

„Was hältst Du zum Beispiel von einer Weihnachtskreuzfahrt? Wir könnten nach Las Palmas fliegen und dort ein Schiff besteigen“, schlug Marla vor.

„Das hört sich gut an“, fand Dennis.

Beide hatten gut dotierte Jobs und konnten daher auch ihren Urlaub weitestgehend selbst einteilen. Eine solche Reise zu finanzieren, war ohnehin kein Problem für sie. Dann waren es bis zur geplanten Abreise nur noch wenige Tage und beide freuten sich auf diesen Trip. Im Schlafzimmer standen mehrere offene Koffer, und Marla hatte sich einen ausgiebigen Stadtbummel gegönnt, um sich ein paar leichte T-Shirts und einen hübschen Bikini zu kaufen. Den probierte sie gerade an, als Dennis schon nach Hause kam. Schade, eigentlich hatte sie ihn damit überraschen wollen.

„Donnerwetter, der steht Dir aber gut“, entfuhr es Dennis, als er sie so leicht bekleidet vor dem großen Spiegel posieren sah.

„Danke, ich freue mich riesig auf diese Reise“, antwortete Marla, und ließ sich von Dennis in den Arm nehmen.

Zwei Tage später saßen sie im Auto, um zum Flughafen zu fahren. Alles war von der netten Dame in dem Reisebüro bestens organisiert worden. Als sie in Las Palmas ankamen, wurden sie durch den Hotelservice abgeholt, und da ihr Schiff erst am Mittag des folgenden Tages ablegen würde, hatten sie noch genug Zeit, sich den Ort anzusehen. Auch das Hotel war eine gute Empfehlung der Mitarbeiterin des Reisebüros. Es war nicht allzu groß, aber geschmackvoll eingerichtet, und die Zimmer waren sehr sauber und gemütlich.

„Der Beginn dieses Urlaubs gefällt mir schon gut“, lobte Dennis, und Marla stimmte ihm voll und ganz zu.

Als sie am nächsten Vormittag nach einem ausgiebigen Frühstück mit dem Shuttle-Bus zum Hafen gefahren wurden, war Marla absolut begeistert, als sie das elegante, weiße Kreuzfahrtschiff, das in den nächsten Tagen ihr Zuhause sein sollte, im Hafen vor sich liegen sah. Ja, diese Reise war eine gute Idee gewesen!

An Bord wurden sie herzlich begrüßt, und die gebuchte Außenbordkabine war sogar relativ geräumig und entsprach durchaus ihren Vorstellungen. Auch Dennis fand nichts zu beanstanden, wie sie erleichtert feststellen konnte. Der freundliche Mitarbeiter der Crew, der sie in ihre Kabine begleitet hatte, informierte sie darüber, dass ihr Gepäck automatisch hergebracht worden war. Er empfahl ihnen auch, sich die Bordunterlagen, die in jeder Kabine bereitlagen, genau anzusehen, damit sie wussten, wo welche Einrichtungen auf dem Schiff zu finden waren.

„Ich heiße Juan und bin Ihr Steward auf dieser Etage, wenden Sie sich an mich, wenn Sie eine Frage haben oder etwas Besonderes wünschen.“

Das erste Mittagessen an Bord wollten Marla und Dennis ausfallen lassen, denn von dem ausgiebigen Frühstück im Hotel waren sie immer noch satt. Nachdem sie in aller Ruhe ihre Koffer ausgepackt hatten, gingen sie später an Deck, um die Ausfahrt des Luxusliners mitzuerleben. Die meisten Passagiere standen mit ihnen an der Reling und winkten den am Kai zurückgebliebenen Menschen zum Abschied fröhlich zu.

Anschließend gingen Dennis und Marla auf Erkundungstour, um sich anzuschauen, was das Schiff alles zu bieten hatte. Der Reiseprospekt hielt, was er versprach. Es würde sicher viel Spaß machen, in den zahlreichen Boutiquen an Bord zu stöbern, fand Marla. Auch einen Frisiersalon und das Kosmetikstudio würde sie besuchen, nahm sie sich vor. Für Dennis gab es diverse Sportangebote, mehrere Bars, verschiedene Unterhaltungsveranstaltungen und sogar ein Kinosaal war vorhanden. Dann wurde es allerhöchste Zeit, sich zum Abendessen umzukleiden. In ihrem edlen „kleinen Schwarzen“ fühlte Marla sich für den Begrüßungsabend an Bord gerüstet, vor allem, nachdem Dennis ihr noch einmal bestätigt hatte, wie gut sie darin aussah. Dieses Kleid liebte Marla sehr, zumal es sich mit unterschiedlichen bunten Tüchern oder Schmuck immer wieder anders variieren ließ. Wie sich herausstellte, hatten sich auch die anderen Gäste an diesem ersten Abend chic gemacht, obwohl, und das betonte der Kapitän bei seiner Willkommensrede, es auf diesem Schiff eher leger zuging, und es somit keine spezielle Kleideretikette gab.

„Ach so, dann sind auch Jeans oder kurze Hosen in Ordnung, prima!“, freute sich Dennis, dem dieser Scherz allerdings einen strafenden Blick von Marla und ein Grinsen eines seiner Tischnachbarn einbrachte.

„Ich sehe schon, wir werden uns gut verstehen. Ich bin übrigens Raffael Wilde“, stellte er sich vor. Dann erzählte er, dass seine langjährige Lebenspartnerin sich erst kürzlich von ihm getrennt hatte, und er durch diese Reise ein wenig Ablenkung suchte, denn eigentlich mochte er Weihnachten. Sehr sogar, wie er ein wenig verlegen gestand. An den Feiertagen allein zu Hause bleiben zu müssen, das mochte er sich nicht antun.

„Dann kriege ich Depressionen“, bekannte er freimütig.

„Na, das werden wir schon zu verhindern wissen“, versicherte ihm Marla. Wie konnte man einen so netten Kerl nur verlassen, dachte sie dabei, aber sie kannte diesen Raffael ja nicht näher, und der erste Eindruck musste ja nicht zwangsläufig richtig sein. Außer Raffael setzte sich noch ein Ehepaar mittleren Alters zu ihnen an den Tisch. Das waren Helen und Gero Brink, wie sich herausstellte. Mit ihnen reiste ihre Enkelin Maja. Maja´s Eltern hatten sich getrennt, und deshalb lebte sie bei ihren Großeltern. Sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater waren beruflich in der ganzen Welt unterwegs und konnten in diesem Jahr beide erst nach den Feiertagen nach Hause kommen. Deshalb hatte man sich kurzfristig dazu entschlossen, diese Reise zu buchen. Das Weihnachtsfest sollte dann im Januar nachgeholt werden. Maja war neun und ein reizendes kleines Mädchen. Sie war sehr gut erzogen und genoss diese Reise in vollen Zügen, wie es schien.

„Eine bunt zusammengewürfelte Truppe, aber ich finde alle ganz erträglich“, so der spätere Kommentar von Dennis über ihre neuen Tischgenossen. Marla seufzte, ab und zu ging ihr das arrogante Gehabe von Dennis schon gegen den Strich, zumal sie wusste, dass er selbst auch nicht von Anfang an mit dem sprichwörtlichen „goldenen Löffel im Mund“ geboren worden war. Im Gegenteil, er hatte sich seine jetzige Position hart erkämpft, das vergaß er nur zu gern.

Der zweite Tag an Bord war ein reiner See-Tag, und Marla und Dennis genossen es spät aufzustehen. Nach dem Frühstück wollte Dennis mit Raffael eine Runde Squash spielen, während Marla sich lieber einer Behandlung im Kosmetikstudio unterzog und anschließend noch dem Frisiersalon einen Besuch abstattete. Hochzufrieden kam sie zurück in ihre Kabine. Faulenzen konnte gelegentlich auch sehr schön sein, fand sie, und Dennis stimmte ihr aus vollem Herzen zu. Der nächste Tag war bereits der Heilige Abend, und sie würden in Cadiz ankommen. Wer Lust hatte, konnte dort für einige Stunden an Land gehen, bevor es am frühen Abend im großen Speisesaal das festliche Galadinner gab. Die meisten Passagiere entschlossen sich dazu, diese Gelegenheit zu nutzen. Auch Marla und Dennis gingen von Bord. Sie fanden die pittoreske Altstadt von Cadiz sehr romantisch und suchten sich dort ein kleines, verträumtes Lokal, in dem sie eine Kleinigkeit zu Mittag aßen. Bestens gelaunt kamen sie von ihrem Landausflug zurück an Bord.

Als sie den festlich dekorierten Speisesaal betraten, fiel ihnen gleich der riesige Weihnachtsbaum ins Auge, der in einer Ecke des Raumes stand und geschmackvoll in zarten Silbertönen geschmückt war. Auf den Tischen lagen breite silbrig schimmernde Tischbänder und passende Servietten. Aber zum Glück fehlte das „weihnachtliche Gedudel“, wie Dennis sich ausdrückte, und es erschien auch kein Weihnachtsmann, der Geschenke verteilte.

„Hattest Du denn etwa damit gerechnet?“, erkundigte sich Raffael bei ihm.

„Nein, nicht wirklich, schließlich sind wir ja sozusagen vor Weihnachten geflüchtet, aber man weiß ja nie“, antwortete Dennis.

„Ich habe allerdings für Maja eine Kleinigkeit gekauft, die ich ihr gern schenken würde, denkt Ihr, dass ihre Großeltern das erlauben?“, fragte Raffael.

„Warum denn nicht, was ist es denn?“, erkundigte sich Marla.

„Es gab in Cadiz einen kleinen Laden, in dem konnte man Ketten und alle möglichen Andenken kaufen. Da stand auch eine kleine geschnitzte Katze, die habe ich für Maja mitgebracht. Sie liebt Katzen über alles, das hat sie mir verraten!“

„Darüber wird sie sich bestimmt freuen, denke ich“, meinte Marla.

Als die Brink´s mit Maja wenig später zu ihnen stießen, nahm Raffael Helen Brink beiseite und erkundigte sich vorsichtig, ob er Maja sein Mitbringsel geben durfte. Diese Bitte wurde ihm lächelnd gewährt und, wie erhofft, freute sich Maja sehr darüber. Nach dem mehrgängigen Menü konnten die Gäste wahlweise in einer der Bars weiterfeiern oder sich einen weihnachtlichen Film im Kinosaal anschauen. Marla und Dennis entschieden sich mit Raffael dazu, den Heiligen Abend in einer Bar ausklingen zu lassen, während die Brink´s sich mit Maja den Weihnachtsfilm anschauen wollten.

„Ich kenne den Film, er ist wirklich stimmungsvoll“, sagte Marla, bevor sie sich von der Familie Brink verabschiedete. Das bestätigte Helen Brink ihr am nächsten Tag beim Frühstück. Auch Maja hatte der Familienfilm sehr gefallen, und sie freute sich darauf, dass ihr Schiff schon am nächsten Nachmittag die ausgesprochen malerische Insel Fuerteventura erreichen sollte. Dort konnten sie wieder an Land gehen und das spanische Lebensgefühl in aller Ruhe auskosten, denn hier waren zwei volle Tage Aufenthalt eingeplant.

„Das war wirklich eine tolle Idee von Dir, zu Weihnachten diese Reise vorzuschlagen“, lobte sie Dennis zum wiederholten Male, als er mit Marla an der Meerespromenade in Puerto del Rosario in einer winzigen Taverne saß. Sie stimmte ihm zu, dachte aber doch ein klein bisschen wehmütig an das deutsche Schmuddelwetter zu Hause. Sie hätte nie gedacht, das jemals zu vermissen, deshalb behielt sie diese Gedanken für sich. Ihr ging der ganze Weihnachtsrummel zwar auch auf die Nerven, aber so gar nichts davon mitzubekommen, das war denn doch nicht ihr Ding, wie sie verwundert feststellte. Plötzlich konnte sie Raffael verstehen, der während der ganzen Tour immer ein wenig melancholisch gewirkt hatte. Er hatte sich überwiegend der Familie Brink angeschlossen, und ganz besonders mit Maja schien er sich bestens zu verstehen.

Am nächsten Morgen fehlten Helen und Maja beim Frühstück.

„Meine Damen fühlen sich leider nicht ganz wohl“, erklärte Gero knapp.

„Oh, das tut mir aber leid, ich gehe gleich mal zu ihnen und sehe nach, ob sie Hilfe benötigen“, bot Marla an.

Aber Gero winkte nur lässig ab.

„Nein, das ist sicher nicht nötig, denke ich, trotzdem vielen Dank!“

Na gut, dachte Marla und beschloss, am Nachmittag trotzdem an der Kabinentür zu klopfen, falls sie bis dahin weder Maja noch Helen gesehen haben sollte. Die Stunden an Bord vergingen so schnell, und sie dachte erst beim Abendessen wieder an ihren Vorsatz. Helen war erschienen, allerdings fehlte Maja noch immer, und dieses Mal war Gero bei ihr geblieben, um sich um sie zu kümmern.

„Morgen ist sie sicher wieder ganz fit“, meinte Helen, und damit gab sich Marla zufrieden. In den nächsten Tagen fehlte immer einer der Brink´s am Tisch, und gelegentlich schien auch Raffael wenig Lust zu haben, an den Mahlzeiten teilzunehmen. Ganz eindeutig konnte da etwas nicht stimmen, fand Marla, aber Dennis meinte nur, sie solle sich da nicht einmischen, denn auch wenn er die Tischnachbarn gern mochte, enge Freunde waren sie ja nicht. Als Marla schließlich Raffael fragte, was denn mit den Brink´s los sei, gab er eine ausweichende Antwort, und das fachte ihre Neugierde natürlich erst recht an. Sie beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen, und so klopfte sie nach ihrer Rückkehr aus Agadir an die Kabinentür mit der Nummer 293 an, weil sie inzwischen wusste, dass die von der Familie Brink bewohnt wurde. Einen Augenblick später wurde die Tür zögernd einen Spaltbreit geöffnet und Maja steckte ihren Kopf heraus. „Hallo Maja, was ist denn mit Euch los? Übermorgen kommen wir doch schon in Mallorca an, wollen wir nicht wenigstens einen dieser letzten Abende noch gemeinsam verbringen?“, schlug Marla vor und drängte sich an Maja vorbei.

Was sie da zu sehen bekam, erstaunte sie in höchstem Maße. Mitten auf dem Bett lag eine sehr magere getigerte Katze mit struppigem Pelz und säugte zwei winzige Katzenbabys. Ein schwarzweiß gestromtes und ein rötlich geflecktes. Die Katzenkinder hatten ihre Augen immer noch geschlossen und waren unglaublich niedlich, fand Marla.

„Das ist also Dein Geheimnis“, staunte sie, während Maja sie schuldbewusst ansah und Helen aus dem Nebenraum kam.

„Maja hat die Katze auf Fuerteventura aufgelesen und sie heimlich mit an Bord gebracht. Wir haben es erst bemerkt, als wir schon wieder abgelegt hatten. Wir konnten sie doch nicht einfach ins Meer werfen“, bekannte Helen verlegen. Vorgestern Nacht hat sie ihre Jungen bekommen. Raffael weiß auch Bescheid. Er hat versprochen uns zu helfen, die Katzenfamilie von Bord zu schmuggeln. Bitte verrate uns nicht!“

„Aber natürlich nicht, wo denkst Du denn hin?“, erklärte Marla hastig. „Aber wie wollt Ihr sie denn mit nach Hause bekommen oder sollen sie auf Mallorca bleiben?“, fragte sie.

„Nein, da gibt es auch schon viel zu viele wildlebende Katzen.“

„Oje, das wird alles nicht so einfach. Maja, was hast Du Dir nur dabei gedacht sie mitzunehmen?“, fragte Marla.

„Sie ist mir ein ganzes Stück nachgelaufen, und irgendwann habe ich sie heimlich in meinen Rucksack gesteckt, als Oma und Opa noch mal in die Taverne gegangen sind, um unser Essen zu bezahlen. Sie tat mir so leid!“, erklärte Maja eifrig.