Cemetery Car® - Angelika Nickel - E-Book

Cemetery Car® E-Book

Angelika Nickel

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Beschreibung

Mystery und Spannung, gepaart mit einer Prise Humor als auch dem Schaudern einer Gänsehaut, gehören beim Lesen mit dazu. Großtante Evelyn vererbt Quentin ihre Villa Punto und mit ihr einen Dämon. Auf der Suche nach dessen wahrer Vergangenheit stoßen Quentin und Kim auf Madame Zink wie auch auf den mit Visionen belasteten Professor Gräulich. Ab sofort kämpfen sie gemeinsam gegen die Mächte der Finsternis. Bei einem Scheitern ist ihnen, ihrer aller Tod gewiss...

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Angelika Nickel

Cemetery Car®

Band 1 - Weichen zum Jenseits

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1 - Das neue Auto

2 - Zimtgeruch

3 - Der Brief

4 - Cemetery Car

5 - Veränderungen

6 - Villa Punto auf Silentsend

7 - Salbei

8 - Die Wahrheit über Evelyn

9 - Verdacht auf Imperato

10 - Nachtschrecken

11 - Der Umzug

12 - Rhapsodie

13 - Wiedersehensfreude

14 - Madame Zink

15 - Der unscheinbare Professor Gräulich

16 - Schattentanz

17 - Begründete Zweifel?

18 - Zum Kalkül

19 - Rasputin

20 - Langjährige Freundschaft

21 - Aufbruchsstimmung

22 - Die Höllenfahrt

23 - Suggestion

24 - Bruder George

25 - Booker

26 - Ein Gespräch zwischen den Zügen

27 - Das Auge der Medusa

28 - Palermo

29 - Satana

30 - Das Dreigespann

31 - Die Aura des Todes

32 - Der Zufall des Schicksals

33 - Todeswahn

34 - Nolte

35 - Monsignore und das Auge des Tigers

36 - Das traurige Ende der Wahrheit

37 - Erkenntnisse

38 - Der phantastische Salvatore Amore

39 - Feuerreigen

40 - Vibrationen

41 - Dämonengeburt

42 - Hilfe aus dem Reich der Geister

43 - Gebranntes Land

44 - Die Magie von Rauch und Stein

45 - Tutoris

46 - Irrweg

47 - Die Vereinigung

48 - Späte Rache

49 - Das Licht, am Ende des Tunnels

Widmung

Ein spezieller Dank

Hinweis

Angewandte Rechtschreibung

Buchreihenstart

Information

Zeichenerklärung

Vorschau

Autor

Impressum neobooks

1 - Das neue Auto

»Kim, sprich endlich wieder mit mir.« Quentin sah mit einem schnellen Seitenblick zu seiner Verlobten.

Kim antwortete nicht. Mit verschränkten Armen saß sie neben ihm auf dem Beifahrersitz und blickte stur geradeaus.

»Jetzt mach doch, bitte, kein Drama daraus. Das Auto ist ein ganz normales Auto, wie jedes andere auch. Und außerdem, du vergisst anscheinend ganz, dass wir nicht im Geld schwimmen.« Ein weiterer, kurzer Seitenblick zu Kim, doch sie schwieg, stierte stumm vor sich hin. Lange Zeit sagte sie gar nichts, bis sie endlich ihr frostiges Schweigen brach.

»Aber für das Geld hätten wir mit Sicherheit auch noch ein anderes Auto bekommen.« Kim sah immer noch bockig, vor sich hin.

»Mag sein, vielleicht. Doch wir brauchen jetzt ein Auto und nicht irgendwann. Immerhin muss ich ab nächsten Monat an der Uni assistieren, oder hast du das ganz vergessen?«

»Nein, Quentin, das habe ich keineswegs vergessen.« Zum ersten Mal, seit dem Kauf des Autos, sah Kim ihren Verlobten, Quentin Sommerwein, an. Ihr Gesicht war blass und ihre roten Locken hingen ihr wild in die Stirn.

»Na siehst du, weshalb also, so ein Theater, eines alten Autos wegen, machen? Wir fahren es so lange, bis ich ein wenig mehr Geld zur Seite gelegt habe, und dann verkaufen wir es wieder und kaufen uns ein Auto, eins, wie es dir gefällt. Was hältst du von meinem Vorschlag?« Quentin blickte für einen kurzen Moment von der Fahrbahn weg, hin zu Kim.

Er war froh, dass sie endlich wieder mit ihm redete. Seit dem Kauf des Autos, und ihrem lautstarken Protest dagegen, hatte sie mit ihm geschwiegen.

Nur widerwillig war sie in das alte verbeulte Vehikel eingestiegen. Und es hatte lange gedauert, bis sie sich nicht mehr, demonstrativ, die Nase zugehalten hatte. Dafür hatte sie mit einem wütenden Ruck, die Kurbel des Fensterhebers betätigt und es, so weit es nur ging, nach unten gedreht.

Kim verfiel erneut in frostiges Schweigen.

Quentin, der nichts gegen ihr Schweigen auszurichten wusste, fuhr die endlose Landstraße entlang, ohne noch einen neuerlichen Gesprächsversuch zu starten. So gut kannte er Kim, um zu wissen, dass es dauern würde, bis sie endlich wieder für eine normale Konversation mit ihm bereit sein würde. Und bis dahin blieb ihm nichts anderes übrig, als ebenfalls zu schweigen.

Als er die Stille überhaupt nicht mehr aushielt, griff er zum Radio und drehte es an. Doch außer Rauschen war diesem kein Laut zu entringen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als es wieder auszuschalten.

»Hast du etwas anderes erwartet?«, schnauzte Kim ihn an, und in ihrem Tonfall schwang ihr Missfallen deutlich mit.

»Wie?« Quentin war die Überraschung deutlich anzuhören. Kim hatte doch tatsächlich ihr Schweigen gebrochen.

»Ich frage dich, ob du etwas anderes erwartet hast?«, wiederholte sie ihre Frage, ohne sich Quentin zuzuwenden.

»Klar habe ich erwartet, dass das Radio funktioniert. Wieso auch nicht?«

»Wieso auch nicht«, äffte Kim ihn nach.

»Ja, wieso nicht?«, wiederholte auch er seine Frage.

»Weil es ein Leichenwagen ist, deshalb. Und die, dienen wohl kaum dazu, lustige oder laute Musik zu spielen.«

»Kim, Schätzchen, du übertreibst maßlos. Klar war unsere neue Karre einmal ein Leichenwagen, aber jetzt doch nicht mehr.« Er schüttelte verwirrt den Kopf. Manchmal war es schwierig mit ihr, erst recht dann, wenn es nicht nach ihrem Kopf oder ihren Vorstellungen ging. »Wir haben das alte Vehikel gekauft, es vorm Verschrotten bewahrt, und die Zeit der Leichen ist für dieses Teil für immer vorbei. Also gibt es keinen plausiblen Grund, weshalb das Radio keine Musik spielen sollte.« Quentin konnte ja noch verstehen, dass Kim nicht gerade erbaut vom Kauf eines ehemaligen Leichenwagens war, doch nun übertrieb sie, aus seiner Sicht, beachtlich. Ein Radio, welches nur krächzte, hatte entweder keinen Sender eingestellt, oder es war einfach nur kaputt.

Kim kramte eine Zigarettendose aus ihrer kleinen blauen Tasche. Mit zittrigen Fingern zog sie die letzte Zigarette heraus. Leises Klicken war zu hören, ein kurzes helles Aufleuchten, dann sog Kim den Rauch in sich ein. Mit einem schrägen Blick auf Quentin, sagte sie: »Dass der Totengeruch endlich verschwindet.« Danach fuhr sie in ihrem Protestschweigen fort.

Schweigend zog sich die Fahrt bis zu ihrem Zuhause dahin.

Endlich daheim angekommen, stieg Kim, so schnell sie nur konnte, aus dem Wagen, rannte die paar Stufen zu ihrer Haustür hoch, schloss mit eiligen Fingern das Schloss auf, und rannte hinauf ins Bad.

Kurz danach konnte Quentin nur noch das Rauschen der Dusche hören.

Anschließend das leise Zufallen einer Tür.

Quentin wusste, dass Kim sich für diese Nacht im Gästezimmer einquartiert hatte.

Achselzuckend ging er ebenfalls ins Bad und machte sich fertig für die Nacht.

So bemerkte er nicht, dass sich unten im Auto das Radio von alleine angeschaltet hatte.

Dass Geräusche aus diesem herausdrangen, die nicht von dieser Welt kamen.

Krächzende Stimmen, wie die von ganz alten Menschen, beseelten den Innenraum des ehemaligen Leichenwagens.

2 - Zimtgeruch

Der nächste Morgen kündigte einen regenverhangenen Tag an.

Der Regen prasselte unaufhörlich gegen die Fensterscheiben, und vom Norden her, zogen noch dunklere Regenwolken zu ihnen herüber.

Quentin hatte sich, gleich nach dem Aufwachen, in seine Sportklamotten geschmissen, den Schlüssel geschnappt und war nun, mit zerschlissenen Turnschuhen, joggend, auf dem Weg zum Bäcker.

Frische Brötchen, die mochte Kim über alles, und Quentin hoffte, sie damit ein bisschen versöhnlicher zu stimmen.

Sicher hatte er gewusst, dass sie niemals einen Leichenwagen haben wollte, aber wenn er ihn doch so günstig bekommen hatte, was war denn, um Himmels Willen, nur so schlimm daran? Die Toten, die in ihm transportiert worden waren, die waren schon lange tot und begraben, und manche von ihnen mit Sicherheit schon längst von den Würmern zerfressen, oder auch bereits zu Staub zerfallen, oder erst gar nicht in der Erde beigesetzt, sondern gleich eingeäschert worden. Er konnte Kims Reaktion nur bedingt verstehen.

Beim Bäcker zog er einen dunkelblauen Stoffbeutel aus der Hosentasche und ließ ihn mit vier frischen Brötchen befüllen.

Danach ging er in den kleinen Krämerladen, unten an der Straßenecke der Morganstraße.

Im Krämerlädchen hantierte ein altes Hutzelweib herum, deren Mund die Zeit der Zähne schon lange überschritten hatte. Mit ihrem zahnlosen Lächeln sah die Alte ihn an.

»Womit kann ich dienen?« Dienstbeflissen lächelte sie Quentin noch breiter an. Ihr Kopf hob sich, während sie schnüffelte. »Warst’e oben, beim Bäcker Molke? Dem seine Brötchen, die duften, dass du sie sicher im Grab noch riechen kannst.« Sie sah an sich herunter. Auf Quentins verdutzten Gesichtsausdruck hin, sagte sie, und es hörte sich nach einer Erklärung an: »Wenn man in meinem Alter ist, denkt man immer mehr ans Grab, und wie es dann wohl sein wird …Ob alles vorbei sein wird, oder ob es danach doch noch etwas gibt. Was glauben Sie? Folgt nach dem Tod noch etwas anderes?«

»Das kommt wahrscheinlich auf die Glaubensrichtung an. Ich habe zwar Archäologie studiert, aber da lehrt man nicht unbedingt vom Leben nach dem Tod.« Als er das enttäuschte Gesicht der alten Frau, deren meiste Lebensstunden schon abgelaufen waren, sah, räusperte er sich verlegen, und sprach weiter: »Es gibt allerdings verschiedene Religionen, deren Mythen erzählen von anderen Dingen. Doch nichts lässt sich so richtig beweisen. Weder, dass es nach dem Tod nichts mehr gibt, denn dagegen sprechen die parapsychologischen Beobachtungen, von denen immer mal wieder berichtet wird. Doch auch die Begegnung mit Geistern, oder, dass sich Dinge von alleine, wie von Geisterhand bewegen, sich Gerüche dahin gehend verändern, dass sie auf die Anwesenheit eines Verstorbenen schließen lassen, lassen sich nicht beweisen. Viele tun dies als Einbildung ab.« Er winkte ab. »Wenn Sie mich fragen, dann glauben Sie doch einfach daran, dass es nach dem Tod noch ein anderes, besseres Leben gibt. Es macht bestimmt ganz viele Dinge leichter.«

Quentin erkannte deutlich die Erleichterung, im Gesicht der alten Frau.

Eiligst verlangte er nach einem nach Zimt duftenden Raumspray, zahlte und verließ den Laden.

Der Himmel hatte sich unterdessen mit dunklen Wolken zugezogen, und tauchte alles in ein trübes Weder-Nacht-noch-Tag-werden-wollens.

Dicke Regentropfen entluden sich aus den Wolken.

Hastig zog Quentin die Kapuze seiner Regenjacke über den Kopf und joggte eilig zurück.

Als er zuhause ankam, sah er, dass auch Kim wach war; ihr Rollladen war bis zur Hälfte hochgezogen.

Leise öffnete er die schöne weiße Eingangstür.

Das Betreten des Hauses verursachte einen kleinen Schmerz in seiner Herzgegend, denn Ende nächsten Monats mussten sie aus dem schönen Haus ausgezogen sein, da die Besitzer wieder von ihrer Weltreise zurückkamen. Leider.

Seufzend schloss er die Tür und ging in die kleine Küche.

Er griff nach dem Brötchenkorb, warf die herrlich duftenden Teile, die noch ganz warm waren, hinein und stellte sie auf den Tisch. Anschließend ging er zur Kaffeemaschine und machte Kaffee.

Kim brauchte ihren morgendlichen Kaffee genauso sehr, wie sie auch ihre Zigaretten dazu haben wollte.

Frühstück war bei Kim immer zweitrangig, doch frischen, duftenden, noch warmen Brötchen hatte Kim bisher noch nie widerstehen können.

Nachdem er auch die Butter, Wurst, Käse und Marmelade auf den Tisch gestellt hatte, der Kaffee durchgelaufen war, das Geschirr ebenfalls auf dem Tisch stand, schnappte er sich seinen Autoschlüssel und die Raumsprayflasche, ging hinaus zum Auto und spritzte es von innen über und über damit aus.

»So, jetzt riechst du nach Zimt, und den Geruch mag mein Mädchen, zum Glück. Der Geruch des Todes, wie Kim meint, sollte damit überdeckt sein.«

Er schloss die Autotür und ging zurück in die Küche, in der Kim bereits dabei war, ein Brötchen dick mit Marmelade zu bestreichen.

»Guten Morgen, Darling. Gut geschlafen?« Quentin grinste sie mit seinem jungenhaften Lächeln an.

»Morgen. Geht so.« Kims Worten war anzuhören, dass sie immer noch sauer über den Kauf des Leichenwagens war.

3 - Der Brief

Der Vormittag verlief schleppend.

Kim blieb weiterhin sehr wortkarg, daran hatten auch die frischen Brötchen nicht viel geändert.

Irgendwann, fast gegen Mittag, fragte sie: »Hast du dir schon einmal überlegt, wo wir ab übernächsten Monat wohnen sollen? Oder hast du vergessen, dass wir hier bald raus sein müssen?«

»Vergessen? Wie kann ich das vergessen! Jean erinnert mich fast täglich daran, dass seine Eltern bald wieder von ihrer Weltreise zurück sind.« Er nagte auf seiner Unterlippe herum.

Jetzt kommt sie mir doch tatsächlich, mit noch so einem unbequemen Thema.

»Ich habe Zeitungsanzeigen über Zeitungsanzeigen durchgeblättert.« Kopfschüttelnd, fuhr er fort: »Nichts Brauchbares für uns dabei. Nicht eine Wohnung, gleich, wo ich auch nachgesehen habe. Die einen sind zu teuer, die anderen zu weit weg. Was also, Kim, soll ich, deiner Meinung nach, tun? Wie wäre es, wenn auch du einmal zur Abwechslung nach einer neuen Bleibe für uns suchen würdest?«

»Als wenn ich das nicht täte! Aber ich kann nicht jeden Tag im Lokal aushelfen und gleichzeitig auf der Suche nach einer Wohnung sein. Du, Quentin, du hast den ganzen Tag Zeit dafür, folglich, tu' auch etwas!« Kim warf ihm einen zornigen Blick zu, ihre Augen funkelten wütend.

Gerade, als Quentin etwas erwidern wollte, klingelte es an der Tür.

»Ging Gong! Was für ein Glück für dich. Wirst mal wieder gerettet«, fauchte sie und zündete sich eine Zigarette an, während Quentin achselzuckend zur Tür lief.

Als wenn er etwas dafür konnte, dass es ausgerechnet gerade jetzt klingelte.

Kim konnte nicht verstehen, was an der Tür gesprochen wurde, so stand sie auf und sah aus dem Fenster. Doch das Erste, was sie sah, war der alte verbeulte Leichenwagen, und damit sank ihre Laune auch sogleich wieder auf den Nullpunkt.

Abrupt drehte sie sich um und spähte zur Küchentür hinaus. Sie sah gerade noch, wie sich ihr Verlobter mit Handschlag von einem Mann verabschiedete.

Ihre Augenbrauen bogen sich nach oben, und sie sah Quentin fragend an.

»Was ist? Ein Brief von Jeans Eltern? Kommen sie früher zurück? Das fehlte noch«, brummte sie.

»Nein, nicht von Jeans Eltern. Ist von einer Großtante von mir, die ich seit einem halben Leben nicht mehr gesehen habe.« Quentin hielt ihr den Brief entgegen.

Kim legte den Kopf schief und las. »Ist deine Tante Anwältin?«

»Großtante, Kim, nicht Tante, Großtante. Nein, das ist ein Schreiben von ihrem Anwalt. Der Mann, der den Brief gebracht hat, er arbeitet für ihn.«

»Was will sie? Hat der Mann das auch gesagt?«

»Kim, was wird jemand schon wollen, wenn Post vom Anwalt kommt? Sie ist gestorben, und ich soll anscheinend ihr Erbe sein. Obwohl ich das gar nicht verstehe. Es ist so lange her, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, dass ich mich gar nicht mehr an sie erinnern kann.«

»Dann öffne doch endlich den Brief, Quentin. Los, lies, was sie von dir will. Gewollt hat«, verbesserte sie sich.

Quentin lief ins großflächige Wohnzimmer und suchte in der untersten Lade des antiken Sekretärs nach einem Brieföffner. Nachdem er ihn gefunden hatte, durchtrennte er mit einem einzigen Schnitt den obersten Kuvertrand.

Langsam zog er die Seiten heraus. Sie dufteten nach Lavendel.

Lavendel! Oh ja, dieser Geruch brachte Erinnerungen mit sich. Aber nicht an Tante Evelyn, sondern an ihr weißes, stets gestärktes Stofftaschentuch, das von Spitzen umsäumt und in Lavendel getränkt gewesen war.

Quentin faltete den Brief auseinander und begann zu lesen, während Kim sich neugierig hinter ihn stellte und ebenfalls mitzulesen versuchte.

Mein lieber Quentin,

es ist lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.

Auch wenn ich nie verstanden habe, weshalb du nicht mehr gekommen bist, so habe ich es respektiert. Ich weiß, dass du immer sehr viel zu tun, auch immer für die Schule und deine Prüfungen gebüffelt hast, aber dennoch hättest du dich, wenigstens in den Semesterferien, hin und wieder, bei mir sehen lassen können.

Doch dieser Brief soll kein Vorwurf an dich sein, nein, Gott bewahre, und den brauche ich derzeit so dringend, den lieben Gott, meine ich.

Wie du weißt, habe ich dich immer sehr lieb gehabt. Habe mich immer für dich und dein Leben interessiert, auch wenn es deiner Mutter nicht gefallen hat.

Sie und ich, wir hatten einfach eine ganz unterschiedliche Art, zu leben. Und manche von den Dingen, die zu meinem Alltag gehörten, an die ich glaube, waren stellenweise Dinge, die deine Mutter verpönte, und das war wahrscheinlich auch der Grund, weshalb sie nicht wollte, dass du mich weiterhin besuchen kommst.

Gut, leider bist du ihrem Ruf gefolgt.

Schade, denn ich hätte dich so gerne noch einmal gesehen.

Aber Dinge sind, wie sie sind, und man kann die Zeit nicht zurückdrehen, ungenutzte Möglichkeiten nicht neu nutzen, noch bekommt man die Chance, sie nochmals in die Gegenwart zu bringen. Leider.

Doch Schluss mit diesem Blablabla.

Ich habe nur noch wenig Zeit und sollte sie nicht damit vergeuden, indem ich in Vergangenem wandle.

Für mich ist es an der Zeit, mich von der Welt zu verabschieden. Allerdings nicht für immer, wenn alles so kommen wird, wie ich glaube, dass es geschehen kann. Was ich damit sagen will, das wirst du mit Sicherheit bald erfahren.

Da mir niemand, außer dir, einfällt, dem ich mein geliebtes Haus vererben will, möchte ich, dass du mein Erbe, der Erbe meiner weltlichen Güter sein sollst.

Wenn dir dieser Brief überbracht werden wird, habe ich schon das Zeitliche gesegnet.

Hätte ich nochmals die Chance, ich würde zu dir gekommen sein, wenn du schon nicht den Weg zu mir finden konntest.

Doch diese Chance haben wir wohl beide vertan.

So bleibt mir nichts anderes übrig, als dir eine gute, zufriedene und glückliche Zukunft zu wünschen.

Wenn du mein Haus siehst, urteile nicht gleich nach dem ersten Eindruck, denn es ist ein sehr besonderes Haus und hat seinen eigenen Charme. Es ist so besonders, wie ich, sicherlich, auch immer irgendwie, auf die eine oder andere Art, besonders, vielleicht etwas anders, gewesen bin.

Etwas anders als die anderen, eben ich.

Es wird bestimmt nicht lange dauern, bis auch du seinem Charme, dem Charme des Hauses, erliegen und das Besondere, das es umgibt, in ihm wohnt, kennen lernen wirst.

Gleich, auf welche Art du dies Besondere erkennen wirst, Quentin, so sei auch gewiss, dass nicht immer alles ist, wie es zu sein scheint.

Du musst durch Dinge hindurchsehen, musst heraushören lernen, wann die Lüge im Raum steht, oder aber die Wahrheit gesagt wird.

Ich wünsche mir, dass dir dies gelingen wird. Dass du erkennen wirst, wer du bist, und welche Gabe dir in die Wiege gelegt worden ist, auch wenn deine Mom dies immer leugnete und vor der Wahrheit die Augen verschloss.

Viel Glück, Quentin, sehr viel Glück, und Einsicht, auf deinem neuen Lebensweg.

In Liebe

Tante Evelyn

4 - Cemetery Car

Quentin und Kim schauten sich überrascht an.

»Schatz, wie war deine Tante, Großtante? Sie schreibt etwas, nun, wie soll ich sagen …? Etwas eigenartig? Irgendwie geheimnisvoll. Findest du nicht auch?«

Quentin starrte wortlos auf den Brief in seiner Hand.

Er stand da, als hätte ihn das schlechte Gewissen in Person ergriffen.

Auch wenn er sich immer noch nicht an Tante Evelyn, wie er sie immer genannt hatte, erinnern konnte, so wusste er doch, dass es seine Mutter war, die nicht gewollt hatte, dass er sie weiterhin besuchen kam. Und so war er, von heute auf morgen, seiner Großtante ferngeblieben. Kurz danach waren seine Eltern in eine andere Stadt, viele Meilen entfernt, gezogen, so dass er von daher schon gar keine Möglichkeit mehr gehabt hatte, sie zu besuchen, selbst, wenn er sich dem Verbot seiner Mutter, hätte, widersetzt haben wollen.

»Nun ja, sie ist alt gewesen. Vielleicht auch einsam«, murmelte er, geistesabwesend.

»Danach, mein Lieber, hört sich das aber, meiner Meinung nach, kein bisschen an. Ich meine, dass sie gerne die Zeit zurückgedreht hätte. Doch darum geht’s gar nicht. Warum, Quentin, schreibt sie so geheimnisumwoben? Gibt es ein Geheimnis? In deiner Familie?«

»Woher soll ich das wissen? Ich weiß auch gar nicht mehr, wie sie war. Ich kann sie selbst in meiner Erinnerung nicht wiederfinden. Nur ihr Name klingt in mir, wie ein Echo wider. Aber auch erst, seit der Brief gekommen ist.«

»So lange hast du sie nicht mehr gesehen?« Ihr Ton klang mitfühlend, aber auch ein wenig traurig.

Vergessen war der Streit um den Leichenwagen.

Die Traurigkeit des Lebens, das Endgültige, die Vergänglichkeit des Daseins, standen im Raum.

Kim fühlte eine Traurigkeit in sich aufkommen, wie sie sie noch nie zuvor verspürt hatte.

»Schatz, wir haben ein Haus geerbt. Unser Umzugsproblem hat sich, dank Tante Evelyn, von jetzt auf nachher gelöst. Was hältst du davon, wenn wir packen und gleich dorthin fahren?«, schlug Quentin, im Anflug von Euphorie, vor.

»Weißt du überhaupt, wo das Haus liegt?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, zu lange her.« Nachdenklich sah er zu ihr herüber. »Aber der Anwalt meiner Großtante wird es wissen. Wir müssen sowieso nochmals bei ihm vorbei, denn ich muss dort einige Schriftstücke unterschreiben. Die übliche Bürokratie, eben.«

»Klar, du tust gerade so, als würdest du solche Dinge jeden Tag machen.« Kim umarmte ihn. Vorbei war ihre ablehnende Haltung, vergessen ihre Starrhalsigkeit des vergangenen Abends.

Vergessen, für den Augenblick, der verhasste Leichenwagen.

Derzeit zählte nur die Möglichkeit, dass sich ihr Umzugsproblem, mit etwas Glück, von einer Sekunde zur anderen, gelöst hatte.

Eine Stunde später machten sie sich auf den Weg und fuhren zum Anwalt von Quentins verstorbener Großtante.

Bevor Kim jedoch in den Leichenwagen einstieg, nahm sie ihr billigstes Parfüm und sprühte damit den Innenraum des Wagens aus. »Dass der Geruch von Cemetery Car auch ganz und gar verschwindet«, sagte sie, und ihre Augen lachten ein ganz klein wenig mit ihren Worten mit.

»Cemetery Car?«, wunderte sich Quentin. Gab sie dem alten Leichenwagen, den sie doch so sehr ablehnte, tatsächlich einen Namen?

»Na ja, hört sich doch vielsagender und nicht gar so grausig, wie Leichen- oder Friedhofswagen an. Oder etwa nicht?«

5 - Veränderungen

Nach zwei Stunden hatte Quentin alles unterschrieben, was es zu unterschreiben gab, und sie machten sich auf den Weg zu dem geerbten Haus.

Anwalt Reichenarm hatte ihnen eine Wegskizze aus dem Internet ausgedruckt. An dieser orientierten sie sich und fuhren in Richtung neuer Heimat.

Wie gut es doch war, dass Quentin noch einige Tage frei hatte, bis er seine Assistentenstelle an der Uni antreten musste.

Kim jedoch hatte sich für eine Woche Urlaub geben lassen. Wenn sie demnächst umzogen, würde sie ohnehin ihren Job als Kellnerin nicht mehr ausüben können. Von daher war es nicht weiter schlimm, sollte ihr kurzfristiges Urlaubsgesuch Folgen haben.

Nach ungefähr drei Stunden Fahrt konnten sie am Straßenrand die Leuchtreklame eines bekannten Burgerhäuschens erkennen.

Kim nickte, als sie Quentins fragenden Blick sah. Ja, sie hatte auch Hunger. Außerdem war es sicherlich auch besser, wenn sie zuerst noch etwas zu sich nahmen, bevor sie die letzten Meilen zum Haus fuhren.

Quentin setzte den Blinker. Er steuerte Cemetery Car von der Fahrbahn, hin zu der Burgerbude.

Nachdem sie gegessen hatten, machten sie sich auf den Rest des Weges.

Willkommen in Darkwoodscrown

begrüßte sie ein Schild, rechts am Fahrbahnrand.

»Hört sich ein wenig gruslig an«, frotzelte Quentin, mit einem lächelnden Seitenblick auf Kim.

»Na ja, passt dann aber wenigstens hervorragend zu unserer Karre.« Kim schob die Unterlippe vor. »So wie die aussieht, scheint sie sowieso noch aus dem letzten Jahrhundert zu sein. Kein Leichenwagen der heutigen Zeit, sieht so wie unserer aus. Cemetery Car in Darkwoodscrown, hört sich doch an, wie Namen aus einem mehrteiligen Gruselroman. Wer weiß, vielleicht können wir uns für dein neues Haus auch noch den dazu passenden Namen einfallen lassen«, überlegte sie. »Und damit auch alles passt, könnten wir auch noch einen Geist für das Haus erfinden. Hu, hu«, lachte sie. »Alles richtig schön gespenstig.«

»Hm, vielleicht hat das Haus auch bereits schon einen Namen. Meine Großtante, sie hat auch Spinnen Namen gegeben.« Seine Hand tastete nach ihrer. »Auf einen Geist, allerdings, kann ich gut verzichten, Süße. Lass den in deiner Phantasie leben, das reicht mir, voll und ganz.«

»Egoist!« Mit dem Finger strich sie ihm über die Wange. »Mich würdest du mit einem Geist alleine in dem Haus lassen. Na danke!«, empörte sie sich, und verzog dabei gespielt schmollend, ihren Mund.

»Ist es nicht toll, dass Tantchen uns das Haus vermacht hat«, wechselte er das Thema.

»Du erinnerst dich also wieder an sie?« Kim wollte mehr über diese alte Dame, die Quentin ihr Haus hinterlassen hatte, erfahren.

»Nein, leider immer noch nicht. Bruchstückhaft kommen Erinnerungen aus Kindertagen an die Oberfläche, aber eigenartigerweise kein Gesicht zu Tante Evelyn.«

»Dort vorne, sieh mal, ob es das wohl ist?« Kim sah aus dem Fenster.

Na, wenn hier unser neues Zuhause ist, dann Gute Nacht, alte Waldfee. Hier wohnt anscheinend weit und breit niemand.

Es lief ihr kalt den Rücken runter. Sie fröstelte, und atmete tief durch, während sie zum Fenster hinaus sah und gedankenversunken die Gegend betrachtete.

Seit einer kleinen Ewigkeit fuhren sie durch die Wildnis, und dabei war weit und breit kein einziges Haus zu sehen.

Uns hat’s an den Arsch der Welt verschlagen.

Ganz bestimmt würden sie sich an diesem Ort zu Tode langweilen. Nichts sprach zurzeit dafür, sich für das Ganze all zu sehr zu begeistern. Eher das Gegenteil war der Fall. Zumindest aus ihrer Sicht.

Doch sie sagte nichts, denn sie wollte auch nicht Quentins Freude über das geerbte Haus trüben, zumal sie schon genügend gegen das Auto gewettert hatte. Außerdem waren sie auf das Haus angewiesen, löste es doch ihr Umzugsproblem, so dass sie sich damit nicht weiter belasten und herumschlagen mussten.

Dennoch gruselte es sie. Einen Leichenwagen, ein Haus in dieser Einöde, da fehlte doch tatsächlich nur noch ein Geist, um das Ganze perfekt zu machen.

Sie schauderte aufs Neue.

Cemetery Car, warum nur ein Leichenwagen, und jetzt auch noch ein einsames Haus in der Einöde.

Was sollte das nur alles?

Und auch, wenn sie der Karre einen Namen gegeben hatte, änderte sich nichts daran, dass sie seit gestern Eigentümer eines Leichenwagens waren.

Ein Leichenwagen! Mein Gott. Wie konnte Quentin nur!

Quentin lenkte Cemetery Car von der Landstraße und bog in einen schmalen Seitenweg ein, der zu einem einsam gelegenen Haus führte.

Ja, das musste es sein, denn genauso war der Weg auf der Fahrskizze beschrieben. Er endete mit Erreichen des Hauses. Genauso wie hier. Mit dem einzigen Unterschied, dass es vor ihnen noch zusätzlich ein Schild gab, auf dem der Namen

Silentsend

geschrieben stand.

Vor ihnen lag ein altes Holzhaus.

Ein Holzhaus von anmutender Größe.

Sie stiegen aus, ließen aber die Türen des Leichenwagens offen.

An manchen Stellen wies die weiße Farbe Merkmale vom Zahn der Zeit auf. Die grünumrandeten Holzstreben jedoch sahen aus, als wären sie gerade frisch gestrichen worden. Hinter den Fenstern hingen feinmaschige Spitzengardinen, manche von ihnen trugen, wahrscheinlich, den Gilb der letzten Jahrzehnte in sich.

Nur die des unteren Stockwerks waren blütenweiß, als kämen sie soeben aus der Waschmaschine.

»Was meinst du, Kim?« Quentin strahlte. Mit so einem tollen Haus hatte er beileibe nicht gerechnet. Eher damit, auf ein altes, morsches und baufälliges, relativ ungepflegtes altes Haus, mit einem verwilderten Garten, zu stoßen.

Doch das Haus vor ihnen, das war schon fast ein Palast, auch wenn es seinem Erscheinungsbild nach, ein klein wenig so wirkte, als wäre es aus einer anderen Zeitepoche entnommen und hierher versetzt worden.

Kim besah das Haus mit Staunen, und ihre anfängliche, missmutige Stimmung für die Gegend, änderte sich.

Ihre Begeisterung für das geerbte Häuschen war nicht zu überhören: »Es ist bildschön. Geradeso, als hätte Dornröschen hier gelebt, nur dass der Dornenbusch um das Haus herum fehlt.«

Sie sah sich um. Drehte sich um ihre eigene Achse, und warf dabei ihre Arme freudig in die Luft. Lachend, rief sie: »Paradiesisch schön, auch wenn das Haus am Ende der Welt liegt.«

Ruhe, hier würden sie Ruhe haben, und ihr Leben genießen können.

Sicherlich würde es Tage geben, an denen sie sich langweilen würden, doch das machte die idyllische Gegend mit Sicherheit wieder wett.

Mit einem Mal war Kims anfängliche Furcht vor der Einsamkeit, vorm Leben am Arsch der Welt, einer hoffnungsvollen Zukunft, an einem idyllischen Plätzchen, in einem traumhaften, eigenen Haus, gewichen.

Quentin beschaute die unendliche Weite, betrachtete das Grün und Nichts um sich herum, streifte mit seinem Blick zum Haus hin, und rief ebenfalls, laut lachend: »Es muss auch ein Ende der Welt geben. Also leben wir, ab heute, an besagtem Ende der Welt. Willkommen in unserem neuen Zuhause, Kim!«

Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich. Hin zu den Verandastufen, die hoch zu der Eingangstür führten.

Mit flinken Fingern fischte er den großen groben Schlüssel aus seiner Tasche und schloss das alte Schloss, der wunderschönen antiken Eingangstür auf.

6 - Villa Punto auf Silentsend

»Sag, Quentin, was meinst du, was gewesen wäre, wenn du nicht schriftlich dein Versprechen gegeben hättest, dich um den Salbei zu kümmern?«

»Dann hätte ich das Haus wahrscheinlich nicht geerbt, zumindest hat der Anwalt eine Andeutung in diese Richtung gemacht.«

»Aber wieso? Was kann an Salbei so besonders sein? Salbei ist nichts anderes als eine Pflanze. Eine zum Würzen, fertig.« Kim ließ eine Lockensträhne leicht um ihren rechten Zeigefinger kreisen. »Wenn auch, eine gesunde.«

»Salbei ist eine Heilpflanze, und meine Großtante war alt, wer weiß, vielleicht war sie so etwas wie ein Kräuterweiblein. Eins, das ein bisschen in Naturheilkunde bewandert war. Und vielleicht hatte Tante Evelyn eine Salbeipflanze, die, möglicherweise, aus ihrer Sicht, über absolut einzigartige Heilkräfte verfügt.«

»Deswegen ist sie jetzt auch tot. Entschuldige, Quentin, das ist mir nur so ‘rausgerutscht«, entschuldigte sie sich für ihre unbedachte Taktlosigkeit.

Und Quentin tat, als hätte er es einfach nicht gehört.

»Komm, Kim, lass uns reingehen und sehen, wie unser neues Zuhause von innen aussieht.« Er nahm ihre Hand, gab der Tür einen Stoß, und bereits im nächsten Moment gab sie unter Knarren und Ächzen nach.

Das Erste, was ihnen entgegen drang, war der sanfte Duft nach Lavendel.

Quentin, dessen Nase den Geruch sofort wahrnahm, bekam auf einmal das Gefühl, in seine Kindertage zurückversetzt zu sein. Mehr noch, er hatte das Gefühl, seine verstorbene Großtante Evelyn geradezu riechen zu können.

»Nach was riecht es hier?«

»Nach Tante Evelyn. Und ihrem, über allem geliebten Lavendel. Es ist geradeso, als würde sie hier noch durchs Haus wandeln und dabei den sie umgebenden Duft von Lavendel verströmen.«

»Hör auf, Quentin! Oder willst du mir Angst machen? Reicht es nicht, dass wir da draußen einen Leichenwagen stehen haben? Musst du es jetzt auch noch im Haus spuken lassen?« Ihre Miene war eine Mischung aus Empörung, Erschrockenheit und gespielter Entrüstung.

»Ich, und spuken lassen? Kim, ich mag zwar schon einiges über Parapsychologie gelesen haben, aber deswegen bin ich noch lange kein Geisterbeschwörer. Außerdem, meine Süße, du weißt selbst am besten, wie skeptisch ich diesen Dingen gegenüberstehe.« Er grinste sie an, wuschelte ihr durch ihre Haare, und fragte schelmisch, wie auch neckend herausfordernd: »Was ist aus Cemetery Car geworden? Hast du ihn wieder auf Leichenwagen degradiert?«

»Nein, habe ich nicht. Klar behalten wir für die Zeit, solange wir ihn haben, den Namen Cemetery Car bei. Und trotzdem musst du mir keine Angst machen. Oder glaubst du allen Ernstes, dass deine Großtante hier herumspuken könnte?« Bei diesem Gedanken fröstelte es Kim, und sie zog unwillkürlich ihre Strickjacke enger um ihren Körper.

»Dummerchen, nein, natürlich nicht.« Quentin zog Kim an sich und küsste sie. Zärtlich liebkoste er ihr Ohrläppchen, und flüsterte ihr dabei ins Ohr: »Weißt du, auf was ich jetzt gerade Lust hätte?« Er fuhr mit dem Zeigefinger ihr Rückgrat entlang.

»Nicht jetzt, Quentin, nicht jetzt! Wir müssen zuerst einmal das Haus kennen lernen, bevor wir an das denken können«, lachte Kim und machte sich sacht von ihm frei.

»Ich denke aber gerne an DAS. Und noch lieber mache ich es mit dir.«

»Quentin!«, entrüstete sich Kim verlegen. Auch wenn sie bereits fünfundzwanzig Jahre alt war, so war Kim in manchen Dingen immer noch sehr genant. Doch das war eine Eigenschaft, die Quentin so sehr an ihr liebte.

Er nahm sie erneut bei der Hand und zog sie mit sich fort.

Sie durchschritten einen geräumigen, breiten Flur, der umgeben war von herrlich altem Trödel und uralten Möbeln, die jedoch, auf Grund von täglicher Pflege, ihren Glanz nicht verloren hatten. Von der Diele aus, führte ein weiter Durchgang in eine noch ausladendere Küche. Eine Küche im alten amerikanischen Landhausstil.

Kim stieß ein fasziniertes Oh aus.

Quentin sah es ihr an: Sie hatte sich bereits jetzt schon in Küche verliebt. In ihre Größe und Stilrichtung. Sie war genau nach Kims Geschmack.

»Sie muss eine Begeisterung für die Küche gehabt haben, denn sie ist mit soviel Liebe eingerichtet.« Kim lief zu dem Regal, das gleich über dem nostalgischen Herd hing. Vorsichtig nahm sie eine alte Tasse aus dem Regal. Eine grüne Tasse mit weißen Pünktchen, die in ihrem Innern durchzogen war, von Rissen, hinterlassenen Spuren unendlichen Umrührens mit Kaffeelöffeln.

»Liebes, sollten wir nicht besser das ganze Haus erkunden, bevor du dich mit dem Geschirr befasst? Immerhin wird es bald dunkel und wir müssen entscheiden, ob wir heute Abend noch nach Hause fahren wollen, oder ob wir es vorziehen, die Nacht hier zu verbringen.«

»In Cemetery Car nach Hause fahren? Und das bei Nacht? Nein, eine Fahrt dieser Art, hatten wir doch gestern Abend bereits. Jeden Abend brauch‘ ich das nicht.« Sie schaute mit einem Unschuldsblick zu ihm hin. »Lass uns hier bleiben. Irgendwo wird es mit Sicherheit auch Bettzeug und ein Bett geben«, schlug Kim vor, die nicht unbedingt angetan war, von der Vorstellung, schon wieder im Stockdunkeln in einem Leichenwagen durch die Gegend fahren zu müssen.

So durchliefen sie das ganze Haus, das dermaßen viele Zimmer in sich barg, dass Kim und Quentin es irgendwann unterließen, sie zählen zu wollen, sondern stattdessen sich einfach nur darüber freuten, dass all das seit heute Quentin gehörte.

»Sieh mal, Quentin, dort drüben an der Tür, was steht da?« Kim lief zur Tür und las.

Dies ist das ganz persönliche Reich von Evelyn.

Villa Punto auf Silentsend

Kim sah ihren Verlobten an: »Was sie damit gemeint haben mag?«

»Ich schätze, das ist der Name des Hauses.« Er grinste. »Ich hab‘ dir doch gesagt, dass sie vielen Dingen Namen gegeben hat. Warum also, nicht auch ihrem Haus.« Zuckersüß lächelte er sie an.

»Aber wäre das Schild dann nicht besser an der Eingangstür angebracht?«

»Wer weiß, sieh mal, wenn du mich fragst, dann hängt das Schild auch noch nicht lange hier. Lass uns nochmals nach unten gehen und nachsehen, ob wir irgendwelche Spuren finden, die darauf schließen lassen, dass es einmal unten gehangen hat.«

Und sie fanden Spuren. Gleich über der Eingangstür im Flur war ein großer rechteckiger heller Fleck, genau in der Größe, wie das Schild oben an der Tür war.

»Warum sollte man es von hier abgenommen haben? Und wer sollte das getan haben? Deine Großtante?«

»Tante Evelyn? Nein, warum hätte sie das tun sollen. Aber ich weiß auch nicht, wer es sonst hätte abnehmen und verhängen sollen.«

»Der Anwalt vielleicht?«

»Ja, Kim, Reichenarm wird’s gewesen sein. Er hat bestimmt gewusst, dass du ein Angsthase bist, und hat womöglich befürchtet, dass du, wenn du das Schild siehst, Schiss bekommen könntest und das Haus womöglich gar nicht beziehen würdest. Und wer weiß, vielleicht hat er auch keinen Grünen Daumen, und war bange, sich dann womöglich selbst um diese Salbeipflanze kümmern zu müssen«, zog er sie auf.

»Riechst du das?«, wechselte Kim abrupt das Thema. Sie hob ihr Gesicht und schnüffelte wie ein Hund.

»Lavendelgeruch, aber das haben wir doch vorhin bereits schon festgestellt«, antwortete Quentin, der nichts Besonderes an dem Geruch fand. Ein paar Tage eingehendes Lüften würde ihn schon aus den Wänden vertreiben.

»Ja, schon, aber er ist intensiver geworden.«

»Sicher, wahrscheinlich ist jetzt gerade Tante Evelyn nach Hause gekommen.«

»Nicht schon wieder, Quentin!«, stöhnte Kim, gespielt schockiert.

In diesem Augenblick schlug die Türglocke an.

Erschrocken drehten sich beide um und liefen zur Eingangstür.

Quentin griff zu der Türklinke, um sie zu öffnen, als Kim ihn zurückzuhalten versuchte. »Nicht, Quentin! Wer kann das sein? Wer weiß, dass wir hier sind? Niemand weiß das, nur der Anwalt, und der hat bestimmt keinen Grund, nachts hier aufzutauchen. Lass uns erst nachsehen, wer geklingelt hat, bevor wir öffnen.« Kim zog Quentin von der Tür weg, hin zu dem breiten Flurfenster, sieben Schritte von der Eingangstür entfernt.

Während sie vorsichtig den Vorhang ein Stück beiseite zog, um hinauszusehen, durchdrang der dumpfe Ton der Türglocke erneut die Villa Punto.

7 - Salbei

Es klingelte erneut.

Kim und Quentin sahen eine Frau vor der Tür stehen.

Die kleine Nachtleuchte neben der Eingangstür erhellte ihre Gestalt nur schwach, so dass es aussah, als würden viele Schatten über ihr Gesicht huschen. Sie machte einen verängstigten Eindruck. Erneut wanderte ihre Hand zur Klingel.

»Es ist nur eine Frau, und weit und breit sonst niemand zu sehen. Lass uns aufmachen. Wer weiß, vielleicht hatte sie ja eine Panne mit ihrem Wagen und braucht Hilfe«, flüsterte Kim und schlich zurück zur Tür. Quentin kam ihr zuvor und zog mit einem schnellen Ruck die Tür auf.

Die Frau davor erschrak. Doch bereits im nächsten Augenblick hatte sie sich wieder gefangen und stieß erleichtert aus: »Dem Fürsten sei Dank, Sie sind da. Was bin ich froh, Sie zu sehen!«

»Kennen wir uns?« Quentin erinnerte sich nicht, der Frau jemals zuvor begegnet zu sein.

»Wie? Nein, ich glaube nicht. Aber ich passe derzeit auf Ihren, nun ja, wohl mehr Evelyns Salbei auf. Aber jetzt, da Sie da sind, jetzt gehört er Ihnen. Und wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich froh, dass ich ihn endlich wieder los werde.«

Kims Blick wanderte verwundert von der Frau zu Quentin. »Was ist so schwer daran, auf einen Salbei aufzupassen, und weshalb ist sie froh, dass sie ihn jetzt endlich wieder los wird?«, flüsterte Kim Quentin zu.

»Sie müssen wissen, meine Mutter, sie war es, die Evelyn li Nola versprochen hatte, auf ihn solange aufzupassen, bis Sie hier sein würden, um sich dann selbst Salbei anzunehmen. Aber, ganz plötzlich …« Sie schwieg, wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, und sprach leise schluchzend weiter: »Sie ist gestorben. Eine Nacht, nachdem Ihre Tante …«

»Großtante.«

»Wie bitte? Großtante? Ach ja. Nachdem Ihre Großtante verstorben war, eine Nacht danach, ist auch meine Mutter gestorben. Als ich sie gefunden habe, war ihr Zimmer von Lavendelduft durchzogen. So sehr, so intensiv riechend, dass mir schon fast übel wurde. Sie wissen, wer immer nach Lavendel gerochen hat?« Die Frau machte einen Schritt zurück, fast, als hätte sie plötzlich Furcht vor ihrer eigenen Courage bekommen.

»Wollen Sie nicht zuerst einmal ins Haus kommen? Der Abend hat es doch sehr frisch werden lassen«, schlug Quentin der Unbekannten vor, und machte einen Schritt zur Seite, um sie einzulassen.

»Nein, danke, zuerst muss ich Salbei holen. Was bin ich froh, ihn endlich los zu werden.«

»Na ja, so schwer kann es doch auch nicht sein, einen Salbei zu pflegen. Wenn er Ihnen tatsächlich eingegangen wäre, glauben Sie allen Ernstes, dass ich es bemerkt hätte, wenn Sie ihn gegen einen anderen ausgetauscht hätten? Außerdem würze ich nicht mit Salbei. Und das ganze Getue um diese Pflanze hat wohl eher damit zu tun, dass meine Großtante einen Narren an ihr gefressen haben muss. Mir ist es, ehrlich gesagt, ganz gleichgültig, ob Sie den Salbei durchbekommen haben oder auch nicht.«

Die junge Frau sah Quentin an, als wäre er verrückt geworden. Ihre Augen leuchteten etwas wirr, und sie stammelte: »Sie haben keine Ahnung, nicht wahr? Sie wissen noch nicht einmal, wer Salbei ist.« Sie verfiel in irriges Gekicher.

»Was Salbei ist«, korrigierte Quentin die junge Frau. »Salbei ist eine Pflanze, sächlich, deswegen ein Was, würde ich meinen.«

»Dann meinen Sie mal nicht zu früh ... Ich gehe und hole Salbei. In einer Stunde bin ich wieder zurück. Bitte, bleiben Sie bis dahin wach. Danach, wenn Sie es dann immer noch wollen, erzähle ich Ihnen gerne etwas über Ihre Großtante, ihre besonderen Vorlieben … Und erkläre Ihnen, welche Rolle Salbei im Leben Ihrer Großtante, und auch in dem meiner Mutter, eingenommen hat.« Sie drehte sich um und wollte weglaufen, als Kim ihr nachrief: »Halt, warten Sie, wir fahren Sie mit unserem Wagen zurück!«

»Mit ‘nem Leichenwagen? Nein danke.« Ihre Augen lagen auf Quentin. »Man merkt schon, dass Sie der Großneffe Ihrer Tante sind. Sie haben die gleichen absonderlichen Vorlieben für gewisse Dinge …«, antwortete sie und verließ das Grundstück Silentsend so schnell, dass Kim schon annahm, die Frau fürchtete, im Dunkeln auf Geister zu treffen.

Quentin schloss die Tür.

»Wunderlich, hm? Ob in dieser Gegend alle so sind? Will ich mal nicht hoffen.« Mit einem jungenhaften Grinsen sah er seine Verlobte an.

Kim zuckte mit den Schultern.

Sie gingen in die Küche. Zusammen räumten sie ihren Einkauf aus dem Korb, den sie unterwegs noch schnell eingekauft hatten.

Während Quentin den Herd anfeuerte, zerschlug Kim Eier über einer alten braunen Keramikschüssel. Nachdem die zerquirlten Eier gewürzt waren, buk sie den Eierteig in einer Pfanne.

Als sie mit dem Essen fertig waren, klingelte es wieder an der Tür und die fremde Frau stand erneut vor dieser.

8 - Die Wahrheit über Evelyn

»Hallo, da bin ich wieder. Bevor wir ins Haus gehen, könnten Sie mir helfen, Salbei aus dem Wagen zu holen.« Sie wirkte beinahe schüchtern.

Quentin grinste Kim an, zuckte die Schultern und ging mit der Frau zu dem alten VW-Polo, der direkt vor der Veranda parkte.

Muss ja eine enorm große Pflanze sein, die sie da für mich gepflegt hat, dachte er, während er neben ihr herging. Am Auto angekommen, öffnete die Frau den Kofferraum, und sagte: »Hier bitte, das ist Salbei! Wie ich Ihrem Gesichtsausdruck entnehme, hatten Sie überhaupt keine Ahnung, um wen es sich bei Salbei tatsächlich handelt.« Dabei umspielte zum ersten Mal ein Lächeln ihre Lippen.

Quentin sah sehr verblüfft in das Kofferrauminnere. Vorsichtig griff er nach dem Käfig, der darin stand. Langsam zog er das Tuch ab, das den Vogelbauer bedeckte. Was er dann sah, ließ ihn allerdings noch verwunderter dreinschauen.

»Das ist Salbei?«, fragte er, und machte dabei den Eindruck eines Jungen, der gerade das Schreiben von Buchstaben erlernte.

»Ja, das ist Salbei! Und wie Sie sehen, handelt es sich keineswegs um eine Pflanze. Aber woher hätten Sie das auch wissen sollen.«

Quentin legte das Tuch wieder über den Käfig, um ihn gleich darauf mit beiden Händen zu umschließen. Ganz vorsichtig, um das Tier auch nicht zu erschrecken, hob er den Käfig aus dem Kofferraum heraus.

Zusammen mit der jungen Frau ging er zurück zur Villa Punto, hinein in die Küche, in der Kim gerade dabei war, das gespülte Geschirr zurück ins Regal zu räumen.

Er stellte den Käfig auf den Tisch, zog das Tuch herunter, und sagte, wobei er amüsiert lächelte: »Darf ich vorstellen: Das ist Salbei!« Er zeigte mit der Hand auf den schwarzen Vogel im Käfig.

Kim drehte sich um und warf einen Blick in den Käfig. Überrascht eilte sie zum Tisch und betrachtete irritiert den Vogel.

»Aber, das ist ja ein Rabe …« Sie hatte mit einer Pflanze, einer prächtig gewachsenen Salbeipflanze gerechnet, aber niemals mit einem Tier, und schon gar nicht mit einem Raben im Käfig.

»Eine Krähe. Salbei ist eine Krähe, kein Rabe, auch wenn er aus der Rabenfamilie stammt, so ist er dennoch eine Krähe. Raben sind etwas größer, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht«, unterbrach die Fremde Kims Freudenruf.

Kim liebte Tiere, und so war es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich über diese Art von Salbei sehr freute.

Wie lange wünschte sie sich schon einen Hund, doch aus Zeitmangel hatte sie sich bisher noch keinen zugelegt. Dass sie jetzt zu einem Vogel kam, freute sie daher umso mehr.

»Aha, eine Krähe. Die Krähe Salbei. Wie deine Tante wohl zu einer Krähe, und noch dazu zu so einem eigenartigen Namen für dieses Tier gekommen sein mag?« Obwohl Kim wusste, dass auch Quentin die Antwort darauf nicht kannte, sah sie ihn dennoch fragend an.

»Wenn Sie möchten, erzähle ich Ihnen die Geschichte. Überhaupt, glaube ich, dass ich Ihnen doch besser einiges über Ihre Großtante erzählen sollte. Zum einen, weil ich der Meinung bin, dass es richtiger ist, wenn Sie von vorneherein wissen, was Sie eigentlich geerbt haben, und auch, um Sie zu warnen, vor Dingen, denen Sie künftig begegnen werden. Sie müssen wissen, Ihre Großtante war nicht irgendeine Frau …«

»War sie nicht? Was war sie dann, eine Hexe?«, witzelte Quentin, der sich zurzeit recht ungemütlich in seiner neuen Rolle vorkam.

»Quentin!«, zischte Kim.

Die Fremde lachte, etwas leise, etwas verlegen, doch sie lachte. »An Ihrer Stelle würde ich vielleicht auch Witze machen.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ihre Tante war tatsächlich so etwas wie eine Hexe. Sie war ein Magier. Ein Pendler zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Und meine Mutter, nun ja, sie wollte auch immer in die Fußstapfen Ihrer Großtante treten; allerdings ist es ihr niemals ganz gelungen. Hexerei …, etwas hexerisches Können, darüber verfügte sie auch, nur eben ganz anders, als es Ihrer Großtante anheim war.«

»Sie wollen mir tatsächlich weismachen, dass Tante Evelyn eine Hexe gewesen sein soll? Ich bitte Sie! Wo leben wir denn? Im Mittelalter? Nur weil sie einen Vogel hatte? Viele Menschen haben Vögel, aber deswegen sind sie noch lange keine Hexen.«

»Der Vogel, es ist eine Krähe, Quentin. Nicht jeder hat eine Krähe.« Sie wandte sich an die Fremde, und fragte: »Muss sie in dem Käfig bleiben, oder kann ich sie auch ‘rauslassen?«

»Oh nein, sie muss nicht im Käfig bleiben. Sie ist handzahm, aber sehr nervend. Eine Krähe, eben. Und die Villa Punto ist sowieso ihr Zuhause, also spricht nichts dagegen, dass Sie den Vogel aus dem Käfig herauslassen. Nur, passen Sie auf, ich weiß nicht, wie Salbei auf Sie reagieren wird, immerhin ist dies hier sein Zuhause und Sie beide, sind Fremde für ihn«, warnte die fremde pausbäckige Frau Kim.

Doch Kim ließ sich nicht beirren. Ganz langsam fuhr sie mit ihrer Hand an die Käfigtür, während sie mit ruhigen Worten auf die Krähe einredete: »Ruhig, Salbei, ganz ruhig. Ich tu‘ dir nichts. Sieh, hier ist dein Zuhause, und hier darfst du wieder sein, nur dass dieses Mal, anstelle von Evelyn, Quentin und ich für dich da sein werden. Komm her, Salbei, komm her.«

Bei Kims Worten legte die Krähe den Kopf schief. Ihre Augen beobachteten Kim durchdringend, während ihre winzigen Augenlider zitterten. Salbei krächzte leise. Kein bisschen böse, kein bisschen angriffslustig. Als Kim die Tür des Käfigs ganz weit geöffnet hatte, machte Salbei einen Schritt auf die Tür zu, und bereits im nächsten Moment saß er vorm Käfig auf dem Tisch.

Kim hob ihm ruhig die Hand entgegen. Schob sie auf dem Tisch immer näher zu der Krähe heran.

Bevor Kim sich versah, saß Salbei auch schon auf ihrer Hand. Mit sachten Hieben hackte er auf ihren Ring ein.

Kim lachte leise. »Gefällt er dir? Mir auch, Salbei, mir auch.« Sie hob ihre Hand langsam an die Schulter und Salbei kletterte auf sie hinüber.

»Das wundert mich, Salbeis Verhalten. Normalerweise mag er keine Fremden. Eigentlich fliegt er sie immer an. Die Meisten sind dann immer geflüchtet. Außerdem kann er furchtbar laut kreischen. So hat er es auch bei mir gemacht. Ich glaube, er mag mich nicht sonderlich leiden, zumindest nicht, seit dem Tod von Evelyn, und dem meiner Mutter.« Nachdenklich betrachtete sie die Krähe, bis ihr plötzlich etwas einfiel. »Wie unhöflich von mir, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.« Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. »Ich wohne in der anderen Ortschaft, in Neversend, aber die werden Sie bestimmt noch nicht kennen. Meine Mutter und Ihre Großtante kannten sich ihr Leben lang. Vielleicht sind sie auch deshalb hintereinander gestorben.« Wieder wischte sie die aufkommenden Tränen mit dem Handrücken fort. »Nora, ich heiße Nora Frost. Ein eigenartiger Name, wie? Aber Namen kann man sich nun einmal nicht aussuchen«, kicherte Nora verlegen und zupfte an ihren kurzen braunen Haaren, als würden sie dadurch länger werden.

Kim streckte Nora die Hand entgegen, und sie machten sich gegenseitig bekannt.

Mit einem raschen Blick zur Küchenuhr stellte Kim fest, wie spät es doch schon war. »Es ist recht spät, und Sie haben Quentin bestimmt, noch eine Menge zu erzählen. Wie wäre es, wenn Sie die Nacht über hier blieben? Für Quentin und mich ist es auch die erste Nacht in diesem Haus.«

»Ich habe in der Villa Punto schon ganz oft übernachtet , früher, als meine Mutter mich noch mitgenommen hatte. Doch irgendwann kam einmal der Tag, da wollte sie mich nicht mehr mitnehmen. Und als ich Tante Evelyn, so habe ich Ihre Großtante immer genannt, einfach alleine, ohne meiner Mutter Wissen, besucht habe, da war sie sehr unfreundlich zu mir. Sie meinte damals, dass ich nicht hierbleiben könnte. Sie hat von Dämonen und Geistern gefaselt und mich dabei ganz eigenartig angesehen. Anfänglich habe ich das für Altweiberspinnerei gehalten, doch dann, später einmal, hat mir meine Mutter Dinge erzählt, die mir regelrecht die Haare haben zu Berge stehen lassen. Dieser eine Dämon, Imperato nannten sie beide ihn, diesen Dämon muss es anscheinend gegeben haben.« Nora verstummte und sah die beiden betrübt an. »Geben. Es muss ihn geben, da bin ich mir mittlerweile sicher.« Ihr Blick wanderte besorgt zwischen Quentin und Kim hin und her. Sie senkte den Ton zu einem Flüstern: »Ich glaube, dass er in diesem Haus sein Unwesen treibt«, dabei warf sie einen ängstlichen Blick über ihre Schulter.

Als sie ihren Blick zu Kim wandern ließ, erkannte sie aufkommende Angst, die sich in ihre Miene hineinstahl, wogegen Quentin krampfhaft ein Lachen unterdrückte, es dennoch nicht vermeiden konnte, dass es um seine Mundwinkel herum, verdächtig zuckte.

»An Ihrer Stelle hätte ich auch gelacht. Aber heute weiß ich, dass sie Recht hatten. Alle beide. Meine Mutter und Ihre Großtante. Diesen Imperato, ihn gibt es tatsächlich, auch wenn es noch so Gruselromanlike, erfunden, klingen mag. Und wenn Sie mich fragen, dann ist er sowohl für den Tod Ihrer Tante, Großtante, wie auch für den meiner Mutter verantwortlich. In der Nacht, als meine Mutter starb, war sie zuvor in diesem Haus gewesen und hatte Salbei geholt. Noch in der gleichen Nacht ist sie gestorben.«

»Haben Sie nicht vorhin gesagt, dass im Zimmer Ihrer Mutter alles nach Lavendel gerochen hätte?«, fragte Quentin misstrauisch. Er hielt dies alles nur für Phantasterei eines einsamen Hirns. Vielmehr Phantastereien einsamer Hirne. Denn eins lag ganz klar auf der Hand: Sowohl seine verstorbene Großtante als auch Nora wie auch deren Mutter waren allesamt alleinstehend, und von daher wahrscheinlich auch sehr einsam. So hatten sich die beiden mit Sicherheit in ihrer Phantasie sehr viel eingebildet, und womöglich auch noch gegenseitig eingeredet und letztendlich, zu allem Elend, auch noch an den Unsinn zu glauben begonnen. Nur auf diese Art ließ sich, nach Quentins Meinung, das Gefasel um einen Dämon, der in Villa hausen sollte, erklären.

Dämonen, Unsinn, so etwas gibt es nicht!.

»Ja, das hat es, nach Lavendel gerochen. Doch es lag auch der Gestank von verwesendem Müll im Raum. Der Lavendelgeruch, ich glaube, dass Ihre Großtante aus dem Jenseits gekommen war, um meiner Mutter zu helfen, oder aber, um sie ins Jenseits auf die sichere Seite zu holen. Um sie vor Imperato zu schützen.«

»Ist doch toll.« Kim wusste nicht, was sie von alledem glauben sollte, und dennoch konnte sie nicht verhindern, dass eine Gänsehaut ihre Arme entlangzog. »Draußen haben wir einen Leichenwagen, den wir seit gestern unser Eigen nennen, heute besitzt du ein Haus, das von einem bösen Dämon beseelt sein soll. Was kann man sich Besseres wünschen.« Ihre Stimme zitterte. Sie sah sich ängstlich um.

Quentin konnte es nicht verhindern, er musste lachen, als er ihr ins Gesicht blickte. »Kim, Mädchen, du wirst dich doch nicht von solchen Geschichten ins Boxhorn jagen lassen!«

Noch bevor Nora antworten konnte, war Salbei auf Quentins Schulter geflogen und hackte ihm mit seinem spitzen Schnabel ins Ohr.

»Au! Was soll denn das?« Quentin wischte den Vogel mit einer Handbewegung von seiner Schulter und hielt sich sein schmerzendes Ohr.

Kreischend flatterte Salbei durch die Küche, um am Ende auf einem roten Teller in der obersten Regalreihe zu landen. Mit neugierigen Augen sah er auf die Drei herab.

»Sie sollten aufpassen, was Sie in Salbeis Nähe sagen, er versteht jedes Wort. Tante Evelyn hat ihm auch das Sprechen beigebracht. Allerdings spricht er nur dann, wenn er es auch will. Manchmal habe ich auch schon vermutet, dass er immer dann zu sprechen anfängt, wenn er zuvor Geister belauscht hat, und dass er deren Gespräche an uns verrät.«

»Na wunderbar. Reicht es nicht schon, dass Sie behaupten, dass meine Großtante eine Hexe gewesen sein soll, und dass in diesem Haus ein Dämon sein Unwesen treibt? Muss es nun auch noch eine Krähe sein, die die Gespräche von angeblichen Geistern wiedergibt? Geister, wo sollen die denn, bitteschön, sein?« Quentin war anzuhören, dass er mittlerweile die Geduld verlor. Soviel Geisterlatein hatte er sein Lebtag noch nicht gehört. »Rufen Sie die Geister, wenn Sie so sicher sind, dass sie in der Villa Punto ihr Unwesen treiben«, forderte er Nora ungehalten auf.

»Was kann ich dafür, dass Dinge sind, wie sie sind? Wollen Sie mich etwa dafür verantwortlich machen?«

»Nein, Nora Frost, das will ich nicht. Schauen Sie sich bloß einmal Kim an. Sie haben ihr Angst gemacht!«

»Ich will Sie ganz bestimmt nicht ängstigen, ich will Sie warnen. Sie beide! Doch wenn Sie mir nicht glauben, wird es wohl besser sein, wenn ich Ihr Übernachtungsangebot nicht annehme, sondern gleich nach Hause fahre.« Nora stand auf und wollte gehen, als Kim sie zurückhielt.

»Bitte, bleiben Sie. Für uns beide ist es nicht leicht, zu verstehen oder gar zu verarbeiten, wovon Sie uns berichtet haben. Geister und Dämonen, daran haben wir unseren Lebtag keinen Gedanken verschwendet, ganz davon zu schweigen, dass wir gar nur eine Sekunde daran geglaubt hätten. Und jetzt, nach all dem, was Sie uns erzählt haben«, sie sah sie nachdenklich an, »das hieße, unser altes Denken ganz neu zu überdenken. Dennoch, Nora, hat Ihre Schilderung, auch wenn uns nicht behagt, was Sie uns erzählt haben, nichts mit unserem Übernachtungsangebot zu tun. Wir haben Ihnen angeboten, über Nacht in der Villa Punto zu bleiben und daran hat sich auch nichts geändert.« Sie wandte sich an Quentin. »Nicht wahr, Schatz?«

Quentin schwieg, doch er nickte. Stimmte Kim auch ohne Worte zu.

»Wollen Sie wirklich, dass ich bleibe? Sie auch, Mister … Wie heißen Sie eigentlich? Ich habe Ihren Nachnamen vergessen.«

»Sommerwein. Quentin Sommerwein. Sagen Sie einfach nur Quentin, das reicht.«

»Nun, Quentin, sind Sie sicher, dass ich bleiben soll? Wenn ich bleibe, werde ich Ihnen noch mehr aus dem Leben Ihrer Großtante erzählen, sofern Sie es hören wollen.«

Quentin seufzte ergeben. »Bleiben und erzählen Sie. Auch wenn ich nicht glaube, dass es diese Dinge gibt, so schadet es vielleicht auch nicht, über sie zu erfahren. Wer weiß, wozu es einmal gut sein wird.«

Salbei setzte zum Flug an und flog in einem großen Bogen auf Quentin zu. Er landete auf seinem Kopf. Hastig hob Quentin die Hände schützend an seine Ohren. Doch Salbei stocherte mit liebevollen Hieben in Quentins kurzen Haaren herum.

»Er versteht jedes Wort. Er weiß, dass Sie sich nun der Wahrheit stellen werden. Dass Sie bereit sind, die schonungslose Wahrheit über Tante Evelyn zu erfahren. Und somit weiß er, dass Sie bereit sind, sich einer Welt zu öffnen, von der Sie bisher nicht einmal geglaubt haben, dass es sie gibt.«

»Das klingt, als würde sogar die Krähe von den Geistern wissen und an sie glauben.« Mit einem Augenaufschlag zu Salbei hin, murmelte er: »Ach, ich vergaß, du tratschst ja die Gespräche der Geister weiter …« Quentin schüttelte den Kopf über sich selbst, dabei wandte er sich wieder Nora zu. »Nora, eine Krähe weiß noch nicht einmal zwischen Diesseits und Jenseits zu unterscheiden.« Er konnte nicht glauben, was er soeben gesagt hatte. War es schon so weit mit ihm gekommen, dass solch ein Unsinn über seine Lippen kam?

Diesseits, Jenseits, als wenn es das tatsächlich gäbe!

Er verdrehte die Augen, sah Nora nachdenklich an.

»Sie halten mich für verrückt, geben Sie’s zu!« Noras Wangen glühten.

»So kann man das nicht sagen. Nur, ich habe an diesen Dingen nun einmal meine Zweifel. Geister … Bisher konnte diesbezüglich niemals so richtig etwas bewiesen werden.«

»Oder die, die es hätten bestätigen können, haben es vorgezogen, zu schweigen. Aus gutem Grund, da bin ich mir ganz sicher. Nicht wahr, Salbei?« Nora sah zu der Krähe hin, die immer noch damit beschäftigt war, Quentins Haare zu zerzausen.

»Möchte jemand ein Glas Rotwein?«, fragte Kim, in der Hoffnung, die Gänsehaut treibende Stimmung zu vertreiben, und machte sich auf die Suche nach geeigneten Gläsern.

Nachdem sie lange genug in der Küche gestanden hatten, nahmen die Drei am Tisch Platz.

Salbeis Käfig wurde in eine Kammer verfrachtet, da man ihn in der Nacht nicht brauchte. Sie würden die Krähe einfach draußen lassen.

Bevor Nora zu erzählen begann, stellte sie Quentin eine Frage, die sowohl ihn, als auch Kim sehr nachdenklich werden ließ: »Nach all dem, was Sie nun bereits schon gehört haben, glauben Sie tatsächlich, dass es ein Zufall ist, dass Sie sich einen Leichenwagen gekauft haben? Oder kann es nicht eher sein, dass genau dieser Wagen für Sie als Weiche zum Jenseits dienen soll?«

Sowohl Kim als auch Quentins Blick wanderte auf Noras Frage unwillkürlich zum Fenster, in die Richtung, in der Cemetery Car vor der Villa Punto geparkt stand.

Bevor sie sich wieder Nora zuwandten, trafen sich ihre Blicke. In beiden stand die gleiche Frage:

Konnte es tatsächlich sein, dass an Noras Vermutung, etwas dran war?

9 - Verdacht auf Imperato

Sie saßen und saßen, redeten und redeten. Nora erzählte alles, was sie über Evelyn wusste, und auch einiges, das sie von ihrer Mutter erzählt bekommen hatte.

Kim saß stillschweigend da.

Während Noras Erzählungen war sie immer stiller, und von Sekunde zu Sekunde blasser geworden.

In ihrem Kopf hämmerte wieder und wieder Noras Satz: Sind Sie sicher, dass der Leichenwagen, nicht womöglich die Weiche zum Jenseits für Sie sein soll?

Sie hob den Kopf und ihr Blick schlich zu Nora hin. In ihrem Augenaufschlag lag all ihr Unverständnis, ihr Nicht-verstehen-können.

»Ich krieg‘ das einfach nicht zusammen«, hauchte sie. »Nora, wie haben Sie das gemeint? Wie kann der Leichenwagen, dort draußen«, ein hastiger Blick in Richtung Fenster, begleitete ihre Worte, »eine Weiche zum Jenseits sein?«

»Die Seelen der Toten, die in ihm transportiert worden sind, sie sind es, die Ihnen die Tür öffnen und die Schwelle zum Jenseits ebnen können.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Wenn es nicht gar bereits dieses Haus für Sie tun wird. Womöglich brauchen Sie den Leichenwagen sogar zur Unterstützung oder als Hilfe. Was immer der tiefere Sinn dieses Wagens auch sein mag, ich bin mir sicher, dass es kein Zufall ist, dass Sie genau diesen Wagen gekauft haben. Sich einen Leichenwagen zugelegt haben!«

»Unsinn! Das Auto haben wir, ich, denn Kim ist ja nach wie vor gegen den Wagen, gekauft. Er war billig, und das war der einzige Grund, weshalb ich mich zum Kauf dieses Autos entschieden habe. Keinen anderen Grund sonst, hat es gegeben«, antworte Quentin, seinen Unmut unterdrückend. »Folglich nur Zufall, Nora, nichts weiter. Alles, einfach nur purer Zufall!« Er nahm das Weinglas und trank einen großen Schluck.

»Okay, glauben Sie an einen Zufall, wenn es Ihnen so besser gefällt, oder es für Sie dadurch leichter wird, damit umzugehen. Ändern tun Sie mit dieser Einstellung dennoch nichts, an den Dingen, die alsbald auf Sie zukommen werden. Und sie werden auf Sie zukommen, da bin ich mir ganz, ganz sicher.« Sie fuhr sich über die Stirn und zupfte ihr Pony zurecht. »Ich kann es Ihnen noch nicht einmal verübeln, dass Sie an all das nicht glauben, oder sich sogar dagegen sperren, es auch nur annährend in Betracht ziehen, daran zu glauben, oder auch nur glauben zu wollen«, erwiderte Nora mit ernstem Gesicht.

Betretenes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.

Noras Augen lagen auf Quentin. »Wann haben Sie denn den Leichenwagen gekauft?«

Quentin dachte nach. Auch darüber, wie er überhaupt auf den Wagen aufmerksam geworden war. Es war ein Flyer, den er, vor ungefähr elf Monaten, in seinem Briefkasten vorgefunden hatte und der ihn auf ihn hatte aufmerksam werden lassen.

Der Leichenwagen, auch wenn davon nichts in dem Flyer gestanden war, er war einfach ein Schnäppchen gewesen. Hatte allerdings auch fast ein Jahr gedauert, bis er verkauft wurde. Sicher, ihm wäre ein anderes Auto auch lieber gewesen. Aber was sollte es, seine Leichenwagenzeit war ein für alle Mal vorbei. Heute wurden keine weiteren Leichen darin transportiert. Warum also diese ganze Aufregung, all der Mummenschanz, um diesen Wagen?

»Haben Sie sich niemals darüber gewundert, dass es so ein altes Modell ist? Und dass Sie so lange darauf warten mussten?«, wollte Nora von Quentin wissen, wurde jedoch von Kim unterbrochen.

»Nein, Quentin, du irrst dich. Du hast Cemetery Car einen Monat früher angesehen. Ein Jahr liegt das nun bereits zurück. Hast du das vergessen? Gekauft hast du ihn erst gestern.«