Der Muffler - Angelika Nickel - E-Book

Der Muffler E-Book

Angelika Nickel

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Beschreibung

Die Geschwister Gisela und Lothar leben mit ihren Eltern in einem Mietshaus, das es eigentlich überall geben kann. Und nicht nur sie wohnen dort. Auch Herrmann Schreien hat in dem Haus eine Wohnung. Nachbar Schreien ist ein ständiger Nörgler. Er wartet nur darauf, dass Irgendwer, vor allem aber Kinder, Lärm machen, und er wieder einmal mit dem Besen gegen Decken und Bödenhämmern kann. Der Muffler, wie ihn jeder nennt, macht jedem und allen gern das Leben schwer. Das Ganze geht so lange, bis Lothar undGisela auf die beiden Hexen Brunhilde und Hoxa treffen, und dem Leid der Kinder endlich helfen, ein Ende zu machen, und dem Muffler gewaltige Lehren erteilen, so dasser gezwungen ist, über sein eigenes Handeln nachzudenken und auch er endlich zu einem freundlichen Nachbarn wird. Der Muffler ist ein regelrechter Motzbeutel. Es vergeht kein Tag, an dem er nicht seinen Nachbarn das Leben schwer macht. Mit seinen Besen hämmert er andauernd gegen Decken und Böden, so wie er auch nur den Ansatz von Lärm hört. Dabei: Er wartet regelrecht darauf, seine Besen in Aktion bringen zu können. Freudiges, gehässiges Grinsen hockt in seinem Gesicht, kaum dass die KinderSchule aus haben. Auch Lothar und Gisela, die Geschwister Lümmel, leiden unter dem Mann. Jedoch nur solange, bis sie auf die beiden Hexen Brunhilde und Hoxa treffen, die dem alten Grantler das eigene Leben schwer zu machen beginnen, so dass der Nörgler endlich anfängt, darüber nachzudenken, was er seinen Nachbarn tatsächlich antut. Mithilfe der beiden Hexenschwestern gelingt es letztendlich, aus dem Muffler einen freundlichen und zuvorkommenden Nachbarn zu machen. Allerdings ist der Weg bis dorthin weit und hält sowohl für den Muffler, als auch fürLothar und Gisela, so einiges an irrwitzigen Überraschungen bereit. Die Biedermanngasse, wo überall kann sie sein. In der Gasse selbst, steht ein Haus, da gehen sogar zwei Hexen ein und aus.

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Seitenzahl: 212

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Angelika Nickel

Der Muffler

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1 - Die Lümmels

2 - Der Muffler

3 - Besen-Fritze

4 - Hexen gibt es nicht

5 - In einem Haus, wie vielen

6 - Klopf, klopf

7- Brunhilde und Hoxa Süßenguth

8 - Ungebetener Besuch

9 - Echt toll

10 - Sonntagsruhe

11 - Alles nur Unsinn

12 - … und weiter geht der Spaß

13 - Alsbald

14 - Ein schlechter Traum

15 - Durst, … und ein Kopf im Kühlschrank

16 - Der Kompass

17 - Der Kerzenmann

18 - Großmutter Hexe Winnilaub

19- … bereit

20 - Gestatten, Hexe, mein Name

21 - Der Muffler wartet schon

22 - Die erste, versprochene Nacht

23 - Wann war ich denn ein Kind?

24 - Nachdenken

25 - Warten

26 - Geist, was wird morgen sein?

27 - Hinein, in die Zeit

28 - Wo bin ich?

29 – Ach nee, was kommt denn jetzt noch?

30 - Schatten und Licht

31 - Dick und angeschwollen

32 - Sture Liese

33 - Juch hu!

34 - Langsam reicht’s!

35 - Geheilt

36 - Alles an seinen Platz

Autor

Impressum neobooks

1 - Die Lümmels

Das Haus, in dem er wohnt, es könnte in jeder Straße und in jeder Stadt liegen.

Nachbarn, wie Herrmann Schreien, solche gibt es viele. Leider!

Herrmann Schreien ist den ganzen Tag zuhause. Wahrscheinlich langweilt er sich und ist deshalb ewig am Mosern und Stänkern.

Ganz sicher kann er sich selbst nicht leiden, so ungehalten, wie er immer ist.

Kinder, die sind ihm sogar ein regelrechter Graus.

Als wenn der Herrmann selbst niemals ein Kind gewesen wäre!

Wahrscheinlich ist er schon so alt und biestig auf die Welt gekommen, überlegt Lothar, der so gut wie jeden Tag unter dem alten Querulanten zu leiden hat.

Besen-Fritze, ein Laden, ganz in ihrer Nähe, dort ist der Muffler, wie Lothar und viele andere Kinder den Herrmann Schreien nennen, ein häufiger Kunde.

Besen nämlich, sind es, die der Muffler ständig braucht. Aber nicht zum Fegen, oh nein!

Nein, der Muffler benötigt die Besen zu einem ganz anderen, wahrlich unschönem Zweck.

Immer, wenn es ihm zu laut wird, klopft er damit gegen die Decke oder auf den Fußboden. Und das mit all seiner Kraft.

Buh, ein Nachbar, wie Kinder ihn gar nicht leiden mochten. So einer ist der Muffler, der Herrmann Schreien.

Schlimm, schlimm.

Ilse und Bernd Lümmel, wie Lothars Eltern heißen, haben mit dem Mann kein leichtes Leben. Deshalb sagen sie auch immer zu ihren Kindern: »Seid leise, damit der Herr Schreien nicht wieder klopfen muss.«

Zum Glück ist Lothar nicht alleine. Er hat auch noch eine Schwester. Gisela. Gisela ist zwei Jahre älter als Lothar. Elf Jahre ist sie alt.

An manchen Tagen wäre Lothar am liebsten weggelaufen, wäre da nicht Gisela, die ihn stets davon abhielt.

»Denk‘ nur mal, Lothar, wie Mama und Papa sich die Augen nach dir ausweinen würden, wenn du abhauen würdest«, ermahnte sie ihren Bruder in diesen Momenten, und solche hatte oftmals und viele.

Lothar schaute sie wiederum bei solchen Gelegenheiten mit seinem treuen Dackelblick an und seufzte: »Dafür hätten sie dann aber vor dem Muffler ihre Ruhe. Über dich, Gisela, regt er sich doch eigentlich nie auf.«

»Mama und Papa regen sich nicht über den Muffler auf. Auch nicht über dich, Bruder. Deswegen, Kleiner, gibt es auch keinen Grund, weshalb du von daheim fortlaufen musst.«

Tja, und stets endete die Überlegung zum Abhauen damit, dass Gisela mit ihrem Bruder in die Küche ging, und für sie beide, zwei Becher mit je drei Eiskugeln in einer blauen Eisschale aufeinander häufte. Eis, das ihre Mutter, für genau solche Zwecke, stets im Gefrierfach bereithielt.

2 - Der Muffler

Herrmann Schreien guckte auf die Uhr. Ein gehässiges Grinsen nistete sich um seinen Mund herum ein.

Nicht mehr lange und die Bande kommt aus der Schule.

Der Muffler wurde Herrmann Schreien von den Meisten genannt. Natürlich nur hinter seinem Rücken, und ihm nicht direkt ins Gesicht gesagt.

Dafür gab’s auch einen Grund. Herr Schreien hatte sich diesen Namen tatsächlich zu Recht verdient.

Er war ein Nachbar, auf den gut jeder hätte verzichten können.

Immer saß er nur da und wartete darauf, dass die Kinder aus der Schule kamen und er sich sofort auch wieder beschweren konnte. Lautstark natürlich, das versteht sich von selbst.

Dabei war er meist selbst viel lauter, als die Kinder es beim Heimkommen waren.

»Vielleicht bräuchte der Schreien nur einmal eine Frau«, hatte Lothar seine Mutter einmal zu einer anderen Nachbarin, Frau Lämmle, sagen hören. Doch die hatte nur abgewinkt und stattdessen geantwortet: »Muss sich der alte Meckerfritze eben eine Beschäftigung suchen, damit er ausgelastet ist. Glauben Sie mir, Frau Lümmel, dann würde das auch aufhören, dass der Kerl so ein Muffler ist.«

Lothars Mutter hatte dazu nur genickt und ihr innerlich Recht gegeben.

Doch gleich, wie sie es auch drehten und wendeten, sie hatten nun einmal den Muffler zum Nachbarn und mussten mit seiner Bärbeißigkeit leben. Ob sie wollten oder auch nicht.

Klar, sie hätten ausziehen können, doch auch das hätte den alten Grantler nicht geändert, sondern er hätte den Nächsten das Leben schwer gemacht. Und wer hätte auch schon im Voraus zu sagen gewusst, ob es nicht auch im nächsten Haus, solch 'nen Meckerfritze gegeben hätte.

Lothar und Gisela hatten eines Abends einmal gehört, wie sich ihre Eltern über den motzigen Nachbarn unterhalten hatten.

»Solche Nachbarn, Ilschen, die gibt es leider in jedem Haus. Zumindest einen davon«, hatte Bernd Lümmel zu seiner Frau, die er immer auch gerne Ilschen nannte, gesagt gehabt.

Na klasse, das ist ja nun wahrlich kein Trost, hatten die beiden Kinder gedacht, als sie dieses Gespräch belauscht hatten.

An diesem Abend war Gisela nochmals nach dem Zähneputzen in Lothars Zimmer geschlichen, und hatte sich bei ihm auf den Bettrand gesetzt.

»Weißt du was, Lothar?«

Verdutzt guckte der Junge seine Schwester an.

»Wir müssen uns einfach etwas einfallen lassen, womit wir den alten Miesepeter ablenken. Dann wird er uns schon unsere Ruhe und in Frieden lassen.«

Lothar legte den Kopf auf Giselas Schoß und sie fuhr ihm tröstend durch sein Haar.

»Und womit lenken wir ihn ab? Sollen wir noch mehr Krach machen?«

Gisela blies die Backen auf. »Als wenn wir Krach machen würden.«

»Er hat heute aber schon wieder geklopft. Bin gerade nach Hause gekommen, da hat er auch schon wieder gegen die Decke geschlagen.«

Gisela grinste. »Na, dann wird er bald wieder einen neuen Besen brauchen«, überlegte sie.

»Ja und? Ist doch nichts Neues.«

»Vielleicht können wir den Besen-Fritze auf unsere Seite bekommen.«

»Wie willst du das denn anstellen?«, fragte Lothar.

»Ich weiß auch noch nicht. Aber ich werde mir etwas überlegen. Mit etwas Glück, können wir auch Mama einspannen, dass sie uns hilft«, antwortete sie nachdenklich.

»Bist du verrückt, Gisela! Ausgerechnet Mama. Du weißt doch, dass sie uns immer ermahnt, auch bloß nicht zu laut zu sein, um den da unten«, er zeigte mit dem Finger unter sich, »nicht zu ärgern.«

Über Giselas Gesicht huschte ein Lächeln. »Du vergisst dabei aber, dass, wenn das Baby erst da ist, Mama noch mehr unter dem Muffler zu leiden haben wird.«

»Glaubst du wirklich?«, wunderte sich Lothar, der nicht verstand, was das neue Baby damit zu tun haben könnte.

»Ja logo, Kleiner. Wenn Mama in einigen Monaten das Kleine erst hat, dann werden die Nächte und Tage lauter, als bisher. Und was glaubst du, Lothar, wird der Muffler dann machen, wenn das Baby an einem Stück schreit?«

Jetzt wanderte auch in Lothars Gesicht ein Lächeln. »Dann braucht er noch mehr Besen von Besen-Fritze.«

»Das auch. Aber Mama, Kleiner, die wird dann noch mehr unter dem Motzbeutel zu leiden haben. Und wir mit.«

Lothar nickte. »Ach, und deshalb glaubst du, dass uns Mama hilft, etwas gegen den Knottersack zu unternehmen?«

»Immerhin, es kommt auf einen Versuch an.«

»Gut. Bin einverstanden«, lachte Lothar und kroch wieder unter seine Decke. »Mach’ das Licht aus, wenn du rausgehst, bitte.«

»Gute Nacht, Lothar. Schlaf gut. Glaub mir, kleiner Bruder, nicht mehr lange, dann haben wir vor dem Muffler unsere Ruhe.«

»Glaubst du denn, dass er auszieht, wenn unser Baby erst einmal da ist?«, murmelte er, und war schon beinahe am Einschlafen.

»Das bestimmt nicht«, antwortete seine Schwester und schloss die Tür hinter sich. Lothars gleichmäßige Atemzüge verrieten ihr, dass er ihre Antwort schon nicht mehr gehört hatte.

3 - Besen-Fritze

Der nächste Morgen war kalt, aber klar. An einigen Stellen lag noch Schnee, doch das Meiste war weggeschmolzen. Nur in den Straßen, in denen nicht gestreut wurde, lagen noch glitzernde Schneespuren, die zu regelrechten Eisbahnen geworden waren. Glatt und rutschig waren sie.

Der Weg zu Besen-Fritze war nicht weit, und auch lag bis dorthin, schon fast gar kein Schnee mehr.

Gisela hatte sich noch am Morgen mit ihrem Bruder für mittags verabredet, um bei Besen-Fritze einmal reinzuschauen und vielleicht auch etwas zu kaufen.

»Wir müssen den Laden und den Besen-Fritze erst auskundschaften«, hatte sie ihm dabei gesagt, und er hatte wieder einmal, nur genickt. Nicht immer verstand Lothar, was seine Schwester von ihm wollte. Doch dafür war sie nun einmal auch seine große Schwester und er nur der kleine Bruder. Irgendwann verriet sie ihm immer, was sie vorhatte.

Als sie den Laden betraten, war Besen-Fritze gerade damit beschäftigt, zwei älteren Damen, beide mit breiten Hüten, deren Federn bei jeder Bewegung auf und ab wippten, seine Besenauswahl vorzuführen.

Er warf einen kurzen Blick zu den Kindern hinüber. Ohne sich von den Damen abzuwenden, sagte er: »Schaut euch nur um. Ich bin gleich bei euch.«

»Wenn Sie möchten, Herr Besen-Fritze, wir können auch alleine die Besen beschauen und sehen, welcher der beste unter ihnen ist«, schlug eine der Frauen vor.

Lothar stupste seine Schwester an. »Ob die zum Hexenball wollen?«

»So etwas gibt es doch gar nicht«, antwortete Gisela leise genug, um dass die beiden Frauen sie nicht verstanden.

Glaubte sie zumindest.

Eine der Frauen wandte sich von den Besen und Besen-Fritze ab. »Da wäre ich mir aber an deiner Stelle nicht so sicher«, flüsterte sie Gisela ins Ohr, die zusammenzuckte, dermaßen hatte sie sich erschrocken, als die Frau plötzlich hinter ihr stand.

»Aber, ich dachte, Sie sind mit den Besen beschäftigt«, stotterte sie, und lief dabei feuerrot an.

4 - Hexen gibt es nicht

Die Frau lachte, allerdings nicht laut. »Ich habe gute Ohren, musst du wissen.« Sie betrachtete die Geschwister belustigt. »Ihr seht aus, als wärt ihr bei etwas Schlimmem überrascht worden.«

»Ich wollte nicht, dass Sie mich hören«, versuchte Gisela, den Ansatz zu einer Entschuldigung; doch die Frau winkte ab.

»Weshalb versuchst du, dich bei mir zu entschuldigen?«

»Weil ich Hexe gesagt habe. Und dass sie beide wie Hexen aussehen«, kam Lothar wagemutig, und auch ehrlich, seiner Schwester zu Hilfe.

Die Frau winkte die Kinder mit dem Zeigefinger zu sich heran.

Als sie deren Köpfen ganz nahe war, sagte sie in gesenktem Ton: »Die Wahrheit, Gisela und Lothar, die darf man immer sagen. Vielleicht nicht immer ganz so laut. Mitunter muss ja nicht jeder die Wahrheit mitbekommen. Aber ansonsten …« Sie lächelte die beiden an. Freundlich und warmherzig.

Lothar schluckte. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie eine Hexe sind?«

»Woher kennen Sie denn unsere Namen?«, fragte Gisela. »Und Hexen«, sie schüttelte den Kopf, »die gibt es doch gar nicht.«

»Nein, nur in Märchen«, flüsterte jetzt auch Lothar. »Sagt Gisela jedenfalls immer.«

Und wieder lächelte die Dame. »Und was, wenn ich euch sage, dass es Hexen doch gibt. Was sagt ihr dann?«

»Dann träumen wir«, antwortete Gisela platt.

»Ich mache euch einen Vorschlag«, sagte die Frau. »Doch zuerst will ich etwas klarstellen: Ihr beide, ihr habt ein großes Problem. Mit dem Muffler.«

Den Geschwistern blieb vor Staunen der Mund offen stehen.

»Woher wissen Sie davon?«, stotterte Gisela, und erntete einen Knuff von ihrem Bruder.

»Ist doch logo! Wenn sie eine Hexe ist, dann kennt sie ganz sicher auch unser Problem. Hexen wissen doch alles.« Er lugte von unten herauf zu ihr hin. »Sie sind eine Hexe! Aber können Sie uns auch wirklich helfen?«, fragte er, kleinlaut. »Mit dem Muffler?«

Die Frau zwinkerte den beiden zu, und antwortete verschwörerisch: »Lasst mich nur machen. Mir fällt sicherlich etwas ein, was wir machen können, um dass der Muffler auch einmal lacht.«

»Lachen braucht der gar nicht«, winkte Lothar ab. »Der muss nur aufhören damit, uns Kinder immer auszuschimpfen, und gegen die Decken zu hämmern.«

Die Frau nickte ernst und dabei wippte ihre Feder so weit nach vorne, dass sie Lothars Nase streifte.

»Das kitzelt«, lachte er und rieb sich seine Nase.

»Dann hat’s funktioniert«, sagte die Frau und wandte sich von den Kindern ab.

»Was hat funktioniert?«, rief ihr Gisela verdutzt hinterher. Warum läuft sie denn jetzt weg?, fragte sie sich dabei, und ließ den Blick nicht von der Frau ab.

Die Frau drehte sich nochmals zu ihnen um. Wieder zwinkerte sie ihnen vielsagend zu. »Das mit eurer Adresse. Ich weiß jetzt, wo ihr wohnt.«

Gisela schaute sie noch erstaunter an. »Aber wie?«, kam es blass über ihre Lippen.

Die Frau tippte an ihre Feder. »Sie verrät es mir.«

Gleich danach verließ sie, zusammen mit der anderen Frau, Besen-Fritzes Geschäft. Unter den Armen hielt jede von ihnen einen neu gekauften Besen.

»Ob die heute Nacht damit um den Mond herum fliegen?« Lothar sah seine Schwester neugierig an.

»Brüderchen, glaub’ doch nicht alles, was dir die Leute erzählen. Du meinst doch nicht tatsächlich, dass sie eine Hexe ist. Und das mit der Adresse, das hat sie vielleicht auch nur so dahingesagt. Oder jemand anderes hat ihr gesagt, wo wir wohnen. Immerhin, sie weiß auch vom Muffler. Wahrscheinlich kennt sie den sogar. Und somit ist doch auch klar, dass sie weiß, wo wir wohnen.«

»Och, so ist das«, kam es enttäuscht von Lothar. »Ich hab‘ jetzt echt geglaubt, dass sie uns hilft, und auch, dass sie eine Hexe ist.«

»Vielleicht wäre sie ja sogar selbst gerne eine Hexe, und hat deshalb behauptet, eine zu sein«, versuchte das Mädchen, das eigenartige Verhalten der Frau zu erklären, und auch, ihren kleinen Bruder damit zu trösten.

»Und wenn sie doch eine ist?«, beharrte er. Lothar wollte einfach nicht glauben, dass die Frau sie belogen hatte. Zu sehr wünschte er sich, dass sie sehr wohl eine Hexe war, und eine liebe dazu.

Doch zu seiner Enttäuschung, schüttelte Gisela mit dem Kopf. »Nein, Brüderchen, Hexen gibt es nicht.«

5 - In einem Haus, wie vielen

Als die Frauen weg waren, hatten die Kinder die Qual der Wahl.

Besen-Fritze zeigte ihnen viele unterschiedliche Besen und erklärte ihnen, wofür sich jeder Einzelne von ihnen, am besten eignete. Dabei erkundigten sich Lothar und Gisela, ganz nebenbei, nach Herrn Schreien.

»Den Muffler, meint ihr. Ihr müsst nicht annehmen, dass ich nicht weiß, wie er von den meisten Menschen genannt wird. Hinter seinem Rücken, natürlich. Der würde sie alle ansonsten jagen, bis hinter Timbuktu, wenn’s sein muss, und er davon wüsste.«

»Wirklich doch so weit«, staunte Lothar, der keine Ahnung hatte, wo dieses Hinter Timbuktu überhaupt lag.

»Die vielen Besen, die er immer bei mir kauft,« er schaute die Kinder besorgt an, »braucht er die, um euch damit zu jagen?«

Beide schüttelten den Kopf.

»Nein, das nicht. Aber er klopft damit gegen die Decken und auf die Böden«, erklärte Gisela dem Mann.

»Hm«, machte der nur, und versuchte, nachzudenken.

»Was ist denn, wenn Sie ihm keine Besen mehr verkaufen?«, kam Lothar endlich mit seiner Frage heraus.

Besen-Fritze schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Zum einen ist es mein Geschäft, und zum anderen, wenn ich ihm die Besen nicht verkaufe, geht er in ein anderes Geschäft und kauft sie dort.«

»Dann muss er aber weiter laufen. Vielleicht verliert er dabei sogar auch die Lust daran.« Lothar schaute ihn, mit dem Schimmer aufkeimender Hoffnung an.

»Nein, das wird er nicht. Dieser Mann ist dermaßen grantig. Ich kenne ihn gar nicht anders«, antwortete der Ladeninhaber; und in dem Jungen starb bei diesen Worten, seine schüchtern gewagte Hoffnung, dass endlich alles einmal sein Ende haben würde.

»Wir kennen ihn auch nicht anders, als so muffig, wie er immer ist. Und das wird noch schlimmer werden, wenn unsere Mama erst einmal das neue Baby hat. Dann wird er noch mehr Besen brauchen.«

»Frau Lümmel ist schwanger. Hm, ja, da wird er noch mehr Besen brauchen, Kinder, da habt ihr wahrlich Recht. Babys können manchmal sehr viel, lange und laut schreien, wenn’s sein muss.« Besen-Fritze kratzte sich am Kinn.

»Vielleicht muss es aber auch nicht sein, und das Baby ist von vorneherein leise«, wagte Lothar kleinlaut, zu sagen.

»Nein, wohl kaum. Das Schreien, das ist das Recht der Neugeborenen, und davon machen die meisten auch Gebrauch«, lachte Besen-Fritze.

Als er in die betroffenen Gesichter der Kinder sah, versuchte er, sie zu trösten: »Einen, wie den Muffler, den hat’s, so gut wie in jedem Haus. Und wenn du in keiner Mietswohnung, sondern in einem Mietshaus wohnst, dann lebt so ein Motzbeutel auch in deiner Straße.«

»Kennen Sie das?«, erkundigte sich Gisela. »Haben Sie auch solch einen Nachbarn?«

»Heute nicht mehr, zum Glück. Doch als ich noch ein Kind war, bei Gott, da wohnte eine alte Frau in unserer Straße, die stand von morgens bis abends draußen und wartete nur darauf, dass einer von uns Kindern zu laut wurde.« Er wehrte ab. »Die war ein böses, altes Weib. Irgendwann ist sie dann gestorben. Die Leute, die danach in das Haus eingezogen sind, die waren eigentlich recht nett. Nur der Opa, der mit ihnen eingezogen war, das war so einer, wie euer Muffler einer ist. Er war nicht ganz so schlimm, wie die Alte gewesen war, doch leicht war das Leben mit ihm auch nicht. Stets hatte er irgendetwas an uns auszusetzen. Wenn wir auf der Straße Ball gespielt haben, hat er nur darauf gewartet, dass der Ball in seinen Garten rollte.«

»Hat er ihn auch wieder rausgerückt?«, wollte Lothar wissen.

»Nein. Er hat ihn vor unseren Augen mit einem Pfadfindermesser zerschnitten.«

»Bäh! Wie gemein!« Lothar sah den Muffler vor sich, und wie er einen seiner Bälle zerschnitt. Pfui Teufel, wie fies! Doch bisher waren seine Bälle alle heil geblieben, allerdings hatten sie auch keinen Garten, und der Muffler auch nicht. Von daher war es wahrscheinlich doch auch nicht weiter verwunderlich, dass der Muffler sich bisher noch nicht an seinen Bällen, hatte, zu schaffen machen können.

»Hört zu, Kinder. Gleich muss ich schließen. Es ist Feierabend. Aber ich verspreche euch, dass ich mir etwas einfallen lassen werde, wie wir dem Muffler einen Denkzettel verpassen können, um dass er aufhört, damit, euch Kinder andauernd zu ärgern.« Er blickte zu Gisela hin. »Bis wann kommt denn euer Baby?«

»Genau weiß ich das auch nicht. Aber Papa sagt immer, nur noch einige Monate, dann ist es mit der Ruhe aus, denn unser neues Baby ist im Haus.«

»Gut, demzufolge haben wir ja noch etwas Zeit, um uns etwas auszudenken.« Er nahm einen Besen und gab ihn Gisela. »Nehmt den hier mit. Und wenn der Muffler das nächste Mal wegen euch klopft, klopft ihr einfach zurück.« In sein Gesicht legte sich ein schiefes Grinsen. »Darüber wird sich der alte Stinkbeutel sicherlich zwar noch mehr ärgern, aber zumindest weiß er dann, wie es ist, wenn einem geklopft wird.« Er nickte den Kindern aufmunternd zu.

Gisela wehrte ab. »Nein, danke. So gerne wir den Besen auch nehmen würden, aber leider, haben wir soviel Geld nicht dabei. Schon gar nicht für solch einen großen Besen.«

»Der macht aber sicherlich tollen Krach?«, überlegte Lothar, dem es leid tat, dass sie nicht genug Geld hatten, um den Besen mit nach Hause zu nehmen. Dem Muffler auch einmal mit einem Besen zu klopfen, das hätte ihm schon gut gefallen.

Besen-Fritze winkte ab. »Geht aufs Haus. Den schenke ich euch. In Erinnerung an meine eigene Kindheit.«

»Danke«, freuten sich die beiden und verließen Besen-Fritzes Laden.

Den Reisigbesen trugen sie abwechselnd stolz vor sich her. Als er ihnen jedoch zu groß und schwer wurde, zogen sie ihn hinter sich her, und auch dabei wechselten sich die Geschwister ab.

6 - Klopf, klopf

Das Abendbrot verlief an diesem Abend schweigend.

Mutter Ilse fühlte sich nicht besonders und hatte sich bereits früh hingelegt, so dass Bernd gezwungen war, seinen Kindern das Essen zu richten. Und Papa Bernd konnte vieles, aber nicht kochen. Von daher schnitt er Brot auf und stellte Gurken und Marmelade auf den Tisch. Wurst und Käse einzukaufen, hatte er vergessen, zu tun.

Lothar nagte an einer Essiggurke, während Gisela Musebrot aß, das sie hin und wieder in ihren Kakao tunkte.

Nach dem Zähneputzen ging sie zu Lothar und las ihm eine Gute-Nacht-Geschichte vor.

Danach kuschelte sie sich neben ihn ins Bett, nachdem er sie darum gebeten hatte, bei ihm zu bleiben, bis er eingeschlafen war.

Warum auch immer, heute Abend fürchtete, sich der kleine Junge, vor der kommenden Nacht.

Kurz vor dreiundzwanzig Uhr fauchte von irgendwoher eine Katze.

Gisela drehte sich zur Seite, als Lothars Arm zu ihr herüber schwang und ihr ins Gesicht schlug. Dadurch wurde sie wach und bemerkte, dass sie doch tatsächlich im Bett ihres Bruders eingeschlafen war.

Leise schlich sie sich aus dem Bett. Sie wollte nicht, dass Lothar wach wurde.

Gerade, als sie sein Zimmer verlassen wollte, wurde sie auf ein Geräusch aufmerksam. Zuerst fiel ihr Blick zu dem Besen, der in einer Ecke des Zimmers stand.

Es war der Besen, den Besen-Fritze ihnen geschenkt hatte.

Doch der Besen stand nur da, genauso, wie es sich für einen Besen gehörte.

Wieder hörte sie das Geräusch. Dieses Mal jedoch kam es ihr lauter vor.

Klopf, klopf, machte es.

Verschreckt schaute sie zum Fenster hin. Von dort kam das Geräusch, dieses Klopfen. Ein Klopfen, das sich anhörte, als würde jemand mit den Fingernägeln über die Fensterscheibe kratzen.

Kalt schoss es dem Mädchen über die Schulter, und Gänsehaut übersäte ihre Arme. »Hier kann doch niemand ans Fenster klopfen«, flüsterte sie erschrocken, vor sich hin. »Wir wohnen doch im dritten Stock.«

Und nochmals klopfte es gegen das Fenster. Jetzt jedoch bei Weitem ungeduldiger als zuvor.

Gisela ließ sich auf die Knie fallen und krabbelte geduckt zum Fenster hin. Zum Laufen war sie zu ängstlich.

Als sie vorm Fenster ankam, zog sie sich langsam an der Fensterbank hoch, und blickte in zwei neugierige Augen, die von draußen zu ihr herein sahen.

Erschrocken wich sie zurück und stieß dabei gegen Lothars Schulranzen, der mitten im Zimmer lag, und stolperte über ihn.

Lothar, durch das Gepolter wach geworden, fuhr in seinem Bett hoch. »Wer ist da?«, flüsterte er mit zitternden Lippen. »Wer macht so’n Krach?«

»Ich bin’s, Lothar. Gisela.«

»Warum machst du denn solch einen Radau?«, fragte er und rieb sich verschlafen die Augen.

»Sei still! Irgendjemand ist vor dem Fenster«, zischte seine Schwester, und er hörte, dass ihre Stimme vor Angst zitterte.

»Blödsinn. Niemand ist am Fenster. Kann gar nicht sein.« Er streckte die Hand aus und machte das spärliche Nachtlicht an, das neben seinem Bett auf dem Nachttisch stand.

Gisela hockte immer noch auf dem Boden. Beide Beine in die Riemen von Lothars Ranzen, verstrickt.

Lothar machte einen Satz aus dem Bett und stürmte an seiner Schwester vorbei, aufs Fenster zu.

Plötzlich hielt er inne.

Er streckte die Hand aus und deutete zur Fensterscheibe hin. »Da, da ist, ja wirklich jemand«, stotterte er.

»Sag‘ ich doch«, kam es von seiner Schwester zurück.

Urplötzlich schwang das Fenster mit einem Schwung auf.

»Wollt ihr mich die ganze Nacht dort draußen warten lassen?«, fragte eine leicht erzürnte Stimme.

»Wie bitte?« Gisela war mit einem Satz hoch und zu Lothar hin gesprungen und zog ihren Bruder zu sich in die Arme. Verflogen war all ihre Angst. Jetzt, da es darum ging, ihren Bruder zu beschützen.

»Habt ihr denn mein Klopfen nicht gehört?«

Im gleichen Augenblick, erkannten die beiden die Frau, die unterdessen die Beine über die Fensterbank geschwungen hatte und zu ihnen ins Zimmer gekommen war.

»Ich hab‘ doch versprochen, dass ich euch helfen werde. Und, dass ich weiß, wo ihr wohnt, das hab‘ ich euch auch gesagt«, sagte sie, und rückte die Feder auf ihrem Hut zurecht.

»Der Muffler hat auch immer einen Hut auf«, hauchte Lothar, und konnte es immer noch nicht fassen, dass die Frau in seinem Zimmer aufgetaucht war. Auch noch durchs Fenster, mitten in der Nacht! Und das im dritten Stock.

»Das ist gut zu wissen.« Sie stellte sich breitbeinig vor den Kindern auf. »Wie ist es, habt ihr Lust, auf einen Ausflug?«

»Einen Ausflug? Um diese Uhrzeit, wo doch alle noch schlafen?« Gisela zog ihren Bruder noch fester an sich heran, dabei vergaß sie sogar die Grammatik in ihrer Aussprache, auf die sie normalerweise doch so viel Wert legte.

»Wohin?«, flüsterte Lothar, aus Angst, dass seine Eltern ihn reden hörten und ins Zimmer stürzen würden.

»Na, wohin schon!«, antwortete die Frau, und schmunzelte dabei belustigt. »Ich dachte, es würde euch vielleicht Spaß machen, zu sehen, was wir beim Muffler alles anstellen wollen.«

»Wir?«, wunderte sich Gisela.

»Ja wer schon; meine Schwester und ich. Ihr kennt doch meine Schwester. Habt sie doch gesehen, heute Nachmittag, beim Besen-Fritze«, erklärte die Frau den Kindern, und war überrascht, dass die beiden nicht sofort verstanden, wen sie mit wir meinte.

»Ihre Schwester?«, wunderte sich nun auch Lothar.

Die Frau nickte, und wieder wippte die Feder an ihrem Hut mit.

»Na klaro«, lachte die Frau, und ihr Lachen klang in Giselas Ohren, wie das Gekreische einer Krähe.

Die Frau streckte ihre Hände nach den Kindern aus.

Zögernd ergriffen sie sie.