Namenlos oder Kreuz As... und die Morde enden nie - Angelika Nickel - E-Book

Namenlos oder Kreuz As... und die Morde enden nie E-Book

Angelika Nickel

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Beschreibung

Kreuz As, eine verloren gegangene Leiche, Fragen über Fragen, die sich durch diesen Umstand für Kommissarin Lotte Lombard und ihren Kollegen Pete Maxwell ergeben. Während ihrer Recherchen stoßen die beiden mehr und mehr auf Parallelen zu einem, über Jahre zurückliegenden, unaufgeklärten Fall. Diesbezüglich Hintergrundrecherche betreibend, müssen sie feststellen, dass die Akte, den alten Fall betreffend, unauffindbar ist, wodurch sich Lotte Lombard die Frage stellt, ob sie möglicherweise in einem Mordfall ermitteln, in welchem Vergangenheit und Gegenwart ineinander verstrickt sind.

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Seitenzahl: 245

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Angelika Nickel

Namenlos oder Kreuz As... und die Morde enden nie

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Lotte

2. Der Polizeiball

3. Widrige Tatortumstände

4. Miraldi stinksauer

5. Erste Spekulationen

6. Etwas mehr als vierundzwanzig Jahre zurück

7. Lila Capri

8. Die Phantomzeichnung

9. Mutter Elise

10. Archivierte Aktenkisten

11. Die Niederkunft

12. Erste Spuren zu Ireen

13. Eien neue Leiche

14. Die Verurteilung

15. Überraschung

16. Geraldine

17. Opferidentifizierung

18. Aufgehangen

19. Gespräch unter vier Augen

20. Bell

21. Überlegungen

22. Versiegelt

23. Babé

24. Volker Dienstag

25. Kalte Rache

26. Kreuz As... und die Morde enden nie

27. Justitia und des Richters Tod

28. Spurlos verschwunden

29. Klaus Klutentreter

30. Gebrochenes Schweigen

31. Namenlos

32. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

33. Polizistin mit Ziel

34. Herz Bube

35. Er

36. Das nächste Opfer

37. Dahingemetzelt

38. Spurensuche

39. Odin

40. Rückblick

41. Recherchen

42. Schwester Pia

43. Gewaltsam abberufen

44. Lotte und Bell

45. Der Tod des Comandanten

46. Eine erste Spur zum Mörder

47. Die Todesliste

48. In der Höhle des Löwen

49. Die Falle schnappt zu

50. Panel

Nachwort

Quellenverweis

Impressum neobooks

1. Lotte

Angelika Nickel

Namenlos

oder

Kreuz As

… und die Morde enden nie

Kriminalroman

Namenlos

oder

Kreuz As

… und die Morde enden nie

ist

in Memoriam

Oberschwester Abundantia

(der „O“)

und

den Ordensschwestern

des katholischen Kinderheims

St. Josef

als auch

Pfarrer Gerhard Reinelt

und den damaligen Heimkindern

(1973 – 1975)

gewidmet

α

»Verdammter Polizeiball!«, schimpfte Lotte, und zwängte sich in den Rock ihres Kostüms. »Das Mistding ist doch schon wieder enger geworden.« Lotte hielt die Luft an, schloss den Reißverschluss ihres Rocks, und hoffte, dass ihre voluminösen Massen ihn nicht sofort sprengen würden. Vor dem Spiegel wandte sie sich schnell wieder von ihrem Spiegelbild ab. Würde nicht so viel Wert auf Etikette gelegt werden, wäre Lotte Lombard am liebsten in ihren ausgewaschenen Jeans und einem weiten

T-Shirt zum Ball gegangen. Doch das ging leider nicht.

Beruflich war Lotte eine erfolgreiche und sehr engagierte Kriminalkommissarin. Wäre sie im Fasten ebenfalls so erfolgreich, hätte sie längst wieder ihr Traumgewicht von fünfzig Kilo erreicht. Aber leider liebte sie Süßigkeiten weit mehr, als ihr Wille hartnäckig war, diesen zu widerstehen. Lotte winkte ab. Es war, wie es war, was sollte sie in diesem Moment anderes tun, als das Beste aus ihrem Äußeren zu machen. Schnell noch etwas Rouge, Lidschatten und Lippenstift, ein paar Bürstenstriche durch ihr dichtes schwarzes Haar, Parfüm an Hals und Handkehlen, fertig.

Jetzt war sie ausgehbereit.

Sie schnappte ihren Schlüssel, warf die Tür hinter sich ins Schloss, ohne abzuschließen. Während ihrer Abwesenheit bewachte Odin, ihr Schäferhund, ihr kleines gemütliches Häuschen.

Zumindest hoffte Lotte, dass es eines Tages gemütlich würde.

Lotte bewohnte das Haus noch nicht allzu lange, und auf Grund ihres beruflichen Alltags kam sie mit den Auspackarbeiten bei Weitem nicht so schnell voran, wie sie es gerne gewollt hätte. Von daher lebte Lotte größtenteils noch aus Kartonagen, während die Schrankteile unaufgebaut an den Wänden entlang aufgereiht standen. Ihr gefiel dies zwar nicht sonderlich, aber da sie ohnehin nicht sehr viel zuhause war, konnte sie einigermaßen gut damit leben.

Lotte setzte sich in ihren feuerroten VW Beetle und fuhr los. Die Hitze war, nach al dem Regen der letzten Tage, unerträglich. Lotte fühlte, dass ihre Bluse bereits jetzt schon durchgeschwitzt war, und dabei, und dabei hatte sie noch nicht einmal das Tanzbein geschwungen. »Das kann ja lustig werden. Am besten hätten sie dieses Jahr den Polizeiball im Schwimmbad abgehalten.« Sie drehte am Knopf des Autoradios, als Rudi Carrells Stimme, fragend sang: Wann wird’s mal wieder richtig Sommer...?

»Da, selbst das passt. Das hat der Carrell schon in den Siebzigern gewusst, wie beschissen unser August 2011 sein wird.« Sie schmunzelte, trällerte das Lied mit ihrer rauchigen Stimme, die etwas an die von Daliah Lavi erinnerte, mit, während sie an die Sommer in Sizilien dachte. Sizilien, wie lange war das nun her, seit sie diesem den Rücken gekehrt hatte? Nur einige Monate, und dennoch, es kam ihr vor, als wären schon Jahre vergangen. Alles lag weit hinter ihr. Alles, auch all das Schreckliche, das sie dort erlebt, und weshalb sie Sizilien verlassen hatte.

2. Der Polizeiball

»Lotte, endlich! Ich dachte schon, du kommst nicht mehr!« Pete Maxwell stand am Eingang und wartete, Zigarette rauchend, auf seine Kollegin Lotte Lombard.

»Ich hätte auch fast gekniffen.« Sie strich die Sitzfalten aus ihrem Rock. »Bin froh, wenn der Ball vorüber ist. Das Ding hier« sie zeigte auf ihren Rock, »schnürt mir fast die Luft ab.«

Pete schmunzelte. Er kannte Lottes Problem und ihren stetigen Kampf mit der Waage.

»Jammere nicht, sondern tu´ endlich etwas dagegen. Oder willst du eines Tages noch als Tonne daherkommen? Wer rennt denn dann mit mir zusammen hinter all den Ganoven her, wenn du schlapp machst?«

»Da weiß ich doch gleich wieder, warum ich dich so mag, Pete.« Lotte drückte Pete einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. Petes Ehrlichkeit, auch wenn sie mitunter sehr schockierend sein konnte, war eine seiner Eigenschaften, die sie so sehr an ihm schätzte. Pete hakte Lotte unter, hernach lief er mit ihr zusammen zurück zum Polizeiball.

Die Luft, die Lotte entgegenschlug, ließ auf eine Reihe von durchgeschwitzten Tanzkörpern schließen.

»Pah, was für eine Luft.« Lotte rümpfte die Nase.

Pete winkte ab. »Wenn du erst einmal eine Weile hier bist dann merkst du das gar nicht mehr.« Er umfasste ihre Hüfte und tänzelte mit ihr auf die Tanzfläche.

»Fragen hättest du mich schon können.«

»Wozu, Lotte, ich weiß doch, dass du gerne tanzt.« Pete lachte sie mit seinen blauen Augen an.

Lotte schüttelte, ebenfalls lachend, den Kopf.

»Oh, Pete, was täte ich nur ohne dich.«

»Dann hättest du einen anderen Kollegen, der dich über die Tanzfläche ziehen würde.«

»Scheusal!«

Schweigend tanzten sie die nächsten drei Tänze, danach gingen sie zum Buffet, befüllten ihre Teller mit so einigen Leckereien, ums ich anschließend an Petes Tisch zu setzen.

Lotte sah sich suchend um. »Ist der Alte noch nicht da?«, fragte sie, während sie in einen Kavierkräcker biss.

Pete nickte, spülte seinen Mund mit Cola aus.

»Doch, ist er. Hat aber schon wieder einen Anruf bekommen...«

»Schon wieder seine Frau? Macht sie ihm auch hier noch Schwierigkeiten?«

»Nee, glaube, es war geschäftlich.«

»Ein neuer Fall?« Lotte stellte ihre Teller ab.

»Du stellst Fragen. Woher soll ich das wissen?«

»Hätte ja sein können.«

»Wenn´s ein Fall ist, dann werden wir das noch früh genug erfahren.« In dem Moment sah Pete ihren Boss auf sie zukommen. »Da, wenn man vom Teufel spricht.«

Lotte drehte den Kopf. Als sie Miraldis Gesicht sah, ahnte sie nichts Gutes.

Kurze Zeit später verließen Pete und sie den Polizeiball Ein Mord hatte für sie beide diesen gemütlichen Abend jäh beendet.

Lotte öffnete den Kofferraum ihres Beetles, holte ihre Turnschuhe heraus und zog sie an. Tatorte in hohen Stöckelschuhen, das musste nun wirklich nicht sein. Es reichte schon, dass sie im Kostüm dorthin gehen musste. Zudem taten ihr ohnehin bereits die Füße weh.

Sie nickte Pete zu, deutete ihm an in den Beetle zu steigen.

»Meinst du nicht, dass wir meinen Wagen nehmen sollten?«

»Nein, Pete, meine ich nicht. Würde ich es meinen, hätte ich dich wohl kaum zum Einsteigen aufgefordert.«

»Wie Recht du doch hast.« Er schmunzelte. Sie konnte beachtlich energisch sein; von daher war es nicht unbedingt angebracht, sich in unnötige Diskussionen zu begeben. Es gab Wichtigeres, als in welchem Wagen sie zum Tatort fuhren.

Pete ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, während Lotte im gleichen Moment mit quietschenden Reifen losfuhr.

3. Widrige Tatortumstände

Noch bevor Lotte und Pete den Tatort erreichten, öffnete der Himmel seine Schleusen und es goss in Strömen.

Der Tatort lag an einer Böschung. Das Unwetter hatte aus dem seicht dahinfließenden Fluss beinahe einen reißenden Strom gemacht. Blitze schlugen in der Ferne ein, Donnerschläge knallten wie Peitschenhiebe durch die Nacht, als Lotte aus ihrem Beetle stieg und direkt mit beiden Füßen in einer tiefen Pfütze versank.

»Igitt, pfui Teufel!«

»Was schimpfst du denn so, Lotte?« Pete sah nicht, dass Lotte bis zu den Knöcheln im Morast steckte.

Sie tastete sich zum Kofferraum ihres Wagens und tauschte ihre Schuhe erneut. Dann musste sie eben mit Stöckelschuhen zum Tatort stapfen. Immer noch besser, als klatschnasse, versumpfte Turnschuhe.

»Was ist das nun schon wieder?« Lotte sah nach unten, konnte aber in dem strömenden Regen wenig sehen. »Der Boden ist voll mit Löchern. Wo hat man uns nur hinbestellt?«

Petes Blick folgte Lottes Schritten. Er schüttelte den Kopf. »Das sind keine Bodenlöcher, Lotte. Du hast einen Absatz verloren. Wie kann man auch nur bei so einem Wetter Turnschuhe gegen...«

»Sei jetzt bloß still, Pete!« Lotte zog den rechten Schuh aus, nachdem sie gesehen hatte, dass Pete Recht und sie einen Absatz verloren hatte. Stöckelschuhe, verdammte Mistdinger, nicht genug, dass ihre Füße darin wehtaten, als wäre sie für Camel Zigarettenwerbung gelaufen, nein, dann taugten die Dinger noch nicht einmal `was; davon, dass sie nichts aushielten, ganz zu schweigen.

»Hey, ihr Zwei, verwischt mir bloß die Spuren nicht!«, brüllte Jesse gegen die Donnerschläge an.

»Was ruft der Kerl?« Pete verstand kein einziges Wort.

»Dass wir keine Spuren verwischen sollen.« schrie Lotte gegen das Donnergrollen an, während ein neuerlicher Blitz die Nacht durchzog.

»Blödmann, was sollen wir hier noch für Spuren verwischen können, bei all dem Regen ist eh alles weggespült.« Pete sah zu Jesse Dump, der neben der Leihe dicht an der Böschung kniete. Mit einem verwunderten Augenaufschlag blickte Pete zu Lotte. »Ist ein richtiger Scherzkeks heute, unser Jesse.«

Lotte grinste. »Lass es gut sein, Pete. Du weißt doch, wie er´s gemeint hat.«

»Pah, der soll sich vielleicht mal seine Brillengläser wischen, damit er besser sieht.« murrte Pete, der Jesse schon einige Jahre kannte, und eigentlich auch gut leiden mochte.

Jesse Dump, seit etlichen Jahren bei der hiesigen Gerichtsmedizin, kämpfte gegen den Regen an. Er versuchte die Leiche umzudrehen, auf Spuren zu untersuchen, obwohl er wusste, dass, wenn es Spuren gegeben hatte, allesamt vom Regen davongespült worden waren. »Scheißwetter!« Seine Hände hielten die Arme der Leiche umspannt. Mit aller Gewalt versuchte er, den klitschnassen Körper zu drehen. Als er es fast geschafft hatte, kam er ins Rutschen, so dass er kurzzeitig die Leiche losließ. In dem Moment, als Jesse wieder richtigen Halt unter den Füßen gefunden hatte, er erneut nach der Leiche griff, kam diese ins Rutschen. »Nein!«, schrie er, und krallte sich mit beiden Händen an ihr fest. Das Erdreich unter dem Opfer gab nach. Die Leiche glitt die Böschung hinab und zog Jesse Dump mit sich in den Fluss, der immer mehr einem reißenden Strom gleichkam.

Lotte und Pete blieben auf der Stelle stehen. Pete schlug sich an den Kopf. »Lotte, sag mir, dass nicht passiert, was ich glaube zu sehen...«

»Oh doch, Pete, glaub es nur. Dump und die Leiche haben sich soeben auf und davon gemacht.«

»Was geht da vor sich? Wohin will Dump denn mit der Leiche? Oder ist die gar nicht tot?«

Roger Red, der Polizeifotograf, traute seinen Augen nicht.

»Red, halt jetzt bloß die Klappe.« Pete zog sich das nasse Hemd über den Kopf.

»Los, Roger, geh und fordere Hilfe an. Wir brauchen ein Boot oder so `n Ding. Irgendeiner muss die beiden ja aus dem Wasser holen.«

Lotte zog nervös an ihrem Rock.

Red blickte zu dem im Wasser treibenden Dump.

»Will mich endlich mal einer rausholen!«, schrie Jesse.

»Du bist dran.« forderte Lotte Pete auf.

»Ach nee, Lotte, warum ausgerechnet ich?«

»Weil ich fast so etwas wie dein Chef bin.«, versuchte es Lotte mit einem Witz.

»Wärst´e gerne, bist´e aber nicht.« Pete zog seine Schuhe aus und ließ sich den Abhang hinuntergleiten.

Jesse Dump schwamm gegen die Strömung an, versuchte den dicken Ast, den Pete ihm hin hob, zu erreichen. Es dauerte eine Zeit lang bis Dump den Ast endlich greifen konnte, um ans Ufer zurückzugelangen.

Lotte, die unterdessen auch den Abhang heruntergerutscht war, half Pete Jesse aus dem Wasser zu ziehen.

»Die Leiche...«, Jesses Hand zeigte von ihm fort, »dort hinten treibt sie.«

»Was du nicht sagst.« knirschte Pete.

»Ja, echt gut gemacht, Jesse. Kannst du mir verraten, was wir nun dem Alten sagen?« Lotte hatte es beinahe die Sprache verschlagen.

»Dass wir die Leiche verloren haben?« Jesse war aschfahl. Er wusste jetzt schon, dass Miraldi ausrasten würde, würde er von seinem Missgeschick erfahren.

»Wir sollten versuchen, sie uns wiederzuholen.« Petes Augen folgten dem leblos davontreibenden Körper, der nur noch schwach zu erkennen war.

»Wenn wir Glück haben, verheddert sie sich vielleicht irgendwo im Geäst...« Jesse blickte unglücklich drein.

»Wenn wir Glück hätten, dann hätten sie uns nicht ausgerechnet dich geschickt.« Lotte hatte keine Ahnung, wie sie das ihrem Vorgesetzten erklären, und was sie in ihren Bericht schreiben sollte. Sie konnte doch unmöglich mit der Wahrheit kommen. Wie hörte sich das denn an:

Haben Leiche durch schweres Unwetter in den Fluten eines Flusses verloren.

Unmöglich, die Wahrheit konnte sie auf gar keinen Fall schreiben.

Sie sah von Pete zu Jesse, und hoch zu Roger Red, der immer noch bestrebt war, zumindest ein Bild von der dahintreibenden Leiche zu machen.

»Von dem, was hier passiert ist, kein Wort! Das bringt nur Ärger. Wir sind hergekommen und da trieb die Leiche bereits im Wasser. Nur so geht’s.« Lottes Ton war bestimmend, duldete keinen Widerspruch. »So wie´s hell wird, müssen sofort Taucher ans Werk.«

»Und du glaubst, dass es gut geht, dass der Alte das schluckt?«

»Kommt auf einen Versuch an. Was soll ich sonst machen? Hast du einen bessere Idee, Pete? Oder du, Jesse?«

Jesse schluckte. »Wie wär´s denn mit Widrigkeiten eines Tatorts. Der Regen, der rutschige Abhang, der Fluss...«

»Ja, und `nen Gerichtsmediziner, der zu blöd ist, eine Leiche festzuhalten.« Roger Reds Blitzlicht erhellte die Nacht. Das Bild von Jesses verdutztem Gesichtsausdruck war im Kasten. Ganz hinten, hätte mit einer Lupe, die im Wasser treibende Leiche später auf dem Foto erkannt werden können.

»Weißt du wenigstens, wie die Leiche augesehen hat, Jesse?« Lotte hangelte sich wieder den Abhang hoch.

»Ich glaube, mir ist da etwas aufgefallen.« antwortete Jesse kleinlaut, und folgte Lotte den Abhang hinauf.

»Hört, hört, ihm ist etwas aufgefallen.« Auch Pete gab auf und folgte den anderen. Ihm reichte es für heute allgewaltig. Er wollte nur noch eins: Nach Hause, raus aus den nassen Klamotten, eine heiße Dusche nehmen, und über den ganzen Mist gar nicht mehr nachdenken.

Eine Leiche verlieren, das durfte man ja keinem erzählen... Der Verlust eines Leichnams, ein absolutes Unding, so etwas durfte nicht passieren!

Und doch war es passiert. Jesse Dump hatte dafür gesorgt, dass ihre Leiche nun davon trieb, und sie ohne etwas wieder abziehen mussten.

Pete bestieg den Beetle, während Lotte über Funk sofort einen Tauchersuchtrupp für den frühen Morgen anforderte.

4. Miraldi stinksauer

Miraldi schäumte vor Wut. Er griff zum Hörer, wählte Lombards Nummer. Es läutete und läutete.

»Verdammt noch eins, jetzt geht das Weib noch nicht mal ans Telefon!« Wütend knallte er den Hörer auf die Gabel.

Er lief zum Fenster, riss es auf. Nichts, weit und breit nichts von Lombard und Maxwell zu sehen.

Mit einem Blick auf die Uhr, war er sicher, dass es nicht mehr lange dauern und die beiden in ihrem Büro auftauchen würden.

Um seine Finger zu beruhigen, hangelte er nach seinen Zigaretten. Er sah auf die noch geschlossene Schachtel. Eigentlich wollte er aufhören, aber... Ach, was soll´s, das hatte auch noch Zeit bis morgen. Im nächsten Moment steckte eine brennende Zigarette zwischen seinen Lippen. Gedankenverloren schielte er auf die Glut. Scheidung, Leichen, die verschwinden, wie soll man da aufhören können?, fragte er sich, als suchte er einen Entschuldigungsgrund vor sich selbst, vor seiner eigenen Schwäche. Doch war es überhaupt Schwäche? Konnte er in seinem Beruf tatsächlich von Schwäche reden? Nein, er war nicht schwach. Im Gegenteil, er war ein Mann, der mit beiden Beinen im Leben stand. Nur, das Leben meinte es zurzeit nicht allzu gut mit ihm. Miraldi verzog das Gesicht. »Pah, was macht´s, es kommen auch wieder bessere Tage.«

Sein Kopf fuhr hoch.

Da, jetzt kamen sie!

Er hörte Lombards rauchige Stimme, die sich immer anhörte, als hätte sie die Nacht durchgezecht, und dabei viel getrunken und geraucht.

Na, die konnten was erleben!

Mit schnellen Schritten war er bei der Tür, riss sie auf, gerade als die von Lombards Büro ins Schloss fiel. »Lombard, Maxwell, zu mir!«, brüllte er durch den Flur, während er den Knoten seiner Krawatte löste. Mit einer schnellen Handbewegung warf er sie auf seinen Schreibtisch. »Auch so eine Scheißerfindung. Schneidet dir den Hals zu...« Er hörte Maxwell. Hörte ihre Stimmen.

Hastig setzte er sich hinter seinen Schreibtisch. Mussten ja nicht sehen, wie sehr ihn das alles aufregte.

»Ach, Mist, die Kippe!« Sofort löschte er die Zigarette am Waschbecken unter laufendem Wasser; und sprühte mit Deo das Zimmer aus. Keinen Moment zu früh.

Lotte Lombard öffnete die Tür, streckte ihren Kopf herein. »Morgen, Chef. Sie haben nach uns gerufen.« Lotte setzte ein unschuldiges Lächeln auf, während sie, neben Pete, das Büro ihres Vorgesetzten betrat.

Sie schnüffelte. »Rauch?« Ihre Brauen zogen sich zusammen. »Wollten Sie nicht damit aufhören?«

Miraldi winkte zornig ab. »Versuchen Sie bloß nicht abzulenken.« Er schoss auf seinen Schreibtisch zu, krallte sich mit beiden Händen an ihm fest. Seine Kiefer mahlten. »Denken Sie erst gar nicht daran!«

»Aber, Chef, was hat Sie denn so aufgebracht..., am frühen Morgen?« Lotte hatte einen Verdacht, und der gefiel ihr gar nicht. Kein bisschen. Sie setzte sich auf einen der beiden Stühle vor Miraldis Schreibtisch.

Miraldi blies die Luft aus. »Lombard, stellen Sie sich nicht dümmer als die Polizei erlaubt!«

Seine Augen sahen zu Pete. »Und Sie, Maxwell, lassen das blöde Grinsen!« Er schlug mit der Hand auf den Tisch. Eine Akte rutschte vom Stapel, ging auf, und ein Großteil des Inhalts fiel neben seinem Schreibtisch auf den Boden. »Scheiße!« Das ist nicht mein Tag!, knurrte er in Gedanken. Er streifte die am Boden liegenden Aktenseiten mit einem zornigen Blick.

Lotte stand auf, sammelte die Blätter zusammen und legte sie in die Mappe zurück. Der Aktendeckel glitt langsam zu.

»Danke.« brummte Miraldi, während sich Lotte wieder setzte. Wütend sah er seine beiden Kriminalbeamten an. Schweigend. Er schwieg, sie schwiegen, irgendwo in einem der anderen Büros läutete ein Telefon, gleich darauf eine gedämpfte Stimme, die sich meldete.

Miraldis Finger tippelten auf dem Schreibtisch. Erneut schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Habt ihr mir nichts zu sagen?«

»Wir, Chef?« Lotte sah ihren Vorgesetzten gespielt unschuldig an.

»Maxwell, raus mit der Sprache, was ist da heute Nacht passiert?«

»Passiert, Boss...«

»Ihr wollt mir doch nicht weismachen, dass ihr, so ganz zufällig, vergessen habt, heute Nacht eine Leiche verloren zu haben.«

Pete hustete.

»Ach, das meinen Sie, Chef...«

»Lombard!«

»Ja, Chef?«

»Übertreiben Sie´s nicht!« Miraldi kochte vor Wut. Jetzt stellte sich das Weib auch noch dumm. So sehr er Lombard und Maxwell auch mochte und schätzte, aber das schlug dem Fass nun doch den Boden aus. Eine Leiche zu verlieren, verdammte Scheiße, so etwas durfte einfach nicht passieren!

»Also, Boss, das war so...« begann Pete.

»Darf man fragen, woher Sie das überhaupt wissen, Chef?« Lotte setzte sich aufrecht hin, schlug die Beine übereinander und setzte erneut ein Lächeln auf, dieses Mal glich es dem verlegenen Lächeln eines ertappten Kindes.

»Woher ich das weiß?« Er ging zum Fenster, riss es wieder einmal auf, und zog noch eine Zigarette aus der Tasche. Scheiß drauf, was geht’s die beiden an, ob er rauchte oder nicht. Die sollten erst einmal zusehen, dass sie die Leiche wiederfanden! Er blies den Rauch aus. »Habt ihr noch nie etwas von Polizeikanal gehört?« Er schüttelte den Kopf, der Rauch zog zwischen seinen Zähnen hindurch. »Red hat doch jedem heute Nacht davon berichtet.«

»Über Funk?« Lotte blickte zu Pete. Das durfte doch nicht wahr sein. Konnte Roger tatsächlich so doof sein und dafür den Polizeikanal benutzt haben? Dann hätte er es gleich für die Morgenzeitung in Druck geben können. Verdammter Mist! Wenn ich den Kerl in die Finger kriege! Lotte schäumte innerlich.

»Ja, über Funk. Und keine Bange, auch der Präfekt hat davon erfahren! Und natürlich hatte er nichts Besseres zu tun, als mich sofort anzurufen. Und was mach ich?« Wieder blies er den Rauch aus. »Ich habe von alldem keine Ahnung, aber das nimmt mir der Alte nicht ab. Der hat durch den Hörer gebrüllt, dass ich dachte, mir platzt jeden Moment das Trommelfell.« Wütend drückte er die Zigarette aus. »Und jetzt wollt ihr hier die Unschuldigen spielen! Ich will jetzt auf der Stelle wissen, wie ihr eine Leiche habt verlieren können. Sofort! Jetzt gleich! Avanti!«

Pete knöpfte einen Knopf seines Hemdes auf, rutschte auf dem Stuhl hin und her. »Eigentlich...«

»Nichts Eigentlich! Wer von euch beiden?«, fauchte Mirldi.

»Eigentlich war´s Dump...« Pete fühlte sich nicht wohl, aber was hätte er anderes sagen sollen, wenn´s ohnehin, dank Red, über den Kanal gegangen war.

Miraldi riss die Augen weit auf. »Dump? Der Gerichtsmediziner!« Er griff zum Hörer, wählte eine Kurznummer. Nach dem Klingeln, brüllte er in die Muschel: »Dump, sofort in mein Büro!«, und knallte den Hörer wieder auf. Dann setzte er sich auf seinen Schreibtischstuhl und trommelte wieder mit den Fingern auf seinem Schreibtisch.

Lotte und Pete sahen sich an. Sie wussten, jetzt mussten sie warten, bis der Gerichtsmediziner da war, vorher brauchten sie gar nichts mehr zu sagen.

Miraldi sah zum Fenster hinaus, dann an Pete und Lotte vorbei. Er schüttelte den Kopf, doch er sagte nicht mehr, bis es an der Tür klopfte und Jesse Dump endlich das Büro betrat.

»Rein und Tür zu!«, brüllte Miraldi.

Die nächste Stunde brachten sie damit zu, dass Jesse wieder und wieder sich für sein Missgeschick entschuldigte. Versprach, dass es nicht mehr vorkäme. Während Lotte und Pete vergebens versuchten, aus dem Büro zu kommen, um erneut zum nächtlichen Tatort zurückzukehren, um nachzusehen, wie weit die Taucher unterdessen gekommen waren. Doch bis sie dazu kamen, mussten sie noch so einige Zornesergüsse seitens Miraldi über sich ergehen lassen. Als sie endlich sein Büro verlassen konnten, liefen alle drei mit zusammengezogenen Schultern an ihre Arbeitsplätze zurück.

»Recht hat er ja.« Pete schloss das Fenster, kippte es ein.

»Ja, hat er. Aber muss er deswegen Dampf ablassen und uns derart zur Minna machen?«

»Das geht nicht gegen uns, Lotte. Das hat mehr mit seiner Scheidung zu tun. Glaub mir, ich kenn´ ihn länger als du. Er leidet darunter.«

»Mag ja sein, aber gibt ihm das deswegen das Recht...« Lotte schüttelte den Kopf.

Pete winkte ab. »Lass es gut sein, Lotte. Die verschwundene Leiche gibt ihm mehr als genug Recht.«

Sie verließen ihr Büro und fuhren nochmals zum Tatort zurück.

5. Erste Spekulationen

Lotte sah Jesse im Rückspiegel mit den Armen rudern. Aufgeregt winkte er ihnen hinterher. Sie trat auf die Bremse, so hart und scharf, dass Pete nach vorne schnellte.

»Was soll das? Willst du deinen Airbag testen?«

»Jesse, da hinten; er winkt.«

»Und deswegen latschst du wie `ne Verrückte auf die Bremse?«

Ohne eine Antwort zu geben, legte Lotte den Rückwärtsgang ein und fuhr in rasantem Tempo in Richtung Jesse Dump, der gerade noch rechtzeitig zur Seite springen konnte, um nicht von dem Beetle gerammt und umgefahren zu werden.

»Was ist denn in dich gefahren?« Jesse stand vom Boden auf, klopfte sich den Schmutz von den Hosen, und zeigte der Lombard den Vogel.

Lotte riss mit heftigem Ruck den Wagenschlag auf. »Wolltest du etwas von mir?«

»Ich will mit euch mitfahren. Muss mir den Tatort nochmals genauer anschauen. Was nicht heißt, dass ich von dir zu einem Crashopfer gemacht werden wollte, um letztendlich noch auf meinem eigenen Seziertisch zu landen.« Jesse standen Schweißperlen auf der Stirn.

Pete stieg aus und ließ Jesse auf dem Rücksitz Platz nehmen.

»Danke.« Jesse war von seinem lebensrettenden Sprung noch ganz außer Puste. Zu Lotte gewandt, sagte er: »Das nächste Mal reicht es auch, wenn du einfach stehenbleibst.«

»Ja, der Meinung bin ich auch.« Pete zog seine Zigaretten aus der Hemdtasche. »Ich darf doch.« Noch bevor Lotte antworten konnte, schnippte sein Feuerzeug auf und gleich darauf füllte sich der Beelte mit Zigarettenrauch.

»Fenster runter!«, befahl Lotte, und fuhr los.

Schon von Weitem sahen sie die Taucher.

Joseph Oberwein, der Leiter der Taucherbrigade, war gerade dabei neue Anweisungen zu erteilen, als Lotte, Pete und Jesse ankamen. Als er Lottes roten Beetle erkannte, winkte er, gab seinen Männern nochmals letzte Instruktionen, dann wandte er sich in Richtung der Drei. »Lotte, Lotte, von dir hört man Sachen...« Er lachte, und um seine Mundwinkel bildeten sich kleine Grübchen. »Hast wohl Angst gehabt, dass meine Jungs arbeitslos werden könnten.«

»Sieh nicht mich an, Josdph. Sieh ihn an.« Sie zeigte auf Jesse.

»Sorry, für den Mehraufwand. Hab´s nicht mit Absicht getan.« stotterte Jesse verlegen. Wie hatte er auch annehmen können, dass die Taucher noch nichts von seinem nächtlichen Missgeschick gehört hatten.

»Vergiss es, Dump. Hatten ohnehin heute noch nichts anderes geplant. Von daher, was liegt da näher, als mal nach `ner verlorengegangener Leiche zu tauchen.« antwortete Oberwein. Dabei winkte er teils amüsiert, teils schockiert.

»Wie weit seid ihr, Joseph? Schon was gefunden?«, wollte Pete wissen.

»Irgendeine Spur?«, fragte auch Lotte, während Jesse nur noch stumm daneben stand. Ihm war das Ganze mehr als peinlich. Eine Leiche zu verlieren, so etwas war ihm in seinem ganzen Leben noch nicht passiert.

Gut, während des Studiums hatten Kommilitonen von ihm auch eine Leiche versteckt. Eine, die er am Morgen hätte obduzieren sollen, und die er dafür am Abend zuvor hergerichtet hatte. Aber diese Leiche, die war nur versteckt gewesen. Nach drei Stunden hatte er sie, am darauffolgenden Morgen, in der Kältekammer des ausrangierten Krankenhaustraktes wiedergefunden.

Doch dieses Mal sah der Fall ganz anders aus. Kein alberner Studentenstreich steckte dahinter. Nein, dieses Mal saß er massig in der Patsche. Was, wenn die Taucher die Leichen nicht fanden? Daran wollte er gar nicht erst denken.

Joseph Oberwein schüttelte den Kopf. »Wir sind jetzt seit Morgengrauen am Tauchen,« wieder schüttelte er den Kopf, »aber bisher...« er sah von einem zum anderen, »nichts, absolut nichts. Kein Kleidungsstück, gar nichts, was auch nur im Geringsten auf eine Leiche hinweisen würde.«

»Tatsächlich gar nichts?«, fragte Jesse kleinlaut.

»Na ja, wenn du ein altes Fahrrad, alte PKW-Reifen und Berge von Abfall als nichts bezeichnest..., nein, Jesse, dann haben wir bisher nichts gefunden.« Er kratzte sich am Kinn. »Seid ihr ganz sicher, dass es sich tatsächlich um eine Leiche handelte? Vielleicht suchen wir ja etwas ganz anderes...« Joseph sah die Lombard fragend an.

Lotte hustete. Sie hatte sich tatsächlich an ihrer eigenen Spucke verschluckt. Als sie sich wieder gefangen hatte, fragte sie entrüstet: »Was glaubst du denn, was wir sonst verloren haben könnten? Mann, ich habe mir die Leiche doch nicht eingebildet! Und Pete auch nicht. Jesse schon gar nicht. Er war dicht an dicht mit ihr.«

»Aber nicht dicht genug, sonst wär´ sie ja wohl noch da, und ich hätte nicht ein ganzes Kommando rausschicken müssen. Selbst die Jungs vom anderen Bundesland helfen bei der Suche mit. Aber auch die haben bisher nichts. Keine Spur.«

»Das gibt es doch gar nicht.« Jesse war kreidebleich.

»Kann eine Leiche tatsächlich so weit treiben, in so wenigen Stunden?« Pete blickte zweifelnd zu Joseph.

Der zuckte die Schultern. »Wenn alles ganz ungünstig läuft... Ja, sicher, dann schon.«

»Was verstehe ich unter Wenn alles ganz ungünstig läuft?« Lotte hörte jetzt schon Miraldis Zornesgebell.

»Nun ja, das Wetter, der viele Regen, der Fluss, der rasend über die Ufer tritt...«

»Mit anderen Worten, wenn die Umstände so sind, wie sei es heute Nacht waren.« Lotte blickte fassungslos zu Jesse. »Das ist aber mal `ne schöne Scheiße. Verdammt, Jesse, warum musstest du die Leiche auch loslassen!«

»Als wenn ich´s mit Absicht getan hätte. Ich bin ins Rutschen gekommen, hab´ erst Halt suchen müssen, und dann, als ich endlich wieder...«

Kommissarin Lombard winkte ab. »Hör auf, das wissen wir alles.« Sie wandte sich Pete zu. »Was machen wir jetzt, Pete?«

»Spuren, wir sollten zumindest nach Spuren suchen.«

»Pete, was bringt es euch, wenn ihr Spuren findet? Ihr habt doch gar nichts, womit ihr sie in Verbindung bringen oder vergleichen könnt.« Joseph kratzte sich hinterm Ohr.

»Er hat Recht, ohne Leiche nützen uns auch die besten Spuren nichts.« Jesse war schlecht. Sein Magen krampfte sich zusammen. Er hatte heute Nacht kein Auge zugetan, und waren sie ihm tatsächlich zugefallen, war er sofort wieder hochgeschreckt. Eine Hand war aus dem Fluss aufgeragt, und eine totenähnliche Stimme hatte ihn beim Namen gerufen.

»Es hilft alles nichts. Wir müssen sehen, dass wir das Beste daraus machen. Pete, du suchst die Böschung ab. Ich streife hier oben ein bisschen herum. Müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir nichts finden.« Sie wandte sich an Jesse. »Kannst du dich vielleicht wenigstens erinnern, ob du etwas gesehen hast. Etwas, das uns weiterhelfen könnte.«

Kopfschüttelnd, antwortete Jesse knapp. »Nein, nichts.«

»Denk nach, Jesse! Der kleinste Hinweis könnte von Bedeutung sein!«

Jesse dachte nach, während sich Lotte bückte und mit der Hand den feuchten Boden abtastete. Mit etwas Glück hatte sich etwas im Gras verhakt.

Jesse ging in die Hocke, sah Lotte an. »Etwas hab´ ich schon gesehen, aber ich glaube nicht, dass das etwas mit der Leiche zu tun hat.«

Lotte ging hoch. »Was, Jesse, sag, was hast du gesehen.«

»Eine Karte.«

»Was für eine Karte, Jesse? Eine Ansichtskarte?« Sie sah ihn neugierig an. Als Jesse nicht antwortete, wurde sie laut: »Mein Gott, Jesse, lass dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!«