CEO on Air - Lily Hale - E-Book
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CEO on Air E-Book

Lily Hale

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Beschreibung

Er ist ihr Boss. Ein wandelndes Verbotsschild im Maßanzug. Und leider verdammt gut darin, sie daran zu erinnern. Emma Caldwell hat genug von Stillstand und Small Talk. Sie will mehr – mehr Ideen, mehr Tempo, mehr sie selbst sein dürfen. Und genau das findet sie bei StreamSphere, einem der heißesten Streaming-Start-ups des Landes. Chaos im Großraumbüro, Deadlines im Minutentakt – und mittendrin: Grayson West. CEO, Kontrollfreak, Augenbrauenheber der Extraklasse. Grayson liebt Regeln. Und er hat viele davon. Nummer eins: Lasse dich niemals auf eine Angestellte ein. Blöd nur, dass Emma redet, bevor sie denkt, Widerspruch zum Volkssport erklärt – und ihn mit einem Lächeln regelmäßig aus der Fassung bringt. Als StreamSphere in eine existenzbedrohende Krise zu schlittern droht, geraten nicht nur die Zahlen ins Wanken - sondern auch die schön säuberlich gezogenen Grenzen zwischen ihnen. Eine spritzige Office-Romance über gebrochene Regeln, bissige Wortgefechte – und die Erkenntnis, dass selbst der größte Kontrollfreak nicht alles planen kann.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

CEO on Air

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Grayson

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Prolog – Acht Wochen später

Weitere Bücher der Autorin

CEO on Air

Streaming trifft Herzklopfen

United CEOs of America – Band 1

New York

Lily Hale

Impressum

Lily Hale

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

Copyright

© 2025 Lily Hale

Covergestaltung unter Verwendung von Canva Magic Media

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Kapitel 1

Emma

»Nächster Halt: 34th Street - Hudson Yards. Bitte von den schließenden Türen zurücktreten. Sie haben Anschluss an die Linie 7.«

Die automatisierte Durchsage hallt durch den Waggon, und es ist, als würde sie einen Schalter umlegen. Plötzlich erwacht alles um mich herum zum Leben. Menschen, die eben noch mit gesenktem Kopf in ihre Bücher vertieft waren oder gedankenverloren auf ihre Handys starrten, heben nun ruckartig den Blick. Die ersten verstauen hektisch ihre Kopfhörer, klappen Laptops zu, schieben sich ihre Taschen enger an den Körper. Gespräche werden abrupt beendet, ein junger Mann steckt sein Notizbuch in den Rucksack, eine Frau tippt noch schnell eine letzte Nachricht, bevor sie das Handy in ihre Manteltasche gleiten lässt.

Der Ruck der U-Bahn, als sie langsamer wird, bringt einige Passagiere ins Wanken. Die metallenen Handgriffe klappern leise, als sich Hände daran festklammern, um das Gleichgewicht zu halten. Durch das kleine Fenster neben der Tür sehe ich, wie sich das Licht in den dunklen Tunnel schiebt, bis plötzlich die Station auftaucht. Die Bremsen quietschen, der Zug kommt ruckartig zum Stehen.

Kaum öffnen sich die Türen, ergießt sich eine Welle von Menschen auf den Bahnsteig. Ich werde mitgezogen, weiche instinktiv einem Mann mit Aktentasche aus, der sich zielgerichtet seinen Weg nach vorne bahnt, und stolpere beinahe über eine junge Frau, die sich noch im Gehen die Kopfhörer aus den Ohren zieht. Stimmengewirr, hastige Schritte auf dem Betonboden, das entfernte Dröhnen einer anderen U-Bahn, die in die Station einfährt – alles verschwimmt zu einem riesigen, pulsierenden Klangteppich.

New York am Morgen. Ein einziger, unaufhaltsamer Strom, der mich in seinem Rhythmus mitreißt.

Ich atme tief ein und richte mich auf. Der Kontrast zu Willow Heights, meinem kleinen Heimatort am Rande von New York City, könnte kaum größer sein. Dort weckt einen das entfernte Bellen eines Hundes, das sanfte Rascheln der Bäume im Wind, das Knarren der alten Verandadielen, wenn die Nachbarin ihren Morgenkaffee im Schaukelstuhl genießt. Hier hingegen ist alles schneller, lauter, fordernder. Keine Zeit für Momente des Innehaltens. Jede Sekunde ist ein Schritt nach vorn. Und doch ist es faszinierend, wie nahtlos alles ineinandergreift. Wie jeder Einzelne seinen Platz in diesem Chaos findet.

Ich tauche mit der Menge die Treppen hinauf in die Straßen von Manhattan. Hoch aufragende Glasfassaden reflektieren das Morgenlicht, der Himmel dazwischen wirkt schmal und weit zugleich. Autohupen, das Rattern von Rollkoffern auf dem Gehweg, entferntes Sirenengeheul. Die Stadt erwacht endgültig.

Ich setze mich in Bewegung, weiche einem Mann aus, der mit einer Pappschachtel voll duftender Bagels aus einem Deli tritt, wechsle die Seite, um einer Gruppe junger Frauen in Businesskleidung Platz zu machen, die in angeregtem Gespräch ihre Kaffeebecher balancieren. Ein Straßenverkäufer bietet den Vorbeieilenden mit einem freundlichen »Bagels, heißer Kaffee!« seine Waren an, noch während er einer Kundin ihr Wechselgeld in die Hand drückt.

Wenige Minuten später erreiche ich mein Ziel. Der Wolkenkratzer erhebt sich imposant, mit einer Fassade aus Glas und Stahl, in der sich das geschäftige Treiben der Stadt spiegelt, in den Himmel. Dieser Anblick fasziniert mich noch immer, auch wenn er sich mir inzwischen Tag für Tag bietet.

Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ziehe ich die Träger meiner Tasche zurecht und trete durch die großen Drehtüren in die Lobby. Ein sanfter, warmer Luftzug streicht mir entgegen. Ich laufe über den marmornen Boden in Richtung der Fahrstühle, während das leise Summen der Gespräche um mich herum wie ein kaum wahrnehmbares Hintergrundgeräusch wirkt. Mitarbeiter eilen an mir vorbei, einige vertieft in ihre Smartphones, andere in angeregte Diskussionen mit Kollegen verwickelt.

Ein kurzer Blick auf die Wartenden vor den Fahrstühlen lässt mich abschätzen, welcher Lift mich am schnellsten an mein Ziel bringt. Kaum trete ich ein, schließen sich die Türen, und die Stille im Inneren ist ein scharfer Kontrast zum geschäftigen Treiben in der Lobby.

Als die Anzeige die neunte Etage erreicht, trete ich hinaus und werde sofort von der vertrauten Energie von StreamSphere empfangen. Es gibt nur wenige Unternehmen, die so jung, dynamisch und doch ambitioniert sind wie dieses. StreamSphere hat sich in den vergangenen Jahren international einen Namen gemacht. Nicht nur als Plattform für einzigartige Streaming-Inhalte, sondern als kreatives Zentrum für Indie-Produzenten und visionäre Filmemacher. Anders als die großen Streaming-Giganten setzt StreamSphere nicht nur auf Masse, sondern auf Innovation. Eigenproduktionen unter dem Label StreamSphereSignature haben bereits mehrere Preise gewonnen, und das StreamSphereVault-Programm unterstützt unabhängige Filmschaffende dabei, ihre Werke einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Genau das war es, was mich an diesem Unternehmen fasziniert hat: die Idee, nicht einfach nur Inhalte zu konsumieren, sondern neue Talente zu fördern. Geschichten eine Plattform zu geben, die sonst vielleicht nie erzählt worden wären.

Mein Weg hierher war nicht unbedingt gradlinig. Ich habe einen Abschluss in Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Datenanalyse, aber statt direkt in ein großes Unternehmen einzusteigen, habe ich nach meinem Studium einige Jahre in kleineren Firmen gearbeitet. Ich war in der Buchhaltung, dann im Controlling, habe Zahlen analysiert, Berichte erstellt, Strategien optimiert. Aber mir hat immer das Gefühl gefehlt, an etwas mit echtem Wert zu arbeiten. Etwas, das nicht nur Umsätze maximiert, sondern Kreativität unterstützt. Als ich die Stellenausschreibung für die Abteilung CustomerAnalytics&Insights bei StreamSphere gesehen habe, wusste ich sofort, dass das genau der Arbeitsplatz ist, nachdem ich jahrelang gesucht habe. Hier geht es nicht nur darum, Nutzerdaten zu analysieren, sondern darum, die Plattform so zu gestalten, dass sie das bestmögliche Erlebnis für ihre Community bietet. Welche Inhalte werden geliebt? Welche werden unterschätzt? Wie können wir Zuschauer für mutige, unkonventionelle Produktionen begeistern?

Die Zusage für den Job war einer der besten Momente meines bisherigen Lebens. Ich erinnere mich noch genau an das Kribbeln in meinem Bauch, als ich die E-Mail öffnete. Endlich hatte ich das Gefühl, an einem Ort angekommen zu sein, der mich begeistert. Ein Unternehmen, das nicht nur Zahlen sieht, sondern die Menschen dahinter. Und genau das möchte ich mit meiner Arbeit hier unterstützen.

Ich laufe durch das Großraumbüro, das auf den ersten Blick wie ein kreatives Durcheinander anmutet. An den offenen Arbeitsplätzen stehen große Bildschirme, auf denen Dashboards und Charts flimmern. Einige Kollegen sind tief in Gespräche vertieft, andere tippen konzentriert auf ihren Laptops. Die Arbeitsatmosphäre ist geschäftig, aber nicht hektisch. Es herrscht eine produktive Energie, die mir jedes Mal aufs Neue das Gefühl gibt, hier genau richtig zu sein.

Im Vorbeigehen grüße ich einige Kollegen, die ich in den letzten Wochen kennengelernt habe.

Noch bevor ich meinen Arbeitsplatz erreiche, springt Amy, eine Kollegin aus der Abteilung Content Acquisition & Curation, wie ein außer Kontrolle geratener Flummi in mein Blickfeld. Ihre wilden, dunklen Locken fallen ihr ins Gesicht, auf ihren Lippen liegt ein erwartungsvolles Lächeln. »Und, was sagst du?«

Ich brauche keine weitere Erklärung. Sie meint Still Waters, das neue Indie-Projekt, das StreamSphere eingekauft hat. Sie hat mir letzte Woche so leidenschaftlich davon vorgeschwärmt, dass ich es mir am Wochenende ansehen musste.

Ich erwidere ihr Lächeln. »Ich habe es geliebt. Die Atmosphäre, die Stille zwischen den Figuren, diese unausgesprochenen Emotionen …« Ich schüttele leicht den Kopf, noch immer gefangen in der Nachwirkung des Films. »Es passiert so wenig und gleichzeitig so viel. Man spürt förmlich das Gewicht jeder Entscheidung, jedes Blicks. Ich hab noch lange danach darüber nachgedacht.«

Amy grinst zufrieden. »Ich wusste, dass du es mögen würdest.«

»Total. Und die Kameraarbeit – dieser langsame Zoom, wenn er am Fenster steht und draußen der Regen einsetzt …« Ich bekomme eine Gänsehaut, allein bei der Erinnerung. »So minimalistisch und doch so intensiv. Das ist genau die Art von Film, wegen der ich StreamSphere so liebe. Kein großer Blockbuster, aber er bleibt hängen.«

Mein Gegenüber klatscht begeistert in die Hände. »Genau das! Ich schwöre, die großen Plattformen hätten den Film niemals genommen, weil er nicht massentauglich genug ist.«

»Und genau deshalb sind wir anders.« Ich grinse. »Hast du noch so eine Empfehlung? Ich vertraue jetzt einfach deinem Geschmack.«

Amy lacht. »Natürlich habe ich die!« Gespielt empört stemmt sie die Hände in die Hüften. »Nach dem Meeting bringe ich dir eine Liste mit so vielen Empfehlungen, dass du die nächsten Wochenenden beschäftigt sein wirst, versprochen.« Sie zwinkert mir in ihrer typischen, überdrehten Art zu und winkt mir schnell zu, bevor sie sich abwendet und regelrecht zurück zu ihrem Arbeitsplatz schwebt.

Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen setze auch ich mich wieder in Bewegung. Es fühlt sich gut an, Teil eines Unternehmens zu sein, das den Mut aufbringt, Geschichten wie Still Waters zu erzählen.

Seit meinem Start bei StreamSphere vor acht Wochen ist viel passiert. Bei meinen früheren Arbeitsplätzen hat es oft Monate gedauert, bis ich überhaupt wahrgenommen wurde. Aber hier? Hier hat Nick Harper, der Leiter der Abteilung Customer Analytics & Insights, schnell erkannt, dass ich ein Talent für Analysen habe. Und nicht nur das – er hat mich aktiv gefördert. Vor zwei Wochen hat er mich in sein Büro gerufen und mir mitgeteilt, dass ich aus dem Großraumbüro in ein Zweierbüro umziehen werde.

»Ich habe deine Berichte gesehen, Emma. Du erkennst Muster, die anderen entgehen. Das ist eine Fähigkeit, die wir hier brauchen«, hatte er gesagt. »Ich möchte, dass du in Ruhe arbeiten kannst, um dein Potenzial voll zu entfalten.«

Ich erinnere mich noch genau an das Kribbeln in meinem Bauch, als er das sagte. Anerkennung. Richtige, ehrliche Anerkennung für meine Arbeit. So etwas hatte ich bisher noch nie erlebt. Ich hatte immer das Gefühl, dass meine Mühe irgendwo im Hintergrundrauschen unterging, aber hier ... hier wird sie gesehen. Und geschätzt.

Ich erreiche die Tür zu meinem Büro und trete ein. Mein Büropartner Brian sitzt bereits, entspannt zurückgelehnt, an seinem Platz und betrachtet seinen Bildschirm mit einer Mischung aus Belustigung und Fassungslosigkeit. Er ist Mitte vierzig, ein erfahrener Analyst mit trockenem Humor und der Ruhe eines Mannes, der sich und anderen nichts beweisen muss. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden.

»Lass mich raten«, sage ich und lege meine Tasche ab. »Irgendein Nutzer hat schon wieder versucht, seinen StreamSphere-Account mit seinem Toaster zu verknüpfen?«

Er schnaubt. »Fast. Ein Kunde hat eine Beschwerde eingereicht, weil sein Kater das Passwortfeld mit der Pfote gedrückt hat und jetzt sein Account gesperrt ist. Er verlangt eine Entsperrung auf Basis tierischer Fehlbedienung.«

Ich kichere. »Und, wie lautet die offizielle Antwort?«

Brian seufzt dramatisch. »Dass Katzen leider nicht als autorisierte Benutzer gelten und er das Ticket erneut überprüfen muss.« Er schüttelt den Kopf. »Hattest du ein schönes Wochenende?«

Mit einem beiläufigen Nicken fahre ich meinen Laptop hoch. »Ich habe mir einen neuen Film aus dem Vault-Programm angesehen, den Amy mir ans Herz gelegt hat und war ein wenig shoppen. Und bei dir?«

Er verdreht theatralisch die Augen, grinst jedoch dabei. »Mein Sohn hat mich dazu gezwungen, mit ihm ein Lego-Raumschiff zu bauen. Ich dachte, das wird eine Stunde dauern. Es waren fünf. Fünf Stunden, Emma.«

Ich lache. »Klingt nach Spaß.«

Er schmunzelt und tippt wieder auf seiner Tastatur. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und genieße für einen Moment die Zufriedenheit, die mich erfüllt. Ein Job, der mir Spaß macht. Kollegen, mit denen ich mich gut verstehe. Und das Gefühl, endlich angekommen zu sein.

Wenige Minuten später erscheint Nick im Türrahmen. Wie immer begleitet ihn eine Aura von Selbstbewusstsein und Souveränität. Nick ist Anfang vierzig, groß und schlank, mit dunklen Haaren, die selbst während eines Tornados vermutlich noch perfekt liegen. Sein maßgeschneiderter Anzug unterstreicht seine professionelle Erscheinung. Doch es ist vor allem seine Ausstrahlung, die hervorsticht. Er wirkt scharfzüngig, zielstrebig und effizient. Ein Mann, der weiß, was er will - und es sich nimmt. Ich schätze ihn für seine Kompetenz. Nick hat ein Gespür für Markttrends, für Zahlen und Strategien. Seine Art ist manchmal einschüchternd – er fordert viel, weil er selbst so viel gibt. Und er hat mich früh gefördert. Hat gesehen, was ich kann. Dass er mich nun zu einem Führungsmeeting mitnimmt und mir dabei sogar einen Part zugesprochen hat, ist eine große Chance.

»Bist du bereit?« In seiner Stimme schwingt eine gewisse Aufforderung mit. Ein Nein wäre für ihn keine Option.

Ich nicke knapp, greife nach meinem Laptop und erhebe mich. Mein Herz schlägt ein wenig schneller als gewöhnlich. Dieses Meeting ist meine erste echte Gelegenheit, mich zu beweisen. Es geht um die Analyse der aktuellen Nutzerdaten und um mögliche Optimierungsstrategien für StreamSpheres personalisierte Empfehlungen. Ein entscheidendes Thema, denn genau darin liegt die Stärke der Plattform. Nick will, dass ich meine Erkenntnisse der vergangenen Wochen präsentiere, weil er überzeugt ist, dass ich frische Perspektiven einbringen kann.

Ich folge ihm, während er zielstrebig durch das Großraumbüro in Richtung der Aufzüge vorausgeht. Dort warten bereits einige andere Mitarbeiter aus der Marketing- und Technikabteilung, die ich nur vom Sehen kenne. Als die Türen sich öffnen, betreten wir die Kabine und fahren nach oben, in die zehnte Etage, in der sich der große Konferenzraum und wenige Büros – unter anderem das von Grayson West, dem CEO von StreamSphere - befinden.

Der Konferenzraum, in dem das Meeting stattfindet, ist beeindruckend. Die bodentiefen Fenster bieten einen atemberaubenden Blick auf die Skyline. Das Licht flutet in den Raum und spiegelt sich auf dem polierten Konferenztisch aus dunklem Holz. Hochwertige Ledersessel sind um den Tisch gruppiert, ein großer Bildschirm an der Wand zeigt bereits die Agenda des Meetings. Der Raum strahlt Professionalität aus – und eine gewisse Erhabenheit. Es ist einer dieser Räume, in denen große Entscheidungen getroffen werden, die den Kurs des Unternehmens bestimmen.

Ein leises Stimmengewirr erfüllt den Konferenzraum, während die Teilnehmer des Meetings um den großen Tisch herum sitzen und sich in Gespräche vertiefen. Manche lehnen sich entspannt zurück, andere blättern durch Notizen oder tippen auf ihren Tablets. Ich sitze aufrecht, meine Hände ruhen auf dem geschlossenen Laptop vor mir, doch mein Blick wandert immer wieder zur Tür. Ich bin nervös. Meine erste Teilnahme an einem Meeting dieser Größenordnung – und dann auch noch mit dem CEO persönlich.

Ich kenne Grayson West nur von Bildern, von Videoaufnahmen, von der Art, wie andere über ihn sprechen. Doch ihn wirklich zu erleben, das ist etwas anderes.

Dann öffnet sich die Tür. West betritt den Raum – und mit ihm eine Veränderung in der Atmosphäre. Die Gespräche klingen ab, als wäre eine unsichtbare Welle durch den Raum gegangen, die alle Aufmerksamkeit auf ihn lenkt. Er bewegt sich mit einer mühelosen Selbstverständlichkeit, die nichts mit Arroganz zu tun hat, sondern mit der Art von Souveränität, die man sich nicht antrainieren kann. Sie ist einfach da.

Er ist groß, breitschultrig, trägt einen perfekt sitzenden dunkelgrauen Anzug, der seine Statur betont, ohne steif zu wirken. Das dunkelbraune Haar ist leicht zerzaust, als hätte er sich kurz zuvor mit den Fingern hindurchgefahren, doch das verleiht ihm nur eine gewisse Lässigkeit, die ihn umso charismatischer wirken lässt. Seine Gesichtszüge sind markant – eine gerade Nase, ein kantiges Kinn, Wangenknochen, die sich unter der Haut abzeichnen. Doch es sind seine Augen, die mich einen Moment lang fesseln. Meerblau, durchdringend, mit einem Blick, der ebenso analytisch wie aufmerksam ist.

Er begrüßt die Runde mit einem knappen Nicken, sein Blick wandert über die Anwesenden, nimmt jeden wahr, ohne zu verweilen. Dann trifft er mich. Es ist nur ein Sekundenbruchteil, kaum länger als ein Atemzug, doch ich spüre, wie sich mein Magen zusammenzieht. Etwas an der Art, wie seine Augen mich kurz mustern, bringt mein Herz für einen Moment aus dem Rhythmus. Keine große Reaktion, kein Ausdruck von Überraschung oder Interesse – nur ein kurzer Blick, ein winziges Verhaken unserer Augen, bevor er sich weiterbewegt, als wäre nichts gewesen.

Ich atme aus.

Er nimmt am Kopf des Tisches Platz, klappt seinen Laptop auf und lehnt sich leicht vor. »Gut, dann fangen wir an.« Seine Stimme ist ruhig, tief und zugleich eindringlich. Die Art Stimme, die einen auf wohlige Art erschaudern lässt, weil sie eine natürliche Autorität in sich trägt.

Das Meeting zieht sich über eine knappe Stunde, in der verschiedene Themen besprochen werden. Strategien zur Optimierung der Plattform, aktuelle Performance-Analysen und zukünftige Inhalte – das volle Programm. Ich halte mich die meiste Zeit im Hintergrund, mache mir einfrig Notizen und versuche, die Dynamik im Raum zu erfassen. Grayson West leitet das Meeting mit einer beeindruckenden Mischung aus Sachlichkeit und Charisma. Er bringt ein Thema mit wenigen Worten auf den Punkt und zieht damit unweigerlich die volle Aufmerksamkeit der Runde auf sich. Wenn er spricht, hört man zu. Keine Diskussion.

Mein eigener Part ist kurz, aber präzise. Nick übergibt mir das Wort, ich fasse einige Erkenntnisse aus meinen Analysen zusammen, und zu meiner Erleichterung erhalte ich anerkennendes Nicken von einigen Kollegen. Auch unser Boss hört aufmerksam zu, sein Blick ruht auf mir, und für einen Moment habe ich das Gefühl, mein Herzschlag beschleunigt sich ungewollt. Ich zwinge mich, professionell zu bleiben, konzentriert meine Punkte abzuarbeiten und nicht darüber nachzudenken, dass Grayson West mir gerade seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt.

Schließlich beendet er das Meeting mit einem knappen, aber motivierenden Fazit. »Gute Arbeit. Lasst uns das weiter ausbauen.« Dann richtet er den Blick in die Runde. »Danke für eure Zeit. Ich schätze euer Engagement.«

Stühle rücken, Gesprächsfetzen füllen den Raum, während sich alle erheben und in kleinen Gruppen austauschen. Ich atme unbewusst durch, spüre eine angenehme Erleichterung darüber, dass mein erster offizieller Beitrag in einem Meeting reibungslos verlaufen ist. Neben mir erhebt sich Nick, klopft mir mit einer Mischung aus Anerkennung und Selbstverständlichkeit auf die Schulter. »Sehr gut gemacht, Emma. Komm, ich möchte dich jemandem vorstellen.«

Ich folge ihm zwischen den verbliebenen Kollegen hindurch – bis zum Platz von Grayson West. Mein Herzschlag setzt für einen Moment aus.

»Grayson, darf ich dir Emma Caldwell vorstellen?« Nick deutet in meine Richtung, in seiner Stimme klingt unverkennbarer Stolz mit. »Emma ist erst seit ein paar Wochen bei uns, aber ich kann dir sagen, sie hat in dieser kurzen Zeit Eindruck hinterlassen. Ihre Analysen sind präzise, ihre Ideen bringen echten Mehrwert, und sie versteht es, auch komplexe Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen. Ich bin wirklich froh, sie in meinem Team zu haben.«

Die Art, wie er das sagt, trifft mich unerwartet. Ich bin es nicht gewohnt, so offen gelobt zu werden. Eine angenehme Wärme breitet sich in mir aus, gleichzeitig bin ich ein wenig verlegen. »Danke, Nick«, murmele ich, während ich versuche, mich auf den CEO zu konzentrieren.

Er mustert mich für einen kurzen Moment – nicht prüfend, sondern eher interessiert. Dann hebt er leicht die Mundwinkel zu einem sympathischen Lächeln. »Schön, Sie kennenzulernen, Miss Caldwell. Willkommen bei StreamSphere. Ich freue mich, dass Sie Teil unseres Unternehmens sind.«

Einige Sekunden lang bin ich wie gelähmt. Dann fange ich mich und erwidere seine Freundlichkeit. »Danke, Mr. West. Es freut mich ebenfalls.«

Er neigt leicht den Kopf. Unsere Blicke begegnen sich ein weiteres Mal und in seinen Augen blitzt etwas auf, das ich nicht deuten kann. Dann wendet er sich jemand anderem zu.

Ich folge Nick zurück zu den Aufzügen. Auf dem Weg nach unten breitet sich unaufhaltsam ein Hochgefühl in mir aus. Mein erstes Meeting, meine erste Begegnung mit Grayson West – und beides ist besser gelaufen, als ich es mir je hätte vorstellen können.

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, während ich den Weg zu meinem Arbeitsplatz einschlage. Der Tag heute fühlt sich verdammt gut an.

Kapitel 2

Grayson

Margaret steht bereits in der offenen Tür, als ich das Büro betrete. Sie hält ein Tablet in der Hand, die Lesebrille auf der Nasenspitze, und wirft mir diesen typischen Blick zu – professionell, unaufdringlich, aber mit einer Prise mütterlicher Strenge. Margaret ist seit der Gründung von StreamSphere an meiner Seite, kennt jeden Termin, jede Verhandlung, jede meiner Eigenheiten. Sie ist loyal, gewissenhaft und hält mir seit Jahren den Rücken frei. Ohne sie wäre das Chaos perfekt.

»Ihr nächster Termin ist in zwanzig Minuten mit dem Finanzteam«, sagt sie geschäftig und scrollt mit einem Finger über den Bildschirm. »Danach ein Call mit den Investoren aus London, gefolgt von einem Treffen mit der Marketingabteilung.«

Ich nicke, nehme die Wasserflasche entgegen, die sie mir wortlos reicht, und lächle. »Irgendwann muss ich heute auch mal atmen, Margaret.«

Sie hebt eine Braue. »Ich habe Ihnen um 14:30 eine Lücke von fünfzehn Minuten freigehalten. Nutzen Sie sie weise.«

Ein amüsiertes Schnauben entfährt mir. »Großzügig.«

Margaret lächelt kaum merklich, dreht sich dann um und verlässt das Büro.

Ich schließe die Tür hinter mir und atme durch. Mein Büro ist eine Oase der Ruhe inmitten des Trubels. Hohe Fenster geben den Blick auf die Skyline von New York frei – eine endlose Silhouette aus Glas und Stahl. Die Sonne wirft lange Schatten über die Möbel: ein minimalistischer Schreibtisch aus dunklem Holz, ein schlanker Laptop, kaum persönliche Gegenstände. Ein paar dezente Kunstwerke an den Wänden, eine Lounge-Ecke mit einem tiefen Ledersofa, auf dem ich oft nach langen Tagen lande. Es ist modern, stilvoll, aufgeräumt – genau wie ich es brauche.

Ich lasse mich in den Stuhl hinter meinem Schreibtisch sinken, lehne mich zurück und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. StreamSphere. Es war einmal nicht mehr als eine Idee. Ein kühner Gedanke, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging: Ein Streamingdienst, der anders war. Innovativer. Mutiger. Einer, der nicht nur Mainstream-Massenware bot, sondern auch Platz für echte Geschichten, für Kreativität und für Stimmen, die sonst nicht gehört wurden. Ich hatte eine Vision. Und ich hatte keine Angst, alles dafür zu riskieren.

Anfangs waren wir zu zweit. Mein Studienfreund Jason, der mit mir bis tief in die Nacht an Konzepten gefeilt, an Investorenpräsentationen gearbeitet und unsere Idee in zahllosen Meetings verteidigt hatte, und ich. Doch als der Durchbruch nicht sofort kam, als das Wachstum langsamer verlief, als er es sich erhofft hatte, gab er auf. Für ihn war es ein nettes Experiment gewesen. Für mich war es mein Leben.

Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn auszuzahlen. Sein Rückzug kostete mich jeden Penny, den ich hatte – und mehr. Ein riskanter Schachzug. Aber wenn ich eines in meinem Leben gelernt habe, dann, dass man manchmal springen muss, ohne zu wissen, ob man weich landet.

Jetzt, Jahre später, ist StreamSphere nicht nur am Leben – es floriert. Ein fester Bestandteil der Branche, eine Plattform, die Kreative anzieht, die sonst nirgendwo eine Chance hätten. Wir haben kürzlich eine neue Indie-Sparte eingeführt, eine Kooperation mit internationalen Studios abgeschlossen, und unsere Eigenproduktionen – bekannt unter dem Label StreamSphere Signature – haben in den letzten Monaten Zuschauerrekorde gebrochen.

Ich bin stolz. Auf das, was wir erschaffen haben. Auf das, was noch kommt. Aber ich weiß auch: Stillstand bedeutet Rückschritt. Die Konkurrenz schläft nicht, Investoren wollen Wachstum, Nutzer fordern Neues. Und genau das wird StreamSphere ihnen bieten – ohne dass ich meine Vision verraten muss.

Ich lehne mich vor, presse die Fingerspitzen aneinander. Es gibt noch so viel zu tun. Aber ich weiß auch, dass nicht alle denselben Antrieb verspüren wie ich. Dass nicht jeder bereit ist, diesen Weg mit mir so kompromisslos zu gehen, wie ich es tue. Und dass in einem Unternehmen wie StreamSphere mit seinem rasanten Wachstum, mit seinen verschiedenen Interessen, immer Reibungspunkte entstehen. Ich spüre sie jeden Tag.

Die Person, von der mit Abstand der meiste Gegenwind bezüglich der Ausrichtung des Unternehmens kommt, ist Nick Harper, der Leiter der Abteilung Customer Analytics & Insights. Ich schätze ihn und seine Expertise, das kann ich in keiner Weise abstreiten. Er ist clever, zielstrebig, ein Stratege, der sich nicht scheut, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Aber er ist auch ungeduldig. Manchmal so sehr, dass er zu vergessen scheint, worum es bei StreamSphere eigentlich geht. Wo ich eine Plattform für Kreative sehe, sieht er ein reines Business-Modell. Wo ich die Notwendigkeit von Authentizität betone, argumentiert er mit Marktanalysen und Gewinnmaximierung. Wir führen diese Diskussionen immer wieder, drehen uns im Kreis, ohne jemals zu einem abschließenden, für uns beide befriedigenden Ergebnis zu kommen. Denn es endet jedes Mal gleich: mit meiner Entscheidung. Ich bin der CEO. Ich bestimme die Richtung. Ich trage die Verantwortung.

Aber Nick wäre nicht Nick, wenn er nicht immer wieder neue Wege finden würde, mich herauszufordern. Seine neueste Masche? Er argumentiert mit Investoren, die sich größere Renditen wünschen, mit Zahlen, die belegen sollen, dass unser Wachstum nicht aggressiv genug ist, mit Prognosen, die besagen, dass unser Modell zu idealistisch ist.

Ich verstehe ihn. Ich bin nicht naiv. StreamSphere ist ein Unternehmen, kein Wohltätigkeitsprojekt. Aber es ist mein Unternehmen. Meine Vision. Und ich werde nicht zulassen, dass sie verwässert wird, nur weil jemand in einem Konferenzraum mit Excel-Tabellen jongliert.

Trotzdem wäre es falsch, ihn zu unterschätzen. Nick hat Einfluss. Er weiß, wie man Leute auf seine Seite zieht, wie man Stimmen sammelt. Ich sehe es an den Blicken während der Meetings, an der Art, wie sich Gespräche entwickeln. Manche sind auf seiner Seite. Andere sind unentschlossen. Und wieder andere verlassen sich darauf, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe. Dass ich nicht einknicke.

Ich massiere mir die Schäfen und atme tief durch. Ich brauche eine neue Strategie. Eine Möglichkeit, die Balance zwischen Wachstum und Authentizität zu wahren, ohne dass eine Seite das Gefühl hat, zu verlieren.

Mein Blick wandert zum Fenster, hinaus auf die Stadt. Wolkenkratzer ragen in den Himmel, unter ihnen pulsieren die Straßen, voller Menschen mit eigenen Träumen, eigenen Zielen. Ich frage mich, wie viele von ihnen sich auf eine Idee eingelassen haben, nur um sie irgendwann nicht mehr als ihre eigene zu erkennen. Das wird mir nicht passieren.

Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, und während mein Blick ein weiteres Mal langsam über die Skyline von New York wandert, kommt mir plötzlich Emma Caldwell in den Sinn. Nicks Loblied auf sie war für seine Verhältnisse fast überschwänglich. Er ist selten so beeindruckt von neuen Mitarbeitern. Meist dauert es Wochen, bis er sich eine fundierte Meinung bildet. Aber bei ihr hat er sich überraschend schnell festgelegt.

Mein erster Eindruck? Sie hat ohne Frage eine gewisse Präsenz. Ruhig, aber aufmerksam. Kein übertrieben dargestellter Eifer, kein Versuch, sich in den Vordergrund zu drängen. Und trotzdem war sie mir beim Meeting schon aufgefallen, bevor Nick sie mir vorgestellt hat. Dunkles Haar, das in sanften Wellen auf ihre Schultern fällt, wachsame grünblaue Augen, ein klarer Ausdruck von Konzentration. Als sich unsere Blicke kurz verhakt haben, war da dieser Moment…

Gerade als ich mich wieder meinem Laptop zuwende, ertönt Margarets Stimme durch die Gegensprechanlage.

»Mr. West, das Finanzteam ist im Konferenzraum eingetroffen.«

Ich fahre mir mit der Hand übers Kinn, lasse einen Moment verstreichen, ehe ich mich erhebe. Mein Tag ist noch lange nicht vorbei.

Kapitel 3

Emma

Die Klimaanlage surrt leise. Ein stetiges, beruhigendes Hintergrundgeräusch, das sich mit dem leisen Tippen auf Tastaturen und den gedämpften Gesprächen der Kollegen vermischt. Irgendwo klappert jemand mit einer Tasse, Schritte hallen auf dem glatten Boden wider. Es ist ein ganz normaler Morgen im Büro. Routine. Alltag.

Ich sitze an meinem Schreibtisch, mein Blick auf die Analyse gerichtet, die ich gerade bearbeite. Zahlenkolonnen verschwimmen vor meinen Augen, während ich versuche, die wichtigsten Entwicklungen herauszufiltern. Gegenüber von mir sitzt Brian, tief in seine Arbeit vertieft. Die Tür zu unserem gemeinsamen Büro steht weit offen, was nichts Ungewöhnliches ist. Die Atmosphäre ist geschäftig, aber angenehm, und ich genieße dieses unermüdliche Summen im Hintergrund, das mir ein Gefühl von Produktivität gibt.

Plötzlich dringt eine Stimme, lauter als die anderen, aus dem Flur in unseren Raum. Nick. Irritiert runzle ich die Stirn. Sein Ton trägt eine Gereiztheit in sich, fast schon eine unterschwellige Aggressivität, die mich innehalten lässt. Ich habe ihn als souveräne Führungskraft kennengelernt. Jemand, der mit seiner Ausstrahlung überzeugt und sein Umfeld mit seinem Elan mitreißt. Er hat eine präsente, aber angenehme Art, sich auszudrücken, ist meistens locker, fast kumpelhaft. Und er ist fordernd – aber auf eine Weise, die einem das Gefühl gibt, über sich hinauswachsen zu können. Wenn er spricht, dann mit einer Klarheit, die keine Zweifel zulässt. Doch jetzt, in diesem Moment, klingt er anders. Die Härte in seiner Stimme lässt mich vermuten, dass er kurz davor steht, seine Selbstbeherrschung zu verlieren und eine Grenze zu überschreiten, die lieber gewahrt bleiben sollte.

Ich kann nicht sehen, mit wem er spricht, aber ich höre das leise Gemurmel von mindestens zwei anderen Personen. Zustimmende Laute, ein gedämpftes Ja, genau. Ich kann die Worte nicht eindeutig erfassen, aber der Tenor ist unmissverständlich. Nick ist unzufrieden - und zwar nicht nur ein bisschen.

»So kann es nicht weitergehen«, sagt er mit Nachdruck. »Grayson hält mit dieser Vielzahl an Indie-Produktionen an einer Strategie fest, die uns auf Dauer nicht weiterbringt. Wir müssen den nächsten Schritt gehen. Wir müssen riskieren, statt zu stagnieren.«

Ich horche auf. Nicks Worte treffen mich unvorbereitet. Die Ausrichtung, von der er spricht, ist genau das, was mich an StreamSphere so fasziniert. Die Förderung von Indie-Produktionen. Der Mut, anders zu sein als die Konkurrenz. Ich habe mir keine tiefgehenden Gedanken über die internen Machtverhältnisse gemacht, aber jetzt wird mir klar, dass es hier offenbar massive Reibungspunkte gibt.

»Er sieht nicht, dass wir an der Konkurrenz vorbeiziehen könnten, wenn wir uns nicht länger selbst limitieren«, fährt Nick fort, seine Stimme senkt sich kurz, dann erhebt er sie wieder. »Aber das wird sich ändern.«

Ein unangenehmes Gefühl breitet sich in meiner Brust aus. Bisher habe ich Nick als souverän, charismatisch und analytisch kennengelernt – fast schon bewundernswert in seiner Klarheit. Aber das hier? Das klingt nach einer offenen Kampfansage gegen seinen eigenen Boss.

Mein Blick wandert zu Brian, der nicht einmal aufgesehen hat. Doch ich bin mir sicher, dass er das Gespräch ebenso mitangehört hat, wie ich. Ich neige mich etwas vor und senke die Stimme. »Brian, worum geht es da? Ich höre zum ersten Mal, dass sich Nick so gegen Mr. West stellt.«

Brian hebt eine Braue, hat den Blick aber weiterhin auf seinen Bildschirm gerichtet. »Das ist ein Dauerthema hier. Grayson und Nick haben völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wie StreamSphere sich weiterentwickeln sollte.«

»Inwiefern?«

Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und verschränkt die Arme. »Grayson hält an seinem ursprünglichen Konzept fest – ein Streamingdienst, der Innovation mit Qualität verbindet, unabhängig von den typischen Marktmechanismen. Keine billigen Massenproduktionen, keine reinen Algorithmen-Entscheidungen darüber, was produziert wird. Er setzt auf Kreativität, auf das Besondere.«

Ich nicke. Genau das ist es, was mir an diesem Unternehmen so gefällt. Die Möglichkeit, wirklich mitzugestalten, statt einfach nur einem starren System zu folgen. »Und Nick?«

Brian schnaubt leise. »Nick sieht das anders. Er ist ein Zahlenmensch. Für ihn zählt Wachstum mehr als alles andere. Er will, dass wir uns stärker dem Markt anpassen. Dass wir mehr auf das setzen, was garantiert Klicks bringt. Selbst wenn das bedeutet, inhaltlich Kompromisse einzugehen.«

Ich runzle die Stirn. »Aber es sollte doch möglich sein, beides zu vereinen - Wachstum und Qualität.«

»In der Theorie, ja«, erwidert mein Kollege mit einem schiefen Grinsen. »Aber die beiden sind zu stur, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Und ganz ehrlich? Ich glaube, für Nick ist das längst mehr als nur eine strategische Frage. Er will beweisen, dass er recht hat.«

Ich lasse seine Worte auf mich wirken. Nick ist mein direkter Vorgesetzter, und bisher hatte ich keinen Grund, an seiner Führung zu zweifeln. Aber wenn er sich so offen gegen Grayson West stellt – bedeutet das, dass ich mich früher oder später positionieren muss?

Brian beobachtet mich, als könnte er meine Gedanken lesen. »Mach dir keine Sorgen, Emma. Die beiden streiten sich seit Jahren über diese Dinge. Das ist hier nichts Neues.«

Nicks Büro ist eine elegante Mischung aus Minimalismus und gezieltem Luxus. Dunkles Holz, eine bodentiefe Fensterfront, die den Blick auf die Skyline freigibt, und eine schlichte, aber teure Ledercouch an der Seite. Sein Schreibtisch ist makellos aufgeräumt, nur ein Laptop, eine schlichte Uhr und ein Kristallglas mit Wasser stehen darauf. Ein Raum, der Souveränität und Kontrolle ausstrahlt – genau wie sein Besitzer.

Er sieht auf, als ich eintrete, legt den Stift beiseite und lehnt sich leicht zurück. »Emma. Setz dich doch. Was gibt’s?«

Ich trete näher, halte meine Analyse fest in der Hand und lasse mich ihm gegenüber nieder. »Ich bin fertig mit der Ausarbeitung der Analyse. Ich dachte, wir könnten sie kurz gemeinsam durchgehen.«

Er nimmt mir die Unterlagen ab und überfliegt sie mit prüfendem Blick. Stille breitet sich aus, nur das leise Rascheln der Blätter ist zu hören. Dann nickt er zufrieden. »Sehr gut. Präzise, durchdacht. Genau das habe ich erwartet. Ich hätte da ein weiteres Projekt für dich -«

»Nick?« Ich unterbreche ihn unwillkürlich und beiße mir sofort auf die Lippe.

Er hebt die Augenbrauen. »Ja?«

Ich zögere. Überlege, ob ich es überhaupt ansprechen soll. Aber ich bin nicht der Typ, der Dinge einfach runterschluckt. Meine Eltern haben mir beigebracht, dass es wichtig ist, Angelegenheiten anzusprechen, wenn sie einen beschäftigen. Also atme ich tief durch und entscheide mich für Ehrlichkeit.

»Ich habe vorhin...ich habe vorhin Teile eines Gesprächs mitbekommen. Ich wollte nicht lauschen, die Tür stand offen. Ich habe gehört, dass du über StreamSphere gesprochen hast. Über die Ausrichtung und Grayson West.«

Seine Miene verändert sich nicht, aber etwas in seiner Haltung schon. Er lehnt sich zurück, mustert mich mit diesem abschätzenden Blick, der mich für einen Moment verunsichert. Dann legt er die Papiere langsam auf den Tisch und faltet die Hände darauf. »Und? Was denkst du?«

Meine Finger umklammern die Armlehnen des Stuhls. »Ich verstehe, dass du möchtest, dass StreamSphere wächst. Dass du nicht nur auf kreative Visionen setzen willst, sondern auch auf nachhaltige Skalierbarkeit. Aber...«

»Aber?« Er lehnt sich leicht vor. Sein Ton ist höflich, aber aber es liegt eine gewisse Wachsamkeit darin.

»Es würde die generelle Ausrichtung des Unternehmens verändern«, erwidere ich vorsichtig. »StreamSphere hebt sich doch gerade durch seine Unabhängigkeit von der Konkurrenz ab. Die Nutzer lieben das.«

Nick lächelt. Es ist kein unfreundliches Lächeln, aber es hat eine kühle Präzision. »Emma, du kennst die Zahlen. Du hast die Analyse selbst erstellt. Wir wachsen, ja – aber nicht so, wie wir es könnten. Wenn wir uns weiter nur auf diesen kleinen, kreativen Markt beschränken, laufen wir Gefahr, irrelevant zu werden. Die großen Player? Sie experimentieren mit neuen Strategien, sie sichern sich Exklusivrechte, sie ziehen Talente an. Und wir? Wir halten an einer romantisierten Idee fest.«

Ich spüre, wie sich mein Magen leicht zusammenzieht. »Aber -«

»Du bist eine Analystin, Emma. Zahlen lügen nicht. Und du hast ein gutes Gespür dafür, wie sich Märkte entwickeln. Du hast doch bestimmt selbst gesehen, dass wir in bestimmten Segmenten schwächeln. Oder?«

Ich hasse es, aber er hat nicht unrecht. Einige unserer exklusiven Indie-Projekte performen schlechter als erhofft. Dennoch... »Aber es geht doch nicht nur um Zahlen, sondern auch um Identität.«

»Identität bringt uns nicht weiter, wenn wir in fünf Jahren nicht mehr existieren.

---ENDE DER LESEPROBE---