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Im Jahr 2123 wird die Erde erobert und viele Menschen auf andere Planeten verschleppt. Elli wird von ihren jungen Schützlingen getrennt und als sie sich auf der BurgBergFarm auf dem Planeten Dahar wiederfinden, müssen sie ihr neuen Zuhause vor Angriffen schützen. Können sie ihre Feinde enttarnen und endlich in Frieden mit ihrer neuen Familie leben zu können?
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Epilog
Anmerkung der Autorin
In liebevoller Erinnerung an meinen Opa August:
Geschichtenerzähler, Zuhörer, Geschichtenerfinder.
Du hast mich und meine Ideen immer ernst genommen
Impressum:
Sibylle v.Hornhardt
Wilksheide 18
30459 Hannover
Fred starrte auf den großen Bildschirm. Erinnerungen an damals kamen wieder hoch. Er beobachtete, wie die Gruppe von neuen Frauen im Quarantänezentrum durch die Gänge liefen. Männer in Gasschutzanzügen folgten ihnen, die ersten Frauen sanken inzwischen bewusstlos zu Boden. Nur eine blasse Frau hatte zwei kleine Kinder an der Hand und ging eilig, ohne zu rennen in die Richtung, in die alle getrieben wurden. Wie er, als seine Schwester mit ihm an der Hand Schutz suchte. Ihr Vater hatte sie weggeschickt, als die Truppen kamen, um alle Frauen und Mädchen einzusammeln, als „Steuerschuld“.
Sie waren in die Berge gegangen, hatten sich erfolgreich zwei Tage lang versteckt, als sie doch entdeckt wurden. Seine Schwester hatte sich schützend über ihn geworfen, so wie die Frau jetzt in der Übertragung. Damals war alles schwarz um ihn geworden. Jetzt sah er wie Personen in Schutzanzügen mit Gasmasken versuchten, die Frau von den Kindern wegzuziehen, während sie anscheinend die Kinder in ihrer Bewusstlosigkeit festhielt. Kurz danach wurden die Nummern der drei eingeblendet, 92, 93 und 94. War so etwas auch damals mit seiner Schwester geschehen?
Sam, der älteste der vier, kam rein und fragte: „Na, was Interessantes dabei, worüber es sich lohnt, morgen auf dem Markt zu reden?“
„Da waren kleine Kinder dabei! Die können so was doch nicht machen! Das sind doch angeblich alles ledige Frauen ohne Kinder, die hier auf Dahar eine neue Zukunft mit Männern suchen.“
„Kinder? Sind die auch zur Aufnahme freigegeben?“
„Ich weiß nicht, auf jeden Fall haben sie eine eigene Nummer.“
„Komm, lass uns beim Essen darüber reden, vielleicht sehen wir uns alle dann noch mal die Wiederholung an.“
Beim Essen, das wie immer zusammen mit den fünf Arbeitskräften der Farm im großen Esszimmer eingenommen wurde, waren natürlich die neuen Frauen ein Gesprächsthema. Es hatte nie viele Frauen auf Dahar gegeben und nachdem vor einigen Jahren alle Frauen zusammengetrieben und abgeholt worden waren, gab es keine Frauen mehr. Die vier Männer waren immer zufrieden mit ihrer Lebensweise, der Arbeit auf der Farm und die innige Beziehung zueinander gewesen. Aber nachdem Sams Vater vor einem Jahr verstorben war und sie jetzt zu viert Eigentümer waren, stellte sich gelegentlich die Frage, für wen Sie die Arbeit machten. Ja, jetzt war es für sie, aber wenn alle alt waren?
Nach dem Essen versammelten sie sich zusammen mit ihren Arbeitern, vor dem Übertragungsgerät und kommentierten die Frauen. Jetzt gab es auch Nahaufnahmen und mehr Informationen zu den einzelnen Personen. Alle waren recht klein, keine war über 1,75 Meter groß. Fast die Hälfte hatte blasse Haut und wirkten deswegen kränklich. Einige der Frauen hatte braune, gelbe und zwei sogar rote Haare. „Die sind bestimmt gefärbt!“ meinte jemand. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass diese Haarfarben natürlich waren. Fast zum Schluss kamen die drei, die Fred so an seine Kindheit erinnert hatte. Die beiden Kinder hatte schwarzes Haar, der Junge Locken, die Haare des Mädchens waren glatt. Die Frau, die sie begleitete, hatte braunes welliges Haar. Alle drei waren blass. Und sie waren nicht miteinander verwandt, wie die eingeblendete Erklärung sagte.
„Wie bei uns – Familie, ohne blutsverwandt zu sein!“ rief Titus. „Die passen zu uns!“
Damit hatte er ausgesprochen, was sie alle vier gedacht hatten. Als die ersten Frauen nach Dahar kamen, konnten sie sich nicht vorstellen, eine fünfte Person in ihrer Beziehung aufzunehmen und hatten deswegen nie ernstlich darüber nachgedacht. Und nach den Filmen, die jetzt häufig gezeigt wurden, wollte eine Frau einen Mann für sich allein und ihn nicht mit anderen Männern teilen. Aber sie mussten einfach versuchen, die drei zu sich zu holen, um der kleinen Familie ein sicheres Zuhause zu geben.
„Ich sehe mal nach, was man tun muss, um eine Frau zugeteilt zu bekommen. Wahrscheinlich erfüllen wir die Bedingungen gar nicht,“ meinte Sam. Bis jetzt hatten vor allem die Reichen eine Frau bekommen. Wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte, hatte auch Herr Kabilesi, der reichste Mann im Bezirk, bereits eine Frau.
„Also, es müssen mindestens drei Männer in der Familie sein, 250 Quars große Farm oder ein Jahreseinkommen von 250000 Credits im Jahr. Gesundheitsnachweis, Nachweis der Zeugungsfähigkeit. Dann ein Antrag beim Bezirksamt für den Zuzug. Danach prüft das Bezirksamt auf Eignung, auch vor Ort. Es muss ein eigenes Zimmer für die Frau da sein und Zugang zu einer Hygienekabine. Das sollten wir alles erfüllen können, wenn wir wirklich die drei aufnehmen wollen. Das große Zimmer von Freds Vater könnten wir ja nutzen. Da steht nichts, ob es noch mehr Bedingungen gibt, wenn man Kinder mit aufnimmt, aber das könnten wir morgen beim Amt klären. Wenn wir alle vier in die Stadt fahren, könnten wir das erledigen.“
„Das ist eine ganz schön wichtige Entscheidung, wollen wir das wirklich so schnell machen?“ fragte Titus.
„Das wird unser ganzes Leben verändern, eine Frau auf der Farm und zwei Kinder, die keine Babys mehr sind.“
„Kannst du die die drei vergessen und einfach so weitermachen, dich fragen, was aus ihnen geworden ist, besonders aus den Kindern?“ frage John. Obwohl Sam der Älteste war und sie alle auf der Farm seiner Familie lebten, war es meistens John, der bei Entscheidungen das letzte Wort fand und damit die Entscheidungen traf. Alle vier schwiegen. Alle waren einsam gewesen, auch wenn Sams und Freds Väter noch gelebt hatten, als sie ihre neue Familie gegründet hatten. Sie waren inzwischen mehr als Brüder. Natürlich würden die drei alles verändern, aber das Wissen, die drei den Autoritäten überlassen zu haben und nicht einmal versucht zu haben, mit ihnen die Familie zu vergrößern, wäre noch schlimmer. Alle hatten Erinnerungen an Momente, wo sie nicht geholfen hatten. Weil sie nicht konnten, nicht wussten wie oder zu spät waren. Alle vier, Sam, Fred, John und Titus sahen sich an, nickten und sagten wie aus einem Mund:
„Wir versuchen es!“.
Am nächsten Morgen gab es vor dem Aufbruch nach Watson, dem Hauptort von Homes County, wie immer noch viel zu erledigen. Da sie heute in der medizinischen Station und beim Bezirksamt erscheinen wollten, um den Zuzug der drei zu beantragen, gab es sogar noch mehr Hektik, ob auch alle Dokumente da waren und wie die Zeit reichen sollte. Sechs Pferde wollten sie verkaufen, zwei Zweiergespanne und zwei Packponys. Die wurden gerne von den Jägern genommen, die in den Bergen auf Jagd gingen. Zu klein für einen Mann, um sie zu reiten, aber trittsicheren Lasttieren, die immer wieder nach Hause fanden.
„Tante Alice hat mich gestern noch zu sich gerufen“ sagte Fred. Tante Alice war die Schwester von Freds Vater und lebte so lange wie er auf ihrer Farm. Sie hatten sie verletzt, verstört und voller Angst in den Bergen gefunden. Irgendwie hatte sie es geschafft, ihren ID Chip aus sich rauszubekommen. Offiziell gab es Alice nicht, wenn sie krank würde, könnten sie nicht den medizinischen Dienst holen. Was genau passiert war, wussten sie nicht, nur dass sie ihr Zimmer kaum verließ und Angst vor Berührungen hatte.
„Auch sie hat die Übertragung auf ihrem kleinen Gerät in ihrem Zimmer gesehen und ist davon ausgegangen, dass die drei zu uns kommen. Sie meint, dass die dann in Ihrem Flügel wohnen sollten. Sie war ganz aufgeregt.“
„Und Bess hat in der Nacht acht Welpen geworfen!“ sagte Fred glücklich. Die Hunde waren seine ganze Liebe, und ganz besonders Bess, die große graue Hündin, war sein Liebling. Sie hatten lange auf Welpen gewartet, hatten schon Anfragen für fünf Welpen, da waren acht doch viel. „Gerade richtig, dann können sich die Kinder ja vielleicht einen Welpen aussuchen“ meinte er. Die Hunde hatten im damals das Einleben in der BurgBergFarm einfacher gemacht, sicher würden die fremden Kinder sich auch über die niedlichen Welpen freuen.
„Na, nicht so schnell, wir haben den Zuzug noch nicht mal beantragt und du verteilst schon die Welpen. Aber das ist sicher ein gutes Zeichen.“ meinte Sam, der auf dem Kutschbock des großen Planwagens saß und jetzt sechsspännig nach Watson fuhr. Die Ponys liefen nebenher, sie waren darauf geschult.
Am Marktplatz angekommen bauten sie zuerst ein offenes Zelt auf, damit die Pferde im Schatten standen, John hatte die Wassereimer gefüllt und war dann mit Sam, seinem Cousin, zur medizinischen Station gegangen. Wie zu erwarten, standen da schon einige Männer herum, die auch ihr Gesundheitszeugnis hohlen wollten.
„Na, habt ihr es doch anders überlegt und wollt euch eine Frau zulegen, die euch die Betten wärmt?!“ kamen die Rufe aus der Schlange, als sie sich anstellten.
„Nee, wir müssen unsere jährliche Tollwutimpfung abholen,“ entgegnete John, dem es gar nicht passte, dass so spekuliert wurde.
„Eure Farmen sind doch viel zu klein für Euch, wie wollt ihr da noch eine Frau durchfüttern“ hielt auch Sam dagegen. In diesem freundlichen Ton ging es weiter, während sie nach und nach in die medizinische Station gingen.
Als sie zu sich kam, war sie allein. Das letzte, was sie gespürt hatte, waren die Körper von Kathi und Kim unter ihr gewesen. Jetzt waren sie fort. Sie hatte ihnen doch versprochen, sich um sie zu kümmern. Sie hatte sie nicht beschützen können. Ein Schluchzen brach aus ihr heraus. „Kathi, Kim, wo seid ihr“ rief sie. Nur Stille. Stille und ein Dämmerlicht. Wo war sie? Diesmal wachte sie nicht zusammen mit vielen anderen Körpern in einer Massenunterkunft aus, sondern sie war anscheinend allein. In einem kleinen Raum. Nackt, ohne Haare, ohne irgendwelche Haare, durstig, hungrig und an vielen Stellen mit Schmerzen, als ob man sie mit Nadeln traktiert hatte. Und so, wie die Stellen aussahen, hatten diese Arschlöcher das auch getan. Und Kim und Kathi hatten die bestimmt nicht besser behandelt. Darüber durfte sie gar nachdenken.
Erst mal umsehen, was bei dem indirekten Dämmerlicht nicht ganz einfach war. Das Licht kam anscheinend aus einer Lichtleiste etwas unterhalb der Decke. Ein kleiner Raum, oval, mit nachgebendem Material ausgekleidet. Farbe, wahrscheinlich beige, bei dem Licht kaum zu erkennen. An einem Ende des Ovals war eine Art Theke, dahinter war der Boden anders. Mal reingehen. Warmes Wasser von oben, Dusche also. Und wenn das der einzige Abfluss ist, gleichzeitig die Toilette. Das ist die Entsorgung, fehlt die Versorgung. Da war ein Druckknopf, mal draufdrücken. Ah ja, Wasser zum Trinken, der daneben – bäh, graue Pampe, schmeckt genauso wie es aussieht. Soll wohl Essen sein. Sonst noch was? Genug Platz, um sich auszustrecken, keine Decke oder Ähnliches zu finden. Allerdings war sie schon wieder fast trocken. Nur noch ein paar Tropfen waren auf dem Boden zu sehen. Sie setzte sich auf den Boden und zeichnete mit den Tropfen. Ein Gefäß, um etwas Wasser zum Zeichnen zu haben, wäre schön – genauso wie eine Decke, Kleidung und vernünftiges Essen. Aber sie lebte, war warm und nicht in unmittelbarer Gefahr.
Sie kniete sich auf den Boden und begann mit den letzten Tropfen Muster auf den Boden zu zeichnen. Immer wieder stand sie auf, um sich Wasser in die Hand zu geben. Langsam entstand vor ihrem inneren Auge – und vielleicht auch auf dem Boden – eine Zeichnung der Gesichter von Kathi und Kim. Die beiden Kinder, die ihr das Leben und den Verstand gerettet hatten. Als sie verloren und in den Baracken nur auf die nächste Katastrophe gewartet hatte. Als sich die Männer an sie ranmachten. Als sie keinen Mut mehr hatte, sich um Essen zu kümmern, da anscheinend alles verloren war. Eine kleine Turbulenz zuerst, dann sah sie die kleinen Kinder, beide schwarzhaarig, dünn, ängstlich. Kathi, das Mädchen mit den Mandelaugen, Kim mit seinen schwarzen Wuschelhaaren. Sie versuchten einem der „Kinderjäger“ zu entkommen. Die Männer ließen die Kinder für sich Essen stehlen, benutzten sie als Boten und den Gerüchten zufolge noch für Dinge, die keinem Kind passieren sollte. Sie hatte die Hände nach Ihnen ausgestreckt, gerufen „Ich habe euch schon überall gesucht“ und ab dem Zeitpunkt waren sie eine Familie. Denn Familie ist da, wohl Kinder, Liebe und Lachen ist.
Kim, der kleine Pirat, der alle geheimen Wege, Unterschlupfe und Verstecke kannte und fand. Kathi, die wahrscheinlich mehr Sprachen verstand, als ihr bewusst war. Bei beiden mussten einfach zusammen sein, sie konnte sie sich nur so vorstellen. War es ein Fehler gewesen, sich diesem Transport anzuschließen? Nein, beide hatten von den Transporten auf die Bergbauplaneten berichtet, da wären sie in kürzester Zeit umgekommen. Allerding ließ der reine Frauentransport allerlei Raum für unschöne Spekulationen: Interstellares Bordell? Babyfabrik? Welcher Planet brauchte Frauen? Bei allen Kolonien war des Geschlechterverhältniss immer ausgeglichen gewesen. Vielleicht gab es Vielweiberei und nicht genug Frauen, deswegen der Import.
Nach einiger Zeit war sie wieder ruhig geworden, setzte sich mit dem Rücken an die Wand und konzentrierte sich auf die Kinder, dacht intensiv an sie und versucht, all ihre Liebe in ihre Gedanken einfließen zu lassen.
Irgendwann musste sie eingeschlafen sein, eng an die Wand geschmiegt. Als sie wieder aufwachte sah alles aus wie vorher, nur die eingetrockneten Wasserreste waren nicht mehr zu sehen. „Arschlöcher, sensorische Deprivation, oder was habt ihr mit mir vor“ brüllte sie in den Raum, der alle Geräusche schluckte. Ob es besser war, zu wissen, was mit einem gemacht wird? Jedenfalls noch etwas zum Nachdenken.
Dr. Bert wusste schon bevor er zur medizinischen Station kam, dass es heute viel zu tun geben würde. Gestern waren die Bilder der neuen Frauen über die Übertragungsgeräte gegangen und heute wollte sicher das halbe County ihre Gesundheitscheks haben. Das war jetzt schon die neunte Frauengruppe, die auf dem Planeten gelandet war und inzwischen hatte sich so etwas wie Routine eingestellt. Er überlegte immer, welche Frauen die Männer haben wollten und verglich dann seine Notizen mit Richter Willis, seinen alten Freund. Bei ihm wurden die Anträge gestellt und er sagte den Kandidaten, die keine Chance auf eine Frau hatten gleich, dass sie sich die Gebühr sparen sollten. Bis jetzt gab es noch keine Frau im Bezirk, aber vielleicht hatten sie ja diesmal Glück. Auch hier gab es genug wohlhabende Farmer, wie Herr Kabilesi, die den Anforderungen entsprachen. Obwohl – da gab es andere Männer, bei denen es eine Fremde sicher besser hätte.
Als er in sein Sprechzimmer kam, war Tinto, sein Praxisassistent, schon dabei, bei den ersten Patienten Blut abzunehmen. Drei Männer hatten sich mit Bechern in eine Untersuchungskabine verzogen, damit jeder einen Samenprobe abgeben konnte. Die wurde für den Fruchtbarkeitsnachweis gebraucht. Man hörte da Gestöhne und Gekicher, und das wollten erwachsene Männer sein! Er war einen Blick auf die Warteliste und sah einige Namen, mit denen er nicht gerechnet hatte. Fährtenleser Manolo, oder die vier Jungs der BurgBergFarm waren auch dabei. Die hatten noch nie eine Frau haben wollen. Warum diesmal? Ah, die beiden Kinder. Der Junge war nur etwas jünger als Manolos Sohn, der damals ums Leben gekommen war. Und die Jungs der BurgBergFarm hatten so manche Jungs und Männer aufgenommen, die sonst kein Zuhause hatten. Allerdings waren die immer älter gewesen und hatten reguläre Arbeitsverträge bekommen. Was auch nicht jeder machte. Das würde heute sicher interessanter als die letzten Male werden.
Richter Willis kam erst am späten Vormittag ins Verwaltungsgebäude. Nach seinen Erfahrungen wurden die Anträge auf Zuzug ab Mittag gestellt, wenn es neue Frauen gab, und dann aber bis in den Abend. Es würde spät werden. In seinem Arbeitszimmer sah er sich die „Richtline zur Zuzugsgenehmigung von weiblichen Menschen im gebärfähigen Alter“ an, um nachzusehen, ob es neue Kriterien gab. Gab es jedes Mal. Dieses Mal gab es einen Zusatz: “Minderjährige beiderlei Geschlechts ohne Blutsverwandte“. Aha, die beiden Kinder. War den Eierköpfen in Kishali also aufgefallen, dass sie zwei Kinder mitbekommen hatten. Mal sehen: „Wenn Bindungen zu anderen Zuzugswilligen vorhanden ist, auch wenn es keine Blutsverwandtschaft besteht, sind diese zu respektieren. Zusammen ankommende Minderjährige sollen nicht getrennt werden. In der Aufnehmenden Familie muss mindestens eine volljährige weibliche Person gemeldet sein oder innerhalb von 40 Tagen nachziehen. Zusätzliches Einkommen/Farmgröße ist nicht notwendig. Ein eigenes Bett in einem eigenen Zimmer ist notwendig. Eine besondere Überwachung der Situation der Sozialbehörde in den ersten 200 Tagen muss gewährleistet sein.“
Na, das war mal was Vernünftiges. Wenn er ein Wörtchen mitzureden hatte, dann würden die Kinder bei der Frau bleiben, die sich um sie gekümmert hatte.
Er sah sich die vorläufigen Anträge auf die Kinder durch. Einige wollten das Mädchen, obwohl das Einkommen nicht reichte. Manolo wollte den Jungen, er erinnerte ihn sicher an seinen eigenen Jungen. Wenn der Junge allein wäre, hätte er den Antrag sicher befürwortet. Einige andere Männer wollten auch den Jungen, und die Anträge fühlten sich nicht gut an. Entweder hätte der Junge sich dort krumm schuften müssen oder die Männer hätten etwas anderes mit ihm vorgehabt. Und Kinder sollten noch nichts von Sex wissen.
Oh, die Jungs der BurgBergFarm hatten einen Antrag für beide Kinder und die Frau gestellt. Interessant. Ja, das konnte er sich vorstellen, dass die vier den dreien ein gutes Zuhause geben würden. Ob die Frau dann nur Mutter der zwei wäre und nur den Kindern zuliebe auf der Farm wäre, sollte nicht sein Problem sein. Ja, den Antrag würde er befürworten.
Was sonst? Herr Kabilesi hatte für sich, seinen Onkel und jüngeren Bruder gleich drei Frauen ausgewählt, die drei größten mit der schönsten Haut, wenn er sich richtig erinnerte. Naja, konnte er nichts gegen sagen. Bis jetzt hatte er kein Glück gehabt und eine Frau bekommen. Jeder, der den Bedingungen einigermaßen entsprach, hatte diesmal einen Antrag gestellt. Er sucht die augenscheinlich Erfolglosen raus und versah die anderen mit Anmerkungen.
Inzwischen waren auch Fred und Titus aus dem medizinischen Zentrum raus und wieder bei ihren Pferden angekommen. Es hatte sich inzwischen einige Kunden und Interessierte um die Pferde geschart. Ein Gespann war schon fast verkauft, sie würden heute noch mit ihren neuen Besitzern wegfahren. Auch die beiden Ponys hatten Interessenten um sich geschart, die von den beiden ungehemmt nach Leckereien angebettelt wurden. „Na, Brian, wozu brauchst du Packponys“ fragte Fred den Tischler und Stellmacher, der sich das graue Pony genau ansah.
„Nicht als Packtier, als Kutschpony. Habt ihr gesehen, wie klein die Frauen sind? Die kommen doch nie mit einem großen Gespann klar. Aber eine Ponykutsche – damit käme sie überall herum, müsste nicht gefahren werden und könnte einen Teil der Arbeit erledigen.“
„Eingefahren sind die beiden nicht, eine so kleine Kutsche haben wir nicht. Aber zwei Ponys an Zügel gewöhnen und etwas ziehen lassen, so dass ihr mit ihnen es versuchen könnt, das lässt sich sicher recht schnell machen,“ meinte Sam nachdenklich.
„Ha, die Frau sollte nicht draußen mit `ner Kutsche rumgondeln, die soll schön in meinem Schlafzimmer bleiben, mit den Beinen breit!“ kam aus der Gruppe ein Einwurf. Herr Kabilesi, wer sonst. Der eine oder andere brummte was Zustimmendes, aber die meisten konnten sich nicht vorstellen, dass jemand nicht im Geschäft oder auf der Farm mithalf. Da war die Idee mit einer Ponykutsche sicher nicht schlecht, wenn diesmal vielleicht endlich Frauen nach Homes County kamen.
Nachmittags wurde es noch voller auf dem Marktplatz und die beiden Packponys wurden verkauft, auch für das Gespann gab es mehrere Interessenten. Die ersten Männer gingen in das Verwaltungsgebäude, um die Anträge zu stellen und kamen bald mit der Information wieder raus, dass die Kinder nur zusammen und mit einer Frau aufgenommen werden konnten. Einige suchten sich noch schnell eine Frau dazu aus und andere gingen enttäuscht nach Hause, da drei Personen dann doch zu viel für sie waren.
Als auch das zweite Gespann verkauft war und die neuen Besitzer mit den Pferden gegangen waren, gingen Fred, Sam, Titus und John auch in das Verwaltungsgebäude und suchten das Zimmer von Richter Willis. Nachdem sie noch etwas gewartet hatten, rief er sie rein: „Na, ihr wollt euch also gleich eine fertige Familie hohlen!“
Sie schauten etwas verlegen auf den Boden. „Wir sehen das so, dass wir einer Familie ein neues Zuhause geben“ sagte schließlich John.
„Hmm, ja, so kann man es auch sehen. Ihr erfüllt auf jeden Fall alle Antragskriterien. Weil Kinder mit dazukommen, wird die Sozialbehörde bei euch vorbeischauen, ob jedes Kinder auch ein eigenes Zimmer hat und ob bei euch Kinder gut aufgehoben sind. Ich selbst befürworte euren Antrag. Ihr müsst jetzt nur noch mit Euren Unterschriften und Daumenabdrücken das Formular fertig stellen. Und natürlich an der Kasse die Gebühr bezahlen. Die Kinder kosten nichts extra, da sie nur zusammen mit einer Frau abgegeben werden.“
„Wie lange wird das wohl dauern, bis die kommen können?“ fragte Titus.
„Also, bis jetzt hat das mindestens 40 Tage gedauert, bis die Frauen aus der Quarantäne kamen, kann bis zu 60 Tagen dauern. Es kann sein, dass die Kinder schon wesentlich früher zu den neuen Familien kommen. Also macht besser schnell alles fertig, damit die Sozialbehörde einen guten Eindruck von euch hat.“
Als die vier wieder draußen waren, atmeten sie tief durch, sahen sich an und sagten „So, der Anfang ist gemacht. Jetzt liegt es an den Behörden. Lasst uns zurückfahren und vorsichtshalber alles vorbereiten. Wir haben da einiges zu tun.“
In den nächsten Tagen waren die vier und ihre Angestellten sehr beschäftigt. Sam hatte drei Ponys, die zu temperamentvoll waren, um als Packponys zu arbeiten, als zukünftige Kutschponys ausgesucht und arbeitetet mit ihnen. Titus und Fred bauten in dem Flügel, in dem Fred und Tante Alice wohnten, drei Räume in den Bereich, in dem vorher nur die Schneidetische und Fenstertüren zum Innenhof gewesen waren. Einer der Tische war jetzt bei Tante Alice, die ihr Zimmer so umgeräumt hatte, dass jeder nur eine Schneiderwerkstatt sah. John suchte Möbel im Lager aus. Sie hatten damals, als sie die Farmhäuser ihrer Eltern verließen, viele Möbel mitgenommen. Er fand zwei Doppelbetten, das eine ließ sich in zwei Einzelbetten teilen. Die Einzelbetten strich er an, eins grün, das andere gelb. Fröhliche Farben für die Kinder. Das andere lackierte er nur. Tante Alice unterstützte die Arbeiten auf ihre Art. Keiner sah sie außerhalb ihres Zimmers und sie sprach nur zu Fred wenn ihr danach war. Aber Fred durfte in der offenen Tür stehen, wenn er ihr mitteilte, was auf der Farm passierte. Und wie von Geisterhand erschienen bunte Flickendecken in den zukünftigen Kinderzimmern und eine sehr schön gemusterte Flickendecke im Zimmer der Frau.
An Abend nach der Arbeit verschwanden die vier in ihrem „Kuschelzimmer“, genossen ihre Berührungen, trieben sich gegenseitig zum Höhepunkt und fühlten sich eng verbunden, jeder den Atem der anderen spürend, und redeten von den Kindern und der Frau. Jeder der vier hatte den Verlust der Sicherheit, als die Frauen abgeholt wurden, gespürt. Fred ließ sich lange nicht anfassen, auch jetzt durfte nur er seinen Penis berühren. Titus hatte den gewaltsamen Tod seines Vaters mit angesehen, er hatte nie darüber sprechen können. John und Sam hatten sich gegenseitig gestützt als sie sich verletzt aus den Bergen zu der Farm von Sams Vater geschleppt hatten. Sie konnten alle mitfühlen, wie die beiden Kinder sich fühlen mussten.
Herr Depavi war froh, als sie endlich das Städtchen Watson erreicht hatten. Das kleines Solaro der Sozialbehörde, ein mit Sonnenenergie betriebenes Fahrzeug, war zwar für Fahrten in der Stadt gut geeignet, aber jetzt war er mit seinem Kollegen, Herrn Tusto, schon den halben Tag auf immer schlechter werdenden Straßen unterwegs, und die geringe Beinfreiheit wurde langsam ein Problem. Hier würden sie heute Übernachten und vielleicht von den örtlichen Offiziellen Informationen erhalten, die für die Entscheidung, wer die Kinder aufnehmen sollte, wichtig war. Herr Depavi freute sich darauf, wieder mit Kindern zu tun zu haben. In den letzten Jahren bestand die Arbeit in der Sozialbehörde in erster Linie in Beziehungs - Consulting, was auf Dauer sehr öde war. Sie hatten sich jetzt schon vier Familien angesehen, aber keine war dabei, zu denen sie die Kinder gerne gegeben hätten. Eine Familie hatte eine fensterlose Abstellkammer als „Kinderzimmer“ ausgewiesen, andere wollten nur Kinder, um den Nachbarn etwas vorauszuhaben. Und bei einer „Familie“ hatte er den Verdacht, dass es sich um ein Bordell handelte. Vielleicht war es ja auf einer Farm anders.
Inzwischen waren sie auf einem Feldweg abgebogen. Rechts und links nur staubige Steppe und in der Ferne waren Berge zu sehen. Hoffentlich hatten sie sich nicht verfahren. Nach einer längeren Fahrzeit erschienen Weidezäune neben der Straße und das Land wurde grüner. Es waren Bäume zu sehen und Planen als Schattenspender. Auf einer Weide grasten Pferde. So falsch waren sie anscheinend nicht. Dann sahen sie einige Windturbinen und eine Hofeinfahrt. Links einige Schuppen und rechts, hinter Bäumen und Büschen versteckt, ein weitläufiges Wohnhaus. Das also war die BurgBergFarm. Sie wollten gerade aussteigen, als sich ein riesiger zotteliger schwarz-weiß-brauner Hund neben der Fahrertür aufbaute.
Während Sam mit Titus in die Stadt gefahren war, um die beiden angehenden Kutschponys zu verkaufen, hielt ein unbekanntes kleines Solaro bei ihnen und zwei Personen wollten aussteigen. Butch, der große Rüde, stand sofort vor der Fahrzeugtür und bellte einmal. Fred kam aus dem Lagerschuppen, in dem er nach Stühlen gesucht hatte. Vor dem Schuppen waren die neu gestrichenen Bettgestelle zum Trocknen aufgestellt. „Butch, herzlich Willkommen“ rief er und der Hund wedelte mit dem Schwanz und zog sich zurück. Zwei ältere Männer stiegen vorsichtig aus und sahen sich um.
„Guten Tag, wir kommen vom Sozialdienst. Depavi und Tusto,“ stellte der Ältere sich und seinen Kollegen vor. Er war so alt, dass er sicher damals noch mit kleinen Kindern zu tun hatte, bevor die Frauen verschwanden und es keine neuen Babys mehr gab.
„Wir hatten nicht mit ihnen gerechnet, zwei unserer Partner sind heute in der Stadt und kommen erst gegen Abend wieder. Aber kommen Sie doch rein“ lud Fred die beiden Männer in das zentrale Gebäude ein. Sie kamen in einen kleinen Flur, von dem drei Türen abgingen.
„Eine Hygienekabine ist geradeaus, rechts geht es in Wohnzimmer. Möchten Sie etwas zu trinken haben? Wasser? Einen Tee?“
„Wasser wäre schön, und ich benutze gleich mal Ihre Örtlichkeiten“ sagte der Ältere. Fred führte den anderen Herren ins Wohnzimmer und ging dann durch das Esszimmer in die Küche, um einen Krug mit gekühltem Wasser, in dem einige aromatische Kräuter schwammen, und Gläser zu hohlen. Als er wieder in Wohnzimmer kam, war der ältere Mann, Herr Depavi, dort und der andere anscheinend in der Hygienekabine.
„Sind sie ans Wassernetz angebunden?“ fragt er.
„Nein, wir haben einen eigenen Brunnen und ein Rieselfeld zur Wasserreinigung. Wir sind nur ans Straßennetz angebunden, wenn man den Feldweg Straße nennen kann,“ erklärte Fred. „Vieles machen wir selbst, auch den Strom. Wir kaufen Getreide zu, dafür haben wir nicht den richtigen Boden und zum Teil frisches Obst und Gemüse.“
Als auch Herr Tusto sein Glas mit Wasser ausgetrunken hatte, schlug Fred vor, dass sie sich die Zimmer der Kinder und der Frau ansehen sollten.
„Sam und Titus sollen heute auch Matratzen mitbringen. Die alten, die früher zu den Betten gehörten, haben wir schon vor Jahren entsorgt. Zahnbürsten und Stoff für Kleidung bringen sie sicher auch mit. Etwas, was den Kindern passen könnte, haben wir bis jetzt nicht in unseren Kisten gefunden.“
Sie waren an dem Eingang zum neuesten Atriumhaus angekommen, in dem die Zimmer für die drei waren. „Links ist die Hygienekabine“ sagte Fred und beide schauten rein. „Wozu ist der Hocker?“ fragte Herr Tusto.
„Damit die Kinder ans Wachbecken und die Toilette kommen. Hatte Titus als Kind, und wir fanden, dass das eine gute Idee ist. Die neuen Siedler sind ja alle so klein. Und Kinder sowieso.“
In den Kinderzimmern war je eine Kommode, ein Regal ein kleiner Stuhl, auf dem Kissen und eine bunte Flickendecke lagen. In einem Zimmer war außerdem ein niedriger Tisch aufgestellt. In einem Regal waren Kinderbücher einsortiert.
„Unsere alten Lieblingsbücher,“ erklärte Fed. „Die Betten der Kinder habe ich noch mal gestrichen, wenn die Farbe trocken ist, können wir sie aufstellen.“ Alle Zimmer hatten bodentiefe Fenster zum kleinen Innenhof, in dem ein kleiner Springbrunnen in einem Teich vor sich hinplätscherte. Herr Depavi ging zu den Fenstern und öffnete eins, das sich an die Wand schieben ließ, so dass man Zugang zum Innenhof hatte. Dort war es recht angenehm und man hörte das Gesumme von kleinen Nektarsammlerinnen.
Das Zimmer der Frau war so gut wie fertig, nur noch die Matratze im Bett fehlte. Neben einer Kommode und einem kleinen Regal gab es einen Sessel mit einem niedrigen Tisch daneben und einen Schreibtisch mit einem passenden Stuhl. Hier waren die Möbel in einem dunklen Holzton belassen, nur der Sessel war rot bezogen.
„Der Sessel stammt aus Sams Familie, für uns ist er immer zu klein gewesen und er stand im Schuppen. John habe ihn neu bezogen und denke, dass er sich hier gut macht.“ Fred sah sich in dem Zimmer um. Ja, das war ein gemütlicher Rückzugsort, nicht groß, aber hell und einladend.
Als sie zurück ins Wohnzimmer waren, kam John dazu.
„Ich habe gerade eine Nachricht von Titus erhalten, sie sind auf dem Rückweg.“ Dann begrüßte er die beiden Herren vom Sozialdienst.
„Sie wollen anscheinend die Kinder so schnell wie möglich unterbringen,“ fragte er die beiden.
„Ja, wir haben jetzt nur noch eine Familie anzusehen, dann werden wir eine Empfehlung abgeben. Wenn alles glatt geht, sind in 10 Tagen spätestens die Kinder in der neuen Familie.“
„Und die Frau?“
„Wir befürworten, das die drei zusammenbleiben, haben auf diese Entscheidung allerdings weniger Einfluss. Die Frauen müssen ohnehin noch mindestens 30 Tage in der Station bleiben.“ antwortete Herr Depavi.
„Wir würden uns gerne auf Ihrem Gelände umsehen, während wir auf die beiden anderen Herren warten“ warf Herr Tusto ein. Auf ein zustimmendes Nicken von Fred und John gingen sie nach draußen, trennten sich und erforschten auf eigene Faust das Farmgelände. Vor dem Schuppen traf Herr Depavi auf Baku, den ältesten Farmarbeiter. Er war älter als er und hatte schon für Sams Vater gearbeitet. Jetzt hängte er grade Wäsche auf eine der Wäscheleinen neben dem Schuppen auf.
„Wird Zeit, dass hier mal wieder Kinderlachen zu hören ist. Und eine Missus kann die Farm sicher gebrauchen. Ist falsch, wenn es keine Frauen gibt“ war sein Kommentar zum Antrag seiner Arbeitgeber. Danach fand Herr Depavi den Gemüsegarten und das Rieselfeld. Auf dem Rückweg traf er Benny, den jüngsten Farmarbeiter.
„Ist super hier, hier fühle ich mich sicher. Ist zwar immer was zu tun, aber das Geld ist gut. Platz für drei Leute mehr haben wir hier locker“. Herr Depavi hatte sich die Unterlagen der BurgBergFarm angesehen und war auf die Anmeldung von Benny gestoßen. Wenn man sich auskannte, zeigten die Unterlagen, dass Benny woanders weggelaufen war und hier ein neues Zuhause gefunden hatte. Heute Abend wollten sie noch mit Richter Willis und Dr. Bert sprechen. Häufig kamen wichtige Hinweise vom örtlichen Arzt oder Richter. Dinge, die gesagt aber nie aufgeschrieben wurden. Sie hatten sich schon Zimmer im Gästehaus von Watson reserviert.
Herr Tusto traf keinen der Angestellten, aber er sah sich alles mit geschultem Blick an. Einiges, wie die Windturbine direkt neben dem Haus war alt, aber die Antenne auf dem Haus neu, auch waren die Gebäude und Maschinen in gutem Zustand, wenn auch zum Teil recht dreckig. Am meisten Aufmerksamkeit war den Weiden gewidmet worden, es gab große schattenspendende Unterstände, Wassertröge, die alle gefüllt waren, Zäune, die stabil und glatt waren. Man sah, dass die Pferde die Haupteinnahmequelle der Farm waren. Aber auch der Schweineauslauf und das Hühnergehege war gut im Schuss. Da hatte er schon andere Höfe gesehen.
Er machte sich langsam auf den Rückweg zu dem Wohngebäude, als ein zweispänniger Planwagen auf das Gelände fuhr. Die beiden anderen Partner der Farm waren zurück. Es gab ein großes Hallo zur Begrüßung und der Wagen wurde ausgeladen. Anscheinend hatten sie die Matratzen bekommen. Aus der Art, wie sich die Partner begrüßten, nahm er an, dass sie nicht nur Geschäfts- sondern auch Lebenspartner waren. Sie würden danach fragen.
Nachdem sich Sam und Titus frisch gemacht hatten, trafen sich alle im Wohnzimmer.
„Sie wollen uns also inspizieren und wissen, ob wir gut für die drei sorgen werden und den Kindern ein Zuhause bieten können.“ sprach John aus, was alle dachten. „Das ist auch gut so. Was einige unserer ehemaligen jungen Mitarbeiter erzählt haben, es gibt genug Menschen, die mit Schwächeren nicht gut umgehen.“
„Warum wollen sie eigentlich die drei aufnehmen?“ fragte Herr Depavi.
„Nachdem unsere Familien zerstört waren, haben wir hier ein neues Zuhause gefunden. Meine Mutter und meine Schwestern waren weg. Mein Vater hat neuen Lebensmut gefunden als die drei Nachbarjungs und Freds Vater zu uns kamen. Und ich habe meine Lebensgefährten gefunden. Wir möchten die Chance auch anderen geben. Einige Teenager haben eine Zeit lang bei uns gelebt, aber bis auf Benny arbeiten jetzt alle in der Stadt. Wenn die beiden Kinder groß sind, hoffen wir, dass sie die Farm auch immer als ihr Zuhause ansehen und immer wieder zu uns zurück kommen.“
„Und was ist mit der Frau? Haben sie sich das auch schon überlegt?“ Auf die Frage gab es erstmal Schweigen. Dann sagte Sam:
„Rechtlich wird sie eine gleichberechtigte Partnerin. Wir hoffen, dass sie nicht auf einer Zweierbeziehung besteht, sondern sich uns allen vier zuwendet. Wir möchten sie aber zu nichts zwingen und hoffen, dass wir eine Lösung finden, die uns alle zufrieden macht. Wenn sie ein Baby bekommt, werden wir vier uns gemeinsam als Vater fühlen. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung“
Fred hatte auch noch eine Frage: „Wie groß sind die Kinder? Sie werden neue Kleider brauchen.“
„So ungefähr 130 cm groß. Größe 136 müsste passen, wenn sie nach Schnittmustern suchen“.
Nachdem sie noch etwas geplaudert hatten, verabschiedeten sich die Herren vom Sozialdienst. Sie wollten in Watson übernachten und dann die letzten Kandidaten überprüfen.
In ihrem Solaro sprachen die beiden über ihre Eindrücke von der BurgBergFarm. Ihnen gefiel die Art, wie die Zimmer vorbereitet worden waren, auch die kleinen Details wie der Hocker in der Hygienezelle. Wenn sie das richtig gesehen hatten, gab es in jedem Flügel eine eigene Hygienezelle. Das war mehr als sie bei so mancher „reichen“ Haushalten gesehen hatten.
Auch wie alle miteinander umgingen, zeigte das alle dort angstfrei lebten und ihre Arbeit gerne machten. Beim Abendessen mit Dr. Bert und Richter Willis sprachen sie über die vier und ihren Antrag. Sie erfuhren, dass sie sich vorher um keine Frau beworben hatten. Richter Willis erzählte von den „Farmhelfern“, die später eine Lehre im Ort machten und die vier immer als ihre „nächste Angehörige“ angaben. Bei der einen oder anderen Anmeldung des Arbeitsvertrages konnten sie kein Geburtsjahr angeben. Richter Willis ging davon aus, dass die jungen Männer als Kinder oder Jugendliche von anderen Farmen weggelaufen waren, wenn sie dort geschlagen oder auch missbraucht wurden.
„Inzwischen sind das alle richtig nette, fleißige, aufgeschlossene Männer. Einer macht bei mir eine Ausbildung zum Gesundheitsassistenten. Ich bin froh, dass er bei mir ist. Wenn die vier sagen, sie möchten den Kindern ein sicheres Zuhause geben, dann wird das auch so kommen. Und die Frau nehmen sie mit auf, weil sie zu den Kindern gehört, verwandt oder nicht“ sagte Dr. Bert zum Abschluss.
Inzwischen waren auch die vier auf der BurgBergFarm und ihre Angestellten beim Essen. Der Besuch der beiden vom Sozialdienst war natürlich das Gesprächsthema.
„Schön, dass wir in die engere Wahl gekommen sind. Wenn ich die beiden richtig verstanden habe, sollen die beiden Kinder schon bald aus dem Quarantänezentrum kommen. Dann sollten wir uns mit den Vorbereitungen beeilen,“ sagte Sam. Obwohl sie noch keine Zusage hatten, spürten sie, dass sie jetzt ein ganzes Stück weiter waren. Nachdem sie besprochen hatte, was noch zu erledigen war, sagte Sam:
„Auch in Watson gab es einige Neuigkeiten, Brian hat auch einen kleinen zweirädrigen Einspänner gebaut, nicht nur einen vierrädrigen Zweispänner. Wie gut, dass ich drei Ponys geschult hatte, die kann er brauchen. Er hofft, dass er zum nächsten Markttag die beiden Kutschen vorführen kann. Ich bin ihm mit dem Preis entgegengekommen und er wird uns entgegenkommen, wenn wir auch eine Ponykutsche möchten.“
Sie hatte in ihrer leeren Zelle so etwas wie eine Routine hergestellt. Sie malte viel mit Wasser und mit dem Nahrungsbrei, der besser dafür geeignet war als für alles andere. Er schmeckte widerlich nach nichts und sie aß auch nur, um nicht zu verhungern.
„Der Hunger treibts halt rein“ sagte sie zu sich. Das Zeit verging, merkte sie an den wachsenden Haaren, sonst war eine Stunde wie die nächste. Ob Tag oder Nacht war, konnte sie nicht unterscheiden. Zwischendurch machte sie einige Yoga-Übungen, um beweglich zu bleiben. Wenn sie malte, dachte sie immer wieder an die Kinder und hoffte, dass sie ihre Liebe zu ihnen schicken konnte. Meistens malte sie erst die Gesichter der Kinder, dann Muster auf den Boden. Manchmal dachte sie, sie würde ihr Gehör verlieren, dann sang sie Lieder, die ihr einfielen. Oder sie schrie ihre Wut auf die Invasoren heraus, die sie mit so vielen anderen von der Erde verschleppt hatte. Einmal setzte sie sich auf den Boden der Dusche und hielt mit ihrer Ferse den Ablauf zu. Leider wurde das Wasser abgestellt, ehe der ganze Raum geflutet war. Aber das war immerhin eine Reaktion auf etwas, was sie getan hatte. Oder ein Sensor im Ablauf, der automatisch das Wasser abgestellt hatte. Für die Kinder musste sie stark bleiben. Sie hatten ja sonst niemanden und waren in dieser fremden Welt ganz verloren. Hoffentlich hatte man sie nicht getrennt.
Inzwischen hatte sich einiges auf der BurgBergFarm getan. Die Kinderbetten waren als Doppelbett in ein Zimmer gestellt worden, mit zwei Matratzen. Die Kinder sollten sich nah sein können. Wenn jeder sein eigenes Zimmer haben wollte, ließ sich das einfach ändern. Dazu waren zwei kleine Kommoden gekommen. Das andere Zimmer war mit einem kleinen Tisch, drei niedrigen Stühlen und zwei Regalen möbliert worden. In den Regalen standen die alte Kinderbücher und etwas Spielzeug, dass die vier noch aus ihren Kindertagen aufbewahrt hatten. Auch das Zimmer der Frau war fertig, auch wenn es sicher länger dauern würde, bis sie es brauchen würde. Tante Alice hatte für die Kinder aus strapazierfähigem Stoff Latzhosen genäht. Mit den Trägern konnte man die Hosen leicht passend machen. Dazu kamen kleine Hemden, Unterhosen und T-Shirts. Tante Alice hatte passend zu den Decken Kopfkissenbezüge genäht.
Titus nahm sich ihr altes Solaro vor, dass nur sehr selten gebraucht wurde. Aber die Fahrt nach Kisali, wo die „Neusiedler“ abgeholt werden mussten, war zu weit, um sie mit einer Kutsche an einem Tag zu machen. Nachdem er mehrere Tage dran herumgeschraubt, die Akkus aufgeladen und die Solarpaneele gründlich gereinigt hatte, war er zufrieden, und er erklärte, dass sie damit fahren konnten. Die Akkus ließen sich noch gut laden und solange die Sonne schien, versorgten die Paneele das Fahrzeug mit dem nötigen Strom. Nur in der Dämmerung konnte es schwierig werden, da der gleichzeitige Antrieb mit Energie aus den Solar Paneelen und dem Akku nicht mehr funktionierte, aber dann machten sie halt eine Pause, bis keine Energie mehr von den Paneelen kam.
Die übliche Farmarbeit musste natürlich weitergehen, jetzt wurden die Fohlen geboren und Sam verbrachte viel Zeit bei den Pferden. Am nächsten Markttag fuhr Sam mit Titus wieder nach Watson, er wollte die Ponykutsche sehen und es gab noch so viele Kleinigkeiten zu besorgen. Tante Alice wollte Knöpfe und Strickgarn haben, sie überlegten, ob und wie sie Schuhe für die Kinder besorgen konnten und noch vieles mehr. Da sie keine Pferde verkaufen wollten, kamen sie erst zum späten Vormittag an. Kaum hatten sie die Pferde ausgeschirrt und unter den mitgebrachten Sonnenschutz gestellt, kam schon Brian mit der ersten Ponykutsche um die Ecke, sein Bruder Steph kam mit dem kleinen Einspänner direkt hinterher. Die Ponys liefen im raschen Trab einmal um den Marktplatz und alle bestaunten die neuen Fahrzeuge, auch wenn sie sichtlich zu klein für die beiden Männer waren. Der Einspänner hatte nur zwei Räder und war sehr wendig. Schon bauten die Ersten eine Slalombahn auf, um zu sehen, wie wendig die Ponys mit den Kutschen wirklich waren. Immer mehr Zuschauer bestaunten die Ponys, wie sie die immer enger werdende Slalombahn nahmen. Ganz Zuletzt waren die Pylone so eng gestellt, dass kaum einer glaubte, dass eine der Kutschen das schafft. Aber der Einspänner kam auch da durch, zwar nicht mehr im Trab aber sicher und ohne irgendwas umzuschmeißen. Sogar Dr. Bert und Richter Willis kamen raus auf den Marktplatz, um sich das anzusehen. Besonders Dr. Bert war von der Einspänner Kutsche ganz angetan:
„Mit der kann ich zu den kleinen Höfen in den Bergen fahren, muss nicht immer reiten. Das ist was für mich!“ sagte er begeistert zu Brian.
Als die Vorführung vorbei war, gingen Sam und Titus zum Gemischtwarenhändler ins Alles Kaufhaus. Ted, einer ihrer ehemaligen Farmhelfer, wartete schon auf sie.
„Ich habe mir mal Gedanken um Schuhe gemacht. Geschlossene Schuhe müssen anprobiert werden. Das können wir erst machen, wenn die Kinder bei euch sind. Aber ich habe einige offene Schlappen gefunden, da sind auch Kindergrößen dabei. Schaut mal, was ich hier habe“ damit hob er eine Kleine Kiste mit Plastikschlappen auf den Tresen. Schnell fanden sie sechs Paar in unterschiedlichen Größen.
„Irgendwas davon wird halbwegs passen“ meinte Titus. „Wir brauchen noch Knöpfe und Stoff. Was hast du denn da?“ Nach einiger Zeit hatten sie alles, was sie brauchten und gingen wieder zu ihren Pferden zurück. Inzwischen hatte die Mittagshitze alle in schattige Plätze gescheucht und auch Sam und Titus zogen sich in den Schatten des Planwagen zurück, nachdem sie die Pferde mit Wasser versorgt hatten. Als es langsam kühler wurde, schirrten sie die Pferde für den Rückweg an. Sie wollten gerade losfahren, als Richter Willis aus dem Verwaltungsgebäude kam, ein breites Grinsen auf dem Gesicht.
„Gut, dass ich euch noch erwische. Eben sind die Unterlagen gekommen. Ihr könnt Morgen die Kinder abholen. Bis zum Abend müsste ihr da sein, sonst bekommen die nächsten auf der Liste die Kinder. Alles Gute Euch allen!“ sagte er und drückte Ihnen ein Paket mit Unterlagen in die Hand. „Die müsst ihr unterschreiben und morgen mitnehmen.“ Sam und Titus sahen sich an, dankten völlig überwältigt Richter Willis und machten sich auf den Heimweg. Sie konnten es noch gar nicht fassen und konnten nicht aufhören, sich anzugrinsen. Sie konnten die Kinder hohlen! Was würden Fred und John dazu sagen.
Sie wachte mit Unterleibsschmerzen auf. Als sie aufstand, lief das Blut an ihren Beinen runter. Die Arschlöcher mussten ihr die Hormonspirale rausgenommen haben. Jetzt würde sie ein bis zwei Tage bluten wie ein angestochenes Schwein. Damit war die Möglichkeit einer Babyfarm wesentlich wahrscheinlicher geworden als das interstellare Bordell. Sie ging zur Dusche, um wenigstens kurzfristig sauber zu sein. Neben der Dusche war eine Klappe aufgegangen. Darin waren einige kleine Plastikbecher mit einem kleinen Stiel unten. Ah, Menstruationstassen. Damit konnte sie sich etwas länger sauber halten. Drei Stück waren da. Tassen…da konnte man was drin aufbewahren. Wasser, Essensbrei, Blut. Also: Malutensilien.
Sie holte sich in eine Tasse den grauen Nahrungsbrei, die andere füllte sie mit Wasser. Die dritte fing das Blut in ihrem Körper auf, wenn die voll war, konnte sie sie gegen die Wassertasse tauschen. Damit konnte sie viel besser malen. Sie experimentierte mit unterschiedlichen Mischungen und malte neue Muster auf den Boden.
Am nächsten Morgen fuhren die vier direkt nach Sonnenaufgang los. Sie würden sich mit dem Fahren abwechseln, in Kisali durfte nur Titus fahren, denn er hatte als einziger eine Fahrerlaubnis. Auf den Landstraßen wurde das nie kontrolliert, sie wollten aber in der Stadt kein Risiko eingehen. Es würde sowieso zeitlich eng werden. Irgendwie wirkte die kurze Zeit zum Abholen wie eine Schikane, genau wie die Tatsache, dass alle vier mitkommen mussten.
Zurück konnten sie sich mehr Zeit lassen, wollten aber auf jeden Fall vor dem nächsten Morgen wieder Zuhause sein. Sie hatten die neue Kleidung und reichlich zu Essen eingepackt und waren alle recht nervös. Wie würden die Kinder auf sie reagieren? Wie waren sie untergebracht? Wussten sie, dass sie in eine neue Familie kommen würden?
Kurz vor der letzten Milizkontrolle vor Kisali tauschten sie ein letztes Mal. Titus übernahm das Steuer und John hatte die Karte und die Wegbeschreibung auf dem Schoß, zusammen mit allen Passierscheinen. Der Gebäudekomplex der Quarantänestation lag am Rand er der Stadt, sie konnten auf den großen Straßen bleiben. Nachdem sie an der Zufahrtskontrolle erneut alle Papiere vorgezeigt hatten, konnten sie aufs Gelände und in die Garage fahren. Dort schlossen sie das Solaro an der Stromkreislauf der Station an, damit die Akkus auch ganz aufgeladen waren. Am Empfang gab es erneut eine Sicherheitskontrolle, diesmal wurde auch der Beutel, in dem die Kinderkleidung war, sehr genau untersucht. Danach kamen sie in einen Warteraum. Inzwischen waren bei allen die Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Als sie endlich in ein Büro geführt wurden, mussten sie nicht nur erneut alle Papiere vorzeigen, auch ihre ID Chips wurden gescannt und die Fingerabdrücke genommen. Danach musste jeder eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben, dass sie nichts über die Quarantäne Station erzählen durften. Dann durfte endlich zwei von ihnen in Begleitung von Sicherheitspersonal die Kinder hohlen. Fred und John waren ganz aufgeregt, als sie nach einer Fahrstuhlfahrt lange Flure entlanggingen. Einer der Sicherheitsmänner drückte seine Code Karte an eine Stelle, dann schob sich eine schmale Tür auf. Fred und John blieben davor stehen.
Es war dämmerig in der Kabine, beide Kinder saßen nackt auf dem Fußboden. Sitzgelegenheiten gab es nicht. Fred setzte sich in die Tür, John blieb so stehen, so dass die Kinder ihn nicht sehen konnten.
„Hallo, Ich bin Fred. Ich möchte euch abholen. Ihr sollt jetzt bei uns wohnen, auf unserer Farm.“ Die Kinder sahen sich an und schwiegen. Fred war an verängstigte Hundewelpen erinnert, die ein Verseck gefunden hatten und es nicht wieder erlassen wollten. Hier kam man nur mit Geduld weiter. Auch er schwieg. Nach einiger Zeit des gemeinsamen Schweigens sagte das Mädchen
„Warum?“
Gute Frage. Am besten die Wahrheit sagen. Doch wie erklärte er die Motivation, so dass diese Kinder ihm vertrauten?
„Als ich meine Familie verloren hatte und allein durch die Berge irrte, haben mich Sams Vater und ein paar Freunde gefunden. Ich habe auf der Farm ein neues Zuhause gefunden. Wir möchten euch das weitergeben, was wir damals auf der Farm gefunden haben.“ Und jetzt schweigen, sagte Fred sich. Die Kinder sahen sich an und verständigten sich wortlos.
„Ja, wir kommen mit.“ sagte der Junge.
„Sehr schön. Damit ihr draußen nicht friert, haben wir was zum Anziehen mitgebracht. Sucht euch was aus.“ Damit schob er den Beutel mit der Kleidung den Kindern zu. Nach einer weiteren Pause holte der Junge den Beutel zu sich ran und packte aus: zwei Latzhosen, vier Hemden, je zwei in einer Größe, Unterhosen in verschiedenen Größen und Plastikschlappen, auch in verschiedenen Größen. Beim Auspacken wurden die Augen der Kinder immer größer. Beide entschieden sich für die knallroten Hemden, auch wenn die etwas zu groß waren, suchten die Unterhosen raus, die am besten passten und zogen die Latzhosen an. Sie halfen sich gegenseitig, die Träger richtig einzustellen und die Hosenbeine umzukrempeln, da diese zu lang waren. Bei den Schlappen hatten sie mehr Glück, beide fanden ein Paar, das passte. Als sie angezogen waren fassten die Kinder sich an die Hände und sagten.
„So, wir können los“.
Fred war wieder an Hundewelpen erinnert, die beschlossen hatten, ihm zu vertrauen. Der Sicherheitsmann begleitete sie zum Fahrstuhl, der sie in die Nähe des Wartebereiches brachte. Als sie unten waren, fragte das Mädchen:
„Hohlt ihr auch unsere Ellimama ab?“
„Ist das die Frau, die mit euch zusammen war?“ Beide nickten. „Wir durften heute nur euch abholen. Eure Ellimama möchten wir auch zu uns hohlen, die durften wir aber noch nicht abholen, das kann leider noch dauern,“ sagte Titus. Er hatte nach der Frau gefragt, und nur die Zusicherung bekommen, dass sie eine Frau würden abholen können. Wenn es nicht die „Ellimama“ war, war vielleicht ein Tausch möglich. Denn die drei gehörten zusammen. Aber das wollte er den Kindern noch nicht erzählen. Die vier stellten sich vor und die Kinder nannten auch ihre Namen. Der Junge hieß Kim und das Mädchen Kathi. Dann gingen sie zu ihrem Solaro, dessen Akkuanzeige jetzt auf „voll“ stand. Titus setzte sich wieder ans Steuer, die Kinder nahmen auf der Rückbank zwischen Fred und John Platz.
Als sie ins Freie fuhren, sahen sich die beiden voller Staunen um.
„Bei euch ist das ja ganz schön trocken und warm“ sagte Kim, als er das steppenartige Land neben der Straße sah.
„Ja, viel Wasser gibt es nicht. Unsere Farm ist aber bei den Bergen, da ist es feuchter und grüner“ erklärte Titus.
„Was habt ihr denn für eine Farm? Tiere oder Pflanzen?“ fragte Kim weiter.
„Wir haben hauptsächlich Pferdezucht, aber auch Schweine, Ziegen, Hunde und ein paar andere Tiere“ antwortete Fred.
„Und wie lange dauert es noch?“ fragte Kathi.
„Wir sind noch ein paar Stunden unterwegs, wir werden sicher die halbe Nacht durchfahren. Aber sowie wir die Stadt hinter uns gelassen haben, machen wir eine Rast,“ sagte Titus, der als Fahrer auch die nächste Rast bestimmen konnte. Hinter der Milizkontrolle war ein Rastplatz mit Wasserpumpe und einigen in den Boden gegrabenen Abortstellen, die an drei Seiten mit Wellblech als Sichtschutz ausgerüstet waren. Titus hielt an,
„Alles aussteigen. Erste Rast auf dem Weg zur BurgBergFarm.“
Alle stiegen aus und John packte den Proviant aus. Auf dem Hinweg hatten sie nur wenig gegessen, sie waren zu nervös gewesen. Die Kinder trauten sich erst nicht, was zu nehmen. Da goss John ihnen jeder einen Becher voll mit Brühe aus der Warmhaltekanne ein und legte mehrere Plätzchen auf eine Serviette und gab es ihnen.
„Da, probiert mal. Ihr seht so aus, als ob ihr etwas Gutes zu essen vertragen könnt.“ meine er. Die Kinder tranken die Brühe in kleinen Schlucken und knabberten die Plätzchen.
„Mmmhhh, lecker.“ sagten beide. Dann fragte Kathi:
„Gibt es hier auch eine Toilette“ und Fred begleitete sie zum Abort und zeigte ihr danach, wie sie sich zum Händewaschen Wasser pumpen konnte.