Challenge for Love - Cornelia Härtl - E-Book

Challenge for Love E-Book

Cornelia Härtl

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Beschreibung

Humorvoller Liebesroman in der Kulisse einer Datingshow. Für wen stehen die Sterne in der Liebe günstig? Wer findet sein Glück bei der Datingshow Sternzeichen Amor? Wem winkt ein Happy End? Venus verspricht Liebesglück. Doch leider nicht für Sophie. Pleite, single und demnächst arbeitslos stolpert sie versehentlich ins Casting der Datingshow Sternzeichen Amor. Dort passt der schüchterne Tollpatsch so gar nicht hinein. Da sind sich (fast) alle einig. Sophie jedoch wittert nach anfänglichem Schrecken in der unerwarteten Herausforderung die Chance, ihr Leben von Grund auf zu verändern – und sich dabei Showteilnehmer Chris zu schnappen. Da scheint Herzschmerz vorprogrammiert, denn Sophies Schwarm hat ausgerechnet an ihrer Erzrivalin, der ebenso temperamentvollen wie selbstbewussten Fiona, einen Narren gefressen. Deswegen aufzugeben kommt für Sophie dennoch nicht infrage. Ihr Ziel vor Augen lernt sie Runde um Runde, sich zu behaupten, und erkennt schon bald: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Doch reicht es, um Chris' Herz zu erobern? Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bei HarperCollins/books2read erschienen Titels "Mr. Right fällt nicht vom Himmel".

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Ein humorvoller Liebesroman in der Kulisse einer Datingshow.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Zwei Wochen später
Dank
An meine Leser*innen
Impressum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Challenge for Love

Datingshow mit Hindernissen

Cornelia Härtl

 

 

 

 

 

 

Für Wolf-Ingo

Mein Highlight unter den Sternzeichen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Überarbeitete Version des

2018 bei HarperCollins/books2read erschienenen Titels

„Mr. Right fällt nicht vom Himmel“

 

 

 

Text 2018/2022 © Cornelia Härtl

Korrektorat: sks-heinen.de

Cover: AK-Buchcover.de

Hearts: pixabay.de

 

 

Das Werk unterliegt dem Urheberrecht.

Es darf, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Autorin wiedergegeben werden.

 

 

 

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind fiktiv.

Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen,

ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

 

 

Ein humorvoller Liebesroman in der Kulisse einer Datingshow.

 

Venus verspricht Liebesglück.

Nur nicht für Sophie.

Pleite, single und demnächst arbeitslos stolpert sie ins Casting der Datingshow Sternzeichen Amor. Dort passt der schüchterne Tollpatsch so gar nicht hinein. Da sind sich (fast) alle einig. Sophie jedoch wittert nach anfänglichem Schrecken in der unerwarteten Herausforderung die Chance, ihr Leben von Grund auf zu verändern – und sich Showteilnehmer Chris zu schnappen. Der hat nur ausgerechnet an ihrer Erzrivalin, der ebenso temperamentvollen wie selbstbewussten Fiona, einen Narren gefressen.

Runde um Runde muss Sophie lernen, sich zu behaupten, und erkennt schon bald: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!

 

 

 

Kapitel 1

 

Sophie Mahlmann drehte das Autoradio lauter und fiel mit fröhlicher Stimme in den Song ein, der auf ihrem Stammsender lief. Ihre Finger tanzten auf dem Lenkrad mit. Dass an diesem herrlich klaren Märztag vor wenigen Minuten die Sonne durch die Wolkendecke gebrochen war und die gewundene Straße vor ihr in helles Licht tauchte, beflügelte sie gleich noch mehr. Nicht dass sie Grund gehabt hätte, lauthals Lieder über Glück und Gelassenheit mitzusingen. Oder gar herumzutanzen, wie sie es innerlich tat. Im Gegenteil. Würde sie ihre aktuelle Situation beschreiben, gäbe es überall lediglich Fragezeichen, Sturmzeichen, Daumen runter. Seit über zwei Jahren war sie Single und mit diesem Zustand nicht glücklich, demnächst arbeitslos, ohne nennenswerten Ersparnisse. Nicht genug damit, dass sie von ihrer Situation genervt war. Sie hatte darüber hinaus keine Ahnung, wie sie das ihrer überaus anstrengenden und anspruchsvollen Stiefmutter erklären sollte. Ihr Vater würde sich erfahrungsgemäß eher auf deren Seite schlagen. Das tat er, seit er diese, seine zweite, Ehe geschlossen hatte. Kein Wunder, Franziska war energisch genug gewesen, den zum damaligen Zeitpunkt seit fünf Jahren trauernden Witwer aus seinem Schneckenhaus zu holen. Sie war ebenfalls energisch genug, um mit ihm das Leben zu führen, das ihr gefiel. Das ihm nun gefallen musste. Sophie hatte dabei den Eindruck, dass es ihm nicht schwerfiel, sich seiner neuen Liebe anzupassen.

Er war einfach zu lange allein.

Ob es ihr auch einmal so gehen würde? In ihrem Alter war sie weit davon entfernt, Torschlusspanik verspüren zu müssen. Trotzdem nagte es an ihr, dass zurzeit so wenig in ihrem Leben zu klappen schien. Das Lied war zu Ende und sie seufzte beim Gedanken an den bevorstehenden Besuch. Ihr Vater hatte erfreut geklungen, als sie sich angekündigt hatte. Aber was würde er sagen, wenn sie ihm erzählte, dass ihr Praktikum – es war bereits das vierte seit der Beendigung ihres Germanistikstudiums – wieder einmal nicht in ein festes Arbeitsverhältnis münden würde? Dass sie sich seit Wochen die Finger wund schrieb mit Bewerbungen? Und das bislang ohne Aussicht auf Erfolg. Meistens hatte sie nicht einmal eine Antwort erhalten. Es war zum Haareraufen. Kein Trost, dass es einigen ihrer ehemaligen Studienkolleginnen ähnlich ging. Dabei würde sie in zwei Jahren eine 3 auf der Geburtstagstorte stehen haben. Vorne!

Das Grün der Landschaft um sie herum stimmte sie versöhnlich. Noch ein paar Kilometer, dann war sie am Ziel. Egal, wie wenig erheiternd es war, was sie ihrem Vater über ihr Leben berichten konnte, sie freute sich auf ein langes und hoffentlich ungestörtes Gespräch nach dem Abendessen und einen langen Spaziergang am nächsten Tag mit ihm. Dann würde sie zurückfahren nach Köln, in ihre Miniwohnung, und sich auf die letzte Woche im Anwaltsbüro Hagenberg & Partner vorbereiten. Kein glamouröser Job, sie war dort eher Mädchen für alles. Aber sie hätte eine feste Assistenzstelle mit Handkuss genommen, auch wenn sie dafür überqualifiziert war.

Sie nahm die letzte Kurve vor Klein-Hainbach mit Schwung und dann lag, nach einer rund eineinhalbstündigen Fahrt, das idyllische Dorf vor ihr. In eine Senke gebettet, von einem hohen Kirchturm überragt, umrundet von Feldern und Wiesen. Der Alterssitz ihres Vaters, der so alt zwar noch gar nicht war, jedoch beschlossen hatte, in seiner Kanzlei als Notar lediglich noch gelegentlich beratende Funktion einzunehmen und den Rest die Jüngeren machen zu lassen. In der Dorfmitte angekommen, bog Sophie an der Hauptstraße rechts ab, danach noch zweimal links. Jetzt fuhr sie durch eine gepflegte Gegend mit Ein- und Zweifamilienhäusern, die von säuberlich gestutzten Rasenflächen und kunstvoll angelegten Gärten umgeben waren. Sie stoppte den Wagen direkt vor dem Haus ihres Vaters. Es war ein einstöckiger Bau aus braunem Naturstein und einem tiefgezogenen Dach. Bevor sie ausstieg, blieb sie noch kurz sitzen. Hörte dem leisen Ticken zu, mit dem der Motor ihres alten Pandas abkühlte. Dann griff sie nach hinten und nahm den Weekender vom Rücksitz. Auf in den Kampf, dachte sie. Denn natürlich würde Franziska ebenfalls da sein und sie inquisitorisch ausfragen.

 

***

 

„Wie siehst du denn wieder aus?“

Diese Frage blieb unausgesprochen. Sie stand dafür umso deutlicher in Franziskas Augen zu lesen, als sie ihrer Stieftochter ansichtig wurde. Die trug die halblangen, blonden Haare offen und hinter die Ohren gestrichen, dazu kaum Make-up. Wenigstens hatte sie sich zur Feier des Tages in ihre neueste Jeans gezwängt und ein frisch gebügeltes Shirt darüber gezogen, das die paar Pfund, die sie zu viel auf den Rippen hatte, hoffentlich kaschierte.

Während Sophies Vater, dem ihr Äußeres völlig egal war, seine Tochter an sich zog und fest drückte, stand Franziska zwei Schritte schräg hinter ihm. Mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtete sie die Szene.

„Was macht der Job?“, fragte Franziska spitz. Sie umarmte Sophie nun ebenfalls, auf die übliche Art: Ihre Hände lagen auf den Oberarmen ihrer Stieftochter und hielten diese damit auf Abstand, während Franziska mit gespitzten Lippen zwei Küsse an Sophies Wangen vorbei in die Luft hauchte.

„Geht so“, antwortete Sophie und entwand sich dem Klammergriff.

„Hast du schon was Neues in Aussicht?“ Ihr Vater legte den Arm um die Schulter seiner Tochter und schob sie sanft ins Wohnzimmer hinüber. Dort war der Tisch gedeckt. Die Platte mit bunten Obsttörtchen sah verführerisch aus, Kaffeeduft lag in der Luft.

„Noch nicht“, musste Sophie zugeben.

„Ich habe Obst genommen. Wegen der Linie“, quäkte Franziska dazwischen. Nicht wegen ihrer eigenen, das war Sophie klar. Die zweite Frau ihres Vaters war gertenschlank. Kein Zufall, denn Franziska hielt eine eiserne Diät, ließ keine ihrer Pilatesstunden ausfallen und spielte mit fast schon an Fanatismus grenzender Freude drei Mal pro Woche Tennis.

Kurz, sie verkörperte all das, was Sophie fehlte. Die hatte, für Franziskas Verständnis, keinen Plan, keinen Ehrgeiz, keine Disziplin. Genauso hatte es Sophies Stiefmutter ihrem Vater einmal geschildert. In einem unbeobachtet geglaubten Moment in der Küche. Dieses vernichtende Urteil hatte sie unterstrichen, indem sie die vermeintlichen Defizite ihrer Stieftochter an den Fingern aufgezählt hatte – ohne Zweifel daran zu lassen, dass jederzeit Fortsetzungen folgen könnten.

Es war einfach so, dass Franziska und Sophie nichts verband. Da sie aber, auf unterschiedliche Weise, denselben Mann liebten, konnten sie sich nicht aus dem Weg gehen. Doch während Sophie zurückhaltend war, teilte Franziska immer wieder gerne Spitzen aus.

Ignorieren! Jedenfalls jetzt noch. Irgendwann verpasst du ihr auch mal eine. Aber zurzeit sitzt sie am längeren Hebel. Das war Sophies innere Stimme, Izzy genannt, die da sprach. Sie hatte recht, wie so oft.

Immer, wenn Sophie kurz davor war zu explodieren, sah sie ihren Vater an. Er wäre der Leidtragende bei einem offenen Streit zwischen seiner Tochter und seiner Ehefrau. Das wusste Sophie. Darum hielt sie den Mund auch in Situationen, in denen sie am liebsten mit dem Fuß aufgestampft und ihrer Stiefmutter mal richtig die Meinung gegeigt hätte. Trotz alledem wurde es dann doch ein leidlich angenehmer Nachmittag. Abends kochte Franziska ein leichtes Hühnchengericht und am nächsten Morgen hatte Sophie ihren Vater bei einem Spaziergang ganz für sich.

„Brauchst du Hilfe? Kann ich dich in irgendeiner Form unterstützen?“, fragte er sie ganz geradeaus, als sie sich wieder dem Haus näherten. Beinahe hätte sie laut „Ja“ gesagt, ach was, geschrien! Doch sie besann sich rechtzeitig eines Besseren.

Sie war alt genug, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie wusste noch nicht genau, wie es weitergehen sollte. Aber es musste weitergehen. Gleich am nächsten Tag wollte sie sich mit frischem Schwung an weitere Bewerbungen machen. Wenn sie den erst mal hatte, würde sich auch die chronische Ebbe auf ihrem Konto verwandeln. Sicher nicht gerade in eine Flut, aber ihr wäre es schon genug, nicht immer auf extremer Sparflamme leben zu müssen.

 

***

 

Beseelt von ihren eigenen Vorsätzen fuhr sie am Sonntagnachmittag nach Köln zurück. Ihr Vater stand auf der Straße und winkte ihr so lange hinterher, bis sie endgültig aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Sophie musste schlucken, es tat gut, wenigstens eine Herzenskonstante im Leben zu haben.

Es war ein schöner Tag, hell und klar. Bis sich wie aus dem Nichts dunkle Wolkentürme vor die Sonne schoben. Gefolgt von einem heftigen Wolkenbruch, der die Landstraße vor ihr in einen langen grauen Fluss zu verwandeln schien, auf dem ihr kleiner Wagen bedenklich ins Schleudern geriet. Sie hatte ihn nach einem Ausrutscher gerade wieder in die Spur gebracht, als ein dunkler SUV an ihr vorbeischoss. In Blitzgeschwindigkeit schleuderte er einen Schwall Wasser auf ihre Windschutzscheibe, sodass sie einen Moment lang wie blind fuhr und erneut ins Schleudern geriet. Dieses Mal schaffte sie es nicht mehr, den auf der Regennässe tanzenden Wagen einzufangen. Beim Versuch, nicht im Graben zu landen, fuhr sie mit einem lauten Krachen gegen einen Pfosten am Straßenrand, wurde heftig nach vorn geschleudert und schlug sich schmerzhaft den Kopf an. Mit einem unangenehmen Geräusch würgte der Motor ab. Um sie herum nur Wind, Regen, sonst nichts.

Verflucht, das konnte doch nicht wahr sein! Vor ihren Augen tanzten kleine Sternchen, an ihrer Stirn wuchs spürbar eine Beule. Sie benötigte einige Minuten, um zu realisieren, was geschehen war. Mühsam kletterte sie aus dem Wagen. Was sie sah, hätte sie fast zum Heulen gebracht. Die vordere Stoßstange war total verbeult, einer der Vorderreifen platt. Hatte sie einen Ersatzreifen dabei? Wenn ja, würde sie ihn überhaupt wechseln können? Sie nahm einen alten Hoodie vom Rücksitz. Trotz der Kapuze war sie bereits pitschnass, als sie den Kofferraumdeckel aufzog. Beschämt blickte sie auf das Durcheinander, das dort herrschte. Irgendwo musste doch ein Wagenheber sein! Eilig räumte sie leere Mineralwasserflaschen, einige Plastiktüten und eine löchrige Picknickdecke – wann hatte sie die eigentlich das letzte Mal benutzt? Sie konnte sich nicht erinnern – zur Seite und beugte sich in den Kofferraum hinein, als neben ihr ein Wagen hielt.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Der Typ in dem dunkelblauen BMW hatte das Seitenfenster heruntergelassen und sah fragend zu ihr herüber. Einen Moment lang kämpfte Sophie mit ihrem Stolz. Es war überhaupt nicht ihre Art, Fremde um etwas zu bitten. Dazu noch bei einem solchen Sauwetter. Tatsache war aber, dass sie für den Reifenwechsel vermutlich Stunden brauchen würde. Und sie war nass bis auf die Haut.

„Ich habe einen Platten“, rief sie dem Mann zu. Der lenkte seinen Wagen schräg vor ihrem auf die Seite, sprang heraus und holte als Erstes ein Warndreieck aus seinem Kofferraum. Nachdem er es vorschriftsmäßig platziert hatte, kam er zu ihr zurückgetrabt.

„Haben Sie einen Ersatzreifen?“

Sophie, die sich erneut im Inneren des Kofferraums zu schaffen gemacht hatte, richtete sich auf. „Bong“ machte es, als ihr Kopf gegen den Kofferraumdeckel stieß.

„Autsch“, machte er und verzog das Gesicht, als spüre auch er ihren Schmerz.

„Verdammt“, rief Sophie aus, dann nichts mehr. Gerade, dass sie es noch schaffte, ihren Mund wieder zuzuklappen, als sie den Fremden nun das erste Mal richtig ansah.

Er war sicherlich einen Kopf größer als sie, sportlich-schlank mit breiten Schultern. In seinen graugrünen Augen meinte sie ein Lächeln zu sehen, sein Haar war dunkel, ob tatsächlich oder lediglich durch den Regen, konnte sie nicht erkennen. Der Typ war der Hammer! Sophie schluckte, als er sich an ihr vorbei in ihren Kofferraum beugte. Sein Duft, männlich und herb, streifte kurz ihre Nase und brachte alles in ihr zum Kribbeln. Es war, als habe sie Kokain geschnupft, jedenfalls stellte sie es sich so vor. Himmel! Sie schüttelte dieses unangebrachte Gefühl ab und besann sich auf die Situation.

„Dann wollen wir mal.“ Er sah sie kaum an. Griff an ihr vorbei nach dem Reserverad, rollte es die Straße entlang und holte danach einen Wagenheber aus seinem eigenen Wagen. Gottlob schloss der Himmel just in diesem Moment seine Schleusen. So, als habe dort oben jemand das Wasser abgedreht. Die Sonne brach durch die Wolken und verwandelte die Landschaft um sie herum in eine Symphonie aus Grüntönen. Alles sah aus wie frisch gewaschen. Es roch nach nasser Erde, Gras und irgendetwas Würzigem. Sophie jedoch schenkte ihrer Umgebung wenig Aufmerksamkeit. Sie konnte nicht anders, als ihrem Retter zuzusehen. Dabei stiegen in ihrem Kopf Fantasien auf, die sich eindeutig von der Situation – Panne, Regen, Landstraße – wegbewegten in deutlich angenehmere Gefilde. Sie betrachtete die schlanken Muskeln der braun gebrannten Unterarme, die schön geformten Hände, die aussahen, als könnten sie nicht nur beim Reifenwechsel beherzt zupacken, sondern noch ganz andere, wunderbare Dinge tun. Sie blickte auf seinen Rücken, als er neben ihr in die Knie ging, um den Wagenheber anzusetzen. Als sich dann auch noch ihre Finger berührten, durchfuhr etwas wie ein Stromschlag ihren Körper. Viel zu schnell war der Ersatzreifen angebracht und der Reifen mit dem Platten in ihrem Kofferraum verstaut. Der Fremde zog ein Tuch aus seinem Wagen und rieb sich die Hände sauber. Sie hatten während des Reifenwechsels kaum mehr als zwei, drei Sätze gewechselt. Während er nun sein Warndreieck verstaute, den Kofferraumdeckel zuschlug und sich zu ihr umdrehte, wollte sie etwas Witziges sagen. Oder etwas Kluges. Oder irgendetwas. Stattdessen starrte sie ihn einfach nur an.

„So, das sollte erst einmal gehen. Fahren Sie jetzt nicht zu schnell und am besten gleich morgen in die Werkstatt Ihres Vertrauens. Ich muss leider, hab’s eilig. Gute Fahrt!“ Er hob noch kurz die Hand zum Abschied, dann war er weg.

 

***

 

Sophie konnte es nicht fassen. Ihre Schüchternheit ging ihr schon lange auf die Nerven, aber bisher noch nie derartig wie nach der Begegnung mit dem Fremden auf der Landstraße. Dass sie beim Anblick eines solchen Kerls noch nicht einmal den Mund aufbekommen hatte! Er musste sie für ein Landei oder eine trübe Tasse halten. In ihrer Wohnung angekommen, riss sie sich sofort die klitschnassen Kleider vom Leib. Unwillkürlich musste sie beim Blick in den Spiegel seufzen. Die feuchten Haare hingen ihr ins Gesicht, um die blauen Augen klebten dunkle Balken von verschmierter Wimperntusche, unter ihren Nägeln schimmerte es schwarz. Und der alte Hoodie, der für alle Fälle immer auf dem Rücksitz lag, hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Kein Wunder, dass Mister Wonderful gleich wieder davongedüst war. So jemand spielte in einer anderen Liga.

„Du musst einfach mehr aus dir machen“, höhnte Franziskas Stimme in ihrem Ohr. „Eine Frau sollte stets und in jeder Situation aussehen wie aus dem Ei gepellt.“

Nichts traf weniger auf Sophie zu. Ständig hing ihr eine Strähne ins Gesicht, lief eine Laufmasche über ihren Strumpf, brach ein Nagel im ungünstigsten Moment. Sie konnte über Franziska denken, was sie wollte, aber eines musste sie zugeben: dass ihre Stiefmutter in jeder Situation beneidenswert perfekt aussah. Und scheinbar immer genau zu wissen schien, wie man das erreichte, was man sich vorgenommen hatte. Siehe die Heirat mit Sophies Vater. Sie verzog beim Gedanken daran leicht den Mund. Die ganze Sache zeigte eindringlich, dass Väter gewisse Dinge völlig anders sahen als ihre erwachsenen Töchter.

Egal, sie würde sich am nächsten Tag gleich noch einmal in das Abenteuer der Stellensuche stürzen. Nicht nur, um beim nächsten Besuch bei ihrem Vater nicht wieder wie ein Häuflein Elend aufzutauchen.

Aber heute hatte sie genug von Anstrengung und Aufregung. Sophie beschloss, vor dem morgigen Kraftakt den Tag gemütlich ausklingen zu lassen. Sie ließ ein heißes Bad einlaufen und kippte den letzten Rest eines sündhaft teuren Badeschaums hinein. Ein Geburtstagsgeschenk ihres Vaters vom letzten Jahr, das den Duft von Maiglöckchen und Flieder in ihrem Badezimmer verströmte. Dazu zündete sie zwei Kerzen an und löschte das Deckenlicht, bevor sie in dem duftenden Schaumberg versank. Sie schloss die Augen und versuchte, an nichts zu denken. Es gelang ihr nicht. Immer wieder schob sich das Bild des Mannes vor ihr inneres Auge. Im Gegensatz zur Realität konnte sie ihn nun in Ruhe betrachten. Bewundern wäre der richtigere Ausdruck gewesen. Wie sich die Muskeln, die sich so deutlich unter seinem Hemd abgezeichnet hatten, wohl unter ihren Fingern anfühlten? Sie streckte die Hand aus, tastete durch den Badeschaum, der leise unter ihrer Berührung knisterte. Ganz zart nur. Im Gegensatz zu ihren tagträumerischen Gedanken. Sie öffnete die Augen und starrte ins Licht der Kerzen. Das tanzte in einem kaum wahrzunehmenden Luftzug und verwandelte das kleine Badezimmer in ein höchst romantisches Boudoir. Auf einmal befand Sophie sich in einem Film. Ihrem ganz privaten Liebesfilm. In dem sie die Regisseurin war. Dazu gleichzeitig die Hauptdarstellerin …

Jemand flüsterte ihr etwas ins Ohr.

„Was machen Sie denn hier?“, fragte sie überrumpelt.

Statt einer Antwort hob er die Hand und streichelte sanft über ihre Wange. „Ich wollte mich vergewissern, dass du gut nach Hause gekommen bist.“ Seine Finger strichen kühl über ihre warme Haut.

„Woher wissen Sie … weißt du, wo ich wohne?“ Sophie sank tiefer in den Badeschaum. Sie hoffte, dass er das heftige Schlagen ihres Herzens nicht hörte. Obwohl es das ganze Zimmer zu füllen schien, sogar den Schaum in Bewegung setzte, von den Kacheln widerhallte. „Klopf, klopf, klopf.“

Er lächelte und ließ seine Hand auf ihre Schulter gleiten, der Daumen kreiste auf ihrer feuchten Haut. Die graugrünen Augen waren auf einmal dicht vor ihren. Ein Schwindel erfasste sie, als die Hände, die am Nachmittag so mühelos einen Reifen gewechselt hatten, nun die Haut ihrer Oberarme berührten. Ins Badewasser glitten und bis zu ihren Fingerspitzen hinabfuhren. Diese anhoben und zu Lippen führten, die sie eine nach der anderen küssten. Erst die der rechten, dann die der linken Hand. In Sophies Bauch wurde es wohlig warm. Es war die Art von Wärme, die ganz schnell in ein loderndes Feuer umschlagen konnte. Sie schloss die Augen und riss sie gleich wieder auf. Nicht, dass ihr dieser tolle Kerl verlustig ging. Sie spürte seinen Atem an ihrem Ohrläppchen, seine Hand glitt tiefer, berührte ihre Hüfte. Ein verlangendes Seufzen lag in der Luft, als sie seine Fingerkuppen auf ihren Schenkeln spürte. Ihr war, als hätte er sie hochgehoben und durch die Luft gewirbelt. Ihr Atem ging schneller. Seine Lippen streiften ihren Hals, er begann sie dort zu küssen. Sophie wollte die Arme heben, um ihren nächtlichen Besucher dichter an sich zu ziehen. Doch etwas hielt sie fest, war er es? Sein leises Lachen erklang an ihrem Ohr. Dann lagen seine Lippen auf ihren. Ein Kuss, der ihr schier die Besinnung raubte, sodass sie zum zweiten Mal an diesem Tag glaubte, Sternchen zu sehen. O wow!

Weiter gestattete sie sich an diesem Abend noch nicht zu fantasieren. Es war auch so aufregend genug! Als das Wasser erkaltet war, stieg sie aus der Wanne. Sie rubbelte sich trocken, ging in die Küche, trank einen heißen Kakao und kroch früh ins Bett. Morgen war schließlich der erste Tag der letzten Woche ihres ablaufenden Praktikums und sie hatte noch recht viel Papier auf ihrem Schreibtisch liegen. Dazu würde sie ihre nächste Bewerbungsoffensive starten. Arbeitsreiche Tage lagen vor ihr und sie hatte vor, keine Minute zu verschwenden.

 

Kapitel 2

 

„Ich stehe kurzfristig zur Verfügung und würde mich über die Gelegenheit zu einem persönlichen Kennenlernen sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen …“

Sophie setzte ihre digitale Unterschrift unter das Bewerbungsschreiben, fügte Lebenslauf und Zeugniskopien als Anhang bei und drückte auf „senden“. Es war die fünfte Bewerbung an diesem Montag. Dieses Mal waren es keine Ausschreibungen gewesen, auf die sie antwortete, sondern Initiativbewerbungen. Gemäß dem Motto eines Leitfadens mit dem Titel „Den richtigen Job finden und glücklich arbeiten“, der anriet, Bewerbungen an Unternehmen zu senden, die man selbst gut fand. Auch wenn dort keine Stellen ausgeschrieben waren. „Seien Sie schon da, bevor man dort weiß, dass man Sie braucht! Nur wer wagt, der gewinnt!“, hieß es in dem Buch.

Sophie saß am Küchentisch, draußen war es bereits dunkel. Sie trank den Rest Wein aus, den sie sich an diesem Abend gegönnt hatte. Dann streckte und reckte sie sich und klappte den Laptop zu. Genug für heute. Im Büro war es anstrengend gewesen. Es schien, als ob die Kanzlei, die ja über das Praktikum hinaus keine Verwendung für sie zu haben schien, noch einmal alles, was zu erledigen war, auf ihren Schreibtisch ablud. Sophie tippte, telefonierte, archivierte im Blitztempo. Sie hatte an diesem Tag keine freie Minute gehabt. Selbst eine richtige Mittagspause war nicht drin gewesen. Dafür die Ankündigung, es gäbe für den Rest der Woche noch einiges zu tun.

Unverschämtheit, hatte die kleine renitente Stimme in ihrem Inneren gerufen. Izzy war der Teil von ihr, den sie normalerweise gut vor anderen Menschen verbarg. Sie war nicht annähernd so zurückhaltend wie Sophie. Sie ließ sich nichts gefallen. Sie schlug zurück und manchmal kam sie mit ihrem frechen Mundwerk anderen zuvor. Besonders solchen Menschen, die Sophie unterbuttern wollten. In solchen Momenten lief Izzy zu Hochform auf und sagte, wo es langging. Doch leider lief dieser Dialog stets still und stumm in Sophies Kopf ab. So wie heute. Sie seufzte und überlegte, ob sie noch ein bisschen fernsehen sollte. Nur, um festzustellen, dass sie nichts von dem, was lief, wirklich interessierte.

So kroch sie auch an diesem Abend früh ins Bett und träumte von all den schönen Dingen, die sich Frauen in ihrem Alter eben wünschten: einem gut aussehenden Lover – sie hatte dem Schicksal da gleich einen Vorschlag zu präsentieren –, einem tollen Job mit entsprechender Kohle und einem Traumurlaub – wobei sie sich hinsichtlich der Ziele nicht wirklich entscheiden konnte. Karibik? Hawaii? Portofino? Sie war gedanklich gerade auf einem Traumstrand auf den Malediven angekommen, als sie einschlief. Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen.

 

***

 

Die letzte Woche ihres vorläufig letzten Praktikums war zu Ende gegangen. Ihre Chefin war am Freitag nicht im Büro anwesend und die anderen, festangestellten Kollegen bereits Stunden vorher ins Wochenende gestartet, als Sophie abends kurz nach sechs beim Pförtner den Schlüssel abgab.

„Schönes Wochenende“, wünschte er ihr. „Bis Montag.“

Sie winkte matt ab. „Mein Praktikum ist zu Ende“, informierte sie den Mann. Der wirkte betreten. Nicht einmal einen Blumentopf oder eine Flasche Wein hatte man ihr zum Abschied überreicht. Nach einem Jahr, in dem sie sich wirklich angestrengt, etliche Überstunden gemacht und bis zum Schluss still auf eine Festanstellung gehofft hatte.

Still! Genau! Du hättest viel mehr auf dich aufmerksam machen müssen, schalt Izzy sie, nicht zu Unrecht. Man bekommt im Leben nur das, wonach man fragt! Zu spät. Nun war auch dieser Abschnitt ihres Berufslebens vorbei. Zu Hause fielen ihr aus dem Briefkasten zwei dicke Umschläge entgegen. Sie riss sie noch im Hausflur stehend ungeduldig auf. Enttäuschung machte sich gleich darauf in ihr breit. Es waren Absagen auf zwei vor Wochen eingereichte Bewerbungen. Der Rest der Post bestand aus einer Rechnung, zwei Mahnungen und einem Werbeprospekt. Mit hängenden Schultern stieg sie die Treppe bis zu ihrer Wohnung hinauf, hängte ihre Tasche an die Garderobe und warf sämtliche Briefe auf den Küchentisch.

„Jetzt bin ich also arbeitslos“, murmelte sie tonlos. Tatsächlich hatten sich ihre bisherigen Stellen immer nahtlos aneinandergereiht. Doch nun schien diese Kette gerissen zu sein. Da sie sich ihren Urlaub hatte auszahlen lassen – Geld war in ihrer unklaren Situation besser und sie hätte es sich sowieso nicht leisten können wegzufahren –, war dieser letzte Arbeitstag auch der letzte Tag ihrer Anstellung. Und nun? Musste sie wohl oder übel den Gang zum Jobcenter antreten. Etwas, das sie gerne vermieden hätte. Missmutig streifte Sophie die Schuhe von den Füßen und plumpste auf ihr Sofa. Düster sah es in ihr aus. Kein Wunder, so ungewiss, wie ihre Zukunft ihr erschien.

Nach einer Weile, in der sie sich ihr ab sofort freudloses Leben in den dunkelsten Farben ausgemalt hatte, durchzuckte sie doch noch so etwas wie Hoffnung. Denn noch war nicht alles verloren. Ob jemand auf ihre kürzlich per E-Mail eingereichten Bewerbungen geantwortet hatte? Sie klappte den Laptop auf.

„Sie haben zwölf neue Nachrichten“, verkündete ihr Postfach. Eifrig scrollte sie durch ihren Eingangsordner und überflog die Betreffzeilen. Jemand wollte ihr Passwort fürs Online-Banking, eine andere Nachricht versprach einen Riesengewinn, wenn sie einen bestimmten Anhang öffnen würde. Sophie schüttelte entrüstet über so viel Unverschämtheit den Kopf und löschte die Nachrichten ungelesen. Der Rest bestand aus Newslettern und Angeboten von Online-Shops. Enttäuscht starrte sie auf den Bildschirm. Keine Antwort auf ihre Bewerbungen. Kein Job in Aussicht! Gerade, als sie den Laptop wieder zuklappen wollte, verkündete ein lautes „Pling“ den Eingang einer weiteren Nachricht.

„Ihre Bewerbung bei TV15“ lautete der Betreff. Sophie starrte die Nachricht sekundenlang an, bevor sie sie öffnete. TV15. Genau, auch dorthin hatte sie ihre Unterlagen geschickt. Was, wenn es eine Absage war? Doch bereits der erste Satz sorgte für helle Aufregung und erfreutes Herzklopfen.

„Wir sind happy, dir mitteilen zu können, dass du in die engere Wahl gekommen bist“, verkündete man ihr. Sophie war etwas irritiert über den flapsigen Ton, den der Absender anschlug. Vielleicht war das üblich in der TV-Branche. Ähnlich wie in der Werbeagentur, in der sie einmal ein halbes Jahr als Mädchen für alles gejobbt hatte.

„Du bist flexibel, und genau das brauchen wir. Das Casting findet am Montag um elf Uhr im Palace Hotel statt. Bitte fülle die beigefügte Liste aus und bringe sie zum Termin mit.“

Casting? Nannte man in der Fernsehbranche ein Vorstellungsgespräch jetzt so? Merkwürdig, aber das Leben bot eben immer wieder Überraschungen. Sophie zuckte mit den Schultern. Sie klickte die Anlage an und druckte sie aus. Drei Seiten voller Fragen, die sie staunend überflog. Dass man nach Vorstrafen, Sprachkenntnissen und Reisebereitschaft fragte, leuchtete ihr ein. Aber wozu wollte das Unternehmen ihre Konfektionsgröße wissen? Oder, ob sie an Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten litt? Sie beugte sich vor und zog die Zeitung mit dem Fernsehprogramm heran. TV15 war ein privater Sender, auf dem sie gerne ihre Serien guckte. Daneben gab es jede Menge Unterhaltung wie Kochshows und Reiseberichte.

„Natürlich, die werden vielleicht jemanden suchen, der bei diesen Formaten mitarbeitet.“ Sie wurde auf einen Schlag total aufgeregt. Das schien ja eine tolle Stelle zu sein, die man ihr da anbieten wollte. Eifrig las sie weiter und auch wenn es auf dem Formular noch eine Reihe von Fragen gab, für die sie keine wirkliche Erklärung fand, machte sie sich doch sofort daran, den Fragebogen von vorne bis hinten auszufüllen. Schließlich wollte sie beim Vorstellungsgespräch den bestmöglichen Eindruck machen. Dazu war sie auf Franziskas Blick gespannt, wenn sie beim nächsten Besuch auf dem Land von ihrer tollen, aufregenden Stelle – denn nur um eine solche konnte es sich bei diesen Vorzeichen handeln – erzählen würde. Ein Lächeln stahl sich auf Sophies Lippen. Sie hatte nicht wirklich die Wahl. Aber sie wollte dieses Ding hier rocken! Ihr Wochenende war gerettet!

 

***

 

Am Montag um halb elf setzte Sophie ihren Wagen so schwungvoll, wie sie sich an diesem Morgen fühlte, in eine der für Gäste reservierten Parkbuchten vor dem Palace Hotel in der Innenstadt. Das ganze Wochenende über hatte sie überlegt, für welche Stelle genau sie wohl der private Fernsehsender interviewen wollte. Hoffentlich nicht wieder so ein dröger Bürojob wie in der Anwaltskanzlei. Sie hatte genug davon, Akten hin und her zu schleppen, Schriftsätze zu tippen und Kaffee zu kochen.

„Dafür braucht man doch wohl kein Studium“, hatte ihre Stiefmutter dazu spitzzüngig gesagt. Sophie war darüber verärgert gewesen. Vielleicht genau deswegen, weil sie Franziska insgeheim recht geben musste. Nun hoffte sie auf Glück und bessere Zeiten. Sie sah sich schon lässig mit Promis plaudern und mit netten Kolleginnen abends in angesagten Bars abhängen. Mit diesen Hoffnungen im Kopf eilte sie zum Eingang. In der hellen und modern gestalteten Lobby verkündete eine Hinweistafel: „TV15 – Casting – Konferenzraum 3“. Sophie bog in die angegebene Richtung ab. So voller Vorfreude, dass sie unversehens mit einer anderen Frau zusammenstieß.

„Pass doch auf, du Trampel“, schnaubte die noch, bevor sie auch schon wieder weg war. Sophies Ärger flammte auf und verflog sofort. Sie wollte sich von einer arroganten Schnepfe auf keinen Fall den Tag verderben lassen. Doch so einfach war das nicht. Denn die Unbekannte, die in ihrem Alter zu sein schien, hatte es nicht nur ebenfalls eilig, sie schlug darüber hinaus denselben Weg ein. Augenblicke später trafen die beiden erneut aufeinander. Vor dem Konferenzsaal 3 war ein Tisch aufgebaut. Darauf stand ein flacher Karton, daneben lagen mehrere Stapel mit Unterlagen. Der Mann hinter dem Tisch mochte Anfang dreißig sein, trug sein Haar an den Seiten kurz, oben lang und schwungvoll nach hinten gekämmt. Zusammen mit der dunkel umrandeten Brille und dem Vollbart sah er aus wie einer der Hipster, die man Musikshows diverser Sender moderieren sah. Während Sophie die Tattoos auf seinem Unterarm bestaunte, bekam sie mit, wer die unfreundliche Frau vor ihr war.

„Fiona. Fiona Gerlach“, trompetete sie. Der Hipster suchte auf einem Blatt an seinem Klemmbrett ihren Namen. „Ich bin der weibliche Skorpion“, fügte sie glucksend hinzu. Der Typ nickte, setzte einen Haken auf sein Dokument und reichte der anderen Bewerberin ein Namensschild aus flachem Karton.

„Bitte gut sichtbar an der Bluse anbringen“, verkündete er mit sonorer Stimme und ernstem Blick. „Deinen Fragebogen hast du dabei?“

Fiona nickte und reichte ihm das Gewünschte. Er blätterte kurz durch die Papiere und bat die Frau, einen Moment zu warten, während er die Unterlagen in den Konferenzsaal brachte. Ausreichend Zeit für Sophie, ihre Mitbewerberin von oben bis unten zu betrachten. Die schwarzen High Heels, die diese Fiona trug, verursachten ihr schon vom Hinsehen Schwindelgefühle. Schöne Beine hatte sie, das musste man ihr lassen. Lang, gut geformt und herrlich gleichmäßig goldfarben gebräunt. Genau die Art von Bräune, die sich jede Frau insgeheim wünschte. Der kurze Rock ließ viel davon sehen. Dazu eine beneidenswert schlanke Taille und ein knackiger Apfelpo. Bis hier war Sophies Blick bereits gewandert, als Fiona Gerlach sich zu ihr umdrehte, wobei sie ihr langes schwarzes Haar mit Schwung über die Schulter warf. Die eng anliegende Bluse mit den drei offenen Knöpfen offenbarte Sophie, dass die Frau vor ihr auch oberhalb der Gürtellinie perfekt gebaut war. Lediglich den kühlen Blick aus den dunklen Augen und die leicht geringschätzig verzogenen vollen Lippen konnte man definitiv nicht als attraktiv bezeichnen.

„Ach, sieh an, das Trampel.“ Die Dunkelhaarige stützte die Hand in die Hüfte und musterte Sophie nun ihrerseits. Allerdings ganz ungeniert.

Sophie zog automatisch den Bauch ein. „Ich bin kein Trampel. Du bist doch auf mich draufgelaufen“, entgegnete sie empört.

„Pah!“, machte Fiona und grinste. „Du siehst aus wie Lieschen Müller aus Hintertupfing. Willst du dich etwa in diesem Aufzug bewerben?“

Genau das Gleiche hätte Sophie diese Fiona fragen können. Seit wann lief man bei Bewerbungsgesprächen ein wie ein Möchtegern-Model? Konnte man überhaupt anständig sitzen in einem derart kurzen Rock? Oder war es Kalkül und die Frau vor ihr hatte gar nicht vor, mit Ausbildung und Erfahrung zu punkten? Sondern suchte gleich den direkten Weg? Und hoffte dabei auf ein leicht zu beeindruckendes Gegenüber männlichen Geschlechts?

Izzy jedenfalls hatte bereits den richtigen Spruch auf der Lippe. Doch bevor Sophie die so unerfreulich begonnene Unterhaltung fortsetzen konnte, kam der vollbärtige Hipster zurück.

„Kannst gleich reingehen“, sagte er zu Fiona. Die stöckelte anmutig davon.

„So, und du bist wer?“ Die Augen hinter der schwarz gerahmten Brille schienen Sophie abzuscannen. War das Einbildung oder sah er sie dabei merkwürdig an?

„Sophie. Sophie Mahlmann. Sophie mit ph und Mahlmann mit h.“

„Aha“, murmelte es aus dem Vollbart heraus. „Du bist Sternzeichen Krebs?“

„Richtig“, entgegnete sie verunsichert. War das hier etwa ein esoterisch angehauchter Laden, in dem das Sternzeichen eine wichtigere Rolle spielte als ihre Fähigkeiten? Obwohl – was machte das schon aus. Bisher hatte sie sich immer unter Wert verkaufen müssen, wenn es jetzt um ihr Horoskop ging, sollte ihr das auch recht sein. Hauptsache, ein Job. Sie reichte dem Typ das ausgefüllte Formular. Er schaute flüchtig drüber.

„Bist ein bisschen zu früh dran“, brummte er, bevor er sie bat zu warten. Er deutete auf einen der Stühle, die auf der anderen Seite vor dem Eingang zum Konferenzraum standen. Sophie beobachtete, wie der Vollbärtige etwas in seine Unterlagen kritzelte, danach einen Kaffee holen ging und, im angrenzenden Gang auf und ab gehend, mit seinem Handy telefonierte. Die Minuten verrannen im Schneckentempo und Sophie wurde zunehmend unruhiger. Warum dauerte das da drin denn so lange? Bedrohliche Szenarien entwickelten sich in ihrem Kopf. Was, wenn diese Fiona den Job gerade in diesem Moment regelrecht an sich riss? An Selbstvertrauen mangelte es ihr nicht. Die würde keine Rücksicht nehmen, auf nichts und niemanden. Und warum auch. Sie waren alle Konkurrentinnen um diesen einen Job.

„Dauert es noch lange?“, fragte sie den Hipster halblaut. Der hatte wieder seinen Platz eingenommen und spielte in seinen Barthaaren herum. „Möglich. Du hast doch Zeit mitgebracht? Bist auf jeden Fall die Letzte vor der Mittagspause.“ Dann senkte er die Augen erneut auf sein elektronisches Spielzeug. Fünf Minuten danach flog die Tür endlich auf. Fiona Gerlach erschien, ein triumphierendes Lächeln auf den kirschroten Lippen. Mit weit ausholenden Schritten, die den engen Rock sichtlich an die Grenze seiner Belastbarkeit brachten, stolzierte sie an den beiden Personen vor dem Raum vorbei. Dem Vollbärtigen nickte sie zu, Sophie würdigte sie keines Blickes. Während der Typ ihre Unterlagen in den Konferenzraum brachte, brach Sophie bereits der Angstschweiß aus. Konnte sie den Auftritt dieser Hyäne in High Heels toppen? Oder würde man sie bereits nach wenigen Höflichkeitsfragen hinauskomplimentieren. Mit den Worten „Rufen Sie uns nicht an, wir rufen Sie an?“

„Du kannst jetzt reingehen.“

Sie blickte in die unbewegten Augen des Mannes mit dem Vollbart und erhob sich leicht zittrig.

„Nur Mut“, raunte er ihr zu und zeigte ein winzigkleines Lächeln. Dann klappte die Tür hinter ihr zu und sie stand in der Höhle des Löwen.

 

***

 

Der Konferenzraum war nicht groß, man hatte dennoch den größten Teil der Tische und Stühle an die Wände geschoben. Auf einem Sideboard gluckerte eine Kaffeemaschine und verbreitete einen aromatischen Duft. Daneben stand eine ganze Batterie von Mineralwasser- und Saftflaschen. Der hintere Teil des Raumes bestand ausschließlich aus tiefgezogenen Fenstern. Sophie, die gegen das Licht sah, benötigte einen Moment, um sich zu orientieren.

Genau gegenüber der Tür stand ein Tisch. An dem saßen drei Leute. Die Frau in der Mitte mochte um die vierzig sein, sie trug einen hell gesträhnten Bob und eine randlose Brille. Rechts neben ihr saß eine Mittzwanzigerin mit viel Kajal um die riesigen Augen und schwarzem Haar, das wie ein sturmgeschütteltes Vogelnest auf ihrem Kopf saß. Auf der anderen Seite ein hagerer Mann, der auf den ersten Blick große Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Sky du Mont hatte, aber wesentlich schlechter gelaunt aussah.

Drei Leute! Sophies Magen vollführte einen Purzelbaum.

Los jetzt, verlangte Izzy. Gib dir einen Ruck und zeig denen mal, wer du bist und was du drauf hast.

„Äh … also, ich bin Sophie Mahlmann“, begann sie unsicher. Kein Stuhl vor dem Tisch. Wollten die drei sie im Stehen interviewen?

„Das wissen wir.“ Die Frau in der Mitte lächelte Sophie aufmunternd zu. „Du hast dich ja für das Casting gemeldet. Zwar war der ursprüngliche Bewerbungsschluss bereits vor zwei Wochen, aber du hast Glück. Du bist Krebs, richtig?“

Sophie nickte völlig verdattert. Was für ein Bewerbungsschluss? Sie hatte sich doch überhaupt nicht auf eine konkrete Stelle beworben. Oder brachte sie da was durcheinander?

„Schön. Wir machen heute nämlich lediglich ein Nach-Casting für bestimmte Sternzeichen. Uns fehlen noch Krebse und Skorpione und wir beginnen bereits übernächste Woche mit dem Dreh. Also: Überzeug uns ganz schnell, dass du die Richtige bist.“ Wieder ein freundliches Lächeln. Ganz im Gegensatz zu der Kajalfrau, die Sophie deutlich zurückhaltend musterte. Der anwesende Mann starrte an die Decke, als täte sich dort etwas wesentlich Interessanteres auf.

Wo, um Himmelswillen, war sie bloß hingeraten? Waren alle Leute beim Fernsehen ein bisschen plemplem? Egal, jetzt stand sie hier und wollte den Stier bei den Hörnern packen. Oder den Widder oder welchem Sternzeichen die drei Interviewer auch angehören mochten.

„Ich bin sehr flexibel“, hörte sie sich sagen. „Habe in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Branchen gearbeitet. Natürlich würde ich mich über die Möglichkeit einer Festanstellung freuen. Aber jetzt bin ich kurzfristig verfügbar. Daher wäre übernächste Woche für mich überhaupt kein Problem.“ Erwartungsvoll schwieg sie. Die Kajalfrau grinste sichtlich amüsiert zu dem Schauspielerdouble hinüber. Die Frau in der Mitte zog die Stirn kraus.

„Reisebereitschaft vorhanden, steht hier.“ Sie las aus dem Fragebogen, den Sophie mitgebracht hatte. „Sprachkenntnisse Englisch, Französisch. Und sogar Spanisch?“ Ihre Brauen hoben sich leicht.

„Ja, dort war ich bereits als Kind häufig und lernte die Sprache sozusagen nebenbei.“ Ein leichter Stolz in der Stimme war nicht zu überhören. Ob Fiona auf den hohen Hacken auch ein paar Sprachkenntnisse mitbrachte? Oder sich lieber auf andere Qualitäten verließ? Sophie straffte ihre Schultern. Ruhig erwiderte sie die gemischten Blicke der drei Personen am Tisch.

„Okay“, meinte die Kajalfrau gedehnt. Sie stand auf und kam zu Sophie. Hob ihr Haar an, blickte ihr aufmerksam ins Gesicht.

„Du schminkst dich vermutlich selten.“ Es war keine Frage, eher eine Feststellung. „Mascara und Lippenstift“, entgegnete Sophie. Gehörte das hierher?

„Und deine Klamotten – ein bisschen sexyer müsste es schon sein.“

Sexy? Sophie starrte in die dunkel umrandeten Augen. Was war hier los? Was stimmte nicht mit ihrem dunkelblauen Kostüm, der weißen Bluse und den halbhohen Schuhen? Genau das richtige Outfit für ein Businessgespräch. Wenn man den Tipps folgte, die sie am Wochenende noch in ihren Ratgebern gelesen hatte.

„Äh, also ich weiß nicht. Wozu sollte das gut sein?“

Jetzt kam Bewegung in die zwei Personen am Tisch. Die Mittvierzigerin schob Sophies Fragebogen zur Seite, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Mann runzelte die Stirn und hob die Hand, als wolle er fragen: „Was ist denn mit der los?“

Die Kajalfrau lachte kurz und trocken auf. „Es geht hier nicht darum, die graueste aller Mäuse zu sein. Sondern um moderne, attraktive Frauen, die sich einen ebensolchen Kerl angeln wollen. Da müssen wir uns schon drauf verlassen können, dass die Bewerberinnen etwas aus sich machen können. Oder es uns überlassen, das zu tun.“

Sophie öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. In ihrem Kopf flogen die Gedanken herum wie Konfetti beim Karnevalsumzug.

„Wir denken, dass das hier nichts für dich ist.“ Es waren die ersten Worte, die der Mann zu ihr sprach. Sophie drehte sich langsam zu ihm um. Er spielte mit einem Füller und hatte die Unterlippe nach vorn geschoben. „Stiehl uns nicht unsere Zeit“, sagten seine grauen Augen.

„Was, genau, müsste ich denn tun?“, hörte Sophie sich sagen. Sie hatte verstanden, dass es hier nicht um einen Bürojob ging. Und offenbar auch nicht um die Fantasien, die in den vergangenen Tagen ihren Kopf bevölkert hatten. Also „etwas mit Medien, etwas mit Promis“. Vermutlich nicht einmal um ein Praktikum. Sie hatte schlicht keine Ahnung, wofür sie sich hier vorstellte. Sie ahnte, dass sie bei einer ihrer Online-Bewerbungen auf einer Seite gelandet war, die nichts mit alldem zu tun hatte. Nur, worum ging es? Solange das nicht klar war, war sie nicht bereit, zu- oder abzusagen. Oder gar, sich jetzt einfach so hinauskomplimentieren zu lassen. Die Mittvierzigerin legte ihre Stirn in Falten und beugte sich ein Stück vor. „Wir machen hier das Casting für eine Realityshow im Astrobereich. Frauen und Männer lernen sich vor der Kamera kennen. Wir wollen dabei das ideale Paar finden.“ Sie hielt kurz inne. Als überlege sie, wie viel von der Wahrheit sie Sophie zumuten könne. „Da geht es natürlich ums Flirten, darum, sich darzustellen. Nicht nur als Persönlichkeit, sondern auch optisch.“

Jetzt schwiegen alle. Drei Augenpaare lagen auf Sophie, die sich nichts sehnlicher wünschte als einen Stuhl. Ein Glas Wasser. Ein Loch, das sich im Boden auftat, um sie zu verschlingen. War sie bescheuert gewesen, versehentlich eine Bewerbung für diese Show an den Sender zu schicken? Wie hatte das nur passieren können? War sie auf der falschen Seite gelandet? Hatte sie den falschen Knopf gedrückt? Kein Wunder, dass sie in ihrem konservativen Outfit unangenehm auffiel. Eines war klar: Sie hatte sich gründlich lächerlich gemacht vor diesen Leuten, die sie nun einer nach dem anderen spöttisch, mitleidig oder desinteressiert ansahen. Der Schreck war Sophie in alle Glieder gefahren. Was nun? Auf jeden Fall würde sie sich nicht für ihr Versehen entschuldigen. Überrascht stellte sie fest, dass es ihr auf einmal egal war. Nun, wo sie bereits hier war, wollte sie stattdessen alles wissen. Die Blonde in der Mitte gab sich einen Ruck.

„Sternzeichen Amor ist eine Datingshow. Zwölf Männer und zwölf Frauen nehmen teil, jedes Sternzeichen ist in jeder Gruppe einmal vertreten. Die Teilnehmer müssen in den unterschiedlichsten Konstellationen Aufgaben erfüllen. Einige dieser Challenges werden von den Zuschauern bewertet, andere von einer Jury. Die Zuschauer voten am Ende jeder Sendung per Telefon. Wer zu wenig Anrufe erhält, muss die Show verlassen. Ins Finale schaffen es drei Paare, eines davon wird unser Traumpaar. Wer das schafft, hat ein Jahr lang keine Sorgen. Zum Preisgeld kommen TV-Auftritte in anderen Shows unseres Senders, PR-Kampagnen, Roter Teppich. Du kennst das ja.“

Nein, sie kannte das nicht, nicht wirklich jedenfalls, wenn man davon absah, dass sie immer staunend zur Kenntnis nahm, dass es Menschen gab, die mit derlei ihr Leben fristeten. Vermutlich hätte sie jetzt laut „Hurra“ rufen müssen oder „Toll“ oder anderweitig ihr Interesse bekunden. Stattdessen stand sie da wie schockgefroren.

Die drei Personen vor ihr verständigten sich mit kurzen Blicken und Sophie wurde dabei klar, dass sie aus dem Rennen war. Wenn man einer Interessentin erst noch erklären musste, worauf sie sich beworben hatte, disqualifizierte sie das ruckzuck. Das stand ebenfalls in ihrem Bewerbungshandbuch.

„Vielen Dank, dass du da warst.“ Die Kajalfrau war an ihren Platz zurückgekehrt und knuddelte an ihren Haaren herum.

Gesenkten Hauptes verließ Sophie den Ort ihrer Schmach. Sie hatte sich wirklich total lächerlich gemacht. Der Vollbart hob kaum den Blick von seinem Smartphone, als sie an ihm vorbeischlich. Ihre Wangen brannten, hinter ihren Augen sammelten sich Tränen. Ein leises Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf. Sie flüchtete auf die Damentoilette, bevor ein Strom von Tränen das bisschen Mascara zerstörte, das sie heute früh voller Vorfreude auf den Tag aufgelegt hatte.

 

Kapitel 3

 

„Himmel, diese Krebs-Frau war ja wirklich der Hit!“

Sophie hockte in einer Kabine der Damentoilette auf dem heruntergeklappten Deckel. Sie hatte bereits die halbe Rolle Klopapier benutzt, um ihre Tränen zu trocknen und sich ausgiebig zu schnäuzen, als eine Stimme sie aus ihrer Verzweiflung aufschreckte. Sie kannte dieses Organ, es gehörte der Kajalfrau.

„Na ja, sie hatte offensichtlich keine Ahnung, wo sie bei uns gelandet ist. Bedauerlich, dass sie sich nicht entschließen konnte, sich mit der Sendung anzufreunden.“ Das war die Mittvierzigerin.

„Du hättest sie genommen?“ Die jüngere der beiden Frauen klang überrascht.

Sophie fiel ein, dass sie die Tür der Kabine nicht abgeschlossen hatte. Nun schob sie sie ein Stück auf und linste durch den Spalt. Im Waschraum standen die beiden Frauen vor dem Spiegel und hübschten sich auf. Die Blonde kämmte mit energischen Strichen ihr Haar, die Kajalfrau legte neues Schwarz um ihre Augen.

„Ob ich sie wirklich genommen hätte, weiß ich nicht. Aber sei mal ehrlich. Wir haben schon eine ganze Reihe von toughen Möchtegern Models, Moderatorinnen, Schauspielerinnen und Ich-will-irgendwas-mit-Medien-machen-Frauen. Jemand wie diese Sophie, normal, auf unaufgeregte Art sympathisch, vielleicht ein bisschen verhuscht, würde doch in die Gruppe gut passen. Als Gegengewicht.“

Verhuscht? Sophie unterdrückte einen Schniefer und spitzte die Ohren. Die beiden Jurorinnen redeten über sie!

„Da ist der Zickenkrieg schon vorprogrammiert.“ Die Kajalfrau lachte.

„Ist er sowieso. Du hast unsere Favoritinnen ja gesehen. Da gibt keine einer der anderen auch nur einen Handbreit nach.“

„Was meint Gregor?“

„Dem hat unsere graue Maus nicht gefallen. Der steht mehr auf …“ Die non-verbale Fortsetzung der Unterhaltung brachte beide Frauen im Waschraum zum Lachen. Ganz sicher hatte diese Fiona mit ihrer offenherzigen Bluse genau den Geschmack des Mannes getroffen.

„Wann geht es weiter?“, fragte die Jüngere.

„Halb zwei. Wir haben noch zwei Skorpion-Frauen und eine Waage, die eventuell als Ersatzkandidatin infrage kommt“, lautete die Antwort.

„Keine Krebs-Frau?

---ENDE DER LESEPROBE---