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Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! »Einen wunderschönen guten Tag!«, begrüßte Dr. Daniel Norden die Chirurgin Christine Lekutat. »Wie kommen Sie denn auf so eine absurde Idee?« Ihr Gesicht erinnerte an eine Bulldogge. Sie klappte die Zeitschrift zu, in der sie gerade gelesen hatte, und ließ sie auf die Bettdecke fallen. ›Schöner essen‹. Nicht unbedingt die beste Lektüre für eine übergewichtige Chirurgin mit einer massiven Herz-Kreislauf-Erkrankung. »Gut, dass Sie hier sind. Das müssen Sie gesehen haben!« Sie winkte Daniel zu sich. Hob demonstrativ den Deckel des Speisetabletts. »Eine Scheibe Vollkornbrot, Diät-Marmelade, Linsen-Aufstrich, Joghurt mit frischen Früchten. Was gibt es daran auszusetzen?« Dr. Norden trat an den Tisch und studierte das Patientenblatt. Blutdruck und Puls ließen zu wünschen übrig. Aber wenigstens hatte sie kein Fieber. »Machen Sie Witze?«, schnaubte die Lekutat.
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Seitenzahl: 101
Veröffentlichungsjahr: 2019
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»Einen wunderschönen guten Tag!«, begrüßte Dr. Daniel Norden die Chirurgin Christine Lekutat.
»Wie kommen Sie denn auf so eine absurde Idee?« Ihr Gesicht erinnerte an eine Bulldogge. Sie klappte die Zeitschrift zu, in der sie gerade gelesen hatte, und ließ sie auf die Bettdecke fallen. ›Schöner essen‹. Nicht unbedingt die beste Lektüre für eine übergewichtige Chirurgin mit einer massiven Herz-Kreislauf-Erkrankung. »Gut, dass Sie hier sind. Das müssen Sie gesehen haben!« Sie winkte Daniel zu sich.
Hob demonstrativ den Deckel des Speisetabletts.
»Eine Scheibe Vollkornbrot, Diät-Marmelade, Linsen-Aufstrich, Joghurt mit frischen Früchten. Was gibt es daran auszusetzen?« Dr. Norden trat an den Tisch und studierte das Patientenblatt.
Blutdruck und Puls ließen zu wünschen übrig. Aber wenigstens hatte sie kein Fieber.
»Machen Sie Witze?«, schnaubte die Lekutat. »Wie soll ich denn so auf Betriebstemperatur kommen? Da fällt mir vor lauter Schwäche ja das Skalpell aus der Hand.«
»Zum Glück müssen Sie zur Zeit nicht operieren, sondern können sich nach Ihrem Schlaganfall und der Herzkathetergeschichte in aller Ruhe hier erholen«, erinnerte Daniel Norden seine Patientin an ihr Schicksal. »Außerdem haben Sie noch einen Eingriff vor sich. Für morgen früh ist ein OP-Saal für Sie reserviert.«
Dr. Lekutat verschränkte die Arme vor der üppigen Brust und musterte ihren Chef aus schmalen Augen.
»Herr Dr. Norden.« So nannte sie ihn sonst nie. »Ich will keinen Defibrillator eingebaut bekommen. Ich will wieder operieren.«
Daniel holte tief Luft.
»Über dieses Thema haben wir uns doch bereits ausführlich unterhalten. Ihre schnellen Herzrhythmusstörungen können unbehandelt erhebliche Auswirkungen auf den Kreislauf haben. Wollen Sie noch einmal im OP kollabieren? Oder gar an einem weiteren Herzinfarkt sterben?«
»Sie müssen mir nicht erzählen, was ich zu tun und zu lassen habe.« Sie schob das Kinn vor. »Ich bin erwachsen und kann selbst entscheiden, was gut für mich ist.«
Daniel Norden hatte es geahnt. Er schüttelte langsam den Kopf.
»Als Ihr Chef kann und will ich diese Verantwortung nicht übernehmen.«
»Haben Sie nicht neulich noch gesagt, dass Sie mich dringend brauchen? Warum wollen Sie mich unbedingt zu diesem Eingriff überreden? Sie wissen doch selbst, dass ich dann nie mehr wieder operieren kann. Dann kann ich als Chirurgin einpacken.«
»Das ist mir bewusst. Aber ob Sie es glauben oder nicht: Ihr Leben ist mir wichtiger. Ohne Defibrillator ist die Gefahr, dass Sie tot umfallen, zu groß.«
»Papperlapapp!«
Mit einer Handbewegung wischte sie seine Bedenken beiseite. »Ich brauche ein wenig Ruhe, und dann ist alles wieder gut.« Ein Gedanke kam ihr in den Sinn. Ihre Miene verriet es. »Denken Sie doch nur an Ihre Frau. Sie hatte auch einen Herzinfarkt und steht trotzdem wieder im OP.«
»Das war eine andere Geschichte, und das wissen Sie genau!«
»Trotzdem. Ich will keinen Defi und damit basta!«
Dr. Daniel Norden stand vor dem Bett und haderte mit sich. Auf der einen Seite verstand er die Kollegin nur zu gut. Sie war eine begnadete Chirurgin. Um weiter als Ärztin arbeiten zu können, müsste sie sich vollkommen neu orientieren. Auf der anderen Seite war sie jung genug, um diesen Schritt zu wagen. Schon deshalb, weil ihr Leben davon abhing.
Er hob den Arm und warf einen Blick auf die Uhr. Höchste Zeit für den nächsten Termin!
»Bitte überlegen Sie es sich noch einmal«, bat er zum Abschied und verließ unverrichteter Dinge das Zimmer.
*
Das Martinshorn hallte im Innenhof der Behnisch-Klinik wider. Der Rettungsarzt Erwin Huber klopfte gegen die Scheibe, die die Fahrerkabine vom Kastenaufbau trennte.
»Stell endlich das Ding ab!«, schimpfte er. »Bei dem Lärm fallen den Kollegen die Patienten aus den Betten.«
»Tut mir leid.« Cornelius Hahn griff über den Kopf und schaltete die Sirene ab.
Wohltuende Stille!
Doch der Traum sollte nicht von Dauer sein. Erwin stieß die Türen auf. Begleitete von metallischem Klappern rollte er die Liege mit seinem jungen Patienten aus dem Wagen und Richtung Notaufnahme. Der Notarzt Dr. Matthias Weigand erwartete sie schon.
»Julian Findeisen, 12 Jahre alt, Sturz vom Waveboard. Verdacht auf Beckenfraktur. Vitalfunktionen stabil. Keine Anzeichen auf innere Verletzungen«, teilte Erwin dem Kollegen mit. Er drückte ihm Klemmbrett und Kugelschreiber in die Hand.
»Vielen Dank.« Matthias unterschrieb das Protokoll. »Wisst ihr eigentlich, dass wir nur wegen euch auf eine Firmenfeier verzichtet haben?«, raunte er dem Rettungsarzt zu.
»Oh, wir können euch vertreten. Unser Job endet an dieser Pforte«, scherzte Dr. Huber. »Was wird geboten? Sekt und Schnittchen?«
»Das könnte dir so passen.« Matthias klopfte dem Kollegen auf die Schulter. Zeit, sich seinem Patienten zu widmen. »Hallo, Julian, mein Name ist Matthias Weigand. Ich bin Notarzt hier. Hast du starke Schmerzen?«
»Geht eigentlich.«
»Er hatte schlimme Schmerzen, bevor der Notarzt gekommen ist.« Eine Frau hielt Matthias die Hand hin. »Manuela Findeisen. Ich bin die Mutter.«
»Wenn Sie wollen, können Sie Ihren Sohn begleiten.«
Manuela umklammerte den Gurt ihrer Schultertasche und nickte. Sie folgte dem Transport in den Schockraum, den Dr. Weigand auch gern den ›Puls der Notaufnahme‹ nannte.
In diesen vier Wänden wurden die Wunden von Schwerverletzten versorgt. Ausgestattet mit modernsten Apparaten, kleinen Laboren, Beatmungsmaschinen und sogar Röntgen- und Infusionsgeräten, bot dieser Raum sogar die Möglichkeit, kleine Operationen durchzuführen. Zum Glück machte Julian nicht den Eindruck, als müsste sein Leben durch einen schnellen Eingriff gerettet werden.
»Zuerst brauchen wir eine Röntgenaufnahme vom Becken«, wies Dr. Weigand die Schwester an, die den Krankentransport begleitete.
»Ich kümmere mich darum«, versprach Rosi, die erst vor wenigen Tagen ihren Dienst in der Behnisch-Klinik angetreten hatte. Sie sah hinüber zu Dr. Lammers, der sich zu ihnen gesellte.
Aufgrund des Alters seines Patienten hatte Dr. Weigand schon im Vorfeld beschlossen, einen Kollegen aus der Pädiatrie hinzuzuziehen. Wegen der Abschiedsfeierlichkeiten für den Verwaltungsdirektor Fuchs hatte er nur den Kollegen Lammers erreicht.
»Braucht ihr mal wieder einen fähigen Arzt zur Unterstützung?« Lammers’ Blick fiel auf Manuela Findeisen. Flog hinüber zu dem Kind auf der Liege. O nein! Musste das sein? »Ähm, ja. Wir kennen uns ja.«
Manuelas Miene erhellte sich.
»Herr Nachbar! Das ist ja ein Zufall.«
Julian hob den Kopf.
»Was will denn der Blödmann hier?«
»Julian!« Manuela Findeisens Stimme hallte wie eine Ohrfeige.
»Ist doch wahr. Der ist schuld, dass ich vom Waveboard geflogen bin.«
»Aber Schatz, das kann doch nicht sein. Doktor Lammers ist bestimmt schon den ganzen Morgen hier.«
»Seit gestern Abend, um genau zu sein«, knurrte der Kinderchirurg. »Bereitschaft nennt man das. Aber davon hast du Grünschnabel vermutlich noch nie etwas gehört.«
Julian hörte ihm nicht zu.
»Er hat uns verboten, vor den Häusern Waveboard zu fahren und hat uns in den Skaterpark geschickt. Er hat gesagt, dass er unsere Boards kurz und klein schlägt und uns im Fahrradkeller einsperrt, wenn wir nicht sofort verschwinden.«
Mit gesenktem Kopf stand Lammers neben der Liege und strich sich über das Kinn.
»Nein. Nein, das kann nicht sein. Ich habe nie gesagt, dass ich diese Boards kurz und klein schlage. So was machen nur Halbstarke.«
Dr. Weigand hatte genug gehört.
»Später wird sich noch genug Gelegenheit bieten, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.« Die Türen zum Röntgenraum öffneten sich vor ihnen. »Jetzt stehen erst einmal ein paar Untersuchungen an.«
*
»Ja, natürlich habe ich das verstanden.« Daniel Nordens Assistentin Andrea Sander hatte den Hörer zwischen Kinn und Schulter eingeklemmt. In einer Hand einen Blumenstrauß, in der anderen eine Glückwunschkarte, eilte sie über den Flur Richtung Verwaltungsbüro, wo die Zeremonie stattfinden sollte. »Aber Dr. Norden ist noch irgendwo im Haus unterwegs.« Sie nickte ihrer Kollegin Regina Kampe zu und betrat das Büro des Verwaltungsdirektors Dieter Fuchs. Arrangierte Blumen und Karte auf dem Schreibtisch. »Natürlich bedauern wir, dass Herr Fuchs uns aus gesundheitlichen Gründen verlassen …« Mitten im Satz hielt sie inne und starrte Elsa Blume an, die mit Zollstock, Block und Stift hantierte. »… Verlassen muss«, beendete sie ihren Satz nach dem ersten Schreck. »Ich werde Dr. Norden ausrichten, dass Sie angerufen haben. Auf Wiederhören.«
Elsa notierte das Ergebnis ihrer Messungen auf dem Block.
»Was machen Sie denn schon hier?«, fragte Andrea einigermaßen irritiert.
»Bevor ich meine neuen Möbel aussuchen kann, muss ich doch die Maße wissen«, erwiderte Elsa, ohne Andrea Sander auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie griff wieder nach dem Zollstock und maß die Nische neben dem Schreibtisch aus. »1,63 Meter, das könnte passen«, murmelte sie vor sich hin.
»Aber wir haben doch Ihren Vater noch gar nicht verabschiedet, und schon richten Sie sein Büro neu ein?«
Endlich richtete sich die neue Verwaltungschefin auf. Andrea Sander konnte immer noch nicht glauben, dass diese aparte Frau mit dem ultrakurzen Pony die Tochter des Sparfuchses sein sollte. Der Zweifel verflog, als Elsa den Mund öffnete.
»Worüber regen Sie sich auf? Zeit ist schließlich Geld. Und wir haben weder das eine noch das andere im Überfluss.«
Mit gefalteten Händen stand Andrea im Büro.
»Oh, na ja, gut. Die Gäste werden in etwa zehn Minuten hier sein, um Herrn Fuchs zu verabschieden. Wenn Sie bitte bis dahin …«
»Keine Sorge. Ich bin schon fertig.« Elsa Blume klappte den Zollstock zusammen und schenkte der Chefsekretärin ein strahlendes Lächeln. »Wir sehen uns in zehn Minuten.«
Und schon war sie aus dem Büro verschwunden.
Andrea Sander starrte ihr mit offenem Mund nach.
»Sieht ganz danach aus, als ob du vom Regen in die Traufe gerätst«, sagte sie zu ihrer Kollegin Regina Kampe, die ein Tablett hereintrug. Sekt-Orange zur Feier des Tages. Im wahrsten Sinne des Wortes. Niemand war wirklich böse über das Ausscheiden von Dieter Fuchs, der sich aus gesundheitlichen Gründen zurückzog. Einen würdigen Abschied wollte man ihm dennoch bereiten.
»Ach, halb so wild.« Die Gläser klirrten, als Regina das Tablett auf dem Beistelltisch abstellte. »Frau Blume bringt wenigstens frischen Wind in die Bude.« Sie öffnete die Fenster und ließ die Herbstluft herein. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie anstrengend es ist, jeden Tag so einen Miesepeter um sich zu haben. Elsa ist da anders.«
Stimmen und Schritte kamen näher. Gleich darauf betraten die ersten Gäste das Büro des Verwaltungsdirektors.
»Puh, und ich hatte schon Angst, wir kommen zu spät«, seufzte Schwester Elena – ihres Zeichens Pflegedienstleitung – zu ihrer Freundin Dr. Felicitas Norden an ihrer Seite.
Fee suchte noch nach einer Antwort, als die nächsten Gäste eintrudelten. Trotz Rollstuhl deutete der Neurochirurg Dr. Milan Aydin eine Verbeugung an und zog einen imaginären Hut.
»Meine Verehrung, Schönheiten.«
Elena und Fee kicherten wie die Teenager.
»Musst du immer so übertreiben?«, ließ die Reklamation seines Kollegen Dr. Kohler nicht lange auf sich warten.
»Nur kein Neid. Es kann schließlich nicht jeder so gut mit Frauen umgehen wie ich.« Milan wandte sich an Elena. »Ich habe gesehen, dass wir heute Nachmittag zu einer OP eingeteilt sind. Was verschafft mir die seltene Ehre?«
»Ich will nicht aus der Übung kommen, und die Eingriffe mit dir sind immer besonders kurzweilig«, erwiderte Elena mit Blick auf den Kollegen Kohler.
Milan Aydin grinste.
»Da hast du es gehört.«
Bernhard quittierte diese Bemerkung mit einem Augenrollen und war froh, als der Klinikchef die Bühne betrat. Er grüßte in die Runde und nahm dankend ein Glas vom Tablett, das Regina Kampe ihm reichte.
»Bin ich der Letzte?« Dr. Norden sah sich um.
»Der Hauptdarsteller fehlt noch«, raunte Andrea Sander ihrem Chef zu. »Er wird doch wohl nicht kneifen?«
Daniel wiegte den Kopf.
»Verstehen könnte ich es ja. Nach allem, was in letzter Zeit vorgefallen ist.«
»Trotzdem hat er seine Arbeit gut gemacht«, warf Fee ein, die sich zu ihrem Mann gesellt hatte.
»Du brichst eine Lanze für Dieter Fuchs? Hast du schon vergessen, was er uns alles antun wollte?«
Felicitas hängte sich bei ihrem Mann ein und lächelte zu ihm hinauf.
»Du musst das anders sehen. Dank seiner Intrigen konnten wir unsere Stärke unter Beweis stellen. Wir haben allen gezeigt, dass wir unbesiegbar sind.«
»Gut gebrüllt, Löwin!«
Der Applaus einer einzelnen Person ließ die Anwesenden aufhorchen. Aller Augen ruhten auf Elsa Blume, die zurückgekehrt war. Selbstbewusst sah sie sich im Kreis der neuen Kollegen um.
»Ich weiß, dass Sie sich heute hier versammelt zu haben, um die Leistung meines Vaters zu würdigen. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass er es vorgezogen hat, die Klinik auf stille Art und Weise zu verlassen. Ich habe zufällig beobachtet, wie er in ein Taxi gestiegen ist.«