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Aus der Sicht eines Gastdozenten an Hochschulen in China werden allgemeine Aspekte über die Gewohnheiten in der fremdartigen Kultur sowie das Zurechtfinden auf Reisen im Land gegeben. Darüber hinaus erhält der Leser prägnant zusammengestellte nützliche Tipps für China-Reisende, die thematisch gegliedert und tabellarisch gelistet sind. Einblicke in das Leben auf dem Campus vermitteln ein Bild des chinesischen Lehrbetriebs an Hochschulen. Die Erfahrungen aus seminaristischen Vorlesungen geben Hinweise für die Gestaltung von Lehreinheiten und den Umgang mit Studenten. Darüber hinaus wird das städtische Umfeld des Campus anhand zweier Beispiele geschildet. Diese Berichte werden abgerundet durch geschilderte Erlebnisse während getätigter Reisen im Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit. Zahlreiche Bilder veranschaulichen den Textteil.
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Seitenzahl: 71
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Johannes A. Binzberger
CHINA
EINBLICKEUNDERFAHRUNGEN
ALS
HOCHSCHUL-DOZENT
Diese Schrift basiert auf Aufzeichnungen, die angefertigt wurden im Umfeld der Lehrtätigkeit
am Commercial Service College der Business University Wuhan
sowie am
Fujian International Business & Economic College in Fuzhou
November bis Dezember 2014 und 2015
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Copyright: © 2016 Dr. Johannes A. Binzberger, Friedrichshafen
Email: [email protected]
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Die Städte, die ich besucht habe, haben aus meiner Sicht riesige Ausmaße erreicht, sowohl was die Einwohnerzahl anbetrifft als auch die Fläche, die sie einnehmen. Städte mit mehr als fünf Millionen Einwohnern sind nichts Außergewöhnliches. (Zum Vergleich: meine Heimatstadt hat etwa 60000 Einwohner, die Landeshauptstadt Stuttgart zählt ungefähr 600000 Einwohner und die Bundeshauptstadt Berlin kann circa 3,5 Millionen Einwohner aufweisen.) Doch im Unterschied zu anderen Ländern konnte ich weder Slums (oder gar einen Slumgürtel) noch in anderer Weise verwahrloste Siedlungsgebiete wahrnehmen. Die Straßenzüge und Gehsteige machen ohne Ausnahme einen sauberen Eindruck, weil Unrat, soweit ich das beurteilen kann, kontrolliert weggeworfen oder entsorgt wird. Mülleimer werden benutzt und man sieht häufig Personen, die einen Straßenabschnitt kehren. Es gibt keine mit Graffitis besprühten Brücken, Rampen, Fabrikgebäude, Häuser oder Bahnwagons. Dass die Trottoirs uneben und oftmals unsauber verlegt sind, hat seine Ursache in der Bauausführung, nicht in der praktizierten Unterhaltsreinigung. Erwähnt sei auch, dass ich weder streunende Hunde oder Katzen gesehen habe, auch keine Stadttauben oder andere Stadtvögel, die an Gebäuden nisten. Sicherlich, die Wohnungen und Straßenzüge unterscheiden sich im Niveau, doch konnte ich nirgends gesellschaftliche Randgruppen in prekärer Lage feststellen. Dass Wäsche auf den Balkonen zum Trocknen aufgehängt wird, ist eine
Notwendigkeit der Lebensgestaltung unter sehr beengten Verhältnissen, nicht der Verwahrlosung.
Bis in die Außenbezirke weisen die Städte dicht gedrängte, meist schlanke, hohe und dabei imposant wirkende Gebäude mit 20 und deutlich mehr Geschossen auf. Häufig wurde als Charakteristik auf dem Flachdach ein Aufbau angebracht, der an eine Pagode erinnert. Durch diese bauliche Gestaltung wird der Landschaftsverbrauch der Städte begrenzt, die Fahrwege werden für die Bevölkerung insgesamt kürzer und in der Summe sind weniger Straßenkilometer zu bauen. So scheint mir dieses städtebauliche Konzept effizienter zu sein hinsichtlich der Erschließungskosten, der Baukosten und des Energieverbrauchs als flächenintensive Siedlungsformen mit einzelnstehenden Ein- oder Zweifamilienhäusern.
Heizung und Klimatisierung werden meist geregelt über ein elektrisches Kombigerät pro Zimmer/Wohneinheit, das bei Bedarf sowohl kühlen als auch heizen kann. (Diese Technik war auf dem Campus, in den Chef-Büros, in Banken und in allen Hotelzimmern der 3-Sterne-Klasse und den Nobel-Restaurants beobachtbar. Bei den Wohnhäusern kann man die Wärmetauscher außen an den Fassaden mühelos erkennen.) Die Gebäude haben dadurch zwar individuelle Einzelbefeuerung erhalten, verbrennen aber in den Städten keine fossilen Energieträger. Vielleicht ist das Kalkül dabei, dass sich auf fossilen Brennstoffen basierende Kraftwerke zur Stromerzeugung leichter umstellen lassen auf Kraftwerke, die regenerative Energien verwenden, als Millionen von Wohneinheiten umzurüsten – es könnte Sinn machen.
An mehreren Stellen kann in Wuhan und Shanghai beobachtet werden, wie großflächig Stadtteile, die sich über mehrere Kilometer hinziehen können und aus Gebäuden mit fünf bis zehn Stockwerken bestehen, abgerissen werden, um Platz zu schaffen für eine neue Struktur des Städtebaus mit hoch aufragenden Hochhäusern und breiten Straßen beziehungsweise Gleisanlagen. (so zum Beispiel vom Bahnhof Hankou nach Westen, an der Einmündung des Flusses Han Jang in den Strom Chang Jiung).
Die Städte wirken auf mich unübersehbar riesig, imposant, dicht, gedrängt mit beeindruckend aufragenden schlanken Wolkenkratzern mit Skylines und mehrbahnigen sowie oft mehrstöckigen Verkehrsadern, alles Baukörper und Linienführungen, die Potenz ausstrahlen und sich auf vergleichsweise engem Raum drängen.
Bei der Zugfahrt nach Suzhou bemerke ich, wie die Siedlungsdichte zunimmt, wie zwischen Changzhou und Suzhou die Städte beinahe zusammenzuwachsen scheinen. Abschnittsweise habe ich den Eindruck, der Zug fährt (immerhin mit etwa 200 km/h) durch einen Wald schlanker Wolkenkratzer.
Bei aller Logik und Nachvollziehbarkeit, die solche Stadtplanungen erklären, habe ich bisher Flächen der Begegnung, der Ruhe und Erholung, die begreif- und erlebbare Kleingliedrigkeit des Lebensumfeldes meines Erachtens nach erfordern, bisher nicht oder nur verschwindend wenig
gesehen. So mangelt es meines Erachtens an behaglichen Winkeln, kleinen Plätzen zum Verweilen, gemütlichen Lokalen, die Wärme ausstrahlen und in denen man sich gerne aufhält, sich wohl fühlt in einer heimeligen Atmosphäre um beisammen zu sitzen und den Nachmittag oder Abend in Gesellschaft, mit Freuden zu genießen.
Sicherlich, im Straßenbild der Passanten gibt Niveauunterschiede in der Kleidung, im Auftreten, im Verhalten. Aber allen ist gemeinsam, soweit ich erkennen konnte, dass die Chinesen weder schlampig noch unsauber daherkommen, sondern in aller Regel ein gepflegtes Erscheinungsbild anstreben. Dabei machen sie häufig in irgendeiner Weise auf sich aufmerksam, zeigen sich höflich dienend. Es gibt Unzählige, die sich in der Gesellschaft nützlich machen, um ein Einkommen zu erzielen, etwa durch mannigfaltige Formen von Kleingewerbe, durch eine Dienstleistung, häufig durch Garküchenangebote. Dabei fällt die flinke Fingerfertigkeit bei vielen beobachtbaren Tätigkeiten auf.
Im Allgemeinen hat sich bei mir der Eindruck von Emsigkeit, keineswegs Müßiggang eingeprägt. Es gibt keine herumhängenden, -lungernden Personen, keine vom Alkohol Benebelten, keine angetrunken Grölenden. Bis auf ganz wenige Ausnahmen gibt es weder Bettler noch Obdachlose, die unter Brücken, in U - Bahnschächten oder in Ladeneingängen hausen. So ist es nicht verwunderlich, wenn wenige Polizisten im Straßenbild gesehen werden.
Der wuselige Verkehr gleicht dem Strom von Ameisen, deren Straßen miteinander verflochten sind. Es gibt Ampeln und auf den Straßen Linienführungen sowie breite Zebrastreifen, um die Vielzahl der Menschen aufnehmen zu können und zu leiten. Doch diese scheinen eher als Schmuck wahrgenommen zu werden und wenig zu beeindrucken, wenigstens was die Regelungsfunktion anbetrifft. Selbstverständlich wird rechts und links auf mehrspurigen Straßen überholt, hat die Ampelfarbe nur eine Tendenzaussage, kreuzen Fußgänger, Radfahrer und Roller anscheinend dort, wo es ihnen zu belieben scheint. Manchmal fahren diese auch entgegen der vorgeschriebenen Verkehrsrichtung ... Blinken fällt meist weg, doch dafür wird bei all möglichen Gelegenheiten ohne irgendeine erkennbare Signalwirkung gehupt – selbst bei angebrachten Hupverbotsschildern - etwa: „Hallo hier komme ich!“, vergleichbar mit Brunftverhalten. Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Verkehr in Shanghai am ehesten
regelkonform abläuft. Erstaunlich ist für mich, wie wenig Unfälle passieren, bei diesem Fahrverhalten, das mich an Lima oder Rom erinnert, weil der Verkehr sehr dicht, verwirbelt, auf den Vordermann abgestimmt, dabei defensiv ist und im Grunde nur eine Vorfahrtsregel kennt: Der Stärkere, der Massigere darf sich durchsetzen, nicht der Verletzlichere oder derjenige, der von rechts kommt, denn es wird gedrängelt, was das Zeug hält.
Es gibt noch eine ganze Menge Fahrräder, doch sehen sie in die Jahre gekommen aus. Nachfolger sind die vielen Roller und Motorräder, verschiedener Größen, deren Baukonzepte häufig an dasjenige italienischer Vespas angelehnt scheinen: mit Fußabstellplatz, breitem Frontschirmblech, abschließbaren Transportboxen und Platz für einen Sozius. (Sie kosten neu je nach Modell zwischen EUR 300 bis 500.) Bis auf ganz wenige Ausnahmen fahren Zweiräder mit E-Antrieb, ausgestattet mit einer Batterie, die mit einem Henkel versehen ist und somit zum Aufladen einfach in die Wohnung oder zum Arbeitsplatz mitgenommen werden kann. Manchmal sieht man vor einem Geschäft ein Kabel quer über den Fußgängerbereich verlaufend und angesteckt an die Zweiradbatterie. Wenn es dunkel ist, sind die Zweiräder – selten auch Autos - ohne Licht unterwegs, sei es zum Energie sparen oder weil die Beleuchtungsanlage nicht funktioniert.
Wegen der vielen, beinahe geräuschlosen Zweiräder ist der Verkehrslärm deutlich reduziert. Das typische hochtourig-nervige Knattern der Mopeds mit den 2 – Takt - Abgasfahnen gibt es nicht. Fährt, was selten vorkommt, ein einzelnes Motorrad mit Verbrennungsmotor, so wirkt der Emissionslärm des stolzen Besitzers extrem belästigend. Auch in diesem Falle könnte ich vermuten, dass in einem zentral gelenkten Land dies eine Strategie sein dürfte, nämlich die bereits einsetzende, konsequente Umstellung auf die Elektro-Wirtschaft mit der Überlegung, dass es eher gelingen wird, Kraftwerke auf erneuerbare Energien umzustellen als eine Milliarde Verkehrsteilnehmer. Die beiden Effekte weniger Lärm und Abgase in den Städten, sind erkennbar zu verzeichnen und fallen angenehm auf.
Große Distanzen zwischen den Städten werden durch Hochgeschwindigkeits-Züge überbrückt, deren Netz rasant ausgebaut wird. Diese Züge fassen – wie ich erlebt habe – überschlagen kalkuliert rund 1600 Personen (gezählt 16 Wagen mit je 100 Sitzplätzen) und durchqueren oftmals das chinesische Land mit Fahrzeiten von mehr als einem oder auch mehr als zwei Tagen mit Geschwindigkeiten von um die 200 km/h. Sie fahren jeden Tag getaktet mit demselben Fahrplan und führen meist Sitzplätze und Liege- bzw. Schlafwagen in zwei Klassen mit.