Chinesisches Denken der Gegenwart - Daniel Leese - E-Book

Chinesisches Denken der Gegenwart E-Book

Daniel Leese

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  • Herausgeber: C. H. Beck
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

DAS CHINESISCHE DENKEN DER GEGENWART - DIE WICHTIGSTEN TEXTE

Mit dem hier vorgelegten Band wird Neuland betreten. Die China-Experten Daniel Leese und Ming Shi haben prägnante Analysen aus der Feder führender chinesischer Intellektueller der Gegenwart herausgesucht, erstmals ins Deutsche übersetzt und für eine hiesige Leserschaft ausführlich kommentiert.


Das Spektrum reicht von regimekritischen bis zu staats- und parteinahen Beiträgen, der Zeitraum ihrer Publikation erstreckt sich von der Weltfinanzkrise bis zur unmittelbaren Gegenwart. Maßgebliches Auswahlkriterium war, dass der jeweilige Text einen substanziellen Beitrag zum Verständnis zentraler Probleme der chinesischen Politik und Gesellschaft in allgemein zugänglicher Form liefert. Neben wissenschaftlichen Artikeln finden sich daher auch Reden, Blogbeiträge und verschriftlichte Diskussionsrunden. Die Auswahl versammelt Beiträge von Historikern und Politikwissenschaftlern, Soziologinnen und Journalistinnen sowie von bekannten Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern. Um in Zukunft sinnvoll über und auf Augenhöhe mit der Volksrepublik China debattieren zu können, muss auch eine allgemeine deutsche Öffentlichkeit sich darüber im Klaren sein, worüber in China selbst diskutiert wird, was die Kernargumente zentraler Diskurse sind und wie diese vor einem breiteren Panorama der chinesischen Geschichte und Politik eingeordnet werden können.

  • Der erste Zugang zu Texten führender chinesischer Intellektueller der Gegenwart
  • Von Regimekritikern bis zu parteinahen Staatsdenkern – die ganze Bandbreite des chinesischen Denkens der Gegenwart
  • Von zwei ausgewiesenen Experten übersetzt und kommentiert
  • Daniel Leese war für den Deutschen Sachbuchpreis 2021 nominiert

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CHINESISCHES DENKEN DER GEGENWART

SCHLÜSSELTEXTE ZU POLITIK UND GESELLSCHAFT

Übersetzt und kommentiert von Daniel Leese und Shi Ming

C.H.BECK

ÜBER DAS BUCH

Daniel Leese und Shi Ming haben Schlüsseltexte von führenden chinesischen Intellektuellen der Gegenwart ausgewählt, erstmals ins Deutsche übersetzt und für eine hiesige Leserschaft kommentiert. Das Spektrum reicht von regimekritischen bis hin zu staats- und parteinahen Beiträgen, der Zeitraum ihrer Publikation erstreckt sich von der Amtszeit Hu Jintaos bis zur unmittelbaren Gegenwart. Maßgebliches Auswahlkriterium war, dass der jeweilige Text einen substanziellen Beitrag zum Verständnis zentraler Probleme der chinesischen Politik und Gesellschaft bietet. Um in Zukunft sinnvoll über die Entwicklungen in der Volksrepublik China debattieren zu können, muss sich die deutsche Öffentlichkeit darüber im Klaren sein, worüber in China selbst diskutiert wird, was die Kernargumente zentraler Diskurse sind und wie diese vor einem breiteren Panorama der chinesischen Geschichte und Politik eingeordnet werden können.

ÜBER DIE HERAUSGEBER

Daniel Leese ist Professor für Sinologie an der Universität Freiburg. Bei C.H.Beck sind von ihm die Bücher Die chinesische Kulturrevolution. 1966–1976 (2016) und Maos langer Schatten. Chinas Umgang mit der Vergangenheit (2020) erschienen. Letzteres war für den Deutschen Sachbuchpreis 2021 nominiert.

Shi Ming arbeitete als Sprecher, Übersetzer und Journalist bei Radio Beijing und wechselte später in die chinesische Wirtschaft. Als Folge der blutigen Niederschlagung der Proteste in Peking im Jahr 1989 lebt und arbeitet er seitdem als freier Journalist und Publizist für deutschsprachige Medien.

INHALTSVERZEICHNIS

POLITIK UND GESELLSCHAFT CHINAS IM SPIEGEL AKTUELLER KONTROVERSEN (Daniel Leese)

Schlüssel zu fremden Kulturen im digitalen Zeitalter?

Kritische Öffentlichkeit als Gefahr für Regimestabilität

Intellektuelle Strömungen und Debatten der Reformära

Das Kulturfieber der 1980er Jahre

Frontbildungen: Staat, Markt und Tradition

Anmerkungen zur Textauswahl

TEIL 1: CHINESISCHES SELBSTVERSTÄNDNIS

1. WANN DEBATTIERTE CHINA DARÜBER, WAS CHINA IST? (Ge Zhaoguang)

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

2. STAATSVOLK, NATIONALITÄTEN UND ETHNISCHE GRUPPEN: WIE DIE NATIONALITÄTEN CHINAS ZU EINEM STAATSVOLK WERDEN KÖNNTEN (Xu Jilin)

Von primordialen Nationalitäten zum modernen Staatsvolk

Ein dreistufiges Begriffssystem innerhalb des Nationalstaates

Chinas Nationalitäten als Staatsvolk

3. DIE ZWEITE GENERATION DER NATIONALITÄTENPOLITIK: DAS VERSCHMELZEN UND AUFBLÜHEN DER NATIONALITÄTEN ALS ORGANISCHE EINHEIT VORANTREIBEN (Hu Angang und Hu Lianhe)

Förderung des Kontakts, Austauschs und der Verschmelzung der Nationalitäten zu einer organischen Einheit unter politischen Gesichtspunkten

Förderung des Kontakts, Austauschs und der Verschmelzung der Nationalitäten zu einer organischen Einheit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten

Förderung des Kontakts, Austauschs und der Verschmelzung der Nationalitäten zu einer organischen Einheit unter kulturellen Aspekten

Förderung des Kontakts, Austauschs und der Verschmelzung der Nationalitäten zu einer organischen Einheit unter gesellschaftlichen Aspekten

4. NATIONALE SICHERHEIT UND DIE VERFASSUNG (Chen Duanhong)

Die souveräne Sicherheit ist die Voraussetzung für die Vitalität der Verfassung

Die Verfassung ist das Gesetz der staatlichen Selbsterhaltung

Verfassungstreue ist die Kraftquelle der staatlichen Sicherheit

5. WAS IST WAHRER PATRIOTISMUS? (Zhang Qianfan)

Über korrekte und missbräuchliche Verwendungen des Begriffs «Vaterlandsliebe»

Die Grundlage der «Vaterlandsliebe» ist die Menschenliebe

Der Sozialutilitarismus und der Pazifismus

«Den Staat zu lieben» bedeutet nicht «die Regierung zu lieben»

Vaterlandsliebe und Vaterlandsverrat: Wie entscheidet man dazwischen, und wer ist der Richter?

Patriotismus und Liberalismus

TEIL 2: STAATSDENKEN UND HERRSCHAFTSLEGITIMATION

6. «DAS VERBINDEN DER DREI TRADITIONEN» IN DER NEUEN ÄRA: DIE VERSCHMELZUNG VON DREI TRADITIONEN UND DAS WIEDERERSTARKEN DER CHINESISCHEN ZIVILISATION (Gan Yang)

Die Koexistenz von drei Traditionen im gegenwärtigen China

Was ist das «Problem der chinesischen Kultur»?

Kennen heißt nicht erkennen

Abschließende Bemerkungen

7. LINKS UND RECHTS ÜBERWINDEN, DIE DREI TRADITIONEN VERBINDEN UND DEN PARTEISTAAT ERNEUERN: EINE KONFUZIANISCHE INTERPRETATION DES CHINESISCHEN TRAUMS (Chen Ming)

Links und Rechts überwinden: Die beiden von der Vierten-Mai-Bewegung etablierten Großerzählungen, den revolutionären Diskurs und das Aufklärungsprojekt, durchbrechen

Das Verbinden der drei Traditionen: Den Stellenwert der mandschurischen Qing-Dynastie und der Republik China in der politischen Genealogie Chinas in vollem Umfang anerkennen, um so unsere Geschichte zu rekonstruieren

Die Erneuerung des Parteistaats: Das Volk, die Nation und den Staat als grundlegende Konzepte heranziehen

8. DAS WIEDERAUFLEBEN DES KONFUZIANISMUS UND DIE MODERNE POLITIK (Liu Qing)

Ursachen des Niedergangs und Gründe für das Wiederaufleben

Der politische Konfuzianismus und seine Herausforderungen

Die Zukunft eines Wiederauflebens des Konfuzianismus

9. REPRÄSENTATIONSBRUCH UND POST-PARTEIEN-POLITIK (Wang Hui)

Die Krise der Repräsentation in der globalen Politik

Eine Rekonstruktion der Prinzipien der Politik der Repräsentation im China des 20. Jahrhunderts

Bedingungen für eine Post-Parteien-Politik

Theorie-Debatten und die «Selbstrevolutionierung» der Partei

Der Volkskrieg und die Massenlinie

Die Reorganisation der Klassen und der Niedergang der Klassenpolitik

Post-Parteien-Politik und die Richtung der konstitutionellen Reformen

10. PHILOSOPHIE UND GESCHICHTE: EINE INTERPRETATION DER «ÄRA XI JINPING» AUF BASIS DES BERICHTS AUF DEM 19. PARTEITAG DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI CHINAS (Jiang Shigong)

Eine geschichtliche Einordnung der Ära Xi Jinping: von der natürlichen Zeit zur politischen Zeit

Die Konstruktion der politischen Zeit: die Position von Führern in der Geschichte richtig verstehen

Kommunismus und das großartige Wiedererstarken der chinesischen Nation

Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter: Die chinesische Lösung für die Modernisierung

Herr und Sklave: Die Ursprünge der westlichen Subjektphilosophie

Der Kampfgeist: von der Subjektphilosophie zur Widerspruchstheorie

Die Sinisierung des Marxismus: Das neue Parteistaatssystem und der Aufbau von Kernwerten

11. DIE GESCHICHTE DER DEBATTE «ÜBER DIE FRAGE VON HUMANISMUS UND ENTFREMDUNG» (Cui Weiping)

Eine Konferenz zum Gedenken an Karl Marx schlägt hohe Wellen

Eine aus dem Marxismus selbst hervorgegangene Korrekturperspektive

Der Fokus der Debatte oder Perspektivverschiebungen

Soll man von «gesellschaftlichen Verhältnissen» oder von «realen Menschen» ausgehen

Geschichte erläutern und Geschichte bewerten

Der Wert der Dinge und der Wert des Menschen

Der merkwürdige Begriff der Entfremdung

Schlusswort

TEIL 3: BAUERNFRAGE UND LÄNDLICHE MODERNISIERUNG

12. EINE DEKONSTRUKTION DER MODERNISIERUNG (Wen Tiejun)

Vorbemerkung: Reflexionen während des Erkundens

Eine historische Untersuchung: Kolonisierung und die Modernisierung der westlichen Länder

Eine aktuelle Untersuchung: Die Modernisierung in den Entwicklungsländern

Was für eine Art von Modernisierung wollen wir eigentlich?

Wichtige strategische Veränderungen und die Einführung des Wissenschaftlichen Entwicklungskonzepts

Nachwort: Reflexionen als Trittsteine für fremde Füße

13. SECHS DEBATTEN ÜBER BÄUERLICHE BODENRECHTE (Qin Hui)

Erste Debatte: Das eigentliche Problem der Bodenrechte

Es geht nicht um «öffentlich und privat», sondern um «Regierende und Regierte»

Kann die Lebensgrundlage der Bauern ihnen nicht selbst anvertraut werden?

Über die «Ersetzung der landbasierten Absicherung durch gesellschaftliche Absicherung»

Zweite Debatte: Kritik an dem Argument, dass «Landlosigkeit zu Rebellion führt»

Was heißt «Landlosigkeit»?

Erleichtert oder behindert die Rückgabe von Bodenrechten an Bauern die Landannexion?

Dritte Debatte: Landnutzung ist nicht identisch mit Nutzungsrechten

Was ist ein Nutzungsrecht?

Was ist die Krux beim Problem der Bodenrechte?

Vierte Debatte: Kann behördliche Selbstdisziplin der «Einhegungsbewegung» Einhalt gebieten?

Die Einhegungsbewegung und die Rückgabe von Bodenrechten an die Bauern

Kann die Stichtaglösung der Landeinhegung wirksamen Einhalt gebieten?

Fünfte Debatte: Wollen die Bauern keinen Boden zurückerhalten?

Einige Bemerkungen über die Meinung in der Bevölkerung

Ist die Ablehnung des Modells «30 Jahre keine Veränderungen» gleichbedeutend mit einer Ablehnung der Rückgabe von Bodenrechten an die Bauern?

Sechste Debatte: Eine Reform der Bodenrechte, die den Schutz bäuerlicher Rechte ins Zentrum stellt

Die Rückgabe der Bodenrechte an die Bauern muss von Minimalanforderungen starten

Jenseits der Minimalanforderungen können hundert Blumen blühen

14. WER IST EIN BAUER? (He Xuefeng)

1.

2.

3.

15. DAS PROBLEM DER BAUERN-ARBEITER IST EIN DÖRFLICHER KUMMER, ABER AUCH EIN NATIONALER KUMMER (Guo Yuhua)

TEIL 4: ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN

16. DIE AGENDA SYSTEMISCHER REFORMEN VORANTREIBEN (Hu Shuli im Gespräch mit Gao Shangquan, Wu Jinglian und Wang Dingding)

Kein Zögern am «Scheideweg»

Können wir aus der «Ungleichgewichtsfalle» herauskommen?

«Anstieg der Staatsquote und Rückgang des Privatsektors» oder «Abbau der Staatsquote und Aufstieg des Privatsektors»?

«Der Zwölfte Fünfjahresplan»: Nächste Reformschritte

17. KAPITALISMUS, SOZIALISMUS UND FRAUEN: WARUM CHINA ERNEUT EINE MARXISTISCH-FEMINISTISCHE KRITIK ETABLIEREN MUSS (Song Shaopeng)

Der Neoliberalismus in China

Der Aufstieg des Neoliberalismus in China und seine Erscheinungsformen

Die Schäden des neoliberalen Wirtschaftssystems für die Frauen: Ungerechte Verteilung und kulturelle Herabwürdigung

Zufall oder Komplizenschaft? Die Verknüpfung von Gender Studies mit dem Geist des Neoliberalismus

Ein historischer Zufall? Die Einführung der Theorie des sozialen Geschlechts (Gender) und der synchrone Aufstieg des Neoliberalismus in China

Merkmale der Gender-Studien

Kontinuitäten und Wandel in der Geschichte: Eine Betrachtung des Erbes der sozialistischen Frauenemanzipationsbewegung

Den Liberalismus überwinden: Kann erneut ein «gemeinschaftsbasierter sozialistischer Feminismus» etabliert werden?

18. DIE REGIERUNGSFORM DES KÖNIGLICHEN WEGES IST DER DEMOKRATISCHEN REGIERUNGSFORM ÜBERLEGEN (Jiang Qing)

Eine Frage des politischen Systems: Die demokratische Regierungsform ist das geringste Übel, aber eine Regierungsform des königlichen Weges wäre besser

Der politische Konfuzianismus ist keine Utopie: Die Gongyang-Schule hat eine historisch-faktische und theoretische Grundlage

Wandel durch Rückkehr zum Alten: In der Geschichte eine Richtung für die Zukunft suchen

19. ALGORITHMISCHE VERWALTUNG: DAS GOVERNANCE-PARADIGMA DES SOZIALKREDITSYSTEMS UND SEINE VERRECHTLICHUNG (Yu Qingsong)

Einleitung

Historischer Überblick: Ein auf Kreditdaten algorithmischer Regierungsführung gestützter Paradigmenwechsel

Anfangsstadium: Die Kommodifizierung von Kreditdaten im Rahmen des digitalen Kapitalismus

Mittleres Stadium: Die Instrumentalisierung von Kreditdaten im Rahmen des Überwachungskapitalismus

Fortgeschrittenes Stadium: Die algorithmische Verwaltung im Rahmen des Sozialkreditsystems

Die Black Box aufbrechen: Die Legitimität des Sozialkreditsystems im Kontext der Verstaatlichung von Kreditdaten

Die digitale Persönlichkeit: Ein gänzlich neues GovernanceInstrument des Sozialkreditsystems

Algorithmische Verwaltung: Die gesetzliche Regulierung der Disziplinarmacht

Die Funktion der Disziplinarmacht im Rahmen der algorithmischen Verwaltung

Die digitale Persönlichkeit wird zum Träger der Disziplinarmacht

Der Wirkungsraum der Rechtsherrschaft im Kontext der algorithmischen Verwaltung

20. STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DES CHINESISCHEN SYSTEMS: ÜBER DIE ZWEI SEITEN DER LEISTUNGSFÄHIGKEIT ZENTRALISIERTER MACHTSTRUKTUREN (Fang Ning)

Einleitung

Die wichtigsten Stärken und Vorteile des aktuellen chinesischen Systems

Schwächen und Unzulänglichkeiten des chinesischen Systems

Wie lassen sich die Stärken besser zur Geltung bringen und die Schwächen vermeiden?

21. DAS WÜTENDE VOLK LÄSST SICH NICHT LÄNGER EINSCHÜCHTERN (Xu Zhangrun)

Die Aushöhlung von Politik und Moral

Der Kollaps technokratischer Herrschaft

Innenpolitischer Ordnungsverlust

Die Wiederkehr höfischer Politik

Big-Data-Totalitarismus und WeChat-Terror

Das Ende der Reformen

Eine neue Phase der Isolation

Das Ende der Furcht

Der Countdown läuft

GELEHRTE, GETRIEBENE, GESTALTER – DIE UNTERSCHIEDLICHEN ROLLEN CHINESISCHER INTELLEKTUELLER (Shi Ming)

Die Intellektuellen in Beziehung zu sich selbst – des Kaisers Lehrmeister oder Bodensatz der Gesellschaft?

Die Intellektuellen in Beziehung zur Macht: Loyalität im Tausch für Akzeptanz

Die Intellektuellen in Beziehung zum Volk

ANHANG

ORIGINALTEXTE

KURZBIOGRAPHIEN (IN KAPITELREIHENFOLGE):

DANKSAGUNG

AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE

Web-Ressourcen

Artikel und Bücher

REGISTER

Für Caspar und Emilius 生而不有, 为而不恃, 长而不宰, 是谓玄德(D. L.)

Allen meinen Landsleuten, die den Mut nicht verlieren, mit ihrer Meinung China zu einer pluralistischen Gesellschaft zu verhelfen! (S. M.)

POLITIK UND GESELLSCHAFT CHINAS IM SPIEGEL AKTUELLER KONTROVERSEN

Daniel Leese

Im Jahr 1674 verkündete der Theologe und Sprachforscher Andreas Müller aus Greifenhagen in Pommern eine Entdeckung, die Wissenschaft und Politik gleichermaßen elektrisierte. Er ließ verlautbaren, dass er einen «chinesischen Schlüssel» (clavis Sinica) entdeckt habe, «vermittelst welchem die Sinesische, bey anderen verzweifelte Schrift ohne Mühe zu lesen, und in wasserley Sprache zu translatiren»[1] sei. Dies war ein ungeheures Versprechen. Nachdem das chinesische Kaiserreich im Verlauf des 17. Jahrhunderts insbesondere durch die Schriften jesuitischer Missionare an europäischen Fürstenhöfen und in Gelehrtenkreisen verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt war, entwickelte sich rasch ein lebhaftes Interesse an allem Chinesischen. Die Motive hierfür waren vielfältig. So entspann sich etwa eine Korrespondenz zwischen Müller und dem jungen Gottfried Wilhelm Leibniz, der die Hoffnung hegte, mittels des chinesischen Schlüssels Fortschritte bei seiner Suche nach den Elementen einer Universalsprache zu machen.[2]

Aber es gab auch prosaischere Motive für das Interesse. So verdankte Andreas Müller selbst seine Anstellung als Probst der Berliner Nikolaikirche der Protektion Friedrich Wilhelms, des «Großen Kurfürsten». Dieser träumte von einer Ausweitung des Handels nach Asien und dem Aufbau einer brandenburgischen Ostindien-Kompanie. Um sich mit dem Land und seinen Gepflogenheiten vertraut zu machen, ließ er über Mittelsmänner chinesischsprachige Manuskripte und Bücher aufkaufen. Diese bildeten den Grundstock einer Sondersammlung in der Kurfürstlichen Bibliothek, die mit rund 400 chinesischen Titeln um das Jahr 1700 zu den besten in Europa zählte. Der Große Kurfürst brauchte jedoch Spezialisten, die diesen Bestand lesen und auswerten konnten. Hier kam Müller ins Spiel, der im Ruf stand, ein ausgezeichneter Kenner ostasiatischer Sprachen zu sein. Folglich erhielt er Zugang zur kurfürstlichen Privatbibliothek und begann die vielfältigen Anfragen Friedrich Wilhelms zu beantworten.

Seinen Geniestreich der Erfindung des Schlüssels schrieb Müller der eigenen Frustration zu, eine Systematik im scheinbar unergründlichen Durcheinander der chinesischen Schriftzeichen zu entdecken. Nunmehr habe er ein System entwickelt, mittels dessen das Chinesische sich leicht in andere Sprachen übertragen lasse. Für die Fertigstellung und Abfassung der entsprechenden Unterlagen benötige er allerdings einen Vorschuss. Sobald er diesen erhalten habe, werde er eine Kostprobe seines Schlüssels liefern. Entsprechende Finanzierungen und Druckgenehmigungen zerschlugen sich jedoch. Somit blieb der «chinesische Schlüssel» ein Mysterium, das in den folgenden Jahrzehnten zwar mehrfach wissenschaftlich aufgegriffen, aber nie gelüftet wurde. Etwaige Hinweise in seinen Manuskripten verbrannte Müller kurz vor seinem Tod, was ihm gelegentlich den Nachruf eines Scharlatans eingetragen hat. Übrig blieb ein besonderes Möbelstück, die Typographia Sinica, ein mehrtüriger Schrank mit ausziehbaren Schubladen, in welchem bis heute 3287 kleine Würfel aus Birnbaumholz aufbewahrt werden, in die, spiegelverkehrt, chinesische Schriftzeichen geschnitzt sind. Sie waren wohl als Drucktypen für den nie erschienenen chinesischen Schlüssel gedacht.[3] Das kostbare Relikt steht heute im Humboldt Forum in Berlin.

Wahrscheinlich arbeitete Müller an einem Lexikon, in welchem die (mittels der Holzwürfel zu druckenden) chinesischen Schriftzeichen mit Bedeutungen in der vom jeweiligen Geldgeber gewünschten Sprache ergänzt werden konnten. Nach welchem Prinzip Müller die Anordnung der Schriftzeichen konkret plante, bleibt indes unklar. Genau hierin läge jedoch das eigentliche Geheimnis des Schlüssels. Wer sich mit analogen Methoden auf das Studium der chinesischen Schrift einlässt, kennt die Schwierigkeit, die Schriftzeichen in Untergruppen zu sortieren, um eine leichtere Auffindbarkeit in Lexika zu gewährleisten. Zu Müllers Zeiten gab es auch in China nur ein antiquiertes System von 540 sogenannten Radikalen.[4] Hierbei handelt es sich um häufig verwendete Zeichenbestandteile, etwa «Holz» oder «Hand», die eine Einteilung der theoretisch sogar mehr als 80.000 Schriftzeichen und Variantenschreibungen ermöglichen. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde auf Veranlassung des Kangxi-Kaisers (reg. 1661–1722) eine neue Klassifikation vorgenommen. Im Rahmen eines gewaltigen Wörterbuchprojekts wurden nun insgesamt 214 Zeichenbestandteile als Radikale identifiziert. Heute liegt deren Zahl in volksrepublikanischen Lexika meist nur noch bei knapp 190. Die händische Suche nach unbekannten chinesischen Schriftzeichen bleibt ein zeitaufwändiges Unterfangen, so dass Müllers Verweis auf das «mühelose» Übersetzen wohl eher Marketingzwecken gedient haben dürfte.

Schlüssel zu fremden Kulturen im digitalen Zeitalter?

Wenn Andreas Müller und seine Zeitgenossen Kenntnis von den technischen Hilfsmitteln unserer Gegenwart gehabt hätten, insbesondere den auf künstlichen neuronalen Netzen basierenden Online-Übersetzungsdiensten, hätten sie zweifellos gedacht, dass der «chinesische Schlüssel» Wirklichkeit geworden sei und flächendeckende Anwendung gefunden habe. Die Fortschritte in diesem Bereich, insbesondere im letzten Jahrzehnt, sind in der Tat atemberaubend. Gerade bei standardisierten Textsorten und bei der Übersetzung ins Englische liefern die besten Werkzeuge mittlerweile in Sekundenbruchteilen brauchbare Ergebnisse. Eine chinesische Tageszeitung lässt sich heute auch ohne jegliche Chinesisch-Kenntnisse recht passabel überfliegen. Die Qualität der Übersetzungen hängt dabei entscheidend vom Textkorpus ab, mittels dessen die Algorithmen trainiert werden. Je größer die Anzahl an vergleichbaren Texten und je besser deren Qualitätsstandards sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, geeignete Übersetzungsvorschläge zu erhalten.

Die offizielle Politsprache in der Volksrepublik China (wie auch anderer staatssozialistischer Systeme) ist aufgrund ihres hohen Grads an Formalisierung geradezu geschaffen für Maschinenübersetzung. Wie der schwedische Forscher Michael Schoenhals schon vor drei Jahrzehnten dargelegt hat, gleicht die politische Sprache Chinas einem restriktiven Code, der vor allem durch Beschränkung der als «korrekt» anerkannten offiziellen Formulierungen (tifa) eine Verarmung des Vokabulars bewirkt und den Raum des öffentlich Sagbaren stark begrenzt.[5] Die zentralen Parteiorgane, wie etwa die Volkszeitung, dienen somit nicht als Plattform öffentlichen Meinungsaustauschs, sondern der Markierung und Verfestigung des Parteidiskurses. Die permanente Wiederholung abstrakter und zum Zwecke der besseren Merkbarkeit oft durchnummerierter Slogans (etwa des «Zweifachen Etablierens», «Dreifachen Vertretens», die «Vier Arten Selbstvertrauen», die «Fünf-in-Eins»-Lehre etc.) haben dabei einen abstumpfenden und entpolitisierenden Effekt. Politische Veränderungen und Machtverschiebungen erfordern daher ein «Lesen zwischen den Zeilen» und den konstanten Abgleich mit dem machtpolitischen Umfeld. Hier helfen Maschinenübersetzungen allerdings nicht weiter. Die extreme symbolische Aufladung offizieller Äußerungen, wie sie gerade aus Zeiten der «Kremlinologie» oder der «Pekingologie» im Kalten Krieg bekannt sind, hat allerdings auch den Nebeneffekt, dass redaktionelle Unachtsamkeiten potenziell als Staatskrisen gedeutet werden.

Um zu testen, inwiefern sinologisches Kontextwissen und langjährige Übersetzungserfahrung auch in der Gegenwart noch relevante Qualifikationen darstellen oder ob maschinelle Leistung hier die menschliche Intuition inzwischen ein- oder überholt hat,[6] haben wir während der Erstellung dieser Anthologie einige Texte zum Vergleich maschinell übersetzen lassen. Das Ergebnis war so eindeutig wie erwartbar: Je standardisierter die Textsorte, desto hilfreicher waren die syntaktischen Vorschläge der Programme und umgekehrt. Am ehesten funktionierte die maschinelle Übersetzung daher mit standardisierten Ausdrücken kommunistischer Parteiprosa (etwa in Kapitel 3). Schon heute ließe sich ein Großteil der Parteipropaganda problemlos von Chatbots verfassen. Anspielungsreiche Texte mit einem hohen Anteil an sprachlichen Wendungen aus dem klassischen Chinesisch (etwa Kapitel 18 und 21) hingegen blieben in der Regel gänzlich unverständlich.[7] Mit entsprechend guten Übersetzungsvorlagen wird sich zweifellos auch hier die Qualität in den nächsten Jahren erheblich steigern. Aber trotz aller technologischen Fortschritte bleibt zu konstatieren, dass die Sehnsucht nach einem Zauberwerkzeug wie dem «chinesischen Schlüssel», welcher uns der Mühen des intensiven Studiums der chinesischen Schrift, Kultur und Geschichte enthebt, eine Wunschvorstellung bleiben wird. Das zur Einordnung der Texte notwendige Kontext- und Erfahrungswissen lässt sich auf absehbare Zeit nicht durch Algorithmen ersetzen.

Und dennoch: Nie war es einfacher, auch ohne chinesische Sprachkenntnisse Einblicke in dortige Debatten zu erhalten. Das Interesse hieran war in Deutschland allerdings lange Zeit nur begrenzt ausgeprägt. Erst der wirtschaftliche und machtpolitische Aufstieg der Volksrepublik China auf der internationalen Bühne hat diese Situation langsam verändert. Spätestens mit Amtsantritt Xi Jinpings als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas Ende 2012 hat die Kombination des Regierens mit harter Hand nach innen und des selbstbewussten Auftretens nach außen dafür gesorgt, dass China in der Öffentlichkeit nicht länger nur als verlockender Absatzmarkt für deutsche Produkte, sondern auch als Wettbewerber oder gar als politische Bedrohung wahrgenommen wird. Die «Systemfrage» ist wieder in aller Munde und stellt lang gehegte Gewissheiten hinsichtlich der Überlegenheit des westlichen Modells von Demokratie und Marktwirtschaft in Zweifel. Auch die Konjunkturen des deutschen China-Interesses sind somit in hohem Maße kontextabhängig. Die Umbrüche im globalen Machtgefüge werden von Rufen nach mehr «China-Kompetenz» begleitet. Worin aber könnte eine solche Kompetenz bestehen, die sich nicht in einigen flüchtigen Fakten über das politische System und psychologischen Mutmaßungen über das Führungspersonal erschöpft?

Ein erster Schritt bestünde zweifellos darin, innerchinesische Debatten ernst zu nehmen und einordnen zu können. Noch immer wissen wir zu wenig darüber, wie die massiven außen- und innenpolitischen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte in der Volksrepublik China selbst diskutiert werden. Zwar gab und gibt es immer wieder Ansätze, politische Denkerinnen und Denker aus der Volksrepublik einem deutschsprachigen Publikum vorzustellen[8] und aktuelle politische Debatten zu übersetzen,[9] aber zumeist dominieren die holzschnittartigen, rein auf die Parteispitze fokussierten Darstellungen. Diese suggerieren, dass sich komplexe Entwicklungen oder gar das chinesische Denken mittels eines einzelnen Erklärungsansatzes, einem «chinesischen Schlüssel» im übertragenen Sinne, dekodieren ließen. Eine tiefergehende Beschäftigung mit der chinesischen Politik und Gesellschaft sowie ihren Widersprüchen scheint sich so zu erübrigen. Auch in der Tagespresse finden vielfach nur die lautesten Perspektiven mit dem größten Erregunspotenzial Gehör, etwa aus dem stramm nationalistischen Blatt Global Times. Entsprechende Verkürzungen sind indes kein deutsches Unikum. So werden in der chinesischen Parteipresse auch gerne deutsche Stimmen gefeiert, welche die eigene Weltsicht bestätigen. Daneben gibt es teils originelle Handreichungen, die chinesischen Unternehmerinnen und Unternehmern einen Schlüssel zum Wesenskern der Deutschen versprechen, um so deren wirtschaftliche Erfolgschancen zu erhöhen.[10]

Dieses Buch verfolgt einen anderen Ansatz. Es kontrastiert wichtige Beiträge innerchinesischer Debatten durch direkte Gegenüberstellung und bietet historische Einordnungen. Die von den Parteimedien dominierte Öffentlichkeit suggeriert Harmonie und Gleichförmigkeit. Unter der Oberfläche des gänzlich intransparenten Parteidiskurses tobt jedoch, vor allem seit Vertiefung der Reformpolitik Anfang der 1990er Jahre, ein erbitterter Streit um die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit und den besten Weg zur Modernisierung Chinas. Die Bezüge zwischen diesen Stimmen sind teils offensichtlich, teils nur zu erahnen. Hier nutzen auch die besten Übersetzungsprogramme wenig, wenn man den zeitgeschichtlichen Kontext nicht einzuordnen weiß. Die Anthologie bietet somit zwar keinen «chinesischen Schlüssel», aber sie begreift zentrale chinesische Debattenbeiträge als Schlüsseltexte für ein vertieftes Verständnis der aktuellen Politik und Gesellschaft. Sie ermöglicht einen, zwangsläufig selektiven, Einstieg in komplexe Auseinandersetzungen, die in der Volksrepublik um vier Themenkomplexe geführt werden: das chinesische Selbstverständnis, die Legitimation der Herrschaft, die ländliche Modernisierung sowie die eigenen Zukunftsperspektiven.

Kritische Öffentlichkeit als Gefahr für Regimestabilität

Für kritische Stimmen ist es seit Amtsantritt Xi Jinpings immer schwieriger geworden, eine öffentliche Plattform zu finden, da die Zensurmaßnahmen massiv ausgeweitet wurden. Viele Themen können daher kaum mehr öffentlich diskutiert werden, was aber nicht heißt, dass damit die grundlegenden Meinungsverschiedenheiten aus der Welt geschafft sind. Die Tabuthemen werden insbesondere im berüchtigten «Dokument Nr. 9» aus dem Jahr 2013 ausbuchstabiert. Hierbei handelt es sich um ein routinemäßig durchnummeriertes Rundschreiben der Kanzlei des Zentralkomitees, des Informationsknotenpunkts des gewaltigen Parteiapparats. Dieses Dokument wurde kurz nach Xi Jinpings Wahl in die höchsten Partei- und Staatsämter parteiintern verschickt.[11] Zentrale Inhalte waren bereit zwei Wochen später etwa im chinesischsprachigen Angebot der Deutschen Welle zu lesen und wurden auch von einem hochrangigen Propaganda-Funktionär an eine Hongkonger Zeitschrift durchgestochen.[12]

Das Dokument flaggte sieben Themenbereiche aus, mittels derer «feindliche Kräfte» die Einheit des Staats und die Regierung der Partei zu unterminieren trachteten: konstitutionelle Demokratie, universelle Werte, Zivilgesellschaft, Neoliberalismus, die Prinzipien des westlichen Journalismus, historischen Nihilismus (das heißt, nicht parteikonforme Ansichten zur Geschichte) sowie schließlich eine mit der Kritik an der Reform- und Öffnungspolitik verbundene Infragestellung des sozialistischen Charakters des Systems.[13] Zu jedem Unterpunkt wurden konkrete Beispiele angeführt, damit lokale Parteifunktionäre die teils sehr abstrakt formulierten Gefahren in ihrer täglichen Arbeit auch ausfindig machen konnten. Das Dokument endete mit der dringenden Aufforderung, die Kontrolle im ideologischen Bereich massiv zu erhöhen, die Autorität der Parteizentrale zu stärken und konstant auf der Hut vor feindlichen Unterwanderungsversuchen zu sein.

Zensurbestrebungen und Warnungen vor westlicher Subversion als solche stellten kein Novum in der Parteirhetorik dar. Nur zwei Jahre zuvor hatte etwa der damalige Vorsitzende des Nationalen Volkskongresses Wu Bangguo, ein enger Gefolgsmann des einstigen Generalsekretärs Jiang Zemin, fünf Themen definiert, die in der Volksrepublik keine Umsetzung erfahren dürften: wechselnde Regierungsparteien, eine Pluralisierung der Führungsideologie, Gewaltenteilung und ein Zwei-Kammern-System, der Aufbau föderaler Strukturen sowie schließlich Privatisierungen.[14] Das Dokument Nr. 9 aber kündigte einen grundsätzlicheren Wandel der politischen Kultur und Weltwahrnehmung an.

Das Durchstechen des Dokuments an die Hongkonger Zeitung durch ein hochrangiges Mitglied des Propagandasektors war noch mit der Beteuerung einhergegangen, dass es sich bei Xi Jinping eigentlich um einen Reformer handele. In einer fulminanten Rede für eine parteiinterne Öffentlichkeit machte Xi am 19. August 2013 jedoch deutlich, dass die Partei an einem Wendepunkt stehe: Der partielle Kontrollverlust im Bereich der Ideologie spiegele einen fundamentalen Werteverlust, der sich in Korruption, mangelnder Durchsetzungsfähigkeit der Parteizentrale und einer drohenden Unterwanderung durch westliche Politikvorstellungen äußere. Ideologische Kontrolle und der Glaube an den «sinisierten Marxismus» stellten das «Kalzium»[15] der Parteiherrschaft dar. Andernfalls drohe ihr eine «geistige Osteoporose», die im Machtverlust münden könne. Als Konsequenz dieser Wahrnehmung zeigte sich bald ein grundsätzlicher Wechsel der chinesischen Politik. Westliche Werte wurden zum Feindbild stilisiert, die den Fortbestand der Parteiherrschaft im Kern zu zersetzen drohten. Mit einer Zangenbewegung aus ideologischer Erziehung sowie Angsterzeugung durch unkalkulierbare Kampagnen sollten diese Aushöhlungsbestrebungen dauerhaft abgewehrt werden.

Den Hintergrund für diese düstere Sicht auf den Zustand der Partei bildeten sowohl die Farbrevolutionen in Osteuropa und Nordafrika, die 2011 auch in der Volksrepublik zu kleineren Protestaktionen geführt hatten, als auch innerparteiliche Machtkonflikte. Als Konsequenz rief die neue Parteiführung um Xi Jinping dazu auf, dass auch in den Bereichen der Kultur, Wissenschaft, Bildung sowie im Pressewesen die «nationale ideologische Sicherheit» gewährleistet werden müsse. Die Umsetzung erfolgte durch entsprechende Gleichschaltungs-, Repressions- und Schulungsmaßnahmen, insbesondere in den Medien, aber auch an Schulen und Universitäten. Dieser Vorgang wird in der Politikwissenschaft als «Versicherheitlichung» (securitization) bezeichnet. Das Konzept beschreibt, wie Teilbereiche der Politik für sicherheitsrelevant erklärt und damit der kritischen Diskussion entzogen werden.[16] Anstelle der kontroversen Debatte trat somit die Akklamation sowie die angeleitete Auslegung der neuesten Weisheiten des Parteiführers.[17]

Schlägt man heute eine beliebige Ausgabe der Volkszeitung auf, findet man dort vor allem Erfolgsmeldungen über die jüngsten Parteimaßnahmen, bewusst emotional gehaltene Stücke über die enge Verbindung zwischen Führer und Volk sowie die Vermittlung eines auf die Geschichte gestützten Selbstvertrauens in den chinesischen Entwicklungspfad. Den Deutungsrahmen für diesen offiziellen Parteidiskurs setzen Reden und Dokumente der politischen Führung, wie etwa die im November 2021 veröffentlichte Resolution zur Parteigeschichte.[18] Diese bieten eine Perspektivierung, die über die Tagespolitik hinausweist und ein Gefühl für das große Ganze vermitteln soll. So wurde Xis Amtsantritt in der Rückschau als «Zeitenwende» bezeichnet, die eine neue Ära eingeläutet und den temporären Schwächezustand überwunden habe. Nachdem die Volksrepublik unter Mao Zedong «aufgestanden» und während der nunmehr als Reformära historisierten Jahre von 1978 bis 2012 «reich geworden» sei, gelte es nunmehr, Chinas Machtanspruch auf der internationalen Bühne umfassend zu entfalten.

Ist eine insbesondere auf Meinungsvielfalt und innerchinesische Kontroversen ausgerichtete Anthologie vor diesem Hintergrund überhaupt noch zeitgemäß oder auch einfach nur realitätsnah? Schließlich wird die offizielle Parteisicht auf China und die Welt zunehmend professionell auch für ein deutschsprachiges Publikum aufbereitet und von finanzstarken Akteuren auf den Buch- und Zeitungsmarkt gebracht.[19] Gerade in Anbetracht dieser Entwicklungen erscheint es den Herausgebern notwendig, die unter dieser glatten Oberfläche existierenden Bruchlinien zentraler chinesischer Debatten und ihrer politischen Kontexte nachzuzeichnen, nicht zuletzt, um der Verfestigung nationaler Wahrnehmungsstereotype vorzubeugen. Auch wenn der politische Konformitätsdruck derzeit immens ist, sind damit die unterschiedlichen politischen Ansichten nicht verschwunden. Überdies werden, trotz aller Bestrebungen nach ideologischer Kontrolle, noch immer Debatten über fundamentale Fragen geführt, sei es im Kontext scheinbar fachspezifischer Diskussionen, in taiwanischen oder exilchinesischen Medien oder, wie so häufig in der chinesischen Geschichte, anhand historischer Allegorien.[20] Die Debatten der Gegenwart schließen dabei an Entwicklungen insbesondere seit Beginn der Reformpolitik Ende der 1970er Jahre an. Zum besseren Verständnis der Texte folgt daher ein knapper Abriss bedeutender intellektueller Strömungen in den vergangenen 40 Jahren. Der Blick in die Geschichte zeigt dabei auch das komplexe und in stetem Wandel befindliche politische Kraftfeld, in welchem chinesische Intellektuelle agieren und in dem sie ihre Positionen immer wieder neu ausrichten müssen.

Intellektuelle Strömungen und Debatten der Reformära

Die chinesische Bezeichnung für Intellektuelle (zhishifenzi) ist diffus. Der Begriff kam nach der Vierten-Mai-Bewegung im Jahr 1919 wohl über das Russische nach China und umschreibt bis heute sowohl Personen mit höherem Bildungsabschluss als auch Parteitheoretiker und professionelle Forschungseliten.[21] Der westliche Begriff des «öffentlichen Intellektuellen» (gonggong zhishifenzi) hat hingegen eine weit jüngere Geschichte in der Volksrepublik. 2004 erschienen erstmals Rankings in chinesischen Zeitschriften, welche die einflussreichsten einheimischen Intellektuellen zu benennen suchten. Hieran entzündeten sich heftige Debatten, die einerseits auf jene Mediengestalten abzielten, die ohne relevante Forschungsexpertise ihr kulturelles Kapital vor allem daraus bezogen, bekannt zu sein und Kontroversen zu erzeugen.[22] Aber auch die Partei stieß sich bald an diesem Begriff, da sie hier zu Recht Konkurrenz um die Meinungshoheit befürchtete. Der Begriff der «öffentlichen Intellektuellen» erhielt daher eine zunehmend negative Konnotation. Unmittelbar nach Xi Jinpings Amtsantritt wurden kritische Individuen mit reichweitenstarken Accounts in den sozialen Medien entweder auf Linie gebracht oder in Einzelfällen inhaftiert. Weitere Debatten wurden über die Frage geführt, ob im Ausland lebende chinesischsprachige («sinophone») Personen auch als «chinesische» Intellektuelle betrachtet werden sollten. Die substanziellsten Beiträge stellten jedoch das Verhältnis von Partei und Individuum in den Mittelpunkt. Die Feministin und Aktivistin Ai Xiaoming etwa äußerte, dass es eine Farce sei, von «öffentlichen Intellektuellen» zu sprechen, solange es keine nennenswerte Autonomie für kritische Meinungsäußerungen gebe.[23] Hier klang ein Grundkonflikt an, der weit älter ist als die Geschichte der Volksrepublik.

Der Begriff «Intellektuelle» baut in vielfältiger Weise auf dem klassischen Vorbild des Literatenbeamten auf, jener durch das kaiserliche Prüfungssystem selektierten Elite, deren Status sie zur Hilfe bei der Landesverwaltung qualifizierte, die aber immer auch das Ethos mit sich trug, für das Wohlergehen von Staat und Zivilisation mitverantwortlich zu sein (siehe hierzu auch den Schlussessay). Dies beinhaltete die Aufforderung, dem Kaiser stets die ungeschminkte Wahrheit als Spiegel vorzuhalten und für Überzeugungen einzustehen, auch bei Gefahr für das eigene Leben. Ein berühmter Vertreter dieses Ethos war etwa der Gelehrte Hai Rui (1514–1587) zu Zeiten der Ming-Dynastie, der eine Zeit lang stets einen Sarg mit sich führte, nachdem der von ihm kritisierte Kaiser ihn zunächst zum Tode verurteilt hatte. Die Hoffnung auf einen unbestechlichen, ehrenhaften Beamten, der sich des jeweiligen Unrechts annimmt, lässt sich vielerorts bis in die Gegenwart beobachten. Die konfligierenden Ansprüche an die gelehrten Beamten, sowohl Teil des Systems zu sein und gleichzeitig von einer höheren moralischen Warte aus unerschrocken für das Wohlergehen von Staat und Zivilisation einzutreten, zeigten sich auch in der Neuzeit, nachdem die Beamtenprüfungen 1905 abgeschafft und das damit einhergehende Weltbild zusammengebrochen war (siehe auch Kapitel 6). Gerade während Phasen innerer und äußerer Bedrohung aber unterdrückten wechselnde Regierungen Kritik mit dem Argument, dass zur Gefahrenabwehr einheitliche ideologische Positionen bezogen werden müssten.

Auch wenn die «Intellektuellen» offiziell keine soziale Klasse darstellten, wurde den als solchen Bezeichneten im Kontext der kommunistischen Bewegung sehr schnell bedeutet, dass ihr Status fragil sei. Sie galten als Vertreter kleinbürgerlichen Denkens und als politisch unzuverlässig. In einer berühmten Rede aus dem Mai 1942 skizzierte Mao Zedong das Bild eines Zwei-Fronten-Kampfes, der nicht nur mit «Gewehren», sondern auch mit «Pinseln» gewonnen werden müsse. Literatur, Kunst und sonstige intellektuelle Tätigkeiten seien Teil der «kulturellen Front» und hätten sich als «Schrauben» dem größeren Getriebe der Revolution einzufügen.[24] Intellektuelle, die sich als besonders loyal zur Parteiführung darstellen wollten, benannten ihre Kollektive daher in der Folgezeit häufig nach entsprechenden Metaphern aus dem Maschinenbau. Nach Gründung der Volksrepublik China wurden die Intellektuellen von Mao Zedong indessen immer wieder aufgefordert, ihm die ungeschminkte Wahrheit mitzuteilen, etwa während der Hundert-Blumen-Kampagne 1956/57. Mao bezog sich dabei direkt auf das klassische Ethos der Herrscherkritik. Die Kritik führte aber schon bald zu Verfolgungen, die ihren Höhepunkt während der Kulturrevolution erreichten. Der liminale Status der Intellektuellen, die nunmehr als «reaktionäre akademische Autoritäten» bezeichnet wurden, kippte eindeutig in Richtung Feindeslager. Viel individuelles Leid, aber auch politische Anbiederungen oder Fremdbezichtigungen kennzeichneten diese Jahre, die zu schwerwiegenden Verwerfungen in allen Bildungs- und Forschungseinrichtungen führten. Ausnahmen von der Verfolgung bestanden vor allem für jene, die in technischen Bereichen tätig waren und an Projekten von nationalem Interesse arbeiteten. Aber auch hier bildete der Konflikt zwischen politischer Loyalität und professioneller Tätigkeit, zwischen «roter Einstellung» und «Expertise», ein dauerhaftes Spannungsfeld.

Unter Deng Xiaoping und Hua Guofeng kam es ab 1977 zu einer offiziellen Rehabilitierung der Intellektuellen, die nunmehr entweder als «erfolgreich umerzogen» oder aber als Teil der Arbeiterklasse («Geistesarbeiter») definiert wurden, da sie in ihrer Mehrheit nach 1949 sozialisiert und daher nicht mehr von «altem Denken» kontaminiert seien. Eventuelle Kritik sollte in Zukunft als Problem individueller Einstellung und nicht mehr als Ausdruck des Klassenkampfes betrachtet werden. Deng Xiaoping stellte überdies die zentrale Bedeutung von Wissen und Bildung für die wirtschaftliche Modernisierungspolitik heraus.[25] Vor dem Hintergrund dieser oftmals traumatischen Erfahrungen der maoistischen Periode suchten nun Überlebende der alten und Vertreter der jüngeren Generation nach Wegen in die Zukunft sowie nach einer neuen Rolle für die Intellektuellen.

Das Kulturfieber der 1980er Jahre

In Gesprächen mit chinesischen Intellektuellen hört man häufig, dass sie in den 1980er Jahren allesamt Reformer gewesen seien. Oft wird die Phase bis 1989 auch als eine «zweite Aufklärungsbewegung»[26] bezeichnet, in Anspielung auf die Bewegung des Vierten Mai im Jahr 1919. Damals hatte die Kritik vor allem dem Konfuzianismus, patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen sowie der von der Alltagsrealität weitgehend abgehobenen Schriftsprache gegolten.[27] Nunmehr wurde in Anbetracht der Willkürerfahrungen der maoistischen Massenkampagnen die Überlegenheit des sozialistischen Modells angezweifelt. Vor allem das Entstehen des Personenkults um den «Großen Vorsitzenden», aber auch die empfundene kulturelle und wirtschaftliche Rückständigkeit der Volksrepublik China im Vergleich zum Rest der Welt führten zu massiven Selbstzweifeln. Gleichzeitig zeigten sich Bestrebungen, das kulturelle Erbe neu nutzbar zu machen. Viele heutige politische Vorgaben, insbesondere die permanente Betonung nationalen und kulturellen Selbstvertrauens, lassen sich nur vor diesem Hintergrund verstehen.

Einige der bekanntesten Reformintellektuellen der 1980er Jahre wie Liu Binyan (1925–2005), Wang Ruoshui (1926–2002) oder Yan Jiaqi (*1942) agierten im Umfeld von Partei- oder Staatsinstitutionen, weshalb sie auch als «Kader- oder Establishment-Intellektuelle»[28] bezeichnet werden. Wesentliche politische Forderungen bestanden in der zunehmenden Trennung von Partei und Staat, der Gewährung demokratischer Mitspracherechte sowie größerer politischer Transparenz. Unter den Generalsekretären Hu Yaobang (1915–1989) und Zhao Ziyang (1919–2005) erhielten diese Forderungen politische Rückendeckung von Teilen der Parteispitze. Die Parteiintellektuellen lieferten somit gezielt Argumente im Kontext innerparteilicher Auseinandersetzungen, etwa wenn sie Konzepte wie «Entfremdung» aus dem Werk des jungen Karl Marx entlehnten, um eine eher sozialdemokratisch orientierte Version des chinesischen Staatssozialismus zu fordern (siehe Kapitel 11). Hauptgegner waren Vertreter des alten Parteiestablishments. Hierzu zählte insbesondere Mao Zedongs vormaliger politischer Sekretär Hu Qiaomu (1912–1992), der auch unter Deng Xiaoping noch einer der mächtigsten Parteifunktionäre im Bereich von Kultur und Pressewesen blieb. Inhaltlich lieferte der streitbare Deng Liqun (1915–2015), ein unbeirrbarer Sozialist und zu Beginn der 1980er Jahre Chef der mächtigen Zentralen Propagandaabteilung, dem Reformlager den meisten Stoff für kritische Auseinandersetzungen, wenn er für die Vorteile der Staatswirtschaft, eine Begrenzung der Sonderrechte für die ethnischen Minderheiten oder für eine Stärkung der ideologischen Kontrolle argumentierte.[29] In den 1980er Jahren repräsentierte Deng Liqun eine Außenseiterposition in der Partei. Heute befinden sich zahlreiche seiner Vorstellungen im Mainstream des Sozialismus chinesischer Prägung.

Verfechter politischer Reformen wurden im Kontext der Kampagne gegen eine «bürgerliche Liberalisierung» Chinas schon vor 1989 politisch marginalisiert und teilweise aus der Partei ausgeschlossen. Drakonischer fielen die Strafandrohungen für jene Intellektuellen in- und außerhalb der Partei aus, die explizit demokratische Verfahren einforderten. Hierzu zählte insbesondere der Astrophysiker Fang Lizhi (1936–2012), der wohl prominenteste intellektuelle Fürsprecher der studentischen Proteste 1986 und 1989.[30] Fang gelang die Flucht in die USA, während viele andere, die in der Folgezeit zu den bekanntesten Gesichtern der chinesischen Opposition aufstiegen, Haftstrafen und Folter erleiden mussten, wie etwa der spätere Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo (1955–2017), Liao Yiwu (*1958) oder Wang Dan (*1969).

Im Schatten der großen politischen Auseinandersetzungen fanden in den 1980er Jahren auch vielfältige Diskussionen über das Verhältnis von chinesischer Tradition und globaler Moderne statt. Bereits seit den frühen 1970er Jahren hatte eine «stille Revolution» nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Bereich der Kultur eingesetzt. Die Generation landverschickter Rotgardisten weitete den offiziell erlaubten Lesekanon von Mao, Marx, Lenin und Stalin erheblich aus. Neben klassischen Philosophen und Staatsdenkern, von Shang Yang bis Hegel, erlebten auch eigentlich verbotene Werke der westlich-bürgerlichen Literatur großen Zulauf.[31] Im «Kulturfieber» der 1980er Jahren explodierte der Kosmos der Leseerfahrungen nun geradezu. Ob Sartre, Weber, Adorno oder Althusser, aber auch Denker wie Adam Michnik, Milovan Djilas oder Adam Schaff: Der Hunger nach theoretischen Alternativen und der Wunsch nach Anschlussfähigkeit an globale Debatten schienen grenzenlos.[32] Wie bereits im Rahmen der «Neuen Kulturbewegung» (1915–1925) wurden vor allem westliche Werke und Theorieansätze in großem Stil übersetzt, aber auch Japan blieb ein bedeutender Bezugspunkt.

Viele der bis heute prägenden Intellektuellen traten bereits damals in Erscheinung. Während sie ab den 1990er Jahren meist universitäre Posten innehatten, gruppierten sich die kritischen Denkerinnen und Denker damals vor allem um eine Reihe großer Editionsprojekte. Besonders einflussreich war eine Gruppe um das Chemiker-/Historiker-Ehepaar Jin Guantao (*1947) und Liu Qingfeng (*1949), die gemeinsam mit ihrem Kollegen Bao Zunxin (1937–2007) eine auf 100 Titel angelegte Serie mit dem Titel Der Zukunft entgegen[33] herausgaben. Letztlich erschienen 74 Bände, bevor die staatliche Druckerlaubnis entzogen wurde. Die Reihe verfolgte das Ziel, insbesondere sozialwissenschaftliche und philosophische Titel für ein breites Publikum verfügbar zu machen. Darunter war etwa der Bericht des Club of Rome Die Grenzen des Wachstums, aber auch Max Webers Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus oder Douglas Hofstadters Gödel, Escher, Bach – ein endloses geflochtenes Band. Kurz zuvor war bereits Alvin Tofflers optimistische Zukunftsvision Die Dritte Welle erschienen, die bis in die Parteispitze hinein gelesen wurde.[34] Insgesamt aber überwogen chinesische Titel, die entweder eigene Beobachtungen über mögliche Pfade der chinesischen Modernisierung beisteuerten oder globale wissenschaftliche Entwicklungen zusammenfassten, etwa aus den Bereichen der Kybernetik, Informationstheorie und Systemtheorie. Die Gruppe operierte stets an den Grenzen der staatlichen Zensur. Ihre führenden Köpfe gingen nach 1989 entweder ins Exil oder wurden aufgrund ihrer Unterstützung der Proteste zu Haftstrafen verurteilt. Zum Kreis der meist noch jungen Mitstreiter zählte aber zum Beispiel auch ein Historiker namens Wang Qishan (*1948), der später zu einem der mächtigsten Politiker und engsten Vertrauten Xi Jinpings aufsteigen sollte.

Die größte Bekanntheit erlangte ein Titel von Jin Guantao selbst, in welchem er die Innovation erstickende Dominanz ideologischer Großsysteme in China anprangerte. Ob klassischer Konfuzianismus oder sinisierter Marxismus: Die staatlich verordneten Orthodoxien bildeten seiner Ansicht nach «ultrastabile Strukturen»,[35] indem neue Denkströmungen permanent oberflächlich integriert und als Teil des Bestehenden ausgegeben wurden. Als Herrschaftsideologie prägten sie die Ausbildung der gesellschaftlichen Eliten und sorgten für Kontinuität auch über politische Verwerfungen hinweg. Hier zeichnete sich die Frage nach der Möglichkeit eines radikalen Bruchs mit der Tradition ab, die 1988 in einer Fernsehserie namens Heshang (Flusselegie) breitenwirksam aufgegriffen wurde.[36] Die extrem einflussreiche Darstellung kontrastierte ein im Lössboden verwurzeltes, repressives, nach innen gekehrtes «gelbes» China mit Ansätzen eines «blauen», weltoffenen China. Viele der damals kritisierten Aspekte werden heute von der Parteiführung und ihren Theoretikern als Kernbestandteile der chinesischen Identität herausgestellt. Die von Jin aufgeworfene Frage, ob die gesellschaftliche Integration durch Ideologie letztlich politische und wirtschaftliche Innovation verhindert, ist von ungebrochener Relevanz.

Technologischer Fortschrittsglauben und Rationalitätsanspruch trafen in den 1980er Jahren dabei auf Versuche, die Wurzeln der eigenen Kultur neu zu bewerten.[37] Dies zeigte sich etwa in Bemühungen, positive Elemente des in der Kulturrevolution verteufelten Konfuzianismus nutzbar zu machen und als Ausgangspunkt eines alternativen Weges in die Moderne zu nehmen. In zahlreichen Akademien, Vortragsreihen und Schriften suchten Intellektuelle nach Antworten auf die Frage nach dem Verhältnis von Tradition und Moderne. Neo-autoritäre Denker wie Xiao Gongqin (*1946) betonten, dass sich wirtschaftliche Entwicklung und ein autoritäres System keineswegs ausschließen müssten, sondern dass gerade das Beispiel Singapurs sogar die Vorzüge dessen aufzeige, was in den 1990er Jahren als «asiatische Werte» debattiert werden sollte. Hieran hatten auch Teile der Parteiführung erhebliches Interesse, indem hierarchische Strukturen, Kollektivismus und zentrale Kontrolle als Kernelemente chinesischer Kultur in den Mittelpunkt gestellt wurden. Mit Wang Huning (*1955), einem damaligen akademischen Shooting-Star aus Shanghai, stieg ein Vertreter dieser neo-autoritären Strömung bis in den Ständigen Ausschuss des Politbüros auf. Heute ist er das Mastermind hinter dem offiziellen Parteidiskurs «nationalen Wiedererstarkens»,[38] mit dem eine Brücke zwischen Marxismus, Konfuzianismus und Nationalismus geschlagen wurde (siehe Kapitel 10).

Aber es gab auch komplexere Standpunkte zum Verhältnis von Tradition und Moderne, wie etwa die Forderung des marxistischen Philosophen Li Zehou (1930–2021), die westlichen Erfahrungen der Regierungsführung nunmehr als Kern oder «Wesen» (ti) zu begreifen und chinesische Traditionen hingegen nur für die konkrete «Anwendung» (yong) zu nutzen.[39] Damit kehrte Li die klassische Tiyong-Formel der späten Qing-Zeit um, westliches Wissen nur instrumentell zu gebrauchen und den vermeintlichen kulturellen Kern der chinesischen Traditionen unangetastet zu lassen. Viel Aufmerksamkeit erhielten auch die Debatten im Kontext der in Peking herausgegebenen Buchreihe Kultur: China und die Welt. Als Chefherausgeber fungierte der Mitdreißiger Gan Yang (*1952; Kapitel 6), der erst kurz zuvor einen Masterabschluss in westlicher Philosophie an der Peking-Universität erworben hatte. Neben der systematischen Übersetzung westlicher Philosophie und Sozialwissenschaften (von Husserl und Heidegger, Rorty und Habermas über Ricoeur, Foucault und Derrida bis hin zu Freud und Jung) trieb Gan mit seinem Projekt Überlegungen voran, wie gerade die blinden Flecken der eigenen Tradition neu überdacht werden könnten.[40] Durch kritische Hermeneutik sollte die eigene Vergangenheit entmythologisiert werden, aber gleichzeitig als Reservoir für einen spezifisch chinesischen Modernisierungsweg dienen. Im Hintergrund stand somit immer die Frage nach einer eigenständigen chinesischen Position in der Gegenwart. Wie aber konnte eine solche Rolle aussehen, die sich weder in einer gänzlichen Aufgabe des eigenen kulturellen und politischen Erbes äußerte, noch als eine in anti-koloniale Phrasen gekleidete Selbstbeweihräucherung der Parteidiktatur präsentierte?

Frontbildungen: Staat, Markt und Tradition

Die Niederschlagung der landesweiten Proteste im Juni 1989 bildete einen tiefen Einschnitt und setzte der kritischen Debattenkultur in der Volksrepublik einstweilen ein blutiges Ende. Kritiker wurden inhaftiert. Wer konnte, floh ins Ausland. Eine gesamte Studentengeneration wurde wie in maoistischer Zeit für ein bis zwei Jahre zwangsverschickt, um durch das Studium von Parteitexten und militärischen Drill patriotische Gefühle zu entwickeln und Gehorsam zu lernen.[41] Die alte Generation der Reformintellektuellen innerhalb der Partei verstummte weitgehend. Aber spätestens mit Deng Xiaopings offizieller Bekräftigung der wirtschaftlichen Reformpolitik Anfang 1992 zeigte sich, dass keine erneute Stigmatisierung der Intellektuellen beabsichtigt war. Vielmehr bemühte sich die Parteiführung, spezifische Expertise in die politischen Planungen einzubinden sowie Patriotismus und Stolz auf die chinesische Kultur insbesondere in Schulen und Universitäten zu fördern. Unter staatlicher Patronage entstanden daher in den frühen 1990er Jahren an großen Universitäten nun Zeitschriften und Zentren zum Thema «Nationalstudien» (guoxue). Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros förderten gezielt die kultische Verehrung des mythischen Gelben Kaisers sowie des Konfuzius, dessen Tempel in Qufu während der Kulturrevolution als Ausdruck «feudalen Aberglaubens» noch teilweise zerstört worden war. Trotz oder vielleicht auch wegen der forcierten Betonung einer Nationalkultur und patriotischer Selbstvergewisserung brach eine Zeit an, die in den Worten Xi Jinpings von einem «Glaubensverlust» hinsichtlich des Marxismus geprägt war, von Hedonismus, Qigong-Fieber und nackter Interessenpolitik bis in höchste Kreise von Partei und Militär, welche das Land an den Rand des Abgrunds geführt hätten. Die Überwindung dieser Gefahrensituation bildet das Fundament aktueller Versuche, Xi Jinping eine charismatische Autorität zuzuschreiben (siehe Kapitel 10).

Das oft beschworene «geistige Vakuum» jener Jahre bezieht sich vor allem auf den schwindenden Glauben an die Theorieproduktion der Partei. Die akademischen und gesellschaftlichen Debatten nahmen hingegen nach kurzer Zeit wieder an Fahrt auf. Dabei zeigte sich rasch, dass sich neue Zentren der Diskussion bildeten, etwa in Hongkong, Taiwan, den USA oder Australien, an denen aufgrund der wachsenden globalen Vernetzung chinesischsprachige Intellektuelle nicht nur aus der Volksrepublik ihre Stimme einbrachten. So stieg die maßgeblich von den vormaligen «Futurologen» Jin Guantao und Liu Qingfeng in Hongkong herausgegebene Zeitschrift 21st Century (Ershiyi shiji) zu einem intellektuellen Leitmedium auf, trotz einer Auflage von nur 3500 Exemplaren.[42] Hier wurden einige der großen Debatten der 1990er Jahre geführt, etwa über den Abschied von Radikalismus und Revolution als der Grundhaltung chinesischer Intellektueller seit der Vierten-Mai-Bewegung.[43] Stimmen wie der bekannte Historiker und Neukonfuzianer Yu Ying-shih (1930–2021) aus Princeton forderten, dass anstelle der Zerschlagung der konfuzianischen Tradition, der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft oder technologischer Zukunftsutopien vielmehr graduelle Reformen treten sollten, gewissermaßen in Einklang mit dem neuen wirtschaftspolitischen Mantra des vorsichtigen Experimentierens («nach Steinen tastend den Fluss überqueren»). Zusammen mit dem Literaturkritiker Liu Zaifu (*1941) verfasste der bereits erwähnte Philosoph Li Zehou im Jahr 1995 ein Buch mit dem programmatischen Titel Abschied von der Revolution[44] zu diesem Thema. Aber auch über das Verhältnis von Zentralstaat und Regionen sowie über die Möglichkeit, demokratische Institutionen in einem Staat mit kontinentalen Ausmaßen zu etablieren, wurde heftig gestritten.[45]

Zum zentralen Konfliktpunkt wurde in der Folgezeit das Verhältnis von Staat und Markt vor dem Hintergrund des traditionellen und sozialistischen Erbes. In diesem Kontext formierten sich auch die drei bekanntesten intellektuellen Strömungen der Volksrepublik China: Liberale, Neue Linke und Neukonfuzianer.[46] Insbesondere die ersten beiden Begriffe werden sehr breit gefasst, so dass andere Klassifizierungsversuche auch acht oder mehr geistige Strömungen ausmachen.[47] Zu den Kernanliegen der chinesischen Liberalen zählen politische Reformen nach westlich-demokratischem Vorbild, der Aufbau eines Rechtsstaats, die Forderung nach einer robusten Zivilgesellschaft sowie das Beharren auf allgemeingültigen, universellen Werten.[48] Sie verbindet eine direkte Traditionslinie mit den Reformintellektuellen der 1980er Jahre und eine grundlegende Skepsis gegenüber paternalistischen Staatsentwürfen. Zu ihren bekanntesten Stimmen zählt der Historiker Qin Hui (siehe Kapitel 13), der sich bereits Anfang der 1990er Jahre mit kritischen Essays gegen Obrigkeitsdenken, Korruption und sozialistische Nostalgie einen Namen machte.[49] Auch die Juristen Zhang Qianfan (Kapitel 5) und Xu Zhangrun (Kapitel 21), die Journalistin Hu Shuli (Kapitel 16), der Politikwissenschaftler Liu Qing (Kapitel 8), die Historiker Ge Zhaoguang (Kapitel 1) und Xu Jilin (Kapitel 2) sowie die Soziologinnen Cui Weiping (Kapitel 11) und Guo Yuhua (Kapitel 15) sind in China äußerst bekannte Vertreterinnen und Vertreter aus dem liberalen Spektrum.

Zahlreiche weitere Personen hätten hier ebenfalls einbezogen werden können: vom Shanghaier Historiker Zhu Xueqin (*1952) über den nunmehr in Shenzhen tätigen Politikwissenschaftler Yu Keping (*1959) und den Pekinger Soziologen Xu Youyu (*1947) bis zum Hauptautor der Charta 08, dem 2017 im Gefängnis verstorbenen Liu Xiaobo.[50] Während ihre Ansichten während der Regentschaft von Hu Jintao und Wen Jiabao breite gesellschaftliche und politische Wirkung entfalteten, fallen die meisten ihrer Positionen heute unter die Tabubereiche des Dokuments Nummer 9. Was die Ansichten der Liberalen gerade auch aus deutscher Perspektive spannend macht, ist die Bandbreite ihrer Thesen, die keineswegs immer deckungsgleich mit westlichen Liberalismus-Definitionen sind. Gewaltenteilung und kritische Öffentlichkeit als Grundlagen eines zukünftigen chinesischen Staatswesens zählen jedoch durchgängig zu den Kernanliegen der Liberalen.

Die Neue Linke formierte sich hingegen erst im Verlauf der 1990er Jahre aus einer komplexen intellektuellen Gemengelage. Nachdem sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion scheinbar ein «Ende der Geschichte» (Fukuyama) abzeichnete, begannen Vertreter der jüngeren Generation nach einem spezifisch chinesischen Entwicklungspfad zu suchen, nicht zuletzt unter dem Einfluss postmoderner westlicher Theorien.[51] Zentraler Auslöser waren die sozialen Konsequenzen, welche die Vertiefung der Reformpolitik Deng Xiaopings ab 1992 zeitigten. Die Reformen produzierten nunmehr zahlreiche Verlierer, gerade unter den Arbeitern und Angestellten der alten Staatsbetriebe. Aber während die Liberalen die Schuld bei korrupten Parteieliten und in einer unzureichenden Reform der politischen Institutionen suchten, sahen Vertreter der Neuen Linken das Problem vor allem im Neoliberalismus und der westlich-dominierten Globalisierung. Vor diesem Hintergrund kam es auch zu Bestrebungen, positive Aspekte der maoistischen Periode herauszustellen. Dies führte zu schweren, auch persönlichen Verwerfungen unter den Intellektuellen, wie Gan Yang in Kapitel 6 beschreibt, der selbst gelegentlich zur Neuen Linken gezählt wird, ursprünglich liberale Ansichten vertrat und sich zunehmend als konfuzianischen Marxisten betrachtet. Hinzu kam eine stark patriotische Aufladung, die insbesondere durch die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch NATO-Raketen im Mai 1999 Auftrieb erhielt. Zu den prominentesten Stimmen der Neuen Linken zählt vor allem Wang Hui (siehe Kapitel 9), der der Strömung 1997 mit einem fulminanten Aufsatz ein nachträgliches Gründungsmanifest lieferte.[52] Auch die Agrarwissenschaftler Wen Tiejun (Kapitel 12) und, mit Abstrichen, He Xuefeng (Kapitel 14) sowie die Historikerin Song Shaopeng (Kapitel 17) lassen sich diesem Spektrum zuordnen. Weitere wichtige Stimmen, die aufgrund ihrer zahlreichen englischsprachigen Publikationen auch im Westen Bekanntheit erlangt haben, sind etwa Cui Zhiyuan (*1963) und Wang Shaoguang (*1954).[53]

Während sich die Kritik an den Liberalen vor allem auf eine zu große Marktgläubigkeit konzentriert, lässt sich Vergleichbares im Fall der Neuen Linken hinsichtlich der Staatsgläubigkeit feststellen. Ein starker Staat, der öffentliche Meinungen etwa mittels der maoistischen Massenlinie unmittelbar aufgreift (siehe Kapitel 9), gilt hier als Garant sozialer Gerechtigkeit. Die Grenze zwischen der Neuen Linken und neo-autoritären Strömungen ist in den letzten Jahren zunehmend fließend geworden. So treten einige Vertreter, die vormals zum Spektrum der Neuen Linken gezählt wurden, nunmehr offensiv als Staatsapologeten auf.[54] Hier sind insbesondere die Texte von Hu Angang und Hu Lianhe zur Verschmelzung der ethnischen Gruppen Chinas (Kapitel 3), Chen Duanhongs Lob für die Unterdrückung der Hongkonger Proteste (Kapitel 4) sowie Jiang Shigongs Ode auf die Ära Xi Jinping (Kapitel 10) zu nennen. Postmoderne Ansichten werden hierbei nur noch zitiert, wenn es darum geht, die Fortdauer eines westlichen «Orientalismus» zu kritisieren oder, im Falle von Yu Qingsong (Kapitel 19), um Michel Foucault als Gewährsmann für die Errichtung eines Überwachungsstaats anzuführen. Der volksrepublikanischen Geschichtsschreibung werden vergleichbare postmoderne Interpretationen jedoch rigide untersagt. Insgesamt tritt hier ein Denken in Kategorien von Souveränität, Sicherheit sowie Freund und Feind in den Vordergrund, das sich direkt auf Carl Schmitt beruft. An positiven Rückbezügen auf die maoistische Phase haben die Staatsapologeten nur insofern Interesse, als Mao als herausragender Machtpolitiker gefeiert wird, unter dem die Volksrepublik auf der internationalen Bühne wieder «aufgestanden» sei.

Die volksrepublikanischen Neukonfuzianer standen lange im Schatten der anderen großen politischen Strömungen und sind mit diesen doch auf vielfältige Weise verknüpft, vor allem durch Widerspruch. Jiang Shigong bezeichnet sie als «Archaiker», die selbst die Errungenschaften der Revolution von 1911 infragestellten und die Rückkehr in eine ständische Gesellschaftsordnung anstrebten. Liu Qing kritisiert die Grundprämisse, dass es sich bei China auch nach Jahrzehnten kommunistischer Parteiherrschaft und Traditionskritik noch um eine primär konfuzianische Gesellschaft handele (siehe Kapitel 8). Auch aus Taiwan und anderen Regionen, wo starke philosophische Traditionen des Neukonfuzianismus seit Ende des Kaiserreichs fortbestehen, haben die «politischen» Neukonfuzianer viel Kritik erfahren (siehe hierzu die Verteidigung in Kapitel 18). Mittlerweile werden Vertreter aus ihren Reihen aber sogar zu Studiensitzungen des Politbüros eingeladen.[55] Der Grund hierfür besteht darin, dass sie sich mit Fragen beschäftigen, die sowohl für die Parteiführung als auch für die intellektuellen Debatten der Volksrepublik von vitalem Interesse sind: Was macht die chinesische Kultur aus und was hält die chinesische Zivilisation in der Moderne zusammen? Wie auch bei der Neuen Linken geht es um die Suche nach einen eigenständigen chinesischen Entwicklungspfad. Aber anstelle der Kritik am Neoliberalismus tritt hier der Konfuzianismus als einigendes Band, dessen Verdammung durch die Vierte-Mai-Bewegung als Sündenfall der jüngeren Geschichte betrachtet wird (siehe Kapitel 7).

Es geht prominenten Neukonfuzianern wie Chen Ming dabei zumeist um die klassische Idee der Tiyong-Formel: Konfuzianische Werte und Traditionen sollen als Kern des Chinesischseins herausgestellt werden und westliche Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in konfuzianischer Ausprägung Anwendung finden. Im Hintergrund steht somit die Schaffung einer konfuzianischen Zivilreligion, um dem Wertevakuum und den rapide angewachsenen Formen des Volksglaubens entgegenzuwirken.[56] Der bekannte Denker Jiang Qing hingegen strebt bewusst eine Überwindung der Demokratie und einen auf den alten Traditionen beruhenden politischen Konfuzianismus an.[57] Während die Parteispitze die Analyse grundlegender gesellschaftlicher Probleme teilt, zeigt sich unter Xi Jinping sehr deutlich, dass der Konfuzianismus im Kontext dieser Wiederverzauberungs- und Entrationalisierungsprozesse nur die zweite Geige spielen soll. Er dient als kultureller Kitt für eine breite Öffentlichkeit. Den Ton gibt jedoch der zu einem säkularen Glauben erhobene Marxismus an. Hier verkalkulierte sich insbesondere Chen Ming (Kapitel 7) mit seiner Marxismus-Kritik.

Das Feld intellektueller Auseinandersetzungen in der Volksrepublik China ist somit von vielfältigen Brüchen und Verwerfungen gekennzeichnet, denen die Großkategorien der Denkschulen nur näherungsweise gerecht werden, nicht zuletzt, da Individuen ihre Positionen im Lauf der Zeit verändern. Je tiefer man sich mit den Debatten beschäftigt, desto notwendiger wird ein flexibleres Schema, wie es etwa Andreas Mulvad mit seinem Koordinatensystem zwischen Fraternalismus und Paternalismus sowie Sozialismus und Kapitalismus vorgeschlagen hat.[58] Dies ermöglicht es auch, die vielfältigen Stimmen aus dem NGO- und Aktivistenbereich prominenter zu verankern, die sich vor allem unter der Regierung von Hu Jintao und Wen Jiabao als Vertreter spezifischer «vulnerabler Gruppen» hervorgetan haben, etwa als Fürsprecher von HIV-Infizierten.[59]

Die Beschäftigung mit intellektuellen Debatten in der Volksrepublik China stellt eine der wenigen Möglichkeiten dar, den Schleier aus Tabuisierung und Intransparenz zu durchbrechen, den die aktuelle Parteiführung aufrechtzuerhalten bestrebt ist. Die Debattenkonjunkturen dienen dabei stets als Indikator für das aktuelle politische Klima in der Volksrepublik. Auch wenn derzeit Kritik rigide unterbunden und die These «ultrastabiler» Ideologiekonstrukte von der politischen Führung gewissermaßen offensiv als Handlungsanweisung für die Aufrechterhaltung der Parteidiktatur verwendet wird, sind diese unterschiedlichen Gedankenströmungen nicht verschwunden. Selbst in Phasen schärfster Repression bewahrten sich kritische Denkerinnen und Denker in der Volksrepublik ihren Mut und ihre Überzeugungen. Zu gegebener Zeit werden diese, sicherlich in verwandelter Form, wieder an die Öffentlichkeit kommen. Schließlich hat noch jede Dynastie der langen chinesischen Geschichte ihr Ende gefunden. Wenn wir die zwei letzten Dynastien als Maßstab nehmen, reden wir hier allerdings etwa vom Jahr 2200. Einstweilen dienen die kritisch geführten Auseinandersetzungen als Erinnerung, dass es das chinesische Denken nicht gibt und wir uns davor hüten sollten, die offizielle Perspektive als alleinigen Ausdruck chinesischer Meinungen zu nehmen.

Anmerkungen zur Textauswahl

Es wäre ein aussichtsloses Unterfangen, auch nur die wichtigsten Texte der angedeuteten intellektuellen Debatten in einem Band abdecken zu wollen. Diese Anthologie erhebt daher keinen Anspruch auf Repräsentativität unterschiedlicher Denkströmungen oder inhaltliche Vollständigkeit. Sie ist vielmehr bewusst eklektisch und versammelt 21 prägnante Analysen chinesischer Intellektueller zu vier zentralen Themenbereichen: zum chinesischen Selbstverständnis, zur Herrschaftslegitimation und ländlichen Modernisierung sowie zu den Zukunftsperspektiven. Der Zeitraum reicht von den Anfangsjahren der Ära Hu Jintao/Wen Jiabao bis zur unmittelbaren Gegenwart, um den Debatten die notwendige zeitliche Tiefe zu geben. Ein weiterer Grund für das historische Ausgreifen besteht darin, dass kritische Ansichten heute kaum mehr in der Direktheit formuliert werden können, wie dies noch bis zu Xi Jinpings Amtsantritt der Fall war. Wo dies dennoch geschieht, insbesondere in Xu Zhangruns Kritik an der Corona-Politik der Partei (siehe Kapitel 21), müssen die Autoren mit massiven persönlichen Konsequenzen etwa in Form von Hausarrest oder Jobverlust rechnen.

Maßgebliches Auswahlkriterium war, dass der jeweilige Text einen substanziellen Beitrag zum Verständnis zentraler Probleme der chinesischen Politik und Gesellschaft in allgemein verständlicher Form liefert. Eine Schwierigkeit stellte dabei die Länge der Beiträge dar. In den chinesischen Geistes- und Sozialwissenschaften ist, im Vergleich mit westlicher Praxis, häufig die doppelte oder dreifache Zeichenzahl die Norm. Viele potenzielle Artikel schieden daher aus, da die Kürzungen zu massiv hätten ausfallen müssen.[60] Neben wissenschaftlichen Artikeln finden sich auch Redemanuskripte, Interviews oder verschriftlichte Diskussionsrunden. Es handelt sich daher um «Denkanstöße» im weitesten Sinne, weshalb wir anstelle eines engeren Konzepts, wie etwa jenem der «politischen Theorie», den chinesischen Begriff sixiang («Denken») für die Titelwahl vorgezogen haben. Hiermit verbindet sich keine spezifische Aussage über die Andersartigkeit «östlichen» Denkens. Es ist vielmehr ein Begriff, der in der chinesischen Debatte sowohl für die Beschreibung allgemeiner intellektueller Trends (sichao) als auch bei der Benennung intellektueller Plattformen genutzt wird.

Nachdem sich ein erster Entwurf auf kritische Stimmen konzentriert hatte, haben sich Herausgeber und Verlag dazu entschieden, Spektrum und Umfang des Bandes bewusst auszuweiten und auch dezidiert staatsnahe Perspektiven aufzunehmen. Auf diese Weise wird einerseits die Binnenlogik gewisser politischer Maßnahmen, wie etwa die erzwungene Assimilationspolitik gegenüber den Uighuren in Xinjiang (Kapitel 3), die Rechtfertigung der Unterdrückung der Proteste in Hongkong (Kapitel 4) oder auch die Herausstellung Xi Jinpings als Führer (Kapitel 10) deutlicher. Zum anderen sind es häufig exakt diese Positionen, mit denen sich auch deutsche Vertreter aus Politik, Wirtschaft oder Kultur im Rahmen offizieller Kontakte mit der Volksrepublik China konfrontiert sehen.

Zweifellos wäre es möglich gewesen, einen gänzlich anderen thematischen Zuschnitt zu wählen. So wurde sehr früh deutlich, dass etwa außenpolitische Fragen oder Debatten zur chinesischen Geschichte gesonderte Abhandlungen verdienen. Aber auch viele innenpolitische Themen haben letztlich keine Berücksichtigung finden können und harren zukünftiger Übersetzungen. Die Anthologie kombiniert einen thematischen mit einem personenbezogenen Ansatz. Innerhalb der vier gesetzten Themenbereiche werden dem deutschen Publikum prominente Intellektuelle aus der Volksrepublik China vorgestellt. Aber auch weniger bekannte Stimmen haben Eingang gefunden, wenn die Beiträge thematisch entsprechend prägnant waren. Die Abfolge der Texte ist nicht willkürlich, und jeder Teil hat gewissermaßen seinen eigenen Rhythmus. Dennoch kann die Lektüre der Anthologie an jeder beliebigen Stelle begonnen werden. Stimmen aus der exilchinesischen Diaspora wurden nicht aufgenommen, da dies Umfang und Format gesprengt hätte. Beiträge etwa von Liao Yiwu, Bei Dao (*1949) oder Ai Weiwei (*1957) sind glücklicherweise in deutscher Übersetzung leicht erhältlich.

Letztlich versucht die Anthologie vor allem auf ein Kernproblem aufmerksam zu machen: Um fundiert über die Volksrepublik China debattieren zu können, sollte man die Kernargumente dortiger Diskurse kennen und diese vor einem breiteren Panorama der chinesischen Geschichte und Politik einordnen können. Hierzu möchte unser Band einen Beitrag leisten, um «den Blick freizugeben auf eine Welt, die nicht die eigene ist».[61] Wir sind davon überzeugt, dass chinesische Debatten auch für Vertreter anderer Kulturkreise verständlich sind und dass es hierzu keines mystischen «chinesischen Schlüssels» bedarf. Notwendig sind jedoch Neugier und eine gewisse Frustrationstoleranz. Nicht immer erschließen sich die Kernargumente der Texte bereits bei der ersten Lektüre. Zudem setzen einige chinesische Intellektuelle, wie auch gewisse Pendants im westlichen Kulturkreis, bewusst darauf, ihre Aussagen gelegentlich zu verschleiern und eine Tiefe vorzugaukeln, die nicht immer vorhanden ist. Um den Einstieg zu erleichtern, findet sich daher vor jedem der vier Teile eine knappe Einordnung. Die Kapitel selbst sind um einige kontextualisierende Fußnoten ergänzt, da die Debatten in der Regel mit abweichenden historischen und gesellschaftlichen Referenzobjekten operieren. Anmerkungen der Autorinnen und Autoren aus dem Originaltext sind in den Fußnoten mit einem eingeklammerten «A» am Schluss gekennzeichnet. Eine Auswahl weiterführender Literatur findet sich im Anhang.

In der Zusammenschau liefern die 21 Texte dieses Bandes einen ersten Überblick über vier Debattenkomplexe, die in der jüngsten Vergangenheit zentrale Bedeutung in innerchinesischen Diskussionen hatten. Viele der angeschnittenen Fragen sind dabei nicht rein chinaspezifisch, sondern bieten auch Anstöße für breitere Debatten etwa zu Themen der kulturellen Identität oder einer auf Algorithmen gestützten Regierung. Der Band kann nur ein erster Aufschlag sein, der hoffentlich weitere Diskussionen, Übersetzungen und kritische Reflexionen nach sich ziehen wird.

Fußnoten

1 Zitiert nach Eva Kraft, «Frühe chinesische Studien in Berlin», Medizinhistorisches Journal 11, no. 1/2 (1976), 101. Ferner Lothar Noack, «Der Berliner Propst, Orientalist und Sinologe Andreas Müller (1630–1694). Ein bio-bibliographischer Versuch», Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens 157 (1995), 1–39.

2 Rita Widmaier, «Leibniz and the Chinese Characters», in: Zbigniew Wesolowski (Hrsg.), Early European (1552–1814) Acquisition and Research on Chinese Languages, Taibei: Furen daxue chubanshe 2011, 547–600.

3 Cordula Gumbrecht, «Unser Beitrag im Humboldt Forum: Die Typographia Sinica», 21. September 2021, https://blog.sbb.berlin/unser-beitrag-im-humboldt-forum-die-typographia-sinica/. Bereits digitalisierte Drucktypen finden sich unter https://sketchfab.com/illustrated-architecture/collections/typographia-sinica-weiteres-2aafb15799c44d44875df75f9c9ce263.

4 Einen guten Einstieg liefert Ulrich Theobald, «Shuowen jiezi», http://www.chinaknowledge.de/Literature/Science/shuowenjiezi.html.

5 Michael Schoenhals, Doing Things with Words in Chinese Politics. Five Studies, Berkeley: Institute for East Asian Studies 1992.

6 Siehe hierzu auch das berühmte Gedankenexperiment des «Chinesischen Zimmers» des Philosophen John Searle. In einem berühmten Aufsatz aus dem Jahr 1980 skizzierte Searle ein Szenario, in welchem erst ein Computerprogramm und im Anschluss ein auf Basis der gleichen syntaktischen Vorgaben agierender, des Chinesischen nicht kundiger Proband Antworten auf in chinesischer Sprache gestellte Fragen produzieren musste, was Searle zufolge den Fehlschluss eines wirklichen «Verstehens» hervorrufen könne. Für eine Zusammenfassung siehe John Searle, «Chinese room argument», Scholarpedia 4(8) (2009), 3100.

7 Als Beispiel mag ein Satz aus Kapitel 18 dienen, den die aktuell beste Übersetzungssoftware wie folgt übersetzte: «Zhou Dunyi, der Begründer des Song-Konfuzianismus, sagte im Tong Shu, dass ‹der König dem Ehemann opfert›, und viele Dynastien haben Konfuzius in den Riten des Kaisers geopfert, wie die Ming Chenghua, die Konfuzius im Ritus der acht Tänzerinnen opferten, und die Qing Shunzhi, die Konfuzius im Ritus des höchsten Opfers opferten, und jetzt in Taiwan, wo Konfuzius immer noch im Ritus der acht Tänzerinnen geopfert wird, während die Konfuzius-Statuen in konfuzianischen Tempeln die Form von Krönchen haben.» Für einen Vergleich mit der schlussendlich gewählten Übersetzungsvariante siehe Kapitel 18, 510-511.

8 Siehe etwa Mark Leonard, Was denkt China?, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2009 sowie den Band der Heinrich-Böll-Stiftung, Wie China debattiert. Neue Essays und Bilder aus China, Berlin 2009, an welchem einer der Herausgeber (Shi Ming) bereits beteiligt war. Für Perspektiven der Neuen Linken erschien zuletzt der Band von Yang Ping und Jan Turowski (Hrsg.), Sozialismusdebatte chinesischer Prägung, Band 1, Hamburg: VSA Verlag 2021.

9 Für die Kommentierung und Übersetzung aktueller chinesischer Debatten sei vor allem auf drei Projekte hingewiesen: David Ownby: «Reading the China Dream» (https://www.readingthechinadream.com); Sinologie Trier und MERICS: «China Spektrum» (https://merics.org/de/china-spektrum); Sinologie Heidelberg: «Echowall» (https://www.echo-wall.eu).

10 Siehe etwa Yang Peichang, Ni suo bu liaojie de Deguoren, Peking: Xinhua chubanshe 2010.

11 Im Original trägt das Rundschreiben den Titel (in deutscher Übersetzung): «Von der ZK-Kanzlei gedruckte und verbreitete Bekanntmachung des ‹Berichts über die gegenwärtige Situation im Bereich der Ideologie›», Zhongbanfa (2013) Nr. 9, 22. April 2013.

12 Zhang Tiefang, «‹Jiu hao wenjian› zui zao lai zi Zhonggong neibu yitu dengqing chuanwen», Mingjing bao, 14. Mai 2014, https://web.archive.org/web/20150427142914/http://www.mingjingnews.com/mib/news/news.aspx?ID=N000026835&Page=1.

13 Auf der Website «ChinaFile» erschien am 13. November 2013 eine Übersetzung des Dokuments, welches die Hongkonger Zeitschrift Mingjing bao in ihrer September-Ausgabe abgedruckt hatte, siehe https://www.chinafile.com/document-9–chinafile-translation.

14 Siehe hierzu Qian Gang, «The Power of Separation», China Media Project, 24. September 2012, https://chinamediaproject.org/2012/09/24/the-power-of-separation/. Im vergangenen Jahr erneuerte Xi Jinpings Gefolgsmann Li Zhanshu diesen Ansatz der «Fünf Nicht-zu-Tuenden» Dinge (wu bu gao) und sprach von der «sogenannten konstitutionellen Demokratie des Westens, Mehrparteien-Konkurrenz, Gewaltenteilung, Zwei-Kammern-System und unabhängiger Justiz», siehe Li Zhanshu, «Zai di shi san jie quanguo renda changweihui di san shi yi ci huiyi shang de jianghua», 29. Oktober 2021, http://www.npc.gov.cn/npc/c30834/202110/417dc2988bc545ddba6a8c6f45e71efa.shtml.

15 Für eine Übersetzung des auf der Rede basierenden Parteirundschreibens siehe https://chinacopyrightandmedia.wordpress.com/2013/11/12/xi-jinpings-19–august-speech-revealed-translation/.

16 Siehe Barry Buzan, Ole Wæver und Jaap de Wilde, Security: A New Framework for Analysis, Boulder: Lynne Rienner Publishers 1998.

17 Siehe hierzu David Apter und Tony Saich, Revolutionary Discourse in Mao’s Republic, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 1994.

18 Vgl. Daniel Leese, «Auf dem Sprung», Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. Januar 2022.

19 Vgl. «Chinesisches Unternehmen bestückt Thalia-Regale», Der Spiegel, 18. September 2020. Auch im akademischen Bereich (vor allem in englischer Sprache) finden sich zunehmend Titel, die gänzlich unkritisch Parteinarrative wiedergeben oder aber Konzerne wie der Verlag Springer Nature, die sich im Umkehrschluss verpflichten, kritische Artikel aus dem Angebot in der Volksrepublik China zu entfernen, siehe Heiner Roetz, «Viel Verständnis für Zensoren», Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Juli 2020.

20 Jonathan Unger (Hrsg.), Using the Past to Serve the Present. Historiography and Politics in Contemporary China, Armonk: M.E. Sharpe 1993.

21 Einen hervorragenden Einstieg bietet Timothy Cheek, The Intellectual in Modern Chinese History, Cambridge: Cambridge University Press 2015.

22 Siehe Sebastian Veg, Minjian. The Rise of China’s Grassroots Intellectuals, New York: Columbia University Press 2019.

23 Ebd., 4–5.

24 Bonnie McDougall, Mao Zedong’s «Talks at the Yan’an Conference on Literature and Art», Ann Arbor: University of Michigan 1980.

25 Insbesondere Deng Xiaoping, «Some Comments on Work in Science and Education», in: Ders. (Hrsg.),