City Heroes - Findet Nexus! - Peter Jay Black - E-Book

City Heroes - Findet Nexus! E-Book

Peter Jay Black

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Beschreibung

Highspeed, Hochspannung, Hacker-Alarm!

London im Ausnahmezustand: Ein zerstörerischer Computer-Virus hat alle Sicherheitssysteme lahmgelegt. Jack, Charlie, Obi, Skink und Wren ist klar, was das bedeutet: Die Hacker verschaffen sich Zugriff auf streng geheime Informationen! Damit ist die ganze Welt in Gefahr – und die Identität der City Heroes. Schließlich haben sie eine Menge gefährlicher Feinde, die nur darauf warten, die City Heroes zu entlarven. Also muss der Virus so schnell wie möglich unschädlich gemacht werden. Ein schier aussichtsloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt – bis die fünf mutigen Kids auf Computer-Ass Hector treffen, dessen Fähigkeiten selbst Jack staunen lassen. Doch können sie ihm wirklich trauen …?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 281

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Peter Jay Black

Band 2

Aus dem Englischenvon Tanja Ohlsen

Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House

1. Auflage 2015

© 2015 Peter Jay Black

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel

»Urban Outlaws – Blackout« bei Bloomsbury, UK

© 2015 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen

Lektorat: Christina Riemann

Umschlaggestaltung: Geviert Grafik & Typografie,

unter Verwendung eines Bilds von © shutterstock/Leyn

TP ∙ Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-14778-5www.cbt-buecher.de

Für meine Mutter

Jack Fenton setzte sich neben Charlie auf den Boden und zog sich zitternd eine Decke bis zum Hals.

Sie saßen gegenüber einem Wohnhaus am Hyde Park in London. Im Erdgeschoss konnten sie durch die Glastür einen Pförtner hinter einem Schreibtisch sitzen und eine Zeitschrift lesen sehen. An der Wand über seinem Kopf hing eine Uhr, deren großer Zeiger sich viel zu schnell zu bewegen schien.

»Sie sind eine Stunde zu spät«, flüsterte Jack in sein Mikrofon. »Wenn sie noch später kommen, müssen wir …«

»Entspann dich«, forderte ihn eine Stimme in seinem Ohr auf. »Alles wird gut.«

Obi saß in ihrem Hauptquartier, umgeben von komplizierten Computersystemen, mit denen sie sich in die Überwachungskameras in ganz London einhacken konnten.

»Und wenn sie es gar nicht liefern?«

»Das werden sie.«

Jack seufzte. Es war eine besondere Mission, die sie für Obi durchführten, daher durften sie ihn nicht enttäuschen. Obi hatte früher einmal in diesem Haus gewohnt, deshalb war er genau der Richtige, um sie durch ungefähr die nächste halbe Stunde zu führen, doch Jack war ein wenig unsicher. Er war es gewohnt, die Kontrolle zu haben.

»Und wenn sie es an die falsche Adresse liefern?«, fragte er.

»Werden sie nicht.«

»Woher willst du das wissen?« Jack sah Charlie an. »Moment mal, weißt du eigentlich, dass wir gar nicht …«

Charlies leuchtend grüne Augen weiteten sich und sie deutete auf einen Lieferwagen, der gerade in die Straße einbog.

Jack stieß erleichtert den Atem aus.

»Gott sei Dank!«

»Hab ich dir doch gesagt«, meinte Obi. »Macht euch bereit.«

Der Lieferwagen hielt vor dem Hauseingang und der Fahrer sprang hinaus. Pfeifend ging er zur hinteren Ladetür und riss sie weit auf.

Charlie zog den Reißverschluss ihres Rucksacks auf und nahm ein Gerät heraus, das aussah wie eine Satellitenschüssel, nur viel kleiner. Es war eines ihrer selbst gebastelten Geräte, ein Richtmikrofon, mit dem man aus hundert Metern Entfernung noch das leiseste Flüstern einfangen konnte. Sie verband es mit ihrem Kopfhörer, damit alle mithören konnten.

Jack setzte ein winziges Fernglas an die Augen.

Unter Ächzen und Stöhnen lud der Fahrer eine Kiste auf eine Sackkarre und rollte sie zur Glastür.

Er drückte auf die Klingel. Der Portier ließ die Zeitschrift sinken. Der Fahrer nickte zur Kiste.

Nach kurzem Zögern gab der Portier einen Code in eine Tastatur auf seinem Schreibtisch ein.

Jack schloss die Augen und lauschte den Tönen bei der Eingabe der Zahlen in die Tastatur. Als er sie wieder öffnete, rollte der Fahrer die Kiste durch das Foyer.

»Hast du es?«, fragte Obi.

»Ja«, flüsterte Jack und richtete seine Aufmerksamkeit weiter auf das Gebäude gegenüber.

Der Portier kam hinter dem Schreibtisch hervor und kratzte sich am Kopf.

»Bisschen spät für eine Lieferung, oder?«

»Die letzte heute Abend«, antwortete der Fahrer.

»Für wen ist das?«

Der Fahrer stellte die Kiste ab und überprüfte die Angaben auf seinem Computer.

»Paul McCartney.«

Er hielt dem Portier den Computer zur Unterschrift hin.

Der zog die Augenbrauen hoch.

»Der Paul McCartney?«, fragte er. »Der von den Beatles?«

Der Fahrer zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«

Jack sah zu Charlie und verdrehte die Augen, während sie Obi kichern hörten.

Der Portier verschränkte die Arme.

»Hier wohnt niemand, der so heißt. Das müssen Sie wieder mitnehmen.«

»Kann nicht sein«, behauptete der Fahrer. »Die Adresse stimmt. Sehen Sie selbst!«

Der Portier rührte sich nicht.

»Also, Kumpel, unterschreiben Sie einfach. Wenn es in den nächsten Tagen keiner haben will, rufen Sie die Nummer unten auf dem Formular an, und wir holen es wieder ab. Es ist Freitagabend, ich muss nach Hause zu meiner Frau. Wenn ich nicht bis acht zu Hause bin, kriegt sie einen Koller. Letztes Mal …«

»Schon gut, schon gut«, warf der Portier ein. »Geben Sie schon her.«

Der Fahrer hielt ihm den Computer hin.

Der Portier unterschrieb und reichte ihn zurück.

»Danke!«, sagte der Fahrer und zwinkerte ihm zu, als er zur Tür marschierte.

Der Portier verzog sich wieder hinter seinen Schreibtisch und gab den Sicherheitscode in die Tastatur ein. In Jacks Ohren klang es wie Musik. Das Türschloss öffnete sich klickend und der Fahrer verließ das Gebäude.

Jack sah ihn davonfahren und richtete dann seine Aufmerksamkeit wieder auf den Portier, der sich erneut seinem Magazin widmete.

So weit, so gut.

»Okay«, verkündete Obi. »Es ist so weit.«

Ein leises Kratzen ertönte.

Der Portier sah einen Moment lang auf, dann las er weiter.

Wieder scharrte etwas.

Der Portier legte die Zeitschrift weg und lauschte.

Da war es wieder.

Er stand auf und ging um den Schreibtisch herum. Er folgte dem Geräusch, drehte den Kopf nach links und rechts und versuchte herauszufinden, woher es kam. Einen Augenblick lang hielt er inne, dann bückte er sich und legte das Ohr an die Kiste.

Das Kratzen kam aus dem Inneren.

Der Portier lauschte weiter, ohne zu sehen, dass durch ein Loch in der Seite der Kiste ein Röhrchen hervorkam, das direkt auf ihn gerichtet war.

Eine kleine Gaswolke traf ihn mitten ins Gesicht, und er richtete sich überrascht auf, stolperte zur Seite und hielt sich am Schreibtisch fest. Einen Augenblick schwankte er, dann ging er um den Tresen und griff nach dem Telefonhörer.

Er begann zu wählen.

Jacks Magen verkrampfte sich.

Nein, nein, nein!

Doch plötzlich hörte der Portier auf zu wählen und verdrehte die Augen. Er taumelte zurück und fiel auf seinen Stuhl. Das Telefon glitt ihm aus der Hand und schepperte zu Boden. Er zuckte noch einmal und verlor dann das Bewusstsein.

Jack starrte Charlie an.

»Was war denn das für ein Gas?«

»Besser, du weißt es nicht«, grinste sie.

»Das müssen wir noch mal einsetzen«, fand Jack und richtete das Fernglas auf den Karton, aus dem jetzt die Spitze eines Taschenmessers ragte, mit dem jemand aus dem Inneren die Klebestreifen durchtrennte.

Dann verschwand das Messer und ein Kopf mit wilden blonden Locken tauchte auf und sah sich um.

Wren war erst zehn – fünf Jahre jünger als Jack – und die kleinste der City Heroes. Daher war sie die Idealbesetzung für diesen Teil der Mission.

»Gehen wir«, sagte Jack und stand auf.

Charlie stand auf und steckte das Richtmikrofon wieder in ihren Rucksack.

Jack stellte die Kamera auf seiner Schulter ein.

»Ist das Bild gut?«, fragte er Obi.

»Yep. Ich sehe alles.«

Jack blickte die Straße auf und ab.

»Überwachungskameras?«

»Niemand sieht hin.«

Jack und Charlie eilten zur Tür des Wohnblocks.

Wren lächelte und winkte ihnen zu. Charlie winkte zurück.

»Beeilt euch mal, Leute«, verlangte Obi. »Es könnte jemand kommen.«

Wren kletterte aus der Kiste und ging hinter den Schreibtisch.

Jack schloss die Augen und rief sich das genaue Klicken der Tastatur ins Gedächtnis.

»Der Code ist: zwei, sieben, sieben, acht … drei, fünf, fünf.«

Wren gab die Zahlen ein, die Tür summte und das Schloss wurde entriegelt.

Jack stieß die Tür auf und winkte Charlie hindurch.

»Das war gut«, fand sie.

»Ich weiß.«

Charlie zog die Augenbrauen hoch.

»Captain Bescheidenheit in Person.«

Lächelnd marschierten sie durch das Foyer.

»Gute Arbeit«, lobte Charlie Wren.

Wren rieb sich den Nacken. »Ich dachte schon, ich käme niemals da raus.«

Charlie zauste ihr die Haare. »Du warst toll.« Dann wandte sie sich ab und flüsterte in ihr Mikro: »Obi, du hast gesagt, dass der Aufzug in diesem Gang ist, nicht wahr?«

»Yep.«

Charlie sah Jack an. »Wir sehen uns dort.«

Er nickte.

Charlie und Wren verschwanden um die Ecke.

Jack machte die Tür hinter dem Tisch auf, packte den Stuhl an der Lehne und rollte den bewusstlosen Mann hindurch.

Der Raum dahinter war nur ein paar Quadratmeter groß. An der hinteren Wand stand ein kleines Tischchen mit einem Wasserkocher, und links war eine WC-Tür.

Jack legte dem Portier den Kopf in den Nacken und kontrollierte seine Atmung, die glücklicherweise ruhig und gleichmäßig war.

Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass es dem Mann gut ging, schlüpfte Jack wieder durch die Tür und schloss sie hinter sich. Er sah sich im Foyer um, doch es war niemand zu sehen, daher eilte er den Gang entlang und stieg mit Charlie und Wren in den Aufzug.

Charlie hatte das Kontrollpaneel abgeschraubt und das Gewirr von Drähten und Schaltkreisen dahinter freigelegt. An mehrere der Drähte hatte sie ein kleines schwarzes Kästchen mit einer Digitalanzeige angeschlossen, auf der Zahlen auftauchten. Ab und zu drückte Charlie auf einen Knopf an dem Gerät.

Sie sah Jack an. »Das dauert länger, als ich dachte.«

Der Aufzug war durch eine Tastatur gesichert. Wenn man in ein bestimmtes Stockwerk fahren wollte, musste man den Knopf dafür drücken und dann den entsprechenden Code eingeben.

Den Code für das Penthouse kannten sie nicht, denn Obi sagte, dass er jede Woche geändert wurde. Doch Charlies Code-Extraktor würde ihn für sie finden. Das Problem war nur, dass das nach dem Zufallsprinzip geschah, und sie nicht beeinflussen konnte, für welches Stockwerk der nächste Code angezeigt werden würde.

»Welche habt ihr bis jetzt?«

»Sieben, eins, zwei, sechs und neun.« Charlie holte tief Luft. »Das ist nicht mal in der Nähe des obersten Stockwerks.«

Jack schnürten sich die Eingeweide zusammen. Ohne den Code kamen sie nicht weiter.

»Warum nehmen wir nicht einfach die Treppe?«, fragte Wren.

»Die Kameras im Treppenhaus gehören zu einem eigenen Sicherheitssystem«, erklärte Obi. »Sie sind mit einem Computer im neunten Stock verbunden.«

»Hätten wir sie nicht von der Portiersloge aus abschalten können?«

»Nein. Der Portier überwacht nur die Monitore. Er hat keine Kontrolle über das Hauptsystem.«

Jack und Obi hatten lange Zeit darüber nachgegrübelt, wie sie an den Kameras vorbeikommen konnten. Es gab keine Möglichkeit, an den Computer im neunten Stock zu gelangen und das Sicherheitssystem lahmzulegen. Der einzige andere Weg die Kameras abzuschalten war, die Steuerung dafür in einer der Wohnungen zu übernehmen. Doch dort einzubrechen, war zu riskant. Sie konnten nicht wissen, ob jemand zu Hause war oder nicht.

Wenn Jack, Charlie und Wren die Treppe hinaufgingen, würde die Software die Bewegung wahrnehmen und die Sicherheitsfirma alarmieren. Die würden den Pförtner anrufen, und wenn der nicht antwortete, war fünf Minuten später die Polizei da.

Jack war beeindruckt von dem Sicherheitssystem in dem Gebäude und musste zugeben, dass ihm die Herausforderung, die es an ihn stellte, gefiel. Es war fast, als wolle das System ihn auffordern, es zu überwinden.

»Komm schon«, fluchte Charlie leise. Der Code-Extraktor in ihrer Hand fiepte, und sein Display zeigte eine sechsstellige Zahl. Charlie drückte auf einen Knopf, um sie zu speichern.

Jack sah sie an. »Penthouse?«

»Nein«, antwortete sie kopfschüttelnd, »das war der Code für den dritten Stock.«

Jack hatte das ungute Gefühl, dass das Penthouse die letzte Nummer sein würde, die das Gerät knackte, doch eine Minute später fiepte es erneut.

»Bingo«, freute sich Charlie, griff hinter das Paneel und drückte auf den Knopf für das oberste Stockwerk.

Die Türen schlossen sich und der Lift fuhr nach oben. Plötzlich gingen alle Lichter aus und der Aufzug blieb mit einem Ruck stehen. Wren schrie erschrocken auf.

»Was ist passiert?«, fragte Obi.

»Wir haben ein Problem«, antwortete Charlie. »Der Aufzug hat keinen Strom mehr.«

»Nicht nur der Aufzug«, stellte Obi fest, »überall in London gibt es Stromausfälle.«

Charlie sah Jack mit großen Augen an. »Der Virus?«

Er nickte und bekam ein flaues Gefühl im Magen.

Der Virus war eine komplizierte Software, die jeden Computer lahmlegen konnte. Durch ihre Schuld war er ins Internet entkommen und sabotierte jetzt die Kraftwerke rund um London. Wenn sie ihn nicht bald einfangen konnten … Jack schauderte bei dem Gedanken daran, wie viel Schaden er anrichten konnte.

Sie mussten diese Mission so schnell wie möglich hinter sich bringen, zum Bunker zurückkehren und sich überlegen, wie sie den Virus aufhalten konnten. Aber zuerst …

Er leuchtete mit der Taschenlampe an die Decke.

Ein paar Sekunden lang stellte er sich vor, wie er auf das Dach des Aufzugs kletterte.

Das Gebäude war zwölf Stockwerke hoch und sie hatten keine Kletterausrüstung dabei. Außerdem hatte der Aufzugschacht Jacks Wissen nach keine Leiter, und selbst mit einer Leiter wäre es eine gefährliche Kletterei.

Sein Magen verkrampfte sich. Er hasste Höhen.

»Wir hängen zwischen zwei Stockwerken fest«, sagte Charlie, die seine Gedanken zu lesen schien.

Langsam stieß Jack den Atem aus und leuchtete erneut an die Decke.

Es blieb ihnen wohl nichts anderes übrig.

Er sah neun Deckenplatten, und die mittlere hatte einen Riegel. Er blickte Wren an.

»Kannst du das für uns aufmachen?«

Sie sah hoch. »Ja.«

Sie schien erleichtert, dem engen Raum zu entkommen, auch wenn es gefährlich werden würde.

Jack hielt die Hände zu einer Räuberleiter und hob Wren hoch.

»Pass auf die Kamera auf meiner Schulter auf«, warnte er sie und umfasste ihre Beine, um sie ruhig zu halten, während sie sich mit dem Riegel abmühte.

Gleich darauf klickte es, und das mittlere Paneel klappte nach unten auf. Jack hob Wren noch höher, sodass sie sich an den Kanten abstützen und hinaufklettern und auf das Dach des Aufzugs kriechen konnte.

Als Nächstes stieg Charlie durch die Luke, und als ihre Füße verschwanden, kletterte Jack auf das Geländer und sprang hoch, um den Rand der Luke zu fassen zu bekommen.

Slink hätte dieser Move gefallen.

Mit einiger Anstrengung konnte Jack sich zu den anderen auf das Dach hieven.

Er stand auf und leuchtete mit der Taschenlampe nach oben. Der Schacht erstreckte sich unendlich über ihnen und erinnerte ihn an die Tunnel unter der Stadt, nur dass dieser hier geradewegs nach oben führte.

Jack überlegte, ob er abwarten sollte, bis der Strom wieder eingeschaltet wurde, doch das konnte Minuten oder auch Stunden dauern. Der Strahl seiner Taschenlampe traf eine Tür knapp über ihren Köpfen.

Jack setzte den Rucksack ab und holte eine kurze Brechstange hervor, die er in den Türspalt steckte, um die Türen auseinanderzustemmen. Das Brecheisen rutschte ab und er stolperte zurück.

Wieder versuchte er es, konnte aber nicht genügend Druck auf die Türen ausüben. Als er zum dritten Mal versagte, fluchte er laut und wandte sich an Charlie.

»Irgendwelche Vorschläge?«

Sie sah nach oben und sagte nach kurzem Überlegen: »Könntest du mich da hochheben?«

Sie deutete auf einen flachen Kasten auf halber Höhe der Türen zum vierten Stock.

»Ich denke schon« sagte Jack. »Was ist das?«

»Das ist die Steuerung. Wenn der Aufzug auf dieser Höhe ist, öffnen sich die Türen. Sie ist direkt mit dem Motor der Türen verbunden, und vielleicht kann ich sie irgendwie manipulieren.« Sie sah ihn an. »Mit etwas Glück klappt es.«

»Du weißt, was du tust, ja?«

Charlie zuckte mit den Schultern. »Nicht wirklich.«

»Na toll.«

»Natürlich weiß ich das, du Idiot«, grinste Charlie, setzte den Rucksack ab, nahm den Code-Extraktor und klappte die Rückseite auf. Sie entfernte die Batterie und zog ein paar Drähte heraus, die sie zwischen die Zähne klemmte und Jack zunickte.

Jack lehnte sich an die Wand und verschränkte die Hände.

Charlie stellte den Fuß hinein und er hob sie hoch.

»Leute?«, erkundigte sich Obi. »Was ist los?«

»Wir versuchen hier, ein Problem zu lösen«, erklärte Jack und bemühte sich, Charlie so ruhig wie möglich zu halten.

Sie nahm einen Schraubenzieher aus der Tasche, öffnete die Klappe der Steuerung und sah hinein. Dann griff sie hinein und setzte die Batterie ein. Es knallte kurz und die Türen gingen ein paar Millimeter auf. Sie wiederholte den Vorgang, und sie schoben sich um weitere fünf Millimeter auseinander.

»Na gut«, flüsterte sie. »Besser geht es nicht ohne Stromversorgung.«

Jack ließ sie wieder herunter und setzte das Brecheisen noch einmal in den Spalt zwischen den Türen. Dieses Mal fand er besseren Halt und stemmte sie mit einiger Anstrengung so weit auseinander, dass er hindurchklettern konnte.

Jack hielt sich am unteren Rand der Türöffnung fest und zog sich hoch. Er leuchtete mit der Taschenlampe nach rechts und links, um zu sehen, ob jemand im Gang war, dann hievte er sich bis zum Bauch hinauf und landete auf dem Gang.

Er drehte sich um und streckte die Hände aus. Charlie hob Wren zu ihm hoch, und er zog sie durch die Öffnung. Wren sprang auf und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, dann blickte sie nach rechts und links in den dunklen Korridor.

Jack wandte sich um, um Charlie zu helfen, doch die kroch bereits neben ihm heraus, stand auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung.

»Treppe?«

Jack leuchtete mit der Taschenlampe nach links und flüsterte: »Da entlang.«

Leise schlichen sie durch den Gang und lauschten auf die kleinsten Geräusche. Am Ende des Flurs zog Jack die Tür zum Treppenhaus auf.

»Wir müssen uns beeilen«, flüsterte er.

Sobald die Kameras wieder funktionierten, steckten sie in der Klemme.

Wie lange würde der Computer der Sicherheitsfirma brauchen, um wieder hochzufahren?

Jack winkte Charlie und Wren durch die Tür, und sie rannten so schnell wie möglich die Treppe hinauf, bis sie vor der Tür des Penthouses standen.

Atemlos fragte Jack sich, wie viel Zeit sie wohl wieder einholen mussten. Was ihn daran erinnerte …

»Obi? Wie lange haben wir bis zum Schichtwechsel? Wann kommt die Ablösung für den Portier?«

»In fünfzehn Minuten.«

»Was?« Jack sah Charlie an. »Wir haben nicht genug Zeit.«

»Doch, haben wir.« Charlie brauchte kaum eine Minute, um das Schloss zu knacken. »Siehst du?«

»Wartet!«, warnte Wren. »Woher wissen wir, dass niemand zu Hause ist?«

»Er ist ausgegangen«, erklärte Obi in ihren Ohrstöpseln. »In die Oper. Der ist noch ein paar Stunden unterwegs.«

Jack sah in den Flur des Penthouses. Ohne Strom mussten sie sich zumindest nicht mit der Alarmanlage auseinandersetzen.

Dann huschten sie alle drei hinein.

Charlie blieb vor dem Kasten mit der Alarmanlage stehen und schnitt die Drähte durch.

»Nur für den Fall, dass der Strom wiederkommt«, flüsterte er.

Jack nickte und folgte Wren durch eine Schiebetür. Das Wohnzimmer war minimalistisch eingerichtet. Die Wände waren blendend weiß und zwei schwarze Ledersofas standen einander gegenüber. Ansonsten gab es keine Möbel. Nicht einmal einen Fernseher.

»Was ist passiert?«, fragte Obi.

»Wie meinst du das?«, wollte Jack wissen, richtete die Schulterkamera aus und leuchtete mit der Taschenlampe in den Raum.

»Was hat mein Onkel mit dieser Wohnung angestellt? Sie war früher richtig gemütlich. Wo ist die Standuhr?«

Dieses Penthouse – und ein oder zwei weitere Häuser – hatte früher Obis Eltern gehört. Als sie starben, hatte sich sein Onkel mit allem aus dem Staub gemacht. Obi und seiner Schwester blieb nicht ein Penny, und genau das wollten die City Heroes mit dieser Mission ändern.

»Wo ist es?«, fragte Jack.

»Die Tür rechts«, antwortete Obi.

Charlie ging mit ihnen durch das Wohnzimmer und durch die Tür.

Dahinter traten sie in einen Raum voller Bücher. Jedes verfügbare Regal war vollgestellt, und auf dem Fußboden lagen Bücherstapel. Mitten in diesem Chaos stand ein Ledersessel mit hoher Lehne. Auf dem kleinen Tisch daneben befand sich eine Lampe aus buntem Glas.

Der Kontrast zur übrigen Wohnung war extrem.

»Das ist schon eher so wie früher«, fand Obi. »Hier ist er offenbar nicht gewesen. Es sieht genauso aus wie immer.«

»Scheint nicht, als würde er je hier hereinkommen.«

Jack sah sich zwischen den Regalen um und suchte nach Kameras, dann leuchtete er mit der Taschenlampe zur hinteren Wand. Dort hing unter einer Messinglampe ein dunkles Ölgemälde. Es war das Portrait eines Mannes in einer alten Militäruniform. Jack zögerte einen Augenblick und betrachtete die Pinselführung. Dann richtete er die Schulterkamera darauf.

»Siehst du das, Obi? Wer ist das?«

»Das ist mein Ururgroßvater«, sagte Obi. »Er war Offizier in der Armee.«

Jack ging ein paar Schritte näher, als es in seinem Kopfhörer knisterte.

»Obi?«, fragte er und ging zur Tür zurück. »Obi?«

Doch er bekam keine Antwort.

Jack sah Charlie an.

»Obi?«, versuchte sie es über ihr Mikrofon. »Kannst du uns hören?«

Sie bekamen immer noch keine Antwort.

»Das muss etwas mit den Stromausfällen zu tun haben«, sagte Charlie.

Jack, Charlie und Wren verschwendeten keine Zeit, sondern liefen zwischen den Bücherstapeln zum Bild hinüber.

Charlie drückte auf einen Knopf neben dem Bilderrahmen, der daraufhin von der Wand wegklappte. Dahinter befand sich ein großer Safe, dessen elektronische Tastatur grünlich beleuchtet war.

»Woher bekommt der denn Strom?«, fragte Jack.

»Der hält monatelang mit seiner eigenen Batterie durch«, erklärte Charlie. Sie nahm einen Schraubenzieher aus der Tasche und schraubte die Tastatur ab.

Wenn sie jetzt einen Fehler machten, würde der Safe sich endgültig verschließen. Charlie sah Jack an.

»Das hier müssen wir zusammen machen«, sagte sie. »Denk daran, gleichmäßigen Druck auszuüben.«

Jack nahm die Taschenlampe in den Mund, und zusammen hoben sie die Unterseite des Paneels an, sodass Wren daruntersehen konnte.

»Und, hatten wir recht?«, fragte Charlie.

»O ja«, antwortete Wren.

»Wie wir gesagt haben?«

»Ja«, nickte Wren.

Mit der freien Hand griff Charlie in ihre Hüfttasche und reichte Wren eine Drahtschere.

Wren setzte sie unter dem Paneel an. »Welcher Draht war es noch mal?«

»Der blaue«, antwortete Charlie.

»Oh.«

»Was ist?«

»Sie sind beide blau.«

»Was?« Charlie sah hinter der Tastatur nach. »Na, das ist ja super.«

Auch Jack sah hinter das Paneel, wobei er aufpasste, dass er es nicht weiter vom Safe entfernte. Er erkannte den Schalter, der verhindern sollte, dass sich jemand an der Tastatur zu schaffen machte. Wenn sie das Paneel noch ein Stück weiter anhoben, würde der Kreislauf unterbrochen werden und der Safe würde sich verschließen. Wren hatte recht. Beide Drähte, die dorthin führten, waren blau. Charlie war fest davon ausgegangen, dass einer der beiden rot war.

Jack richtete sich auf und sah sie an.

»Vorschläge?«

»Keine«, seufzte Charlie.

»Super.«

Das bedeutete, die Chancen, dass Wren den richtigen Draht durchschnitt, standen eins zu eins. Er sah sie an.

»Deine Entscheidung.«

»Im Ernst?«, fragte Wren erschrocken.

»Wir sind jetzt schon so weit gekommen«, meinte Jack und sah sich erneut nach möglichen verborgenen Sicherheitssystemen um, die er übersehen haben könnte. Da er immer noch nichts entdeckte, wandte er sich wieder an Wren und nickte. »Tu es.«

Wren schluckte und griff hinter das Paneel. »Jetzt!«

Jack schloss die Augen und hielt den Atem an.

Er hörte, wie der Draht durchtrennt wurde. Ganze fünf Sekunden rührte sich keiner von ihnen.

»Alles klar«, stellte Wren fest.

Jack machte die Augen wieder auf und sah, dass sie strahlte. Er grinste zurück.

Schnell hob Charlie die Tastatur an. Dann nahm sie einen kleinen Lötkolben aus ihrer Hüfttasche, schaltete ihn ein und begann, an den Schaltkreisen darin zu arbeiten.

Sie verband mehrere Drähte miteinander, entfernte ein paar Komponenten und schweißte einen Mikroschalter an.

Jack fragte sich, wie viel Zeit sie noch hatten, doch Obi reagierte immer noch nicht auf ihre Rufe.

Schließlich schaltete Charlie den Lötkolben aus und überprüfte ihre Arbeit. Sie musste das auf Anhieb richtig machen. Es gab keinen Spielraum. Sie sah Jack an.

»Willst du es machen?«

»Nein danke,« sage er. »Er gehört ganz dir.«

Charlie holte tief Luft und drückte auf den Mikroschalter.

Im Safe machte es Klick.

Alle drei stießen den Atem aus.

»Ausgezeichnet«, fand Jack, machte den Safe auf, leuchtete hinein und starrte einen Moment lang ins Innere.

»Was ist los?«, fragte Charlie.

Jack trat beiseite. »Sieh selbst.«

Charlie riss die Augen auf, als sie in den Safe sah.

»Ich fasse es nicht!«

»Was?«, fragte Wren und stellte sich auf die Zehenspitzen. »Moment mal, wo ist es denn?«

Der Safe war leer.

»Lasst uns hier verschwinden«, stieß Jack hervor.

Als sie aus der Bibliothek ins Wohnzimmer liefen, gingen in den Gebäuden draußen die Lichter wieder an.

Die drei erstarrten.

»Das hat uns gerade noch gefehlt«, meinte Jack.

»Leute!«, vernahmen sie Obi eindringlich in ihren Headsets. »Könnt ihr mich hören?«

»Ja«, antwortete Jack.

»Ich habe versucht, euch zu erreichen.«

»Stromausfälle.«

»Ich weiß«, sagte Obi. »Ich musste das Signal über einen anderen Sendemast leiten. Aber das ist jetzt egal, denn der Nachtportier ist gerade zu seiner Schicht aufgetaucht.«

Jack sah auf die Uhr an der Wand. Durch die vielen Verzögerungen lagen sie weit hinter ihrem Zeitplan. Sie hätten schon längst weg sein sollen.

Sie rannten in den Gang, und Charlie wollte zur Treppe, doch Jack hielt sie zurück.

»Nein«, sagte er. »Die Kameras werden wieder in Betrieb sein.«

»Was sollen wir denn sonst tun?«

Jack wandte sich ab. »Obi, was passiert gerade?«

»Der Nachtportier sucht seinen Kollegen. Er geht in das Hinterzimmer.«

Jack nahm den Türgriff und wartete. Ein paar Sekunden später meldete sich Obi wieder.

»Er hat ihn gefunden. Sieht aus, als würde er die Polizei rufen.«

Ihnen blieb keine andere Wahl. Jack sah die anderen an.

»Bereit zu laufen?«

Die beiden Mädchen nickten.

»Kapuzen!«, befahl er.

Sie zogen sich die Kapuzen über die Köpfe und die Halstücher vor Mund und Nase, sodass ihre Gesichter vor den Kameras verborgen waren. Dann machte Jack die Tür auf und drängte sie hinaus. Sobald sie die Treppe betraten, ging ein Alarm los.

Jack legte eine Hand auf das Ohr, um den Lärm zu mindern.

»Obi?«, rief er. »Können wir ins Erdgeschoss gelangen?«

»Nein«, antwortete Obi. »Da kommt ihr nicht ungesehen durch.«

Charlie sah Jack an. »Plan B?«

»Na toll«, seufzte Jack mit flauem Gefühl im Magen. »Das wird ja immer schöner.« Wieder presste er den Finger aufs Ohr. »Slink, wir schaffen es nicht ins Erdgeschoss. Der Ausgang ist blockiert.« Er sah die Treppe hinauf. »Wir treffen uns dort oben, so schnell du kannst.« Dann bedeutete er Charlie und Wren, sich zu beeilen.

Plan B hatte er noch nie gemocht.

Jack, Charlie und Wren schossen aus der Tür zum Dach des Gebäudes. Die kalte Luft stach Jack in die Augen, als sie zur Nordwestecke liefen.

In der Ferne hörten sie das unmissverständliche Heulen von Polizeisirenen und schätzten, dass die Cops in ein paar Minuten da sein würden.

Jack sah das Dach auf der gegenüberliegenden Straßenseite an.

»Wo ist er?«

Plötzlich hämmerte laute Musik auf seine Trommelfelle ein. Es war ein besonders heftiger Dubstep-Track – einer mit extra wummernden Bässen und extra viel Scratching.

Auf dem anderen Gebäude erschien eine Gestalt, die über eine niedrige Mauer sprang, einen Purzelbaum schlug und wieder auf die Füße kam.