City of Dreams – Heather & Ryker - Layla Hagen - E-Book
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City of Dreams – Heather & Ryker E-Book

Layla Hagen

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Beschreibung

Die Liebe in der aufregendsten Stadt der Welt! Bei Tag ist Ryker erfolgreicher Banker, abends geht der sexy Gitarrist seiner Leidenschaft für die Musik nach. Bei einem seiner Auftritte trifft er auf die Reporterin Heather. Zwischen den beiden sprühen sofort die Funken. Beide spüren, dass ihre Begegnung mehr ist als ein unbedeutender Flirt. Aber die alleinerziehende Heather zögert: Nach der letzten gescheiterten Beziehung hat sie ihrer kleinen Tochter versprochen, dass sie fortan zu zweit bleiben. Doch Ryker lässt nicht locker und kämpft um Heathers Herz … Verführerisch, leidenschaftlich, sexy – Nach den »Flowers of Passion« und den »Diamonds for Love« meldet sich Bestsellerautorin Layla Hagen mit einer neuen Romance-Reihe zurück! »Einmal angefangen, kann man Layla Hagens Bücher nicht mehr zur Seite legen.« Geneva Lee, Autorin der »Royals«-Serie Alle Bände der »New York Nights«: Band 1: City of Love – Hunter & Josie Band 2: City of Dreams – Heather & Ryker Band 3: City of Hearts – Robert & Skye Band 4: City of Promises – Laney & Cole Band 5: City of Kisses – Tess & Liam

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Kapitel 1

Ryker

»Gratuliere. Ich bin stolz auf euch.« Ich prostete meinen Schwestern mit meinem Champagnerglas zu.

Tess und Skye hatten gerade ihre Jobs aufgegeben, um sich ganz auf ihre Unternehmensgründung zu konzentrieren. Ein paar Jahre lang hatten sie schon online Dessous verkauft, aber jetzt bereiteten sie sich darauf vor, ihr eigenes Ladengeschäft aufzumachen. Die offizielle Eröffnung sollte in drei Wochen sein.

»Danke, Bruderherz«, antwortete Tess. Ich konnte erkennen, dass sie sich sehr über mein Lob freute. Doch ich sagte nur die Wahrheit: Ich war verdammt stolz auf die beiden.

»Ich bin unglaublich froh, dass wir den Sprung endlich gewagt haben«, meinte Skye und streckte sich auf der Couch aus, die soeben in den Laden geliefert worden war. Tess und ich saßen auf den Armlehnen.

»Da wir uns immer Ziele setzen, sollten wir wirklich hoffen, dass wir bald einen Investor finden«, fügte Tess hinzu. Obwohl sie auch allein schwarze Zahlen schrieben, könnten sie mit einem Geldgeber schneller expandieren.

»Ihr wisst, dass ich euch helfen kann«, bot ich ihnen zum hundertsten Mal an. Ich war Investmentdirektor einer Venture-Capital-Gesellschaft und kannte viele Investoren.

Der Anlagefonds, den ich verwaltete, konnte nicht direkt investieren – das hätte einen Interessenskonflikt dargestellt –, doch ich konnte zumindest im Hintergrund die Fäden ziehen.

Tess schüttelte den Kopf. »Wir wollen nicht, dass du dich für uns aus dem Fenster lehnst – das haben wir doch bereits gesagt. Was, wenn es nicht läuft? Du hast dir an der Wall Street schließlich einen Namen gemacht.«

Aber wenn es um meine Familie ging, war mir mein Ruf egal. Ich wollte doch bloß dafür sorgen, dass bei meinen Schwestern möglichst alles glattging. Die Geschäftswelt war gnadenlos, und ich war davon überzeugt, die beste Vorgehensweise wäre, es so zu machen wie bei allem anderem auch: indem wir zusammenhielten.

»Außerdem hilfst du doch schon.« Tess klimperte auf eine Weise mit den Wimpern, die mir sofort verriet, dass sie einen Anschlag auf mich vorhatte.

»Was soll ich machen?«

»Du solltest die Frage besser konkretisieren, sonst geben wir dir eine ellenlange Liste«, warnte Skye. Bevor die Couch geliefert worden war, hatten wir bereits Vorhänge aufgehängt.

»Ich weiß. Ich habe die Liste gesehen. Da gibt es noch tausend Dinge zu tun.« Das war der Grund, warum jeder in unserer Familie abwechselnd nach Feierabend im Geschäft arbeitete. Vor zwei Wochen hatten Tess und Skye die Schlüssel bekommen, und seitdem hatten wir die Tage unter uns aufgeteilt. Bis der Laden wirklich aufmachte, kam unser Bruder Cole immer donnerstags, ich montags, und unser Cousin Hunter schaute mit seiner Frau Josie am Mittwoch vorbei. Mom und ihr Ehemann kamen dienstags und freitags.

Skye zwinkerte mir zu, dann setzte sie sich wieder auf. »Du hast heute Abend schon genug getan. Danke, dass du uns mit den Vorhängen geholfen hast. Tess und ich müssen noch ein paar Onlinebestellungen einpacken.«

»Haben wir deswegen nur die kleine Flasche Champagner geöffnet?« Ich deutete auf den Boden, wo neben einem Kistenstapel noch eine große Flasche stand.

»O nein. Die große Flasche Dom Perignon ist für die tatsächliche Eröffnung reserviert, wenn alle gleichzeitig hier auftauchen«, sagte Tess. »Mal abgesehen von Hunter und Josie.«

»Wieso kommen die beiden nicht?«, fragte ich.

»Sie müssen noch schauen, ob sie kommen. Sie haben einen Kurztrip geplant und sind sich nicht sicher, ob sie rechtzeitig zurück sind. Die beiden verbringen wirklich jede freie Minute auf Reisen«, antwortete Skye grinsend.

Manchmal konnte ich einfach nicht glauben, dass mein Cousin mit seiner besten Freundin verheiratet war, doch ich sprach diesen Gedanken nicht laut aus. Meine Schwestern durchschauten mich trotzdem.

»Du hast dich immer noch nicht davon erholt, dass Hunter das Junggesellendasein hinter sich gelassen hat, oder?«, zog Tess mich auf.

»So in der Art«, gab ich zu. Obwohl Hunter unser Cousin war, betrachteten wir ihn eher als Bruder. Nach der Scheidung unserer Eltern war Mom mit uns allen nach New York gezogen, und Hunter war quasi zusammen mit uns aufgewachsen. Josie war ebenfalls schon lange eine Freundin der Familie und gehörte zu meinen absoluten Lieblingsmenschen. Mir war nur nie in den Sinn gekommen, dass die beiden heiraten könnten. Ich hatte immer gedacht, Cole, Hunter und ich würden ewig Junggesellen bleiben. Zumindest war Cole noch auf meiner Seite.

Skye stieß breit grinsend ihr leeres Glas gegen meines. »Fürchtest du, dass sich auch für dich alles ändern könnte, Flirtmeister?«

»Auf keinen Fall.«

Den Spitznamen hatte mir Josie verpasst, als wir alle Teenager waren. Ich war stolz darauf und wurde ihm auch gerecht.

»Ich spüre da definitiv einen Hauch von Angst«, meinte Tess glucksend.

Skye nickte, dann zeigte sie mit dem Finger auf mich. »Genau. Schau hin. Er macht dieses Gesicht, bei dem seine Pupillen groß werden und seine Augenbrauen sich leicht senken.«

»Und was ist damit?«, fragte ich verwirrt.

»So siehst du aus, wenn du irgendwie Angst hast«, informierte mich Skye.

Ich stöhnte. »Ich habe nie Angst. Das ist einer der Gründe, warum ich an der Wall Street arbeite.« Ich liebte das Risiko, die schnellen Entscheidungen und die Unvorhersehbarkeit des Marktes, egal, wie oft man die Leistungskennzahlen auch analysierte.

»Ha! Ich erinnere mich definitiv an ein paar Situationen, die diese Aussage Lügen strafen«, meinte Tess.

Skye schnippte mit den Fingern, als wäre ihr gerade etwas Wichtiges eingefallen. »Wie dieses eine Mal, wo du vor Weihnachten so heftig gefeiert hast, dass du wirklich dachtest, du würdest es nicht zum Familienessen schaffen. Ich erinnere mich deutlich, dass in flehendem Tonfall die Worte ›Rettet mir den Hintern!‹ gefallen sind.«

Ich stöhnte, dann stand ich auf und stellte mein Glas auf die große Kiste, die wir als improvisierten Tisch verwendeten. Da Tess und Skye ein paar Jahre älter waren als ich, erinnerten sie sich an mehr als ich … und erinnerten mich auch gern an Dinge, die ich am liebsten vergessen hätte.

»Mädels, wenn ihr mich nicht mehr braucht, breche ich jetzt auf.«

»Moment! Wir dürfen das Selfie des Tages nicht vergessen!«, protestierte Tess. »Lasst uns ein Stück nach vorne gehen, damit die Couch den Hintergrund bildet.«

»Wieso schießt du diese Fotos?«, fragte ich.

»Damit wir einen Überblick über unsere Fortschritte behalten. Das hilft uns, wann immer sich das Gefühl aufdrängt, die Arbeit würde nie ein Ende finden.«

»Hey, das ist zumindest das letzte Mal, dass wir in Arbeitsklamotten hier auftauchen«, meinte Syke. »Bis wir tatsächlich öffnen und wieder professionell aussehen müssen, werde ich nur noch Jogginghosen tragen.«

»Komm her. Schieb dich für ein Winchester-Selfie zwischen uns«, sagte Tess.

Ich lachte, als die beiden sich rechts und links an mich drückten, dann hielt ich das Handy so, dass unsere Gesichter und das Sofa hinter uns zu sehen waren. Skye passte die Beleuchtung an und murmelte dabei etwas darüber, dass die Tatsache, dass ich dunkelblond und sie brünett waren, die Wahl des korrekten Filters erschwerte.

Danach schnappte ich mir meinen Gitarrenkoffer und schwang ihn mir über die Schulter.

»Trittst du heute Abend auf?«

»Nein, ich bringe nur meine neue Gitarre in die Bar.«

»Viel Spaß«, sagte Skye.

Ich liebte es, Gitarre zu spielen … und für mich waren Auftritte die beste Art, mich zu entspannen und den Arbeitstag hinter mir zu lassen. Heute Abend hatte ich allerdings keinen Auftritt angesetzt, weil ich nicht gewusst hatte, wie lange ich bei Tess und Skye sein würde. Ich verließ den neuen Laden und musterte die Umgebung mit den Augen eines Analysten: Die Lage war toll. Es gab eine Menge Laufkundschaft, und das Viertel war insgesamt sowohl für Einheimische als auch für Touristen attraktiv. Meine Schwestern hatten Erfahrung und würden bestimmt erfolgreich sein. Es war Anfang März, also hatten sie das Valentinstaggeschäft verpasst – in ihrer Branche eine Riesensache –, aber wenn sie es schafften, im April zu eröffnen, konnte sie immer noch gut mit dem Ansturm vor Ostern verdienen.

~

Ich ging direkt zum Northern Lights, der Bar, in der ich hin und wieder auftrat. Die Happy Hour hatte vor einer Weile angefangen, und diverse Anzugträger waren gleich nach Börsenschluss von der Wall Street gekommen. Wenn ich auf der Bühne stand, entspannte mich der Anblick der Menge. Ich fand sie allerdings nicht so toll, wenn ich mich durchdrängen musste.

»Rose, ich habe etwas für dich«, rief ich der heutigen Barkeeperin zu, die auch die Geschäftsführerin der Bar war. Ich legte die Gitarre auf den Tresen.

»Oh, du hast mir dein neues Spielzeug gebracht, damit ich es sicher für dich aufbewahre. Kann ich sie mir mal ansehen?«

»Na klar.«

Rose öffnete den Koffer und keuchte. Ja, ich war auch ziemlich stolz. Manche Leute sammelten Autos, ich hatte eine Schwäche für Gitarren. Das hier war eine brandneue Elektrogitarre mit seidigem Klang und glattem, leisem Ton.

»Ryker Winchester, du überraschst mich immer wieder. Es ist toll, wie du nie beim Altbewährten bleibst. Eine Elektrogitarre hattest du noch nie«, murmelte sie.

Ich forderte mich gern selbst heraus – das gab mir etwas, worauf ich mich freuen konnte.

»Ich werde sie diese Woche spielen.«

»Willst du die alte mitnehmen?«

»Nein, lass sie ruhig auch hier. Ich werde einfach hin und wieder zwischen den Instrumenten wechseln.«

»Willst du ein Bier?«

»Gern!«

Sie gab mir ein Bier vom Fass. Doch bevor ich den ersten Schluck nehmen konnte, drang eine laute Stimme an mein Ohr.

»Verdammt noch mal, du bist nicht meine Frau. Du bist nicht mal mehr meine Freundin, also geht mich das alles nichts mehr an.«

Ich sah mich um. Welcher Trottel redete da solchen Mist? Ich entdeckte den Mann ein paar Schritte entfernt … und die Frau, mit der er sprach. Sie hatte dunkelbraune Haare und sah sympathisch aus. Wow, sie war schön. Aber sie hatte die Schultern hochgezogen und warf gerade den umstehenden Gästen entschuldigende Blicke zu.

Ich ließ mein Bier auf dem Tresen stehen und ging mit großen Schritten hinüber.

»Entschuldigen Sie sich bei der Dame«, sagte ich ruhig.

»Was zum Teufel ist dein Problem?«, fragte der Kerl.

»Mein Problem ist, dass du ein Trottel bist. Entschuldige dich.«

Aus der Nähe betrachtet, war die Frau sogar noch schöner – volle Lippen, grüne Augen. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte der Trottel mich in die Leute hinter mir geschubst, die darauf warteten, sich etwas zu trinken zu bestellen.

Alle wichen aus, aber beim Stolpern stieß mein Wangenknochen mit einer Schulter zusammen. Mein Ellbogen kollidierte mit meinem Bierglas, dessen Inhalt sich prompt über meine brandneue Gitarre ergoss. Bier spritzte überallhin. Rose warf mir ein paar Servietten zu, und ich machte mich sofort daran, die Feuchtigkeit abzuwischen. Doch ich wusste einfach, dass auch etwas in die Schaltkreise geflossen war. Scheiße.

Ich musterte die Saiten, doch ich konnte das Ausmaß des Schadens kaum abschätzen. Als ich den Kopf wieder hob, stellte ich fest, dass der Trottel nicht länger zu sehen war.

»Gil hat ihn rausgeworfen«, erklärte Rose. Gil war von der Security. Ich sah mich um, um die Frau zu finden, die bei ihm gewesen war, doch auch sie konnte ich nirgendwo entdecken. Verdammt. Ich hatte mich wirklich vergewissern wollen, dass es ihr gut ging.

»Funktioniert das Ding noch?«, fragte Rose mit einer Geste in Richtung der Gitarre. Die Oberfläche war klebrig vom Bier.

»Ich weiß es nicht. Ich werde sie in den Laden bringen, um zu schauen, was sie dazu sagen.«

»Das ist echt beschissen. Brandneu und alles. Bist du verletzt?«

»Es geht mir gut. Kennst du die beiden? Also dieses Paar?«

»Nein.«

»Also sind es keine Stammgäste?«

Eigentlich wollte ich nur wissen, ob die Frau hier Stammgast war, obwohl ich die Antwort schon kannte. Wäre sie öfter hier gewesen, hätte ich mich an sie erinnert.

»Nein. Und ich habe ein gutes Gedächtnis. Die beiden waren noch nie hier. Willst du einen Eisbeutel für deine Wange? Du wirst morgen eine Schramme haben.«

Ich stöhnte. Sie hatte recht. Ich konnte jetzt schon spüren, wie die Haut anschwoll. »Eis klingt gut. Danke dir.«

Mit dreißig gehörte ich bereits zu den jüngsten Investmentdirektoren der Firma … und für gewöhnlich war mein Alter kein Vorteil. Ich glich das durch umfassendes Marktwissen und eine herausragende Erfolgsbilanz aus. Ein zerschlagenes Gesicht würde mir bei den Klienten, die mir ihre Millionen Dollar schweren Portfolios anvertrauten, keine Pluspunkte einbringen.

Ich schnappte mir den Eisbeutel, den Rose mir reichte, dann schob ich die beschädigte Gitarre zurück in ihren Koffer, bevor ich zu einer der Couchen in einer Ecke ging. Obwohl ich wusste, dass es sinnlos war, sah ich mich noch mal in der Bar um. Sie war nicht mit ihm gegangen, oder? Für mich hatte es geklungen, als hätte er sie gerade abserviert. In der Öffentlichkeit. Ich hasste Männer, die in keinerlei Hinsicht Respekt oder Verantwortungsgefühl zeigten.

Den Rest des Abends drückte ich mir den Eisbeutel an die Wange … und schmiedete Pläne, wie ich diese mysteriöse Fremde finden konnte, die mir einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte.

Kapitel 2

Heather

»Mama, auf dieser Kiste steht die Zahl achtunddreißig.« Meine siebenjährige Tochter zeigte mit ihrem winzigen Finger auf die Zahlen, die ich mit silbernem Marker auf die Kiste geschrieben hatte.

»Ja.«

»Heißt das, dass wir fertig sind?«

Ich grinste. Ich hatte ihr gesagt, dass wir nach der achtunddreißigsten Kiste aufhören würden … und sie hatte aufgepasst.

»Ja, sind wir.«

Avery jubelte. Ich ging in die Hocke, und sofort warf sie die Arme um meinen Hals. Ich konnte es nicht erklären, aber Avery roch einfach nach Liebe. Dieses kleine Mädchen war mein Sonnenschein. Blond und blauäugig wie sie war, sah sie aus wie ein kleiner Engel.

»Können wir jetzt ein Schaumbad nehmen?«, fragte sie.

»Aber sicher, Schnecke.«

Unser Apartment hatte zwei Schlafzimmer und ein winziges Wohnzimmer und lag in einer umgebauten Lagerhalle. Ich liebte die riesigen Fenster. Sie ließen an sonnigen Tagen jede Menge natürliches Licht einfallen. Vor einer Woche waren wir hier eingezogen, daher die ganzen unausgepackten Kisten. Wir hatten jeden Abend sechs davon geöffnet. In der Küche, die zusätzlich als mein Büro diente, standen auch noch ein paar herum. Als Reporterin arbeitete ich viel von zu Hause aus. Ins Redaktionsgebäude in Manhattan fuhr ich eigentlich nur, wenn eine Sitzung anstand.

Wir gingen ins Bad. Während das Wasser in der Wanne langsam stieg, amüsierten wir uns damit, alle Shampoo- und Duschgelreste in die Wanne zu gießen … plus einen glitzernden Schleim, auf dessen Packung ein Einhorn prangte. Ich hatte keine Ahnung, ob das Zeug wieder abgehen würde, aber mein Mädchen brauchte ein wenig Glitter im Leben und ehrlich … dasselbe galt auch für mich.

Nachdem Gerald die Bombe hatte platzen lassen, war ich mit Avery einkaufen gegangen und hatte ihr erklärt, dass unsere neue Wohnung von nun an eine reine Frauenzone sein würde. Das hatte dazu geführt, dass wir die verschiedensten glitzernden Dinge gekauft hatten, von Nagellack über Badesalze und Lipgloss bis hin zu Bettbezügen. Da gerade März war, hatten wir alles im Winterschlussverkauf ergattert. Mir gefielen unsere Schnäppchen genauso gut wie meiner Tochter.

Sobald ich den Hahn abdrehte, sprang Avery in die Wanne, sodass Wasser in alle Richtungen spritzte. Lachend schloss ich mich ihr an.

»Wir haben unser eigenes kleines Schwimmbad«, rief Avery. In der alten Wohnung hatte es nur eine Dusche gegeben. »Können wir jeden Abend ein Glitzerbad nehmen?«

Ah, mein Mädchen besaß viele Talente. So gern ich sie auch als meinen Engel bezeichnete, sie konnte auch eine kleine Teufelin sein. Sie wusste genau, dass ich ihr nur schwer einen Wunsch abschlagen konnte, doch ich hatte gelernt, Nein zu sagen.

»Nicht jeden Abend. Aber hin und wieder werden wir das machen.«

Sie sah mich mit großen Augen an und grinste. »Ja!« Nach einem kurzen Schweigen fügte sie hinzu: »Mama, Gerald kommt nicht zurück, oder?«

Mir wurde es schwer ums Herz. Vermisste Avery ihn?

»Nein, Süße. Tut er nicht.«

»Mir gefällt es, wenn wir bloß zu zweit sind, Mama.«

Ich konnte kaum dem Drang widerstehen, sie zu drücken, bis ihr die Luft ausging.

»Mir auch, Schnecke. Mir auch. Jetzt gibt es nur noch uns beide.«

Und so würde es auch bleiben.

Nachdem ich Avery ins Bett gebracht hatte, ging ich in die Küche, machte mir eine Tüte Mikrowellen-Popcorn und goss mir ein Glas Wein ein. Ein Abendessen für echte Helden. Ich setzte mich an den runden Küchentisch und sah mich in unserem neuen Zuhause um.

Vor sieben Tagen hatte Gerald mich angerufen und erklärt, dass er etwas Wichtiges mit mir zu besprechen hätte. Ich war gerade damit beschäftigt, Umzugshelfer zu beaufsichtigen und Möbel zu bestellen, also hatte ich kaum darüber nachgedacht, worum es gehen könnte. Ehrlich, ich war einfach bloß glücklich gewesen, dass er endlich für mehr als ein paar Tage in New York sein würde. Er war Reiseführer und ständig in der ganzen Welt unterwegs.

Vor zwei Tagen hatten wir uns im Northern Lights getroffen, wo er mir mitgeteilt hatte, dass er nicht mit uns zusammenziehen wollte, weil er auf einer seiner Reisen jemand anderen kennengelernt hatte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Selbst das Atmen war mir schwergefallen.

Rückblickend hätte ich wissen müssen, dass Gerald nicht bei mir bleiben würde. Er hatte sich nie mit der Idee von uns dreien anfreunden können. Doch ich war verliebt gewesen und hatte Avery Stabilität bieten wollen – besonders da sie ihren Vater nie kennengelernt hatte. Wir hatten uns getrennt, kurz nachdem ich von meiner Schwangerschaft erfahren hatte. Er hatte all seine Rechte aufgegeben, weil er keinerlei Interesse an einer Vaterschaft gehabt hatte. Das war eine schwierige Zeit für mich gewesen, direkt nach dem College – vor allem, weil meine Eltern in Arizona lebten. Als Gerald vor zwei Jahren in mein Leben getreten war, hatte ich mich rettungslos in ihn verliebt und mich gleich in die Beziehung gestürzt. Von nun an würde ich solche Dinge anders angehen.

~

Nach dem Glas Wein fühlte ich mich ein wenig besser. Das war meine erste Auszeit in zwei Tagen. Bisher hatte ich die Trennung kaum verarbeiten können, da ich die Wohnung einrichten und die Kisten auspacken musste. Doch ich hatte auch versucht, diesen schrecklichen Abend zu vergessen. Jetzt, wo ich nicht mehr mit Kistenauspacken beschäftigt war, konnte ich nicht anders, als darüber nachzudenken. Als der Typ von der Security aufgetaucht war, hatte ich die Chance genutzt, um aus der Bar zu fliehen – wie ich es mir schon ab dem Zeitpunkt gewünscht hatte, in dem mir klar geworden war, dass Gerald nur gekommen war, um sich von mir zu trennen. Alle in Hörreichweite hatten mich voller Mitleid betrachtet … und ich war so vor den Kopf gestoßen gewesen, dass ich einfach nicht gewusst hatte, wie ich reagieren sollte. Was ist mit Avery? Und der Wohnung?, hatte ich gefragt.

Das geht mich alles nichts an.

Ich konnte immer noch nicht glauben, dass er uns einfach so die kalte Schulter gezeigt hatte. Ich drückte mir eine Hand an den Bauch, mein Magen ein einziger Knoten. Aber ich erinnerte mich auch an den Mann, der sich eingemischt hatte. Ein vollkommen Fremder hatte genügend Mitgefühl gezeigt, um eine Entschuldigung von Gerald zu fordern. Je öfter ich daran zurückdachte, desto unruhiger wurde ich. Gerald hatte ihn geschubst. Verdammt! Ging es dem Mann gut? Wieso hatte ich mich bis jetzt nicht dafür interessiert?

Ich googelte die Bar und rief dort an, das Telefon eng ans Ohr gepresst.

»Northern Lights. Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine Frauenstimme.

»Ich hätte eine Frage … ich war vor zwei Tagen abends in Ihrer Bar. Mein Ex-Freund hat Krawall gemacht. Die Security hat sich eingeschaltet.«

»Ich erinnere mich.«

»Ein Mann hat versucht, einzuschreiten. Mein Ex hat ihn geschubst. Wissen Sie zufällig, ob es ihm gut geht?«

»Oh, das war Ryker. Er tritt hier manchmal auf. Keine Sorge, es geht ihm gut. Nichts, was nicht mit einem Eisbeutel behandelt werden konnte. Allerdings hat seine Gitarre eine Bierdusche abbekommen.«

Mist. Das klang überhaupt nicht so, als wäre alles in Ordnung.

»Das tut mir sehr leid. Funktioniert die Gitarre noch?«

»Es war eine elektrische, also bin ich mir da nicht ganz sicher. Er hat sie zur Reparatur gebracht.«

Verdammt, ich musste das wiedergutmachen. Wenn die Gitarre ersetzt oder repariert werden musste, musste ich das bezahlen.

»Wann tritt er das nächste Mal auf?«

»Morgen, ungefähr um acht Uhr.«

»Danke Ihnen.« Ich legte das Telefon zurück auf den Tisch und goss mir noch ein Glas Wein ein. Ich hatte eine vage Erinnerung an den Mann: dunkelblondes Haar, schöne blaue Augen. Hmmm … vielleicht verklärte ich sein Aussehen ein bisschen, unterstützt von Mr Sauvignon Blanc. Nun, das würde ich morgen herausfinden.

Dann drehte ich das Glas zwischen den Fingern und sah mich lächelnd in der Wohnung um. Ich war entschlossen, mich auf die positiven Dinge in meinem Leben zu konzentrieren: Ich hatte eine wunderbare Tochter, die ich über alles liebte, einen tollen Job und eine schicke, neue Wohnung.

Jetzt begann ein neuer Lebensabschnitt, und ich freute mich riesig darauf!

Kapitel 3

Ryker

Es war Donnerstag, und ich konnte es kaum erwarten, die Bühne zu betreten. Der Druck an der Wall Street war erbarmungslos. Da war es unerlässlich, eine Möglichkeit zu finden, mal Dampf abzulassen – und für mich waren das meine Auftritte. Vor Publikum zu spielen, schenkte mir die Entspannung, die ich brauchte. Ein weiterer Vorteil war, dass ich dabei zur Abwechslung mal keinen Anzug tragen musste. Ich war kein großer Fan von Businesskleidung und fühlte mich in Lederjacke und Jeans viel wohler. Jetzt nahm ich meine Gitarre und stieg zusammen mit den anderen Musikern auf die Bühne, mit denen ich für gewöhnlich auftrat: ein Sänger, Josh, und ein Schlagzeuger, Steve.

Sobald meine Finger die ersten Akkorde spielten, entspannten sich meine Muskeln, und die gesamte Anstrengung fiel von mir ab. Alle Gedanken an die Wall Street verschwanden. Meine Firma steckte in Schwierigkeiten, weil einer der anderen Investmentdirektoren einen Klienten übers Ohr gehauen hatte, um seinen eigenen Bonus aufzubessern. Er war sofort gefeuert worden, aber trotzdem machten sich nun alle Sorgen um das Image des Unternehmens. Mir ging es ebenso … allerdings war ich zusätzlich noch sauer, weil unser Klient wegen dieses gierigen Volltrottels nun in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Und wie ich erwartet hatte, hatte die Prellung im Gesicht mir böse Blicke sowohl von Kollegen als auch von Klienten eingebracht.

In der Arbeit waren alle unglaublich gestresst, doch im Moment gab es nur mich, die Gitarre und die Musik. Es waren nicht so viele Leute da wie sonst. Ich ließ den Blick durch den Raum gleiten und nahm die Energie der Menge auf, der Leute auf der Tanzfläche. Dann bemerkte ich eine zierliche Frau, die an der Bar lehnte.

Spielten mir meine Augen einen Streich, weil ich sie unbedingt wiedertreffen wollte? Oder war tatsächlich meine mysteriöse Fremde heute wirklich da? Nein, sie war es: dunkelbraunes Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war, und ein fröhliches Grinsen. Sie trommelte im Takt mit den Fingern auf den Tresen. Eilig musterte ich die Umstehenden. Der Trottel war nirgendwo zu entdecken. Stattdessen grinste sie noch breiter.

Sobald unser Set vorbei war, sprang ich quasi von der Bühne und hielt direkt auf sie zu. Sie bewegte sich nicht. Stattdessen lächelte sie mich an.

»Mysteriöse Fremde!«, rief ich, als ich sie erreichte. Verdammt, sie war sogar noch schöner als in meiner Erinnerung. Das letzte Mal war ich zu abgelenkt gewesen, um ihre sexy Kurven zu bemerken. Sie trug ein enges Kleid, das genug Dekolleté zeigte, um mich zu einem weiteren Blick zu verlocken, doch ich bemühte mich, ihr in die Augen zu sehen.

Sie lachte leise. »Was?«

»Ich weiß ja gar nicht, wie du heißt.«

»Heather.«

»Ich bin Ryker.«

»Ich weiß.«

»Ach?«

»Ich habe mich bei der Geschäftsführerin nach dir erkundigt.«

»Das ist Musik in meinen Ohren.«

»Ich fühle mich schuldig.« Sie deutete auf meine Gitarre. »Ist das die, auf die das ganze Bier verschüttet wurde?«

»Nein, die elektrische ist bei der Reparatur.«

»Tut mir leid.«

»Keine Sorge. Der Angestellte meinte, man kann es richten.«

»Na ja, ich fühle mich aber trotzdem schuldig.«

»Du kannst doch nichts dafür. Das war der Trottel.«

Sie senkte den Blick und sackte vor meinen Augen quasi in sich zusammen. Allerdings würde ich das nicht zulassen.

»Ich werde für die Reparatur aufkommen.«

»Danke, aber das ist nicht nötig.«

»Ich bestehe darauf.« Sie reckte das Kinn hoch, die Lippen schmal.

»Keine Diskussion.«

»Dann lass mich dir zumindest einen Drink spendieren.«

»Eine Dame zahlt nie.« Ich lehnte mich zu ihr, woraufhin sie mich vor Überraschung mit großen Augen ansah. Sie duftete nach Blumen und Zimt. Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten, ihr noch näher zu kommen … denn das wäre zu aufdringlich gewesen.

»Selbst wenn sie indirekt dafür verantwortlich ist, dass deine Gitarre repariert werden muss?«

»Selbst dann.«

Sie spielte an einer Haarsträhne herum. Ein wachsames Lächeln spielte um ihre Lippen, doch ich wollte ein ehrliches Lächeln sehen.

»Und wie soll ich dann mein Gewissen beruhigen?«

Ich beugte mich vor und flüsterte verschwörerisch: »Uns fällt da schon was ein. Aber erst spendiere ich dir einen Drink.«

»Was springt für dich dabei raus?« Sie legte den Kopf leicht schief, sodass ihr Haar von ihrer Schulter über ihren Rücken fiel. Eine einzelne Strähne blieb an ihrer Ohrmuschel hängen. Meine Finger kribbelten vor Verlangen, die Haare zur Seite zu schieben und so einen Vorwand zu haben, diese Frau zu berühren.

»Das werden wir noch sehen.«

Sie lachte, und gleichzeitig meinte ich, eine leichte Röte in ihren Wangen zu entdecken. Ich konnte mich einfach nicht davon abhalten, mit ihr zu flirten. Ich wurde nicht umsonst der Flirtmeister genannt. Sie war schön und frisch getrennt. Ich brach unseren Blickkontakt nur ab, um auf ihren Mund zu schauen. Sie benetzte die Lippen und stieß den Atem aus. Ich konnte quasi fühlen, wie sie nachgab.

»Du hast gewonnen«, flüsterte sie. Ich grinste triumphierend. Ihre Stimme klang fast ungläubig, doch ihr strahlendes Lächeln war ein sicheres Zeichen, dass sie mein direktes Vorgehen in Bezug auf … na ja, alles … zu schätzen wusste.

Wir nahmen vor der Bar Platz und sahen uns die Cocktails auf der Getränkekarte an. Das Schöne daran, in Manhattan ohne eigenes Auto unterwegs zu sein, war, dass man sich keine Sorgen um seinen Führerschein machen musste, wenn man etwas trank.

Ich saß nahe genug neben ihr, um erneut ihren berauschenden Duft nach Blumen und Zimt wahrzunehmen. Für gewöhnlich bemerkte ich Parfüms nicht, aber ihres brachte mich ganz durcheinander. Sie brachte mich durcheinander. Alles an ihr, von ihrer unaufdringlichen Schönheit bis zu ihrem Auftauchen in der Bar, um mir einen Drink zu spendieren, überraschte mich.

»Was wollen wir trinken?«

»Du vertraust mir genug, dass ich deinen Cocktail aussuchen darf?«, fragte ich neckend.

»Du kennst diesen Laden besser als ich. Außerdem halte ich dich für vertrauenswürdig.«

Ich lachte und schüttelte den Kopf. »Ungefähr die Hälfte meiner Familie würde dir jetzt widersprechen.«

»Und die andere Hälfte?«

»Würde dir wahrscheinlich raten, bis zum Ende des Abends zu warten, um eine Entscheidung zu treffen.«

»O Mist. Ich stecke in großen Schwierigkeiten, oder?«

Ich wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. »In riesigen.«

Sie schüttelte nur wortlos den Kopf.

Letztendlich bestellten wir Mojitos – im Northern Lights gab es die besten der Stadt.

»Und wie groß ist deine Familie?«, fragte Heather, nachdem sie einen Schluck genommen hatte. Die Bar wurde leerer, doch ehrlich, ich bekam kaum etwas von dem mit, was um uns herum vorging. Sie fesselte mich einfach zu sehr.

»Insgesamt sind wir zwei Schwestern und zwei Brüder. Na ja, eigentlich drei. Es gibt noch einen Cousin, den ich eher als Bruder sehe.«

»Ich verstehe. Also drei gegen zwei? Und du bist dir nicht sicher, ob alle sich für dich aussprechen würden?«

»Das sollte dir einiges verraten.«

Sie stieß einen lauten Pfiff aus. »Ich weiß nicht, Ryker. Ich glaube, damit kann ich nicht umgehen.«

»Oh, du gehst recht geschickt mit mir um.« Ich tippte mir an die Schläfe. »Oh, ich habe Mom vergessen. Sie wäre definitiv bei der Fraktion, die dich vor mir warnt.«

»Aua. Also hält nicht mal deine eigene Familie dich für vertrauenswürdig?«

»Leider nicht.«

Sie hob ihren Drink, und wir stießen an.

»Trittst du heute Abend noch mal auf?«, fragte sie.

»Ja, aber erst später.«

»Ich höre dir gern zu. Du hast wirklich Talent.«

»Danke.«

»Wie lange machst du das schon?«

»Insgesamt an die acht Jahre, aber ich habe immer mal wieder ausgesetzt.«

»Dann scheint es dir wirklich Spaß zu machen.«

Ich mochte Heather. Es fiel mir leicht, mich mit ihr zu unterhalten. Mir war klar, dass sie mich wahrscheinlich für einen Künstler hielt, der von Trinkgeld lebte, und ich konnte diese Fehleinschätzung gerade kaum richtigstellen. Wenn ich nun einfach so verkündete, dass ich an der Wall Street arbeitete, klänge ich wie ein Idiot, der mit seinem Job angeben wollte.

Sobald ihr Glas leer war, musterte sie es voller Bedauern. »Ich muss jetzt gehen.« Sie stand auf.

»Einspruch.«

»Ryker …«

»Du hast gesagt, dass du mir gern zuhörst. Ich habe noch einen Auftritt.«

»Ich weiß, aber es ist schon spät.«

Es war gerade mal neun Uhr.

»Was ist dein Lieblingssong? Ich werde die Jungs überzeugen, ihn zu spielen.«

Ihr blieb der Mund offen stehen. »Willst du mich so verlocken, noch zu bleiben?«

»Ja. Ich würde es ja mit Essen versuchen, aber sie servieren hier nur Burger, und ehrlich, so toll sind die nicht. Aber erzähl niemandem, dass ich das gesagt habe, sonst schmeißen sie mich raus.«

»Keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir sicher.«

»Also, wie heißt dein Lieblingslied?« Ich glitt ebenfalls von meinem Stuhl und stellte mich vor Heather. Ich musste sie überreden. Auf keinen Fall wollte ich sie schon gehen lassen.

»Das geht wirklich nicht. Tut mir leid.«

Zum ersten Mal in acht Jahren wollte ich die Jungs einfach sitzen lassen, um Zeit mit Heather verbringen zu können. Ich hätte sie nach Hause bringen können oder irgendwas. Aber ich konnte meine Bandkollegen nicht im Stich lassen, und außerdem hatte ich so das Gefühl, dass Heather das nicht wollen würde. Wir waren in New York City. Sich von einem Fremden nach Hause bringen zu lassen, konnte gefährlich werden.

»Wie schuldig fühlst du dich?«, fragte ich.

Sie runzelte die Stirn. »Hä?«

»Schuldig genug, um mir deine Telefonnummer zu geben?«

Ihr Stirnrunzeln verschwand und wurde von einem Lächeln ersetzt. Sie nannte mir ihre Nummer, die ich sofort in mein Handy eintippte. Dann riefen die Jungs mich auf die Bühne.

»Wann holst du deine Gitarre von der Reparatur ab?«, fragte sie.

»Montagabend um sieben. Warum?«

»Ich werde dich begleiten, damit ich zahlen kann.«

»Das ist nicht, was wir vorhin ausgemacht haben.«

Sie zuckte lächelnd mit den Schultern. »Ich habe nur so getan, als würde ich zustimmen. Ich dachte, nach einem Drink wärst du vielleicht nachgiebiger.«

»Dann sehen wir uns am Montag. Ich werde dir den Namen und die Adresse des Gitarrenladens schicken«, sagte ich, während ich mich rückwärts in Richtung Bühne bewegte. Lachend wurde mir bewusst, dass Heather genauso begabt darin war, ihren Willen zu bekommen, wie ich. Trotzdem würde ich nicht zulassen, dass sie die Reparatur bezahlte … aber sie hatte mir gerade die perfekte Ausrede geliefert, sie wiederzusehen.

Kapitel 4

Heather

Die gesamte Heimfahrt über war ich in Hochstimmung und total beschwingt. Im Zug gab ich einer Straßenmusikantin ein großzügiges Trinkgeld, weil sie mein Lieblingslied von Whitney Houston spielte. Was dafür sorgte, dass ich an Ryker denken musste … und mich fragte, welche Musik sie wohl noch gespielt hatten, nachdem ich die Bar verlassen hatte. Meine Erinnerung an ihn war durchaus nicht schöngefärbt gewesen; ganz im Gegenteil. Manche wunderbaren Details an ihm hatte ich bei unserer ersten Begegnung gar nicht bemerkt, doch jetzt konnte ich sie nicht mehr vergessen.

Auf dem Weg vom Bahnhof zu meinem Haus beeilte ich mich. Obwohl wir März hatten, war der Wind immer noch kalt und schneidend, und ich fror. Zwar trug ich eine dicke Jacke über meinem Kleid, wünschte mir aber trotzdem, ich hätte mich dicker eingepackt. Brrrr. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich nur zu gern von November bis April Winterschlaf gehalten.

Sobald ich meine Wohnung betreten hatte, erzählte mir meine Nachbarin Natasha kurz, wie der Abend verlaufen war, bevor sie in ihr eigenes Apartment zurückkehrte. Sie war eine Freundin aus meinem Spinning-Kurs. Sie war diejenige gewesen, die mir von der freien Wohnung erzählt hatte. Als alleinstehende Frau, die Kinder liebte, war sie die perfekte Babysitterin für Gelegenheiten, wenn ich jemanden brauchte, der auf meine Tochter aufpasste.

Avery schlief bereits, also hatte ich den Rest des Abends für mich. Natürlich konnte ich nicht aufhören, an Ryker zu denken. Schon allein bei dem Gedanken an das Funkeln in seinen Augen, als er mich nach meiner Nummer gefragt hatte – als gäbe er damit ein heimliches Versprechen ab –, sorgte dafür, dass mir ein angenehmer Schauer über den Rücken lief. Und es war definitiv ein sündhaftes Versprechen gewesen. Nein. Daran durfte ich gar nicht denken. Und ich sollte ihn am Montag wiedersehen? Das war gefährlich … auf eine heiße, knisternde Art.

Ehe ich ins Bett ging, sah ich noch die Post durch, die heute gekommen war. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich einen Umschlag von meinem Vermieter entdeckte. Mit zitternden Händen öffnete ich ihn.

Bitte, lass das nicht sein, was ich denke. Bitte, bitte, bitte.

Aber es entpuppte sich als genau das, was ich befürchtet hatte. Mein Vermieter bat um einen Nachweis, dass ich mir die Wohnung auch allein leisten konnte.

Der Mietvertrag lief auf Gerald und mich. Ich hatte Gerald gestern eine Nachricht geschrieben, um ihn zu bitten, den Vermieter noch nicht zu kontaktieren, bis ich eine Lösung für das Problem gefunden hatte. Aber er hatte natürlich das genaue Gegenteil getan.

Ich zerknüllte das Schreiben in der Hand, dann ließ ich meine Wut so richtig daran aus, indem ich das Papier in lauter winzige Fetzen riss. Dieser Mistkerl!

Ein neues Apartment in der Größe zu finden, wie ich es mir wünschte, dürfte schwierig werden. Die meisten Vermieter fanden es zu riskant, größere Wohnungen an Haushalte mit nur einem Einkommen zu vermieten. Was, wenn diese Person ihren Job verlor?

Als Reporterin für eine landesweite Zeitung verdiente ich gut. Das Problem lag darin, dass die Hälfte meiner Besoldung in Form eines Bonus am Ende des Jahres ausgezahlt wurde … sodass das tatsächliche monatliche Einkommen einem Vermieter nicht im Mindesten attraktiv erschien. Das andere Problem lag darin, dass die Mietkosten in New York horrend waren.

Bei dem Gedanken, erneut auf Wohnungssuche gehen zu müssen, schnürte mir Panik die Kehle zu. Mit einem Seufzen ließ ich mich auf die Couch sinken.

Das war ein Rückschlag, natürlich, aber ich brauchte einfach nur einen Moment, um mich zu sammeln. Nur eine Minute, dann würde ich mich aufrappeln und allen beweisen, dass ich mich nicht unterkriegen ließ – wie üblich. Ich schloss die Augen und ließ den Kopf gegen die Lehne sinken. Und sofort sah ich Ryker vor meinem geistigen Auge.

Nein, supersexy Gitarrenspieler. Du darfst meine Gedanken nicht kapern. Ich muss mich konzentrieren.

Bloß … das half nicht. Kein bisschen. Dieses sündhafte Lächeln und seine gefährliche Anziehungskraft hatten sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt. Jedes Mal, wenn er sich heute Abend zu mir gelehnt hatte, hatte er ausgesehen, als wolle er mich küssen.

Wieder überlief mich ein Schauer. Ich presste die Schenkel zusammen und versuchte, mich zusammenzureißen, bevor ich die Augen öffnete. Ja. Schon viel besser. Ich konnte nicht von Ryker träumen, wenn ich auf den Fernseher starrte. Dann räusperte ich mich und griff nach meinem Laptop. Ich konnte eine Lösung für diese Situation finden! Schließlich hatte ich so was auch schon früher geschafft. Meine Schwangerschaft war eine ziemliche Überraschung gewesen, genauso wie das vollkommene Desinteresse von Averys Vater … Aber ich hatte das alles durchgestanden, und das würde ich auch jetzt tun. Doch ich wollte nicht lügen: Ich träumte von einer Zukunft, in der ich finanziell abgesichert war. Mit achtundzwanzig hatte ich diesen Punkt noch nicht ganz erreicht … eines Tages würde das allerdings sicher der Fall sein.

Ich öffnete meinen Laptop und schickte gleich eine Mail an meine Redakteurin, Danielle, um ihr zehn mögliche Themen für Artikel vorzuschlagen. Mir wurden auch immer wieder Artikel zugewiesen, doch Eigeninitiative wurde stets gern gesehen. Am Ende der Nachricht erklärte ich meine aktuelle Situation und bat darum, wenigstens die Hälfte des Bonus gleich ausbezahlt zu bekommen. Die hohen Tiere hatten versprochen, dieses Jahr mein Grundeinkommen anzupassen, damit ich nicht mehr so sehr von dem Bonus abhängig war. Aber diesen Köder hielten sie mir jetzt schon eine ganze Weile vor die Nase.

Ich konnte noch nicht ins Bett gehen, weil der Brief mich zu sehr aufgeregt hatte. Mein Puls wollte sich einfach nicht beruhigen. Mein Vermieter verlangte einen Nachweis, dass ich in der Lage war, die Miete aufzubringen.

Ich konnte einfach nicht anders, als mir auszumalen, was passieren könnte … was würde geschehen, wenn meine Chefs meine Bitte ablehnten?

Einen zweiten Job anzunehmen, schien unmöglich … aber genauso wenig, die Wohnung mit jemandem zu teilen. Ich wollte keinen Fremden in der Nähe meiner Tochter. Und eine weitere Tätigkeit würde bedeuten, dass ich noch weniger Zeit für Avery hatte.

Tränen traten mir in die Augen. Wieso konnte nicht einfach mal etwas glattgehen, nur ein einziges Mal? Ich träumte von einem entspannteren Leben … vielleicht sogar von einer Zukunft mit irgendwem. Doch das waren bloß Wunschträume. Im Moment musste ich einfach eine Lösung für das aktuelle Problem finden.

Was, wenn ich mir eine Teilzeitstelle am Abend suchte, wenn Avery schon schlief? Vielleicht konnte ich Natasha bitten, bei ihr zu bleiben, bis ich zurückkam?

Ein Job in einer Kneipe, vielleicht? Sofort dachte ich an das Northern Light. Ich hatte bis vor drei Jahren als Barkeeperin gearbeitet – bis ich bei der Zeitung befördert worden war. Das wäre eine Möglichkeit. Ein zweiter Arbeitsvertrag würde jeden Vermieter davon überzeugen, dass ich zahlungsfähig war. Ich klammerte mich an jeden Strohhalm, doch ich musste jede Möglichkeit abwägen.

Tief durchatmen, Heather. Vielleicht würde es nicht so weit kommen. Aber ich war dort, wo ich jetzt war, nicht hingekommen, indem ich einfach abgewartet hatte. Ich war dem Leben gern einen Schritt voraus, überlegte mir einen Plan B. Also schnappte ich mir mein Handy, um die Geschäftsführerin von Northern Lights anzurufen. Ich hatte die Nummer gespeichert, als ich angerufen hatte, um zu fragen, wann Ryker das nächste Mal auftreten würde.

Als ich das Display entsperrte, entdeckte ich eine Nachricht.

Ryker: Ich hatte heute Abend viel Spaß. Kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen.

Ein angenehmer Schauer lief mir über den Rücken, dann wurde mir heiß. Ich hielt den Atem an, die Daumen über dem Display. Wäre es falsch, mir einen kleinen Flirt zu gönnen?

Heather: Wer ist da?

Ryker: Autsch. Hattest du noch ein Date?

Ich grinste. Ich sollte ihn eigentlich bitten, mir die Adresse des Gitarrenladens zu schicken – schließlich war das der Grund, wieso ich ihm überhaupt meine Nummer gegeben hatte –, doch stattdessen tippte ich etwas ganz anderes.

Heather: Ich wusste gar nicht, dass das ein Date war.

Ryker: Du hast recht. Ein Date endet mit einem Kuss. Einem leidenschaftlichen, der dafür sorgt, dass du dich nach mehr sehnst.

Großer Gott! Ich konnte quasi seine Lippen auf meinen spüren. Ich stand in Flammen. Ich brannte. Meine Haut kribbelte, und meine Brustwarzen richteten sich auf, bis selbst die Berührung meines BHs mich fast in den Wahnsinn trieb. Das geriet vollkommen außer Kontrolle … und ich hatte keine Ahnung, was ich antworten sollte.

Bevor ich wusste, wie mir geschah, leuchtete Rykers Name auf dem Bildschirm auf. Er rief an. Ich dachte ernsthaft darüber nach, nicht abzuheben. Der Klang seiner Stimme würde rein gar nichts besser machen. Aber es wäre unhöflich, den Anruf zu ignorieren. Außerdem … wollte ich seine Stimme hören. Und es war ja nur ein Telefonat.

Sobald ich abgehoben hatte, wusste ich, dass ich in Schwierigkeiten steckte.

»Hi, Heather.«

»Hallo, Fremder«, zog ich ihn auf. Keine Ahnung, wieso ich dieses Spielchen weiterführte. Na ja, auf jeden Fall machte es Spaß.

»Offensichtlich muss ich dich an unseren Abend erinnern. Lass mich mal nachdenken. Du hast mich unter dem Vorwand besucht, dass du dich für neulich Abend entschuldigen willst.«

Mir blieb der Mund offen stehen. »Das war kein Vorwand. Ich wollte mich wirklich entschuldigen.«

»Außerdem hast du das als Ausrede gesagt, um dich von mir auf einen Drink einladen zu lassen«, sprach er weiter, als hätte ich gar nichts gesagt.

»Noch mal: Das war keine Ausrede.« Ich grinste breit. Und sein Tonfall ließ vermuten, dass für ihn dasselbe galt.

»Also hatten mein gutes Aussehen und mein Talent überhaupt nichts damit zu tun?«

Doch, hatten sie wohl, aber das konnte ich kaum zugeben, ohne mir selbst ein Bein zu stellen. Natürlich hätte ich jedem angeboten, für die Reparatur aufzukommen … aber die Einladung auf einen Drink? Als ich nicht antwortete, machte Ryker einfach weiter.

»Wir haben zusammen etwas getrunken. Dann musstest du gehen, und ich habe versucht, dich zum Bleiben zu überreden. Ich hätte dich beinahe überzeugt …«

»Hast du nicht.«

»Ach nein?«

Ähm … was sollte ich sagen? Er hatte mich durchschaut.

»Also jetzt klingelt etwas bei mir … auch wenn deine Interpretation der Geschehnisse etwas fantasievoll ist, Ryker.«

Mir war vollkommen bewusst, dass ich jedes Mal, wenn er ins Schwarze getroffen hatte, einer Antwort ausgewichen war.

»Fantasievoll?«, fragte er.

»Sehr sogar«, betonte ich. »Bist du noch im Northern Lights?«

Ich fragte mich, ob er wohl auf eine andere Frau im Publikum aufmerksam geworden war … ob er die Bar allein verlassen würde. Was in aller Welt sollte das? Es ging mich überhaupt nichts an, ob er mit einer Frau zusammen war. Nur … dass ich wirklich hoffte, dass dem nicht so war.

»Nein, ich bin schon zu Hause. Es war nur ein kurzes Set, und ich bin direkt danach gegangen. Ich muss morgen früh raus.«

»Oh. Ich dachte, du schläfst aus, wenn du schon abends arbeitest.«

»Ich spiele bloß in der Bar Gitarre, weil es mir Spaß macht. Mein richtiger Job verlangt unglücklicherweise, dass ich früh aufstehe.«

»Womit beschäftigst du dich denn dann tagsüber?«

»Venture Capital.«

»Du arbeitest im Finanzwesen?«

»Genau.«

Ich musste an seine Lederjacke denken. Und ich hatte mir auch seine Jeans ziemlich genau angesehen. Sein gesamtes Outfit hatte unangepasst gewirkt, hatte ihm ein Bad-Boy-Image verliehen.

Ich stieß einen Pfiff aus. »Ich bin voll drauf reingefallen. Hatte dich durch und durch für einen Künstler gehalten. Auf jeden Fall stehen dir Lederjacke und abgenutzte Jeans ziemlich gut.«

Sein Lachen war so unerwartet, dass ich nicht anders konnte, als mitzulachen. »Ich versichere dir, dass ich im Anzug genauso gut aussehe.«

»Du bist ziemlich von dir selbst überzeugt, hm?«

»Könnte man so sagen. Aber ich habe angerufen, um dich zu fragen, ob du dir nächste Woche noch einen Auftritt anschauen willst. Ich wollte dich mit Musik, Drinks und ein paar anderen Dingen hierherlocken, die ich jetzt lieber nicht erwähne, weil du mich sonst wieder fantasievoll nennst.«

Irgendetwas an seinen letzten Worten sorgte dafür, dass meine Haut erneut kribbelte. Allerdings konnte ich seine Einladung nicht annehmen, weil es bedeutet hätte, schon wieder einen Abend mit Avery dafür zu opfern. Ich wollte zustimmen, wusste aber genau, dass ich das nicht tun sollte. Natürlich wollte ich die Geschäftsführerin nach einem Job fragen, doch das konnte ich genauso gut per Telefon erledigen.

»Lass uns am Montag darüber reden.« Anscheinend brachte ich es einfach nicht über mich, direkt Nein zu sagen.

»Das ist Musik in meinen Ohren.«

»Und wieso?«

»Weil ich im persönlichen Kontakt sogar noch … fantasievoller bin.«

~

Als ich am Montag zu der Adresse ging, die Ryker mir geschickt hatte, war ich ziemlich überdreht. Eigentlich gab es dafür gar keinen richtigen Grund, weil vieles nicht so lief, wie ich mir das vorstellte, doch ich nahm mir fest vor, mich nicht unterkriegen zu lassen und positiv zu denken.

Meine Redakteurin hatte mir mitgeteilt, dass meine Chancen, den Bonus früher ausgezahlt zu bekommen, eher schlecht standen. Aber wenn ich eine richtig gute Story lieferte und die Bosse damit begeisterte, wäre es vielleicht trotzdem möglich. Die zehn Vorschläge, die ich gemacht hatte, waren nicht das, wonach sie Ausschau hielten, also musste ich wohl noch mal nachdenken.

Nur für den Fall, dass mir keine passende Story unterkam, war ich auch Plan B angegangen. Unglücklicherweise hatte die Geschäftsführerin des Northern Lights mir erklärt, dass sie momentan niemanden brauchten. Natürlich hätte ich mich nach anderen Kellnerinnenjobs umsehen können … doch ich hatte beschlossen, dass ich fürs Erste meine Zeit am besten darauf verwendete, eine gute Story zu finden.

Ich trat an der Ecke 57th Street und Seventh Avenue aus der U-Bahn. Die zweite Märzwoche war bereits ein gutes Stück wärmer als die erste. Irgendwie roch die Luft frisch, als bereite sich die Stadt darauf vor, von Grau zu Grün zu wechseln – trotz der Auspuffgase und dem Müll auf den Gehwegen. Die anderen New Yorker schienen meine Meinung zu teilen, weil ich mehr Jogger als üblich am Eingang zum Central Park bemerkte. Ich persönlich ging ja lieber ins Fitnessstudio, wo ich vor Wetterkapriolen geschützt war.

Als ich den Gitarrenladen betrat, redete ich mir ein, meine gute Laune hätte nicht das Geringste damit zu tun, dass ich Ryker wiedersehen würde. Nur dass mein Herzschlag sich sofort beschleunigte, als ich ihn am anderen Ende des Raums entdeckte, wo er sich mit dem grünhaarigen Kerl hinter dem Tresen unterhielt. Als unsere Blicke sich trafen, stockte mir der Atem. Meine Haut fing an zu kribbeln, denn er sah mich mit einer solchen Intensität an.

Er lächelte mich an, dann wackelte er anzüglich mit den Augenbrauen. Lachend ging ich zu ihm.

»Wie viel kostet die Reparatur?«, fragte ich.

»Gar nichts«, antwortete Ryker.

Ich sah den grünhaarigen Verkäufer an. »Er hat bereits gezahlt, oder?«

»Hat er.«

Ich stemmte die Hände in die Hüften und warf Ryker einen missbilligenden Blick zu. »Was soll ich nur mit dir machen?«

»Mich anschreien?«

»Dann lasse ich euch mal machen. Ich packe währenddessen die Gitarre ein. Ich bin übrigens Arlo.«

Arlo verschwand durch einen Vorhang, sodass ich allein mit Ryker zurückblieb.

»Ich bin extra ein bisschen früher gekommen, weil ich schon mit so was gerechnet hatte.«

»Deswegen bin ich noch früher aufgetaucht.« Er grinste. Ich musterte ihn und stellte fest, dass er direkt aus der Arbeit gekommen sein musste. Er trug einen schicken schwarzen Wollmantel, unter dessen Saum eine Anzughose hervorschaute.

»Hey, Rose hat mir erzählt, dass du nach einem Job in der Bar gefragt hast«, meinte er.

Ich nickte. »Mein Vermieter will einen Nachweis, dass ich die Wohnung auch allein bezahlen kann. Mein Grundgehalt ist ziemlich niedrig, weil der Großteil meines Verdiensts von einem Bonus stammt. Aber meine Tochter sollte ein eigenes Zimmer haben.«

Oh … ich hatte Ryker bisher noch gar nichts von Avery erzählt. Ich hatte sie nicht verheimlichen wollen … ich hatte mich einfach so in unserer Flirterei verloren, dass ich ganz vergessen hatte, sie zu erwähnen.

»Du hast ein Kind?«, fragte Ryker.

Ich nickte. Gleichzeitig verkrampfte sich mein Magen. »Eine Tochter. Avery. Sie ist sieben.«

»Und dieser Idiot ist ihr Vater?«

»Nein. Ihr Vater war ein noch größerer Idiot. Aber Gerald sollte eigentlich mit uns zusammenziehen, und der Mietvertrag lief auf uns beide. Auf jeden Fall hatte ich ihn gebeten, dem Vermieter noch nichts von seinem Sinneswandel zu erzählen, damit ich noch etwas organisieren kann. Stattdessen hatte er nichts Eiligeres zu tun, als die Katze aus dem Sack zu lassen.«

Ende der Leseprobe