Conni & Co 2: Conni & Co 2 - Das Buch zum Film (ohne Filmfotos) - Vanessa Walder - E-Book

Conni & Co 2: Conni & Co 2 - Das Buch zum Film (ohne Filmfotos) E-Book

Vanessa Walder

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Beschreibung

Conni und ihre Freunde verbringen wie jedes Jahr ihre Sommerferien auf der Kanincheninsel vor den Toren von Neustadt. Doch das Kinder-­ und Naturparadies ist in Gefahr. Conni nimmt den Kampf auf: Rettet die Kanincheninsel!

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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© 2017 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Nadine Jessler unter Verwendung des Conni-&-Co-Filmplakatmotivs mit freundlicher Genehmigung von Warner Bros. Entertainment GmbH 2017

Herstellung: Derya Yildirim

Satz und E-Book-Umsetzung: Dörleman Satz, Lemförde

ISBN 978-3-646-92983-6

Eine Sache hat Conni bei allen Sommerferien festgestellt: Es gibt immer mindestens zwei supermegaextrakrasscoole Tage … Den allerersten Ferientag, an dem sie viel zu früh wach wird, weil sie noch nicht wirklich kapiert hat, dass Ferien sind. Da will sie sich gerade mürrisch aus dem Bett kämpfen, den Wecker an die Wand werfen und unter die Dusche schlurfen, bis es ihr wieder einfällt:

Ich hab Feeeeerien!

Der zweite Tag ist irgendwo mittendrin. An dem Tag wird Conni morgens wach und hat die Schule komplett vergessen. Schule? Ach, ist das nicht dieses grottenhässliche Haus, wo Lehrer eingesperrt werden? Ab diesem Tag kommt es ihr vor, als würde der Sommer niemals enden. Dieser zweite Tag ist heute.

Er fängt nämlich schon damit an, dass Conni auf die beste aller möglichen Arten geweckt wird: sehr spät und von einer rauen Hundezunge, die ihre Füße ableckt. Sie blinzelt an ihre Zimmerdecke, an der Sonnenstrahlen tanzen. Es muss also schon ziemlich spät sein. Die Zunge leckt weiter hingebungsvoll an ihren Füßen. Sie gehört Frodo, der eigentlich bei Connis Oma wohnt, weil Connis kleiner Bruder eine Hundehaar-Allergie hat. Gestern hat Jakob aber bei einem Freund übernachtet und Frodo deshalb ausnahmsweise in Connis Zimmer. Dafür musste Conni ihrer Mama bloß versprechen am Nachmittag extra gründlich Staub zu saugen. Ein kleiner Preis, um Frodo die ganze Nacht und den ganzen Tag bei sich zu haben. Vor allem, weil Conni vorhat diesen Tag mit ihren Freunden am Wasser zu verbringen.

Kaum dass sie ihr Müsli verdrückt hat und Frodo seine Chief-Hundemahlzeit, sind sie auch schon aus der Tür und liefern sich ein Wettrennen durch die Stadt bis zum Neustädter See. Als sie am Steg ankommen, keuchen beide. Frodo wedelt mit dem Schwanz und blickt abwechselnd Conni an und auf den See hinaus. »Los, jetzt mach mal endlich voran!«, heißt dieser Blick. Frodo freut sich genauso wie Conni auf die kurze Bootsfahrt und den langen Tag am Wasser …

Sie fahren auf die Kanincheninsel!

Conni streckt die Hand nach der alten Kuhglocke aus, die am Steg hängt, und bimmelt laut. Endlich! Frodo dreht sich aufgeregt im Kreis, wickelt sich dabei die Leine um die kurzen Beinchen und bellt, um die Kuhglocke zu unterstützen. Dabei trägt ihr Läuten mühelos über den ganzen Neustädter See und hinüber zu der kleinen Insel, die mittendrin liegt. Conni wirft einen Blick durch das Fernglas am Steg und sieht, wie an der Insel-Station gegenüber die Haselfähre ablegt.

Der Kapitän steuert das alte Holzboot geschickt zum Festland. Heute ist Conni spät dran – sie ist die Einzige an der Fährstation. Auf der Insel warten längst Anna, Billi und Paul auf sie. Wahrscheinlich hätte Conni schon tausend Nachrichten von den dreien, wenn es auf der Kanincheninsel Handy- und Internetempfang geben würde. Gibt es aber nicht, oder fast nicht. Nur an manchen Stellen – und für die muss man mit dem Handy im Wasser herumwaten.

Es kann gut sein, dass die Erwachsenen auch deshalb nie etwas dagegen haben, wenn die Neustädter Kinder jede freie Sommerminute auf der Insel verbringen. Connis Oma sagt, das war schon immer so, schon, als sie selbst noch ein Kind war. An jedem Sommermorgen hat sich Oma Marianne ihr Handtuch geschnappt und ist zur Fährstation gelaufen. Okay, damals war sie noch keine Oma, sondern bloß die kleine Marianne. Die Fähre hieß damals aber schon Haselfähre und die Insel hieß immer Kanincheninsel. Und wer sich traute, vom Springturm auf der Badeplattform in den See zu hüpfen, der durfte seinen Namen in ein kleines Holzbrettchen ritzen und es an den Marterpfahl nageln. Conni hat den Namen ihrer Oma auf dem Pfahl entdeckt. Und Annette und Jürgen, die Namen ihrer Eltern. Sogar die Kuhglocke, mit der man die Fähre rufen kann, und das Fernglas mit Blick zur Insel gab es damals schon. Nur hat Oma Marianne die Überfahrt mit der Fähre nicht in Euro bezahlt, sondern in Pfennig.

Conni wühlt in ihrer Tasche nach dem Ticket, als ihr einfällt, dass sie womöglich etwas Wichtiges verpasst: Hoffentlich ist nicht ausgerechnet heute der Tag, an dem Billi sich zum ersten Mal traut vom Sprungturm zu hüpfen! Die anderen haben das alle längst gemacht, aber die sind auch mindestens ein Jahr älter als Billi und einen Kopf größer als sie. Das stimmt allerdings nur äußerlich, denn was in Billis Kopf drinsteckt, das ist mehr als groß genug. Immerhin hat sie schon eine Klasse übersprungen und trotzdem nur Einsen im Zeugnis. Manchmal hat Conni sogar den Verdacht, dass Sibylla Verdi noch eine weitere Klasse überspringen könnte, wenn sie bloß wollte. Conni möchte gar nicht daran denken, dass Billi nächstes Schuljahr nicht mehr neben ihr sitzen könnte, den Kopf über die Bücher gebeugt. Ihr Magen zieht sich zusammen. Ein Glück, dass Billi das genauso sieht.

Als Conni und Paul vor einem Jahr die Schule wechseln mussten, hätten die beiden nie gedacht, dass sie am Lessing-Gymnasium so gute Freunde finden würden. Und jetzt können sie sich kaum noch daran erinnern, dass sie mal nicht mit Billi, Anna, Yasin und Mark befreundet gewesen sind. Was gibt es Besseres, als mit seinen besten Freunden in dieselbe Klasse zu gehen? Sogar die Lehrerin Frau Lindmann hat sich als nett entpuppt und Connis Noten sind noch richtig gut geworden.

Eigentlich, denkt Conni, war es ein echt cooles Schuljahr, so alles in allem. Und die Ferien werden sogar noch besser, da ist sie ganz sicher. Obwohl ihre Eltern ihr eröffnet haben, dass sie dieses Jahr nicht verreisen können. Papas Firma hat gerade keine Aufträge. Conni stört das kein bisschen. Nicht, dass ihr Papa keine Aufträge hat – das tut ihr wahnsinnig leid, weil Conni sieht, dass ihr Papa deshalb irgendwie leise und klein ist in den letzten Wochen. Aber dass sie nicht wegfliegen in den Ferien, das stört sie nicht. Zum Glück sind nämlich nur Tim und Mojo mit ihren Eltern verreist. Alle anderen bleiben auch in Neustadt. Alles gut so weit. Alles. Bis auf –

»Conniiiiiiie!«

Mit dem Schrei trommeln auch schon laufende Füße über den Holzsteg. Frodo fängt an zu bellen und zerrt aufgeregt an seiner Leine. Er hat die Stimme genauso erkannt wie Conni. Allerdings freut sich Frodo deutlich mehr darüber. Es ist Jakob.

Mist, nur zwei Minuten später, und Conni wäre mit der Fähre auf dem Weg zur Insel gewesen. Nicht, dass sie ihren kleinen Bruder nicht lieb hat. Aber Conni ist zwölf Jahre alt – und Jakob ist erst sieben und spielt am liebsten mit Sachen, die Lärm machen. Wie mit seinem beknackten Plastik-Dinosaurier, der echte Saurierschreie ausstößt.

Seufzend dreht Conni sich zu ihm um, als Jakob auch schon bei ihr ankommt. Die blonden Locken sind zerzaust, der Gesichtsausdruck mürrisch. Natürlich hat er den Dino auch wieder dabei! Dabei hat der Tag so gut angefangen …

»Du sollst mich doch mitnehmen, hat der Papa gestern extra gesagt!«, schnauft Jakob beleidigt.

Die Fähre ist jetzt schon ganz nahe am Steg, gleich wird sie anlegen.

»Jakob, ich kann nicht schon wieder auf dich aufpassen! Anna, Billi und Paul warten auf mich. Ich bin nicht bloß dein Babysitter – ich hab ein Leben, okay?«

Jakob guckt stur aufs Wasser und verschränkt die Arme. »Du musst aber, weil, der Papa hat den Termin in der Stadt und die Mama ist den ganzen Tag in der Praxis.«

Conni kaut auf ihrer Unterlippe und überlegt. »Willst du nicht lieber zur Oma?«

»Nö. Was soll ich denn da?«

»Da kriegst du Eis – vor dem Essen. Mit Schokosoße. Alles, was Doktor Mama doof findet.«

»Nee, da muss ich bloß wieder den Stall ausmisten. Kein Bock!«

Die Fähre legt an. Ein letztes Mal versucht es Conni noch: »Ich geb dir zwei Euro, wenn du nach Hause gehst … fünf!« Damit könnte sie zwar kein Eis mehr kaufen und zu Mittag keine Pommes mit Ketchup, aber sie hätte den ganzen Tag allein auf der Insel mit ihren Freunden, ohne dauernd darauf aufzupassen, dass Jakob keinen Blödsinn macht.

Doch Connis kleiner Bruder klettert schon auf die Fähre. »Fünfzigtausend Achzilliarden«, verlangt er dickköpfig, weil ihm nicht einfällt, was noch mehr Geld sein könnte als eine Milliarde.

Conni sieht ein, dass sie Jakob nicht loswird. Heute Abend muss sie mal mit Mama und Papa darüber reden. Jetzt will sie sich davon nicht den Tag verderben lassen. Sie klettert mit Frodo auf das Holzboot, begrüßt den Kapitän und stellt sich ganz nach vorn in den Bug, wo ihr der Wind um die Nase weht, als sie losfahren. Dabei stößt sie sich das Knie an einem der beiden roten Feuerlöscher. Die sind bestimmt nicht ohne Grund auf dem uralten Holzboot, aber das ist schon der dritte blaue Fleck, den Conni ihnen verdankt. Mal ehrlich – wie groß ist die Gefahr, dass ein Boot im Wasser abbrennt?

»Gruuuarrrh!«, kommt ein Brüllen aus dem hinteren Teil des Bootes. Jakobs dämlicher Dino. Frodo beäugt das Plastikspielzeug misstrauisch, bellt aber nicht mal. Offenbar hält er den Saurier nicht für groß genug, um eine Gefahr darzustellen. Conni grinst.

Der letzte Rest von Grummeligkeit verfliegt, sobald sie am Ufer der Kanincheninsel die Sandburgen erkennen kann. Inzwischen sind es so viele, dass es aussieht wie eine richtige Stadt, die umgeben ist von riesigen Bäumen. Oder wie eine winzige Zwergenstadt umgeben von normal großen Bäumen.

Möwen kreisen über dem Wasser und stoßen ihre spitzen Schreie aus. Auf dem Schild an der Fährstation sitzt ein großer Graureiher, der den Kopf dreht und der Fähre entgegenblickt. Als sie anlegt, hebt er vom Steg ab und fliegt elegant davon.

Jakob und Frodo springen aus dem Boot und landen sehr viel weniger elegant auf dem Steg.

»Immer langsam!«, ruft der Kapitän. »Läuft euch nicht weg, die Insel.«

Conni klettert auf den Steg und bedankt sich für die Überfahrt. Der Kapitän lächelt und blinzelt in die Sonne, die vom wolkenlos blauen Himmel strahlt. Das Wasser rund um die Insel funkelt, als wären haufenweise Diamanten im See versunken.

»Wie im Paradies, oder?«, sagt er und zwinkert Conni und Jakob zu. »Viel Spaß, ihr drei! Letzte Rückfahrt ist neunzehn Uhr, klar? Wer zu spät kommt –«

»– schwimmt mit den Fischen zurück oder schläft auf der Insel bei den Kaninchen!«, ergänzen Conni und Jakob im Chor. Das sagt der Kapitän jeden Tag nach jeder Fahrt zur Insel.

Frodo läuft als Erster los. Jakob ist ihm dicht auf den Fersen. Conni hat es nicht ganz so eilig. Sie weiß, dass die anderen nicht übermäßig glücklich sein werden ihren kleinen Bruder zu sehen. Gestern hat Jakob Erdbeereis auf Annas T-Shirt gekleckert und Pauls heiliges Manga-Heft geknickt.

Als Conni zur Inselspitze mit dem kleinen Sandstrand kommt, sieht sie Paul und Anna schon an einer Holzkiste sitzen und Karten spielen. Genau in dem Moment rast Jakob auf die zwei zu, springt über die Holzkiste – und wirft sie dabei um. Conni schlägt sich die Hand gegen die Stirn. Super! Das fängt ja bestens an.

Zur gleichen Zeit kommen Connis Eltern mit dem Auto vor einem Hochhauskomplex außerhalb der Stadt an. Beide sind nervös. Jürgen hat wochenlang an den Entwürfen für ein Hotel gearbeitet, das er gleich präsentieren muss. Manchmal sind Erwachsene vor Geschäftsterminen genauso nervös wie Schulkinder vor Prüfungen. Jürgen sitzt auf dem Beifahrersitz, hat einen brandneuen Anzug an und das Modell von seinem Hotel auf dem Schoß. Immer wieder wandert sein Blick über die Fensterfront, die Dachterrasse und den Park mit Springbrunnen und Bäumen. Ist es wirklich gut? Plötzlich kommt Jürgen das Ganze nämlich gar nicht mehr so großartig vor wie noch vor einer Woche.

Zwar haben ihm Annette, Conni und Jakob gesagt, dass sie sein Hotel toll finden – aber die eigene Familie ist nun mal leider nicht der Bauherr. Was, wenn der es ganz doof findet? Oder wenn er es nur nett findet und ein anderes Modell viel besser?

Jürgens Firma »Assheuer & Wiese« hat es dieses Jahr nicht leicht gehabt. Für alle möglichen Projekte hat sich das Ingenieursbüro beworben – und kein einziges bekommen. Die Aufträge gingen jedes Mal an größere Firmen in größeren Städten. Aber dieses Projekt soll tatsächlich in der Nähe von Neustadt gebaut werden.

»Sie haben Ihr Ziel erreicht«, sagt die Frauenstimme im Navi. »Ihr Ziel liegt einhundert Meter voraus.«

Annette folgt dem Weg und bremst dann mit einem Ruck vor einem Bürogebäude ab. Das war keine Absicht. Bei Annettes Auto muss man viel kräftiger auf die Bremse treten. Bei dem Ruck klappt die Sonnenblende auf der Beifahrerseite runter und ein paar Matchbox­autos fallen heraus. Sie landen genau auf Jürgens Hotelmodell.

Jürgen sammelt die Autos ein und stopft sie in die Tasche.

»Jakob!«, seufzt er. »Wo der überall seine Spielsachen verteilt.«

Normalerweise ist Jürgen das egal. Aber jetzt ist er nervös und da ist ihm gar nichts egal. Annette weiß das und lächelt ihn aufmunternd an.

»Mach dir keine Sorgen, Schatz! Dein Hotel ist super. Die Ausschreibung gewinnst du mit links.«

Annette hilft ihm beim Aussteigen mit dem riesigen Modell und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Jürgen ist in Gedanken längst bei seiner Präsentation. Auf dem Weg zum Eingang murmelt er schon die Einleitung vor sich hin.

Eine Drehtür führt in die Lobby. Ganz kurz hat Jürgen ein Bild vor Augen: dass sein Modell durch die Drehtür zerquetscht wird wie ein Kartenhaus unter einem Elefantenhintern.

Erleichtert atmet er auf, als er endlich in der Lobby steht und sein Modell heil ist. Die Erleichterung dauert genau fünf Sekunden. Dann fällt ihm auf, wie viele Männer und Frauen in Anzügen und Kostümen in der Lobby warten, jeder mit einem Modell auf dem Schoß. Die Präsentationen werden Stunden dauern! Die anderen Bewerber haben ihre Modelle mit Tüchern zugedeckt, aber eins kann Jürgen trotzdem erkennen: die Hotels der anderen sind viel größer als seines. Super, denkt er, das fängt ja bestens an.

»Hallo, Paul! Hallo, Anna!«, ruft Jakob im Vorbeilaufen. Dass er die Kiste umgeworfen hat, merkt er gar nicht. Er lässt sich auf den Boden fallen und nimmt den Rucksack ab. Wetten, da sind noch mehr Saurier drin?

Conni hat ja damit gerechnet, dass Paul sich beschweren würde – aber dass sogar Anna ihr jetzt einen genervten Blick zuwirft! Dabei hat Jakob diesmal nur die Holzkiste mit den Spielkarten umgeworfen. Er hat niemanden mit Eis oder Limonade bekleckert, mitsamt Klamotten vom Steg geschubst oder Pauls kostbare Mangas zertrampelt.

»Ist das dein Ernst?«, fragt Paul Conni zur Begrüßung. »Sind wir jetzt ein Kindergarten, oder was?«

Anna sagt nichts und auch das fällt Conni auf. Normalerweise verteidigt Anna Conni. Immer. Jetzt sammelt sie auffallend leise die Spielkarten auf. Sie hebt noch nicht mal kurz den Kopf mit den braunen Zöpfen, um über Paul die Augen zu verdrehen.

»Jetzt entspann dich mal, Paul! Was soll ich denn machen?«, seufzt Conni. Sie setzt sich unter das Sonnendach und stellt ihre Strandtasche ab. »Er ist halt mein kleiner Bruder und meine Eltern arbeiten und haben heute keine Zeit.«

Paul grummelt irgendwas Unverständliches und stellt die Holzkiste wieder unter dem Sonnensegel auf. Die Kinder von Neustadt haben den Strand der Kanincheninsel ganz nach ihrem Geschmack eingerichtet. An den Bäumen hängen bunte Stoffwimpel und Fähnchen, an größeren Ästen Seile mit Schaukeln. Dort, wo zwei riesige Bäume sich einen Wurzelballen teilen, haben sie alte Holzpaletten als Fußboden angenagelt und ein Stoffdach darübergespannt. Da liegen sogar Kissen, die man am Abend im Holzboot verstauen muss, damit sie nicht nass werden und schimmeln. Den Platz im Baumhaus bekommen immer die Kinder, die morgens mit der ersten Fähre auf die Insel fahren und am schnellsten an der Badestelle sind. Also fast immer Paul oder Mark. Freihalten für Freunde gilt. Mit Handtüchern reservieren, obwohl man sich selbst nicht im Baumhaus aufhält, gilt nicht.

Im Holzboot sitzen fast immer Oberstufenschüler und knutschen. Früher, das weiß Conni von ihrer Oma, gab es auf der Kanincheninsel mehrere Holzboote, die man sich ausleihen konnte, um damit auf dem Neu­städter See herumzurudern. Das war angeblich sehr romantisch. Conni musste schon mal rudern und fand das kein bisschen romantisch. Jedenfalls gibt’s heute bloß noch am Festland einen Bootsverleih und die alten Ruderboote sind längst verschwunden. Bis auf ein letztes, das halb schief am Ufer der Badestelle liegt und übersät ist mit eingeritzten Buchstaben und Plus-Zeichen: A+T, L+G, N+P … Mit Mathegleichungen hat das nichts zu tun. Hinter all den Buchstaben stecken längst vergessene Sommerlieben. Conni hat ihre Oma mal gefragt, ob eines der Ms für Marianne steht. Ihre Oma hat gelacht und gefragt: »Bloß eines?«

Connis Name steht nur auf der Piratenfahne, die über dem Sprungturm im Wind flattert. Zusammen mit den Namen ihrer Freunde: Paul, Anna, Billi, Mark und Yasin. Im Frühling haben sie nämlich zusammen das Holz der Badeplattform und des Springturms mit neuem Lack angepinselt. Und damit jeder weiß, wem sie es zu verdanken haben, dass der Turm nicht morsch wird und unter ihnen zusammenkracht, hängt die Fahne jetzt den ganzen Sommer dort.

Conni blinzelt: Ist das Billi, die gerade dort auf der Spitze des Sprungturms steht?

Anna bemerkt Connis Blick und lächelt.

»Billi traut sich endlich zu springen«, erklärt sie. »Es hat nur eine Weile gedauert, bis sie oben war … ihre Höhenangst, weißt du ja.«

Paul ist immer noch eingeschnappt.

»Hochgeklettert ist sie schon öfters«, sagt er. »Das heißt noch gar nichts.«

Conni runzelt die Stirn. »Sei nicht so gemein, Paul! Nur weil du sauer bist, dass ich Jakob mitgebracht hab. Dafür kann Billi nichts.«

Paul rückt seine Baseballkappe zurecht. »Das ist nicht gemein, sondern bloß eine Tatsache.«

Conni kümmert sich nicht weiter um ihn. Sie legt beide Hände um den Mund und ruft: »Super, Billi! Du schaffst es!«

Anna stimmt sofort mit ein: »Los, Billi! Nur noch ein Schritt! Komm schon!«

Paul sagt nichts. Er nimmt Anna die Spielkarten ab und fängt an sie zu mischen.

Was ist dem heute bloß über die Leber gelaufen? Dabei hat er noch vor einer Woche angeboten mit Billi gemeinsam zu springen, ist mit ihr zusammen auf den Turm geklettert, hat ihr sogar die Hand gegeben, damit sie gemeinsam springen konnten … Bis Billi anfing zu kreischen, ihre Hand losriss und wieder runterkletterte.

»Los, Billi!«, ruft Conni noch mal.

Sie weiß nicht, ob Billi sie hören kann. Billi steht jetzt direkt am Rand der Plattform, andere Kinder neben ihr springen ins Wasser. Sie starrt auf den See unter ihr, als würde dort der Weiße Hai mit aufgerissenen Kiefern auf sie warten. Sie sieht ganz furchtbar klein aus da oben. Kommt Conni das nur so vor oder zittern Billis Knie?

Und dann macht Billi einen beherzten Schritt – zurück. Sie dreht sich um und klettert vom Turm. Paul schüttelt den Kopf.

»Siehst du?«, sagt er.

Conni merkt, dass sie die Luft angehalten hat, und atmet wieder ein. Billi hüpft von der Basis der Badeplattform ins Wasser und schwimmt mit schnellen Zügen zu ihren Freunden zurück. Da meldet sich Jakob zu Wort, der genauso gespannt zugesehen hat wie die anderen.

»Ich will springen!«, kräht er.

Jakob ist sieben. Und damit, findet Conni, ist er noch viel zu jung. Dass sie selbst kaum älter war, als sie das erste Mal gesprungen ist, übersieht sie dabei großzügig. Einer der wenigen Vorteile für Babysitter ist, dass man seinem kleinen Bruder vorschreiben kann, was der darf und was nicht.

»Nein!«, sagt Conni bestimmt. »Du bist zu klein.«

»Er ist fast so groß wie Billi«, sagt Paul leise, als Billi gerade am Ufer ankommt und zu ihnen läuft.

»Ich will aber!«, brüllt Jakob. »Warum darf ich nicht springen?«

Er steht am Ufer, seinen Dino in der Hand, die blonden Locken wild zerzaust und mit diesem Ausdruck im Gesicht, den er immer hat, wenn entweder ein Wut- oder ein Tränenausbruch anstehen.

»Weil du Schlaubi wolltest, dass ich auf dich aufpasse«, erklärt Conni. »Und ich sage: nein.«

Billi schnappt sich ihr Handtuch und wickelt es um die Schultern. Mit großen Augen blickt sie von Conni zu Jakob und zurück.

Jakob atmet schwer. »Ich will überhaupt nicht, dass du auf mich aufpasst«, ruft er und überschlägt sich dabei fast vor Empörung. »Das ist bloß, weil wir kein Geld haben fürs Fußballcamp. Und weil dem Papa seine Firma ein Punk-Rot hat.«

Das verschlägt Conni den Atem. Sie starrt Jakob sprachlos an. Natürlich ist ihr klar, dass Jakob keinen roten Punk meint. Das Wort, das er wohl irgendwo aufgeschnappt hat, heißt Bankrott. Und das würde bedeuten, dass die Firma Assheuer & Wiese kein Geld mehr hat, vielleicht sogar Schulden.

Conni fällt auf, dass Paul, Anna und Billi sie voller Mitgefühl ansehen.

»Er lügt …«, sagt sie, allerdings ohne rechte Überzeugung.

»Tu ich gar nicht!«, kreischt Jakob. »Ich war aufm Apfelbaum, als der Papa der Oma gesagt hat, dass seine Firma einen Punk-Rot hat und dass er vielleicht bald geknallt wird.«

Connis Magen zieht sich zusammen. Paul senkt den Blick. Billi hat Tränen in den Augen und Anna legt Conni eine Hand auf den Arm.

»Gefeuert, nicht geknallt«, verbessert Conni Jakob automatisch, aber das macht die Sache kein bisschen besser.

Jakob lässt seine Sachen einfach liegen und stapft in den Wald. Die anderen schweigen. Die Sonne scheint immer noch vom wolkenlosen Himmel, die Vögel singen weiterhin vergnügt, unter einem Busch mümmeln Hasenbabys ungestört am frischen Gras … Nur die Sommerlaune ist hinter dunklen Wolken verschwunden.

Conni kann die mitleidigen Blicke der anderen nicht länger ertragen. Sie geht zum Ufer, kniet sich hin und sammelt Jakobs Spielzeug ein. Auf einmal sind da sechs Hände mehr. Wortlos helfen ihre Freunde Conni. Paul packt Jakobs Dino in den Rucksack, Anna sammelt Jakobs Schuhe ein und Billi schnappt sich sein Handtuch. Conni blickt auf und Paul an. Er streckt ihr die Hand entgegen und lächelt. Keine Spur mehr von dem Muffel von eben. Conni nimmt seine Hand, lässt sich aufhelfen und setzt sich mit Paul ins Holzboot, während Billi und Anna sich vor ihnen in den Sand hocken. Billi räuspert sich.

»Das Restaurant von meinen Eltern läuft auch nicht gut«, sagt sie. »Das wissen alle. Ist halt nix los in Neustadt.«

Paul lehnt sich zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. »Darum kauft auch keiner Bücher bei meinen Eltern. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal im Buchladen war und da ein Kunde drin war.«

Anna spürt, dass sie an der Reihe ist. Sie nimmt eine Handvoll Sand und lässt ihn zwischen den Fingern durchrieseln. »Meine Mama sagt, über Geld redet sie nicht. Weil, dazu kennt sie’s einfach nicht gut genug.«

Conni lächelt leise. Natürlich freut es sie nicht, dass es den Eltern ihrer Freunde nicht viel besser geht als ihren eigenen. Aber manchmal, wenn ein Sturm aufzieht, tröstet es einen schon, mit anderen in einem Boot zu sitzen. Und wenn es nur ein altes, gestrandetes Holzboot ohne Ruder ist.

»Das ist auch der Grund dafür, dass keiner von uns mit seinen Eltern in Urlaub fährt«, stellt Billi fest.

»Zum Glück!«, ruft Paul sofort. »Es gibt eh keinen besseren Ort auf der Welt als hier.«

Conni lacht. »Stimmt. Karibik ist für Loser!«

»Ich mach auch lieber Urlaub auf der Kanincheninsel mit allen meinen Freunden«, sagt Anna.

»Äh … warum sind Mark und Yasin eigentlich nicht da?«, fragt Paul, dem gerade auffällt, dass er heute der einzige Junge ist, abgesehen von Jakob.

»Die haben heute das Interview mit dem Bürgermeister«, sagt Conni, die sich schon wieder viel besser fühlt.

Sie merkt erst, dass die Stimmung wieder umgeschlagen ist, als es plötzlich ganz leise ist. Paul starrt Conni von der Seite an und Anna und Billi sehen Paul an. Offenbar passt ihm schon wieder irgendwas nicht.

»Was denn?«, fragt Conni.

»Woher weißt du das denn?«, zischt Paul.

Conni runzelt die Stirn. Warum soll sie denn nichts von dem Interview wissen? Immerhin hat sie Mark das Praktikum in der einzigen Redaktion des Regionalfernsehsenders besorgt. Frau Nordman, die Journalistin dort, war mal eine Schülerin von Connis Oma … und Mark hat um das Praktikum gebettelt wie Frodo um einen Knochen.

»Äh … Mark hat’s mir erzählt«, sagt Conni. »Wieso? Gibt’s ein Problem?«

Paul starrt sie immer noch an und überlegt, was er sagen soll. Dann stößt er ein »Pffft« aus. Was auch immer das heißen soll. Conni sieht Anna fragend an, aber die grinst nur vor sich hin. Billi zuckt die Schultern.

Irgendwo zwischen den Bäumen fängt Frodo an sehr aufgeregt zu bellen. Das kommt Conni gerade recht. Sie steht auf und läuft, um nachzusehen, was er hat. Bei Hunden findet man so was immer viel leichter heraus als bei Jungs.