Crasher - Tom Hillenbrand - E-Book

Crasher E-Book

Tom Hillenbrand

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Beschreibung

Illegal, aber Balsam für jedes Männerherz! Amerika 2088: Coupe de Ville lebt mit seiner Frau in der Nähe von Chicago. Jeden Tag kutschiert ihn sein vollautomatisches Auto ins Büro. Selbst zu fahren ist seit Langem streng verboten – zu gefährlich. Im Netz hört Coupe von den Crashern, verwegenen PS-Freaks. Sie treffen sich im Verborgenen und pflegen die fast vergessene Kunst des Selbstfahrens. Coupe beschließt, alles auf eine Karte zu setzen und sich auf die Suche nach diesen Autorebellen zu machen. Denn in ihm gibt es diese tiefe Sehnsucht ... Tom Hillenbrands erzählt ironisch und temporeich von einer Welt, in der alles überwacht wird, aber nichts so ist, wie es scheint. Seine Road Novella ist eine tollkühne Fahrt in eine nicht allzu ferne Zukunft.

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Seitenzahl: 61

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Tom Hillenbrand

Crasher

Eine Hologrammatica-Geschichte

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Tom Hillenbrand

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Motto

Crasher

Inhaltsverzeichnis

The hand brake

Penetrates your thigh.

Quick, let’s make love

Before you die.

The Normal, »Warm Leatherette«

Inhaltsverzeichnis

Coupe rieb sich die nackten Unterarme. Obwohl draußen über zwanzig Grad waren, fröstelte ihn. Er ging zwischen den Rosenrabatten hindurch, zu dem kleinen Pavillon. Darin saß seine Frau und brütete über einer Miniaturansicht der Gartenanlage. Ihre Finger huschten über das holographische Diorama, verwandelten Gladiolen in Gerberas, Anemonen in Astern. Tulip konnte stundenlang herumsitzen und ihren Garten umgestalten. Nie wurde ihr das langweilig.

Coupe ging schon vor Langeweile ein, musste er nur fünf Minuten in diesem Hologarten verbringen. Einen Moment verharrte er in der Tür des Pavillons, darauf wartend, dass sie seine Anwesenheit zur Kenntnis nahm. Aber Tulip war mit dem vertrackten Problem beschäftigt, Dahlien in einem Beet dergestalt anzuordnen, dass die verschiedenfarbigen Blumen von oben betrachtet wie ein aufflatternder Vogel aussahen. Coupe musste sich räuspern, damit sie zu ihm herübersah oder vielleicht auch durch ihn hindurch.

»Ja?«, sagte sie.

»Ich gehe noch mal weg.«

»So spät noch?«

»Es ist erst halb acht.«

»Ich hab’s gern, wenn du im Haus bist abends.«

Ja klar, dachte Coupe. Rumsitzen soll ich hier, immer rumsitzen, so als wäre ich hundertzwanzig. Ich bin aber keine hundertzwanzig, und ich bin auch keins von deinen Blumengestecken oder gar so ein beschissener Bonsai, mit Drähten zurechtgebogen, wie es dir beliebt. Ich bin ein Mann, und Männer brauchen Auslauf. Sie brauchen …

»Nur kurz, Liebling«, sagte er.

»Und wohin?«

»Ein paarmal um den Block.«

Tulip nickte schweigend und wandte sich wieder ihren Blumen zu. Coupe trat neben sie und küsste sie sanft auf die Wange. Sie sagte nichts, aber er konnte das Erstaunen in ihrem Gesicht sehen. Coupe küsste seine Frau nur selten, aber heute musste er es tun. Wer wusste schon, ob er je zurückkehren würde? Die Sache konnte gefährlich werden, verdammt gefährlich.

Dieser Gedanke verlieh ihm Kraft und Elan. Breitbeiniger und forscher als zuvor schritt er durch die Beete und nahm Kurs auf die Garage. Der Garten war Tulips Refugium, die Garage das seine. In Wahrheit handelte es sich bei dem Kellerraum keineswegs um eine Garage. Er nannte sie lediglich so.

Die Garage beherbergte eine gut sortierte Bar sowie Coupes umfängliche Sammlung an PS-Paraphernalien. An den Wänden hingen Poster von Ayrton Senna, James Dean und Steve McQueen; eine karierte Zielflagge; mehrere alte Lenkräder; eine Luftaufnahme der Nordschleife. In Vitrinen drängten sich Automodelle – Elfer und Countachs, Continental Mark Vs und F40er. Auf einer Kleiderstange hingen Rennanzüge.

Coupe griff sich einen der Overalls und legte ihn über die Bartheke. Einer Kommode entnahm er ein Paar Handschuhe, eine Sturmhaube, weitere Schutzbekleidung. Als alles bereitlag, begann er sich umzuziehen. »Der professionelle Fahrer geht nie ohne professionelle Ausrüstung auf die Piste«, murmelte er. Diese Weisheit stammte nicht von ihm, sondern aus dem Castrol Racing Drivers’ Manual. Coupe hatte das Büchlein so gründlich studiert wie ein Rabbi den Talmud.

Er betrachtete sich in dem gesprungenen Spiegel von Goodyear Tires: Unterwäsche mit Kevlar-Beschichtung, ein feuerfester Formel-1-Anzug, dazu Stiefel, Handschuhe und der schwarze Helm mit den Rennflaggen-Aufklebern. Oft schon hatte Coupe so dagestanden und sich bewundert. Aber heute würde er es tun. Er war aufgeregt. Coupe konnte fühlen, wie sein halbsteifes Gemächt gegen seinen Bauch drückte. Vielleicht sollte er lieber auf das Suspensorium verzichten? Er entschied sich, es anzubehalten. Noch breitbeiniger als zuvor verließ Coupe die Werkstatt. Er war schon durch die Tür, machte aber noch einmal kehrt. Coupe ging zu der Wand, an der seine Heroen hingen und murmelte eine Entschuldigung. Dann entfernte er das über Steves Konterfei an die Tapete gepinnte Medaillon mit dem Heiligen Christophorus und hängte es sich um den Hals.

Sein Wagen stand vor dem Haus. Damit ihn die neugierige alte Mrs Bird nicht in diesem Aufzug sah, legte Coupe Holocamouflage über den Rennfahrerdress. Nun sah er wieder aus wie er selbst: Coupe de Ville, 43 Jahre, Verwaltungsangestellter bei Arkenziel Inc., Filiale Chicago-West, graue Stoffhose, graues T-Shirt, zunehmend graue Haare, noch graueres Leben.

Als er sich dem Wagen näherte, fuhr die Tür automatisch hoch. Coupe warf seine schwarze Sporttasche hinein, bevor er einstieg. Angewidert starrte er auf das leere Armaturenbrett. Kein Lenkrad, keine Pedale, kein Tachometer, Odometer, Irgendwasmeter. Jeden Tag ließ er sich von diesem marineblauen Toshiba Commuter zur Arbeit fahren. Er rollte durch sein Viertel, auf den Freeway, ins Arkenziel-Parkhaus, ohne einen Finger zu rühren, zur Untätigkeit verdammt. Das Modul fuhr schließlich von ganz allein. Die meisten Menschen waren der Meinung, dies sei wahnsinnig praktisch. Man hatte während der Fahrt Zeit, einen Film zu schauen, Mails zu lesen, sich gepflegt einen runterzuholen. Coupe tat nichts davon. Jeden Morgen und jeden Abend saß er in diesem Ding, diesem Rollstuhl, dieser Bentobox und zitterte vor Wut. Er wollte selbst fahren – das Lenkrad halten, über Drehmoment verfügen, entscheiden, wo er abbog. Coupe dachte an die PS-Helden von damals. Steve McQueen hätte sich eher mit einer Heckenschere die Eier absäbeln lassen, als die Kontrolle über seinen fahrbaren Untersatz an einen verdammten Autopiloten abzugeben.

Holotext erschien vor seinen Augen. Der Toshi fragte nach dem Fahrziel.

»Velocity’s End«, sagte Coupe ohne nachzudenken.

»Ziel unbekannt«, las er nun. Natürlich war es das. »Velocity’s End« war eine Chiffre, ein geheimer Ort, dessen genaue Lage Coupe nur aus gewissen Foren im Datagrid kannte. Monate hatte es gedauert, bis er dort Kontakt zu den letzten echten Selbstfahrern bekommen hatte. Noch mehr Zeit war vergangen, bis die Crasher, so nannten sie sich, ihm die Lage ihres Treffpunkts verrieten.

»Fahr zum Deluxe Diner«, sagte Coupe. »Auf der Interstate 80, ein Stück hinter Davenport.«

Ein gut gelauntes Cartoonauto mit emporgerecktem Daumen erschien. Kurz darauf setzte der Toshi sich in Bewegung, aber schön langsam, natürlich. Gott, wie er diese Kiste hasste. Coupe pflegte zu sagen, in dem Modul zu sitzen, habe nur einen Vorteil: Man wurde der Scheißkarre währenddessen nicht ansichtig. Der Toshi sah aus wie ein rollender Altglascontainer. Früher, da hatte es riesige Karossen aus Metall gegeben, stattliche Cadillacs, erhabene Rolls-Royces. Und jetzt? Gab es nur noch diese degenerierten Dinger. Na, man durfte sich nicht wundern. Die Menschheit hatte große gefährliche Wölfe so lange kaputtgezüchtet, bis am Ende Rehpinscher und Möpse herausgekommen waren. Mit den Autos hatte man letztlich das Gleiche gemacht.

Ruhig jetzt, dachte er. Nicht ärgern. Nachher brauchst du deine ganze Kraft. Versuch lieber, die paar Stunden bis Bumfuck, Iowa, oder wie auch immer das Nest heißen mag, zu schlafen. Coupe griff in eines der vielen Fächer. Früher hatte man sie Handschuhfächer genannt, und es hatte nur eines davon gegeben, weil der Rest des Autos vollgestopft gewesen war mit Benzinleitungen und Kolben und gottverdammten Steuerelementen, damit man selbst fahren konnte.

Ruhig, verdammt.

Coupe holte eine Dose Pepsi Qwik-Nap aus dem Fach und öffnete sie. Als er sie zum Mund führen wollte, bemerkte er, dass er immer noch den Helm aufhatte. Er zog ihn ab und nahm einen tiefen Schluck. Kurz darauf war er weggedämmert.