Crissa Stone Bundle - Vol. 2 - Wallace Stroby - E-Book

Crissa Stone Bundle - Vol. 2 E-Book

Wallace Stroby

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Beschreibung

FAST EIN GUTER PLAN Eine halbe Million Dollar aus Drogendeals, bewacht von drei skrupellosen Kerlen mit automatischen Waffen. Für die Berufsverbrecherin Crissa Stone und ihr Team gehört der Raub des Geldes noch zu den einfachsten Übungen. Als das Aufteilen der Beute schiefgeht, entkommt Crissa dem Kugelhagel allerdings nur knapp. Mit einem Seesack voll gestohlenem Geld befindet sie sich auf der Flucht. Gejagt wird sie von brutalen Handlangern eines Drogenbosses und einem ehemaligen Cop aus Detroit, der seine eigenen tödlichen Pläne verfolgt. Crissa will ihnen das Geld auf keinen Fall überlassen. Auch als sie und ein Kind in Lebensgefahr geraten und ihre Verfolger sie in die Enge treiben, kämpft Crissa weiter. DER TEUFEL WILL MEHR Seit einem Jahr hat Crissa Stone keinen Job mehr angenommen, sorgfältig darauf bedacht, kein Aufsehen zu erregen. Das geraubte Geld aus ihren Beute­zügen hat sie geschickt angelegt. Als ihr aber das flüssige Geld auszugehen droht, wird sie unruhig und lässt sich von einem reichen Kunstsammler als Diebin anheuern. Ziel des Überfalls ist ein LKW voll geraubter Kunstschätze aus dem Irak, die Crissa stehlen soll, bevor sie wieder in ihr Heimatland zurückgeführt werden müssen und der Kunstsammler sein Geld verliert. Der Job scheint einfach, nimmt jedoch eine überraschende Wendung, weil keiner die Beute teilen will.

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Impressum

FAST EIN GUTER PLAN Veröffentlicht im Pendragon Verlag Günther Butkus, Bielefeld 2018 © by Pendragon Verlag Bielefeld 2018 Alle Rechte vorbehalten Lektorat: Eva Weigl Umschlag: Uta Zeißler, Bielefeld Umschlagfoto: Zachary-Staines DER TEUFEL WILL MEHR Veröffentlicht im Pendragon Verlag Günther Butkus, Bielefeld 2019 © by Pendragon Verlag Bielefeld 2019 Alle Rechte vorbehalten Lektorat: Günther Butkus, Christina Hartner Umschlag: Uta Zeißler, Bielefeld Umschlagfoto: Roberto Nickson

Wallace Stroby

Crissa Stone Bundle - Vol. 2

Inhalt

Cover

Titelblatt

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Nachwort

Urheberrecht

Der Teufel will mehr

Cover

Titelblatt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Vier atemberaubende Crissa-Stone-Kriminalromane stammen aus Wallace Strobys Feder, die als deutsche Erstausgaben bei Pendragon erschienen sind. Bereits mit dem ersten Band "Kalter Schuss ins Herz" gewann Wallace ­Stroby viele Krimi-Fans in Deutschland. Mit "Der Teufel will mehr" ist die Reihe abgeschlossen.

Autorenbiographie

Wallace Stroby wurde 1960 geboren und wuchs südlich von New York in Ocean Grove auf. Er studierte Journalismus und Medienwissenschaften. Bei einer Zeitung arbeitet er als Polizeireporter. Stroby wurde mehrfach für seine Buch- und Filmkritiken ausgezeichnet. Seit 2003 veröffentlichte Stroby zahlreiche Romane, darunter 4 Crissa-Stone-Krimis, die auf deutsch bei Pendragon erschienen sind.

Inhalt

Wallace StrobyFast ein guter PlanEine halbe Million Dollar aus Drogendeals, bewacht von drei skrupellosen Kerlen mit automatischen Waffen. Für die Berufsverbrecherin Crissa Stone und ihr Team gehört der Raub des Geldes noch zu den einfachsten Übungen. Als das Aufteilen der Beute schiefgeht, entkommt Crissa dem Kugelhagel allerdings nur knapp. Mit einem Seesack voll gestohlenem Geld befindet sie sich auf der Flucht. Gejagt wird sie von brutalen Handlangern eines Drogenbosses und einem ehemaligen Cop aus Detroit, der seine eigenen tödlichen Pläne verfolgt. Crissa will ihnen das Geld auf keinen Fall überlassen. Auch als sie und ein Kind in Lebensgefahr geraten und ihre Verfolger sie in die Enge treiben, kämpft Crissa weiter.Jetzt lesen
Der Teufel will mehrSeit einem Jahr hat Crissa Stone keinen Job mehr angenommen, sorgfältig darauf bedacht, kein Aufsehen zu erregen. Das geraubte Geld aus ihren Beute­zügen hat sie geschickt angelegt. Als ihr aber das flüssige Geld auszugehen droht, wird sie unruhig und lässt sich von einem reichen Kunstsammler als Diebin anheuern. Ziel des Überfalls ist ein LKW voll geraubter Kunstschätze aus dem Irak, die Crissa stehlen soll, bevor sie wieder in ihr Heimatland zurückgeführt werden müssen und der Kunstsammler sein Geld verliert. Der Job scheint einfach, nimmt jedoch eine überraschende Wendung, weil keiner die Beute teilen will.Jetzt lesen

Wallace Stroby · Fast ein guter Plan

Eine halbe Million Dollar aus Drogendeals, bewacht von drei skrupellosen Kerlen mit automatischen Waffen. Für die Berufsverbrecherin Crissa Stone und ihr Team gehört der Raub des Geldes noch zu den einfachsten Übungen. Als das Aufteilen der Beute schiefgeht, entkommt Crissa dem Kugelhagel allerdings nur knapp. Mit einem Seesack voll gestohlenem Geld befindet sie sich auf der Flucht.

Gejagt wird sie von brutalen Handlangern eines Drogenbosses und einem ehemaligen Cop aus Detroit, der seine eigenen tödlichen Pläne verfolgt. Crissa will ihnen das Geld auf keinen Fall überlassen. Auch als sie und ein Kind in Lebensgefahr geraten und ihre Verfolger sie in die Enge treiben, kämpft Crissa weiter.

Wallace Stroby

FAST EIN GUTER PLAN

Aus dem Amerikanischen übersetztund mit einem Nachwort von Alf Mayer

Für Elmore „Dutch “ Leonard,der die Latte so hoch gelegt hat für uns.

1

Vier Stunden nachdem sie in Detroit aus dem Flugzeug gestiegen war, saß Crissa in der Innenstadt in einem geparkten Wagen und beobachtete einen rostzerfressenen Subaru mit einer halben Million Dollar im Kofferraum.

„Du bist dir sicher, dass er das ist?“, fragte sie.

„Das ist er“, sagte Charlie Glass, der sie zu dem Ganzen dazugeholt hatte, und gab ihr das Fernglas. Er saß am Steuer, Crissa auf der Beifahrerseite. Sie waren in einem gestohlenen RAV4 mit getönten Scheiben und parkten zwei Blocks vom Subaru entfernt auf der gleichen Straßenseite.

„Die lassen es drauf ankommen, nicht wahr? Lassen ihn einfach hier draußen stehen“, sagte Larry Black vom Rücksitz.

„Niemand hat die Eier, den anzufassen. Marquis weiß das“, sagte Cordell neben ihm. Er war ein Cousin von Glass und der Einzige, den sie nicht kannte.

Durch das Fernglas konnte sie die schwarzrote Tigers-Cap auf der Rückablage sehen, so wie Cordell es gesagt hatte. Einen halben Block hinter dem Subaru stand ein schwarzer Nissan Armada mit getönten Scheiben auf der anderen Straßenseite.

„Wie viele sitzen da drin?“, fragte sie.

„Drei, normalerweise“, sagte Cordell. „Manchmal vier. Aber sie werden nachlässiger. Letzten Monat hat Marquis sie dabei erwischt, wie sie sich einen Joint reingezogen haben. Er rollte mit Damien an, um sie zu kontrollieren, und der ganze Wagen stank nach Gras. Er ließ sie von Damien vermöbeln.“

„Wer ist Damien?“, fragte sie.

„Sein Bruder. Er ist ein paar Jahre jünger. Damien ist der mit den Muskeln, Marquis hat das Hirn.“

Sie sah auf ihre Uhr. Fast fünf Uhr an einem Samstagnachmittag, aber nur eine Handvoll Autos waren in der halben Stunde, die sie jetzt hier waren, vorbeigefahren. Dies war einmal eine Einkaufsgegend gewesen, Bürogebäude aus Sandstein und eine Bank, eine Ladenfront von Geschäften. Die Bank war jetzt Ausstellungsraum für einen Möbeldiscounter, die meisten der Ladenfenster waren mit Sperrholz zugenagelt oder hatten mit Graffiti übersäte Absperrgitter. Wie betrunken hing ein Friseurschild neben einem Eingang, das Glas fehlte schon. Die Straße war menschenleer.

Sie setzte das Fernglas ab. „Das ist nicht gut, hier so lange rumzustehen.“

„Ich dachte, du wolltest die Lage peilen“, sagte Cordell. „Damit du weißt, dass ich nicht lüge. Es könnte die letzte Chance sein für eine ganze Weile.“

Vor fünfzehn Minuten hatten sie gesehen, wie der Subaru vorgefahren war. Der Fahrer, ein Schwarzer mit Dreadlocks, war ausgestiegen, hatte abgesperrt und war die Straße runtergegangen. Einen Block weiter hatte ihn ein Honda Accord aufgesammelt und war mit ihm weggefahren. Beinahe wie bestellt war der Armada aus einer Seitenstraße aufgetaucht und hatte Position bezogen.

Sie drehte sich um und gab Larry das Fernglas, sah sich dabei Cordell genauer an. Kurz geschnittenes Haar, runde goldgeränderte Brillengläser, eine Jeansjacke über einem Bob-Marley-Shirt. Er sah aus wie ein Student.

„Wie oft wechseln sie die Autos?“, fragte sie.

„Jedes Mal“, sagte Cordell. „Unterschiedliche Zeiten, andere Straßen. Aber die Tigers-Cap ist immer da. An der erkennen sie die Wagen.“

Larry sah sich jetzt den Subaru an, stützte das Fernglas an der Rücklehne auf. „Nur der Armada?“, fragte er. „Sie postieren niemanden in einem dieser Läden, schneiden ein Loch ins Sperrholz und halten Wache?“

„Ich denke, mit diesen Jungs auf dem Posten glaubt er, dass er das nicht braucht“, sagte Cordell. „Sie machen das jetzt schon über einen Monat.“

Glass sah sie an und fragte: „Was denkst du?“

Er war groß und dunkelhäutig, sein Kopf kahl geschoren. Sie hatte schon einmal mit ihm gearbeitet, eine unfreundliche Übernahme in einer Wechselstube in Pittsburg vor zwei Jahren. Die Beute war mau gewesen, aber er war solide. Verlässlich. Als er sie wegen einer möglichen Arbeit in Michigan kontaktierte, hatte sie zugesagt und war hochgeflogen, um sich mit ihm zu treffen und sich die Sache anzusehen.

„Bin mir noch nicht sicher“, sagte sie.

Larry setzte das Fernglas ab. „Womit sind die bewaffnet?“ Er war der Älteste von ihnen, stammte aus Kentucky und hatte einen leichten Akzent. Anfang fünfzig, aber fit, graublaue Augen, das schwarze Haar zurückgekämmt und mit silbrigen Strähnen durchzogen.

„Sie sind schwer bepackt“, sagte Cordell. „Schrotflinten, ein MP5, vielleicht eine Kalaschnikow. Das soll die Gangs fernhalten. Hier ging es wild zu in den letzten Jahren. Dodge City, aber in echt. Selbst ein Mafiatyp wie Marquis muss da aufpassen. Diese jungen Kerle scheren sich nicht darum, wer er ist.“

„Dieser Damien“, sagte sie. „Ist der jemals hier?“

„Nein. Marquis hält ihn an der kurzen Leine. Er ist die Palastwache, ist nie zu weit vom König weg.“

Larry gab ihr das Fernglas zurück.

„Ich weiß nicht“, sagte er. „Das sieht ein wenig arg unbekümmert aus, vor allem wenn man daran denkt, um wie viel Geld es hier gehen soll.“

„Nicht unbekümmert. Selbstbewusst“, sagte Cordell.

Sie drehte sich halb nach hinten. „Alle diese Läden sind pleitegegangen?“

„Sind sie“, sagte Cordell. „Der ganze Block, bis auf den Möbeldiscounter.“

Sie hörten eine Polizeisirene. Crissa sah ein blau-weißes Detroiter Polizeiauto von hinten kommen, das Blaulicht an. Ihr Magen zog sich zusammen.

Der Wagen rauschte vorbei, ohne langsamer zu werden, auch nicht am Armada oder dem Subaru. An der Kreuzung bremste er und fuhr dann nach links über die rote Ampel.

Sie atmete aus. Larry holte eine Packung Juicy Fruit heraus, öffnete sie und schob sich einen Kaugummi in den Mund.

„Wie holen sie sich ihr Auto zurück?“, fragte sie.

„So wie sie es bringen“, sagte Cordell. „Sie holen das Geld heraus, legen die Ware hinein, parken das Auto irgendwo, machen einen Anruf. Anschließend verschrotten sie es. Deshalb nehmen sie immer so eine Rostlaube.“

„Eine was?“

„Eine Schrottkarre. Das fällt nicht auf, wenn so eine hier geparkt ist. Und niemand, der vorbeifährt, würde sie stehlen wollen.“

„Ist das hier immer so?“, fragte Larry. „So leer?“

„An den Wochenenden schon“, sagte Cordell. „Während der Woche sind hier mehr Leute. Da weiter unten sind einige Büros. Aber an den Wochenenden, wenn es dunkel ist, dann ist hier nichts.“

„Er hat recht“, sagte Glass. „Ich bin jetzt zwei Wochen in dieser Stadt. Das hier lässt die Innenstadt wie Times Square aussehen.“

Sie sah zu den Gebäuden hoch, am Nachmittagshimmel stand schon ein bleicher Mond. Halb von anderen Gebäuden verdeckt, fingen die Glasscheiben des Renaissance Centers in der Entfernung die letzten Sonnenstrahlen vom Fluss ein. Aber dieser Block war Architektur aus der Depressionszeit. Leere Fenster, dunkle Eingänge. Geisterstadt. Totenstadt. Sie stellte sich die leeren Räume in den Gebäuden vor. Müllübersäte Flure, Glasscherben.

„Wie lange sollen wir warten?“, fragte Larry. Wie zur Antwort fuhr gemächlich ein dunkelblauer Camry vorbei. Er verlangsamte neben dem Armada, dann wieder beim Subaru, hielt an der Kreuzung an. Als die Ampel umsprang, bog er links ab, in dieselbe Richtung, in die der Polizeiwagen gefahren war.

Sie sahen schweigend zu. Zwei Minuten später kam ein Mann um die Ecke, er ließ sich Zeit. Sie hob das Fernglas. Er war hellhäutig, ein Lateinamerikaner, trug einen Militärparka. Er überquerte die Straße, schloss den Subaru auf, stieg ein. Kurze Zeit später hustete eine dunkle Wolke aus dem Auspuff. Der Wagen fuhr weg, bog rechts ab. Der Armada scherte kurze Zeit später aus, folgte dem Subaru.

„Das machen sie immer um zu sehen, ob ihnen jemand folgt“, sagte Cordell. „Sie fahren dem Kurier einige Blocks hinterher, dann drehen sie ab nach Hause.“

„Es sieht so einfach aus“, sagte Larry.

„Es ist einfach“, erwiderte Cordell. „Aber das wird nicht lange so bleiben. Das ist eine vorübergehende Sache. Sie können es schon nächstes Mal ändern, können irgendetwas völlig anderes machen. Aber im Moment sind sie nachlässig, wie ich schon gesagt habe.“

„Sollen wir ihnen folgen und schauen, wohin sie fahren?“, fragte Glass Crissa.

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Wenn wir es machen, dann tun wir es genau hier, bevor sie sich in Bewegung setzen. Lass uns ein paar Minuten warten. Mal schauen, ob noch jemand aus dem Gehölz kommt.“

Die Sonne verschwand jetzt hinter den Gebäuden, die Straßen versanken im Schatten.

„Es muss einen schlaueren Weg geben, so viel Geld zu bewegen“, sagte Larry. „So offen im Freien, das ergibt nicht viel Sinn.“

„Wie schon gesagt, es ist eine vorübergehende Sache“, sagte Cordell. „Er hat gehört, dass Nick Barnes es so in Harlem gemacht hat. Der ist sein Idol.“

„Nicky Barnes steckt im Gefängnis“, sagte Crissa.

„Nicht mehr“, sagte Cordell. „Er ist jetzt im Zeugenschutzprogramm. Er hat gegen all diese Jungs ausgesagt, die für ihn gearbeitet haben, gegen die ganze Versammlung. Das war seine Rache, weil sie ihn nicht respektiert haben, als er ins Gefängnis ging, weil sie hinter seinem Rücken Dinger drehten.“

„Bullshit“, sagte Larry. „Ein Ratte ist eine Ratte.“

„Wer fährt die Autos bei dem Deal?“, fragte Crissa. „Bei der Übergabe?“

„Nur irgendwelche Unterlinge“, sagte Cordell. „Niemand, der ihm fehlt, wenn er eingebuchtet wird. Und auch niemand, der irgendetwas, was sich lohnen würde, der Polizei zu erzählen hätte.“

„Und keiner gerät in Versuchung, einfach weiterzufahren?“, wunderte sie sich. „Richtung Süden, mit all dem Cash.“

„Das ist das, was ich tun würde“, sagte Larry.

„Dafür haben sie zu viel Schiss“, sagte Cordell. „Marquis würde sie früher oder später finden.“

„Erzähl ihnen die Geschichte“, sagte Glass. „Die, die du mir erzählt hast.“

„Vor ein paar Jahren ist ein Geldbote mit zehn Riesen getürmt“, sagte Cordell. „Damien hat ihn einen Monat später in Cleveland aufgespürt. Hat ihm zwei in den Kopf verpasst und auch das Mädchen erledigt, das bei ihm war. Aber zuerst hat ihm Damien den Schwanz abgeschnitten und gezwungen, ihn runterzuwürgen. Das alles für zehn Riesen. Das hat die Runde gemacht.“

„Klingt wie Bullshit von der Straße“, sagte sie. „Um die Truppen auf Linie zu halten.“

„Kann sein“, sagte Cordell. „Oder auch nicht.“

„Wie viele Leute wissen im Voraus, wo die Übergabe sein wird?“

„Fünf oder sechs. Der Mist muss organisiert werden, man muss Leuten sagen, was sie zu tun und wo sie zu sein haben. Unmöglich, das völlig geheim zu halten.“

„Bei den fünf oder sechs bist du dabei, richtig?“, fragte Crissa.

„Muss ich. Ich organisiere die Fahrer, das ist mein Job.“

„Also gerätst du in Verdacht, wenn das Geld geschnappt wird.“

„Kann sein.“

„Wird so sein.“

„Darüber haben wir geredet“, sagte Glass. „Das lässt sich nicht vermeiden.“

„Ich werde dann nicht mehr in der Stadt sein“, sagte Cordell. „Sobald wir die Sache …“

„Wenn wir die Sache …“, sagte Crissa.

„Wenn wir die Sache durchziehen, bin ich danach schon lange weg“, sagte Cordell.

„Und was ist mit Damien?“, fragte Larry. „Ich dachte, du hast gesagt, wenn jemand sie abzockt, wird der früher oder später gefunden?“

„Marquis wird es nicht mehr lange machen. Es ist nur eine Frage der Zeit“, sagte Cordell. „Sein Kontakt wurde vor Kurzem geschnappt, deshalb kauft er jetzt von den Mexikanern und macht diese Übergaben. Sein Kontakt wird ihn früher oder später verpfeifen. Man hört, dass die Drogenfahndung ihn schon lange im Visier hat.“

„Wann ist die nächste Übergabe?“, fragte Crissa.

„Nächste Woche. Den Tag weiß ich noch nicht.“

„Er bewegt so viel Ware?“, fragte Larry. „’Ne halbe Million pro Woche?“

„Er stockt auf, für den Fall, dass seine Quelle wieder versiegt“, sagte Cordell. „Er braucht flüssiges Geld. Und den Mexikanern schuldet er auch Geld für die Ware, die er auf Kommission gekauft hat. Also stopft er sich jede Woche die Taschen voll, bis er genug gerafft hat.“

„Fünfhunderttausend klingt viel“, sagte sie. „Siehst du das Geld, bevor es weggepackt wird?“

„Nee, das machen sie oben im Büro. Hinter verschlossenen Türen. Da ist niemand außer Marquis und Damien, und dieser Junge, den sie Metro nennen, der übernimmt das Zählen.“

Sie fragte sich, wie viel davon Straßengerede war, ob Glass von Cordells Geschichte beeindruckt worden war. Cordell wirkte zu jung, zu weich, um wirklich im Spiel zu sein. Aber die Übergabe hatte sich so abgespielt, wie er es gesagt hatte. Und selbst eine Viertelmillion wäre es noch wert, das durchzuziehen.

„Wie weit im Voraus weißt du den Ort?“, fragte sie.

„Ein paar Tage vermutlich.“

„Das ist nicht viel Zeit“, sagte Crissa. „Wer legt die Stelle fest?“

„Marquis redet mit den Mexikanern, und sie legen das gemeinsam fest.“

„Ich weiß, wie das klingt“, sagte Glass. „Aber Cordell hat recht. Die sind zurzeit nachlässig, weil sie fett und faul sind. Wir haben da ein kleines Zeitfenster. Wenn sie das irgendwann in der Zukunft besser auf der Reihe haben, wird es nicht mehr so einfach sein.“

„Schutzwesten“, sagte Larry.

Sie drehte sich zu ihm um. „Was?“

„Ich sag nur. Wenn wir das durchziehen – mitten auf der Straße, wie es aussieht –, dann brauchen wir schusssichere Westen. Wenn jemand von den Kerlen in diesem Armada auf uns ballert, bekifft oder nicht, dann will ich etwas Schutz.“

„Gute Idee“, sagte Glass. „Darum kann ich mich kümmern.“

„Du bist der Finanzier?“, fragte sie.

„Soweit nötig. Ich nehme es mir später von der Beute wieder zurück.“

„Und das ist eine gute Idee?“, hakte sie nach.

„Du denkst, ich will mehr dabei mitreden können, wie wir es machen?“

„Sollte ich?“

„Nein. Ich dachte nur, es wäre so einfacher. Auch mit diesem Zeitfaktor. Das war alles.“

Er hatte recht. Und abgesehen von den Schutzwesten hätten sie minimale Auslagen. Sie sah zu der Stelle, wo der Subaru gestanden hatte, dachte alles durch, erwog die Schwachstellen.

„Nun?“, fragte Glass.

„Für den Moment sind wir hier durch“, sagte sie. „Bring mich zurück zum Hotel. Wir reden heute Abend. Ich habe ein paar Ideen.“

„Denkst du, es ist machbar?“, fragte er.

„Im Augenblick überlege ich nur“, sagte sie.

„Das reicht mir für den Moment“, sagte Glass und startete den Wagen.

2

Sie nahm immer ein Flughafenhotel. Wenn etwas dabei schiefging, in einer fremden Stadt einen möglichen Job auszukundschaften, war das Wegkommen von dort aus einfacher.

Sie hatte sich als Linda Hendryx eingebucht, dem Namen auf ihrem New-Jersey-Führerschein und den Kreditkarten. Im letzten Jahr hatte sie sich zwei weitere Dokumentensätze beschafft, mit anderen Namen. Die waren für den Notfall, jeder mit einem US-Pass, falls sie das Land verlassen musste. Die zwei Sets hatten sie je fünfundsiebzigtausend in bar gekostet, aber sie war flüssig gewesen von ihrem letzten Job. Sie und ein Partner hatten mehr als zwei Millionen Dollar aufgespürt, die seit einem Raubzug im Jahr 1978 versteckt gewesen waren. Sie hatten sich das Geld geschnappt und geteilt. Es war mehr, als sie je zuvor bei einem Job erbeutet hatte.

Glass hatte sie abgesetzt. Sie hatte geduscht, sich umgezogen, ein Steak im Hotelrestaurant gegessen. Der Kellner hatte gerade eine zweite Tasse Kaffee gebracht und die Rechnung dagelassen, als sie hochsah und Larry am Eingang stehen sah. Er trug einen Ledermantel und darunter einen Rollkragenpulli, war von seinem ein paar Meilen entfernten Hotel herübergefahren. Sie sah auf ihre Uhr. Neun Uhr abends. Er war pünktlich.

Sie nahm ihren eigenen Ledermantel von der Stuhllehne, ließ genug für Rechnung und Trinkgeld liegen. Sie gingen zusammen durch die Lobby hinaus, durch die Drehtür, wo sein gemieteter Ford am Bordstein stand. Sie hatte hier kein Auto gemietet. Das machte die Dinge einfacher, reduzierte die Spur aus verräterischem Papierkram.

Sie holte die Lederhandschuhe aus ihrer Tasche, streifte sie über.

„Kalt?“, fragte er. Anfang September, der Indian Summer ging hier schon in den Herbst über. Zurück in New Jersey würden es immer noch an die fünfundzwanzig Grad sein.

„Nein.“

„Verstehe. Du bist vorsichtig. Kann ich dir nicht verdenken.“

Sie stiegen ins Auto. Als sie losfuhren, piepste ein Warnton.

„Das bist du“, sagte er.

Sie zog den Sicherheitsgurt über ihre Hüften und ließ ihn einrasten.

„Wie lange bist du schon in der Stadt?“, fragte sie.

„Gestern angekommen. Ich fahre morgen zurück, wenn mir nicht gefällt, was ich heute Nacht höre.“

Über ihnen stieß ein Flugzeug aus den Wolken, flog mit blinkenden Landelichtern über sie hinweg.

„Wie ist dein Gefühl bisher?“, fragte er.

„Es spricht einiges dafür“, antwortete sie. „Aber auch einiges dagegen.“

„Ich bin mir nicht sicher mit der Truppe.“

Die Linien in seinem Gesicht waren tiefer als das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte. Beinahe sechs Jahre her. Sie fragte sich, ob es bei ihr genauso war.

„Ich habe mit Glass gearbeitet“, sagte sie. „Er ist solide. Wenn er es nicht wäre, wäre ich nicht hier.“

„Sein Cousin macht mir Sorgen. Der steckt bis zum Hals in der Sache.“

„Ich weiß“, sagte sie. Sie hatten den Flughafen verlassen, waren auf einem langen Stück Hochstraße. In der Ferne konnte sie die Lichter der Stadt sehen.

„Ich war nie sonderlich begeistert davon, bei Dealern abzugreifen“, sagte er. „Zu unberechenbar. Zu viel Risiko.“

„Normalerweise schon.“

„Andererseits gibt es heutzutage nicht mehr viele Orte, an denen du Cash finden kannst. Jedenfalls nicht in einer Größenordnung, die sich lohnt. Dealer sind in der Hinsicht immer eine Alternative. Das ist ein Wirtschaftszweig, der nie abflaut.“

Sie öffnete das Handschuhfach, holte den rosafarbenen Mietvertrag heraus. Sie sah, dass er das Auto einen Tag zuvor am Flughafen gemietet hatte. Auf den Namen Louis Brown.

„Du bleibst bei LB“, stellte sie fest.

„Das macht es einfacher. Hast du befürchtet, dass es ein Bullenauto ist? Verwanzt?“

„Bin nur vorsichtig. Wie du gesagt hast. Nimm es mir nicht krumm.“

„Tu ich nicht“, sagte Larry.

Sie legte den Mietvertrag in das Handschuhfach zurück, klappte es zu.

„So wie ich es sehe, riskiert dieser Cordell ganz schön viel.“

„Er denkt wohl, dass es das wert ist“, sagte Crissa.

„Du glaubst also, dass es um derart viel Geld geht? Eine halbe Million?“

„Könnte sein. Aber selbst, wenn es nur die Hälfte ist, wäre das keine schlechte Tageseinnahme für vier Leute.“

Sie schwiegen eine Weile, der Freeway führte durch ein Gewerbegebiet dunkler Fabriken und Lagerhäuser. Schwach beleuchtete Straßen, die scheinbar endlos weitergingen.

„Diese Stadt hat schon bessere Tage gesehen“, sagte sie.

„Geht mir auch so.“

„Du bist immer noch in St. Louis?“

„Hin und wieder. War eine Weile in Florida. Habe dort eine Frau. Okay, Exfrau jetzt. Und ein kleines Mädchen auch.“

„Wie alt?“

„Sechs. Sie heißt Haley. Ich weiß, schwer zu glauben. Ein Kind, und das in meinem Alter. Ich habe das nicht geplant, ist einfach so passiert.“

„Da ist doch nichts falsch dran. Gratuliere.“

„Danke. Trotzdem, die Dinge haben sich nicht ganz so entwickelt, wie ich wollte.“

„Siehst du sie?“

„Haley? Nicht so oft. Sie wohnen nahe Orlando. Ich habe ihnen ein Haus gekauft, schicke ihnen Geld, wenn ich kann.“

Sie dachte an Maddie, ihre eigene Tochter. Elf Jahre alt dieses Jahr, großgezogen von einer ihrer Cousinen unten in Texas und keine Ahnung von ihrer wahren Mutter. Crissa schickte ihnen jeden Monat Geld über ein Konto in Costa Rica.

„Ich habe das über Wayne gehört“, sagte er. „Dass seine Gefängnisstrafe verlängert worden ist. Das tut mir leid.“

„Danke.“

„Das ist ’ne schlimme Sache.“

„War es. Seine Bewährungsanhörung stand kurz bevor. Ich hätte ihn beinahe schon draußen gehabt.“ Es war Wayne gewesen, der sie in das Verbrecherleben eingeführt hatte. Kleinkriminalität und gelegentliche Gewalttaten. Davor hatte sie ein paar Beziehungen gehabt. Mit Beaumont, Maddies Vater, war sie nur ein Jahr zusammen gewesen, nebelhafte Monate mit Drogen und Alkohol.

Wayne hatte sie aus all dem herausgeholt. Er verdiente verdammt gut und zeigte ihr ein Leben, das sie nicht für möglich gehalten hatte. Er stellte Teams zusammen, arbeitete im ganzen Land. Sie war achtzehn Jahre jünger, wurde ein Teil dieser Welt.

„Bist du je da unten, um ihn zu sehen?“, fragte Larry.

„War ich, ’ne ganze Weile regelmäßig. Aber der Name, den ich damals hatte und mit dem sie mich in den Akten hatten, wegen der Besuchserlaubnis … ich musste ihn aufgeben, weil einiges passiert war. Und sie hatten auch mein Foto. Ich kann da nicht mehr hin.“

„Das ist hart. Mein Mitgefühl.“

„Da kann man nichts machen“, sagte sie. „Ist gelaufen.“

„Ich fühle mich immer noch verantwortlich für das, was in Texas passiert ist.“

„Warst du nicht.“

Sie und Wayne hatten in Delaware gelebt, als alles schiefging. Schlapp von einer Grippe war sie zu Hause geblieben, als Wayne, Larry und ein anderer Mann einen Schmuckgroßhändler nahe Houston hochnahmen. Es sollte eine einfache Übergabe durch den Eigentümer werden, aber ein Angestellter hatte eine Waffe gezogen und Wayne in die Schulter geschossen. Larry hatte ihn hinausgeschafft, aber zwei Blocks weiter setzte ihr Fahrer den Fluchtwagen zuerst gegen einen Feuerwehrhydranten und danach an eine Parkbank. Larry konnte sich davonmachen, bevor die Polizei eintraf, Wayne und der Fahrer jedoch kamen wegen bewaffneten Raubes und Verschwörung dran, jeder für zehn bis fünfzehn Jahre.

„Ich hätte ihn vielleicht aus diesem Auto herausbekommen können“, sagte Larry. „Aber in dem Zustand, in dem er war, wäre er nicht weit gekommen.“

„Ich weiß.“

„Ich hatte ja selbst ein gebrochenes Schlüsselbein. Habe die Nacht unter einer Veranda einen Block weiter verbracht, die ganze Zeit Sirenen und Polizeifunk. Ich war so fertig, dass ich nicht wusste, ob ich wach war oder träumte. Am nächsten Morgen konnte ich mich kaum bewegen. Es ist nie gut verheilt.“

„Du hast getan, was du konntest“, sagte sie. „Du hast ihn aus diesem Laden herausgeschafft, hast ihm eine Chance gegeben. Du hast ihn nicht im Stich gelassen.“

„Konnte ich nicht, nach allem, was er für mich getan hatte. Er hat mir massig Arbeit verschafft, hat dafür gesorgt, dass ich flüssig blieb, wenn es nötig war. Ich bin ihm was schuldig.“

„Sind wir alle.“

Sie verließen den Freeway, fuhren eine breite Wohnstraße entlang. Große Häuser, eingezäunte Gärten. Aber nach einer Weile gab es weniger erleuchtete Gebäude und die Straßenlampen waren aus. Überwucherte Vorgärten jetzt, verschalte Fenster. Er drückte die Fensterverriegelung hinunter.

„Du bist dir sicher, wohin du willst?“, fragte sie.

„Ich bin gestern hier gewesen. Ich denke schon.“

Sie fuhren um einen Einkaufswagen herum, der mitten auf der Straße auf der Seite lag. Larry bog rechts ab, dann links, und sie befanden sich auf einem Straßenstück, das einen halben Block weiter von einer einzelnen Straßenlampe erleuchtet war.

Das Haus stand nahe am Ende des Blocks. Er fuhr in die Einfahrt. Die Scheinwerfer streiften über zugenagelte Fenster. Es war ein zweistöckiges Haus, grauer Stein, vor langer Zeit wohl das Haus eines reichen Mannes. Ein Erkerfenster zeigte auf die Einfahrt, die meisten Glasscheiben waren intakt. Darunter wuchsen Unkraut und Sträucher.

Hinten gab es eine Garage, ein silberner Lexus stand davor. Larry wendete in drei Anläufen und parkte neben dem Lexus.

„Bist du bewaffnet?“, fragte sie.

Er schüttelte den Kopf, sah zum Haus, dann zum Wagen, der knackend abkühlte. Die Rückfenster des Hauses waren vernagelt. Zeichen von Gangs waren auf das Sperrholz gesprüht, die Hintertür stand offen. Drinnen war es dunkel.

„Habe nicht gedacht, dass ich ’ne Waffe brauche“, sagte er. „Außerdem bin ich hergeflogen, hätte sowieso nichts mitbringen können. Und es gab keine Zeit, auf die Schnelle etwas zu finden, nachdem ich in der Stadt war. Und du?“

„Nein. Gleiche Gründe.“ Sie dachte an die Glock 9, die sie in einem Safe zu Hause hatte, an die kleine .32er Beretta Tomcat, die in den Matratzenfedern unter ihrem Bett steckte. Und wünschte sich, sie hätte jetzt eine von ihnen dabei.

„Nervös?“, fragte er.

„Ein wenig.“

„Du hast für Glass gebürgt, hast gesagt, er sei verlässlich.“

„Habe ich. Und das ist er. Oder war es wenigstens das letzte Mal, als wir zusammengearbeitet haben.“

„Dennoch, wir können uns nicht sicher sein, worauf wir uns hier einlassen, oder?“

Sie sahen zum Haus. Keiner von ihnen rührte sich.

„Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden“, sagte sie. Und ging zur Tür.

3

Cordell und Glass saßen in dem geräumigen Wohnzimmer, hatten eine große Karte auf dem Couchtisch ausgebreitet, einige Flaschen Heineken daneben. Zwei tragbare Arbeitslampen erleuchteten den Raum.

„Hey“, sagte Glass, „kommt herein.“

Er saß auf einer zerschlissenen Couch, Cordell ihm gegenüber auf einem Stuhl. Müll bedeckte den Dielenboden. Gipsbrocken waren von der Decke gefallen, aus der Füllmaterial herausschaute. Es gab einen gemauerten Kamin, an einer Wand führte eine breite Treppe nach oben.

„Ich weiß“, sagte Glass. „Entschuldigt. Etwas Besseres haben wir in der kurzen Zeit nicht auftreiben können.“

Eine Plastikampulle knirschte unter ihrem Stiefelabsatz. Sie kickte die Scherben weg. „Wem gehört das Haus?“

„Niemandem“, sagte Glass. „Cordell hat es gefunden. In diesem Block kannst du frei wählen, genug davon da.“

„Hier war schon lange niemand mehr“, sagte Cordell. „Es gibt auch keine Nachbarn. Jedes Haus in diesem Karree sieht so aus. Der Bürgermeister versucht, die Leute näher ans Stadtzentrum zu holen, also haben sie die Versorgungsleitungen zu einigen dieser außenliegenden Vierteln gekappt. Es hat nicht lange gedauert, bis die Botschaft angekommen ist.“

Larry hatte sich rechts von ihr postiert. Wortlos hatte er die Führung übernommen, als sie das Haus betreten hatten.

„Wir sehen uns gerade ein paar Straßenrouten an“, sagte Glass. „Mit dem Übergabeort können wir uns nicht sicher sein, bis wir die Info haben, aber es wird vermutlich in der gleichen Gegend sein.“

„Falls Marquis nicht alles ändert“, sagte sie.

„Wird er nicht“, sagte Cordell. „Er bleibt bei dem, was er kennt. Und er kennt nichts anderes als die Innenstadt. Dort ist er der König, das denkt er. Das ist sein Reich. Niemand wird sich dort mit ihm anlegen.“

Zwei metallene Klappstühle lehnten an der Wand. Larry klappte sie auf, staubte die Sitzflächen ab, stellte sie neben den Couchtisch. Um eine der Lampen flatterte eine Motte.

„In der Küche gibt es mehr Bier“, sagte Glass. „Falls ihr eines wollt.“

„Klingt gut“, sagte Larry und ging hinaus. Er würde sich Zeit nehmen, sich umschauen, wusste sie. Sie setzte sich. Glass zog eine der Lampen näher heran und drehte die Landkarte herum, sodass sie lesen konnte. Drei Routen waren eingezeichnet. Eine in Blau, eine in Rot, eine in Gelb.

Als sie aufsah, bemerkte sie Cordells Blick.

„Gibt’s ein Problem?“, fragte sie.

„Bin nur überrascht, das ist alles. Als mein Cousin sagte, er würde ein paar Leute dazuholen, habe ich keine Frau erwartet.“

„Ist das ein Thema für dich?“

„Überhaupt nicht. Wie gesagt, ich bin einfach überrascht. Aber alles ist in Ordnung.“

Larry kam mit zwei Heineken zurück. Eines stellte er vor ihr auf den Tisch, dann drehte er einen Stuhl herum und setzte sich rittlings darauf, stellte sein Bier auf den Boden.

„Wir müssen die Flaschen mitnehmen, wenn wir gehen“, sagte sie. „Und ihr müsst alles abwischen, was ihr hier angefasst habt.“ Sie war die Einzige, die Handschuhe trug.

„Werden wir“, sagte Glass.

Sie hob die Flasche, nahm einen Schluck. Es war lauwarm. Sie trank selten Bier, aber es war besser, mit den anderen mitzumachen, um deren Wohlbefinden nicht zu stören.

Larry deutete auf die Karte. „Wenn die Übergabe in der Nähe von da ist, wo sie heute war, wie lang braucht es dann, aus der Stadt herauszukommen, hierher zurück?“

„Da waren wir gerade dabei, das auszubaldowern“, sagte Glass. „Es gibt einige Möglichkeiten. So wie ich es sehe, brauchen wir ein Umsteigeauto nahe am Übernahmeort, wo immer das sein wird, und dann wechseln wir das Fahrzeug. Aus der Stadt selbst sind wir in fünfzehn Minuten, vielleicht braucht es ein wenig länger. Dann treffen wir uns hier wieder und teilen alles auf.“

„Also brauchen wir zwei Fahrzeuge“, sagte Larry. „Stimmt. Das Überfallauto und dann das zum Umsteigen.“

„Drei“, sagte sie.

Glass sah sie an.

„Wir wollen nicht, dass dieser Armada uns verfolgt“, sagte sie. „Wir müssen ihn blockieren, ihn unbrauchbar machen. Jemand muss das zur gleichen Zeit tun, in der wir das Geld aus dem Auto greifen. Also brauchen wir dort zwei Wagen. Vielleicht wäre es auch gut, wenn wir auch zwei zum Umsteigen hätten. So können wir uns schneller aufteilen und wieder hierherkommen.“

„Also insgesamt vier Autos“, sagte Glass.

„Ein Van ist besser für den Überfall, fürs Herausspringen“, sagte sie. „Ein Lieferwagen, ein Bäckereifahrzeug, so etwas. Man kommt bei so etwas leicht hinein und hinaus. Die Türen hinten bleiben offen, der Motor läuft weiter. Wir brechen den Kofferraum auf, schnappen die Tasche, und jeder ist schnell wieder in dem Van. Wenn es aber ein normales Auto ist, selbst ein Viertürer, stolpern wir übereinander und verheddern uns beim Aus- und Einsteigen.“

„Klingt logisch“, sagte Glass.

An Cordell gewandt, sagte sie: „Wie bewahren die das Geld auf? Wie ist es verpackt?“

„Reisetasche. Eine große. Von der Art, wie Leute ihre Sportausrüstung transportieren, Hockeyschläger und so Zeug.“

„Ist das Geld gebündelt?“

„Ja. Marquis, Damien und dieser Junge namens Metro zählen es selbst. Trauen keinem. Marquis hat ein Büro über der Garage, die er betreibt. Dort macht er seine Geschäfte. Sie haben da einen Safe, eine Geldzählmaschine, und alles, was er braucht. Während sie am Zählen sind, kommt da niemand rein.“

„Vielleicht sollten wir lieber das Büro überfallen“, sagte Larry. „Vermutlich ist mehr Geld im Safe als das, was sie da wegschaffen.“

Cordell schüttelte den Kopf. „Er hat eine Armee dort drinnen. Überwachungskameras. Niemand kommt diese Treppe hoch, ohne dass er es mitbekommt. Eine Stahltür. Er braucht sie nur abschließen und darauf warten, dass, wer immer vor der Tür ist, dort wieder weggeht. Wenn einer überhaupt so weit kommt.“

„Die Sammelstellen sind die weichen Ziele“, sagte Glass. „Zugreifen und abhauen. Einer von uns fährt. Zwei sausen zum Kofferraum und greifen das Geld. Ein anderer greift die Jungs in dem Armada an, wie du gesagt hast, hält sie beschäftigt. Dann laden wir ein und sind weg.“

„Cordell sollte den Lieferwagen fahren“, sagte Crissa. „Wir wollen ihn nicht auf der Straße. Jemand könnte ihn sogar mit einer Maske erkennen oder seine Stimme hören.“

Glass sah ihn an: „Ist das okay für dich?“

„Fahren? Ja, ich denke schon.“

„Es ist besser für alle, wenn du am Steuer sitzt und von der Straße runter bist“, sagte Crissa.

„Was auch immer“, sagte Cordell.

„Was ist mit dem zweiten Wagen?“, fragte Glass.

„Den lassen wir zurück, den brauchen wir danach nicht mehr.“ Sie holte einen Zettel aus ihrer Jackentasche. Es war eine Liste, die sie im Hotel geschrieben hatte. Sie gab sie Glass.

„Ich denke, das alles werden wir brauchen“, sagte sie. „Wenn wir es durchgehen, wird es mit Sicherheit noch mehr. Aber es ist ein Anfang. Wir sollten uns frühestmöglich daranmachen.“

Er sah auf die Liste. „Rauchgranaten?“

„Wenn du welche auftreiben kannst. Wenn nicht, müssen wir uns etwas anderes ausdenken.“

„Wie wäre es stattdessen mit Tränengas?“, fragte Larry.

„Das Problem ist der Wind“, erwiderte Crissa. „Wenn der sich dreht, haben wir es im Gesicht. Das heißt, wir bräuchten Gasmasken. Rauch ist besser. Der gibt uns die Zeit, die wir brauchen.“

„Und der Armada?“, sagte Glass. „Was ist damit?“

„Ich habe da ein paar Ideen.“ Sie nippte am Bier, sah zu Cordell hinüber. „Wer weiß sonst noch davon?“

„Was?“

„Wem hast du es erzählt? Freundin? Frau?“

Einen Moment lang schien er verwirrt. „Niemandem.“

„Nach wem wird Marquis suchen, wenn er dich nicht finden kann? Familie, Freunde? Du wirst sie in Gefahr bringen, auch danach.“

„Niemand.“

„Du bist dir da sicher?“

„Ich habe niemandem irgendwas erzählt.“

„Marquis wird das nicht wissen“, sagte sie. „Er wird herumfragen, nicht? Er wird hart fragen.“

„Alles im Lot. Mach dir da keine Sorgen.“

Sie sah Glass an. Der zuckte mit den Achseln.

„Okay dann“, sagte sie. „Lasst uns noch mal auf die Karte schauen.“

Eine Stunde später, auf dem Weg zu ihrem Hotel, fragte Larry: „Fühlst du dich besser?“

„Ein bisschen.“

„Für mich klingt es gut“, sagte er. „Jedenfalls das, was ich gehört habe. Nicht viel Aufsehen erregen, zuschlagen und abhauen, besonders so, wie du es beschrieben hast.“

„Es hat seine Tücken.“

„Haben diese Geschichten doch immer. Welcher Teil davon beunruhigt dich?“

„Cordell. Er weiß viel. Das Geld, die Übergaben, die Zeiten und Orte. Wenn er verschwindet, wird Marquis davon ausgehen, dass er beteiligt war.“

„Das ist das Risiko.“

„Nimm an, er kommt nicht rechtzeitig weg, oder er geht irgendwohin, wo es dumm und naheliegend ist. Wenn Marquis ihn erwischt, wird Cordell ihn geradewegs zu uns führen. Oder mindestens zu Charlie.“

„Daran habe ich auch gedacht“, sagte Larry. „Aber dagegen können wir kaum etwas tun.“

Sie waren jetzt wieder auf der Hochstraße, unter ihnen war alles dunkel.

„Habe es beinahe vergessen, dir zu sagen: Bobby Chance lässt dich grüßen“, sagte er.

Sie sah ihn an. „Du hast mit ihm gesprochen?“

„Ich war bei ihm vor ein paar Monaten, habe nach Arbeit gesucht. Habe ihm einen Deal vorgeschlagen, aber er sagt, er hat aufgehört. Das Ding ist dann eh geplatzt.“

„Wo ist er?“

„Er lebt auf einer Farm, in Süd-Ohio. Hat eine Frau. Könnte seine Ehefrau sein, nach allem, was ich weiß.“

„Wie geht es ihm?“

„Die Schulter ist immer noch im Eimer von dem Schrotschuss, den er abbekommen hat. Er hat mir erzählt, was passiert ist.“

Es war am Eingang einer Notaufnahme gewesen, als sie Chance das letzte Mal gesehen hatte. Sie hatte ihn dort gelassen, angeschossen und halb bewusstlos, nachdem ein Job, bei dem sie zusammengearbeitet hatten, schiefgegangen war. Sie hatten ein hochkarätiges Pokerspiel in Florida hochgenommen und ein Mann hatte sie verfolgt, der das Geld zurückholen wollte. In Connecticut war dann Schluss. Sie hatten eine Leiche und ein brennendes Haus zurückgelassen.

„Das war eine schlimme Zeit“, sagte sie.

„Er ist jetzt sauber, sagt er. Sie haben Sojafelder, die sie verpachten. Aber abgesehen davon ist da nicht viel, das ich ihn tun sehe.“

„Er geht immer noch über Sladden?“ Das war der Kontaktmann von Chance in Kansas City gewesen, seine Relais-Station.

„Soweit ich weiß. Darüber habe ich ihn gefunden.“

„Ich muss ihn auch eines Tages besuchen.“

„Das würde ihm gefallen. Er sagt, du hast ihm das Leben gerettet.“

„Ich bin die gewesen, die ihn überhaupt erst in all die Schwierigkeiten gebracht hat.“

„So erzählt er das nicht.“

Sie sahen die ersten Schilder für den Flughafen.

„Ich denke Folgendes“, sagte sie. „Wir packen das an, organisieren, so viel wir können. Wir haben ungefähr eine Woche bis zur nächsten Übergabe. Wenn sich etwas bis dahin nicht gut anfühlen sollte, brechen wir ab und gehen unserer Wege.“

„Klingt vernünftig. Aber …“

„Was?“, fragte Crissa.

„Eine solche Arbeit, auch wenn nicht alles so auf Linie ist, wie du es magst, die ist immer das Risiko wert. Weil es sich auszahlt“, sagte Larry.

„Dann glaubst du ihnen, was sie sagen, wie viel Geld da ist.“

„Wenn dieser Kerl – Marquis oder wie immer er heißt – regelmäßig so viel Ware bewegt, dann sind fünfhundert Riesen nichts“, sagte er. „Diese Großstadt-Dealer machen so viel Geld, dass sie nicht wissen, was sie damit machen sollen. Das ist es, was sie immer in Schwierigkeiten bringt – das Geld.“

„Und die Leichen.“

„Die auch.“

„Du weißt, wie sie in der Südsee Affen fangen?“, fragte sie.

Er sah sie an. „Was?“

„Affen. Im Dschungel. Jemand hat mir diese Geschichte mal erzählt. Sie sind schwer zu fangen, weil sie so schnell sind und von Ast zu Ast springen. Gute Fleischqualität, aber du kannst ihnen nicht nahe kommen.“

„Ich kann dir nicht folgen.“

„Die Eingeborenen machen es so, dass sie eine Kokosnuss aushöhlen und gerade die richtige Größe an Öffnung machen und eine Nuss oder etwas Obst hineinlegen. Der Affe sieht es und kann nicht widerstehen. Er langt hinein, greift sich das Obst, aber wenn er eine Faust macht, bringt er seine Hand nicht wieder heraus. So finden ihn dann die Jäger, mit einer Kokosnuss, die ihm am Arm hängt. Er kommt auf keinen Baum, kann einhändig nicht viel machen. Dann fangen sie ihn und töten ihn.“

„Worauf willst du hinaus?“

„Der Affe stirbt, weil er nicht von dem lassen kann, worauf er scharf ist, und obwohl er weiß, dass er geschnappt werden wird.“

„Okay“, sagte er. „Verstehe. Sei kein Affe.“

„So etwas in der Richtung.“

„Man kann das auch anders sehen. Wir ziehen das durch und hauen ab, so weit weg, wie wir nur können, und lassen Cousin Cordell die Konsequenzen tragen. Er weiß sowieso nichts über uns, oder?“

„Charlie wird ihm nur das erzählen, was er wissen muss.“

„Du sagtest, Charlie ist ein Profi.“

„Ist er.“

„Dann wird er auch wissen, wie man den Schaden begrenzt. Sein Cousin ist ein Amateur. Das ist ihm bereits klar. Er denkt wahrscheinlich in die gleiche Richtung wie wir.“

„Kann sein“, sagte sie. „Aber im Moment ist Cordell dabei. Er arbeitet an der Grundaufstellung, er trägt die Risiken. Wenn sich das ändert, ändert sich alles. Aber im Moment ist er einer von uns. Das müssen wir respektieren. Wenn nicht, warum sollten wir ihn dann überhaupt einbeziehen?“

„Das klingt, als würde Wayne reden.“

„Stimmst du nicht zu?“

„Doch, vermutlich schon. Im Moment. Später kann es problematisch werden. Aber es gibt einen Weg, das abzusichern.“

„Wie denn?“

„Wir ziehen es durch, und dann nieten wir Cordell um. Ende der Geschichte.“

„Keine Option“, sagte Crissa.

„Das sagst du jetzt.“

„Na, dann lass uns hoffen, dass es nicht so weit kommt.“

4

Sie stand am Fenster ihres Hotelzimmers, sah einem Flugzeug zu, wie es in die Wolken stieg, als ihr Handy klingelte. Es war ein grauer Nachmittag, es regnete leicht. Tropfen sprenkelten die Fensterscheibe.

„Es ist am Sonntag“, sagte Charlie Glass. Das Handy war ein Wegwerfstück, das sie vor zwei Tagen gekauft hatte. Nur Charlie und Larry hatten die Nummer.

Vier Tage seit dem Treffen in dem Haus. Sie hatte die Zeit zugebracht, indem sie ins Kino ging oder in Restaurants oder in ihrem Zimmer saß und sich alles durch den Kopf gehen ließ. Vor Langem schon hatte sie Warten gelernt, wie man den Dingen ihren Lauf ließ und dann einstieg, wenn die Zeit richtig war. Jetzt aber war sie ruhelos, begierig auf die Arbeit. Begierig darauf, wieder nach Hause zu gehen, wenn sie getan war.

„Drei Tage“, sagte sie. „Das gibt uns nicht viel Zeit.“

„Ich habe mich um die Liste gekümmert. Ich habe fast alles von dem, worüber wir geredet haben.“

„Das ging aber schnell.“

„Manches habe ich schon gehabt. Dinge, von denen ich wusste, dass wir sie brauchen. Wir können das besprechen, wenn wir uns treffen.“

„Dein Cousin ist sicher, was den Tag angeht?“

„So sicher, wie er das unter den Umständen sein kann. Er hat es auf die übliche Weise erfahren.“

„Der Ort?“

„Den wird er morgen wissen.“

„Wie macht er sich?“

„Was meinst du damit?“

„Ich frage mich, ob er dafür geeignet ist.“ Sie sah einem Flugzeug nach, das der Spur des ersten folgte. Es verschwand in den tief hängenden Wolken.

„Er hat sich festgelegt, wenn es das ist, wonach du fragst. Er weiß, worauf er sich einlässt.“

„Tut er das?“, fragte Crissa.

„Er ist nicht wie wir. Das alles ist etwas Einmaliges für ihn. Er hat eine Gelegenheit erkannt, mehr nicht. Ich bringe ihn auf Trab, so gut ich kann. Er wird das durchziehen.“

„Er versteht, dass von jetzt an alles anders sein wird? Dass es keinen Weg zurück gibt?“

„Tut er.“

„Du bist für ihn verantwortlich.“

„Ich weiß.“

„Gut“, sagte sie. „Wann sollen wir uns treffen?“

„Sieben Uhr abends. Geht das für dich? Wir haben viel zu besprechen.“

„Ich werde unseren gemeinsamen Freund anrufen. Was ist mit dem Fahrzeug, über das wir gesprochen haben?“

„Habe es heute besorgt. Du kannst es dir ansehen, wenn du hier bist.“

„Du streckst eine Menge vor.“

„Nur ein Investment.“

„Lass uns hoffen, dass es sich lohnt.“

„Darauf setze ich. Bis heute Abend dann.“

„Unter dem Sitz“, sagte Larry drinnen im Auto.

Sie griff nach unten, fühlte nur Teppichboden, das Gestell, die Federung.

„Weiter hinten.“

Sie beugte sich vor und streckte ihre Finger aus, bis sie einen Plastikbeutel ertastete. Sie zog ihn heraus, machte ihn auf und sah auf die Pistole. Es war eine Mini Glock 9 mm, schwarzes Plastik und Metall, mit einem viereckigen Abzugsbügel.

„Wo hast du die bekommen?“, fragte sie.

„Habe ein paar Anrufe gemacht. Es ist ’ne einfache Sache in dieser Stadt, eine Waffe zu kaufen.“

„Ist sie sauber?“ Sie drehte sie in ihrer Hand, warf das Magazin aus, sah die Bleikugeln.

„Das hat man mir zumindest gesagt. Wir entsorgen sie danach sowieso bei der ersten Gelegenheit.“

„Funktioniert sie?“, fragte Crissa.

„Ich habe Probe geschossen“, sagte er. „Sie ist in Ordnung.“

Sie schob das Magazin in den Griff zurück, bis es einrastete. „Hast du dir auch eine besorgt?“

„Lieber auf Nummer sicher.“ Er klopfte an seine Hüfte unter der Jacke.

Sie waren jetzt am Stadtrand und fuhren an Industriegebäuden mit zerborstenen Fensterscheiben vorbei, an von Gras überwucherten Parkplätzen. Sie schob die Glock unter ihr Jackett, zwängte sie hinten am Rücken in den Gürtel. Es fühlte sich richtig an.

Den Rest des Weges fuhren sie schweigend. Als sie den Block der leeren Häuser erreichten, wurde er langsamer und spähte im Rückspiegel nach Scheinwerfern, die ihnen folgten. Aber die Straße war leer, so weit zurück sie nur sehen konnten. Er bog in die Einfahrt.

Neben dem Lexus stand jetzt ein anderes Fahrzeug, eine graue Plane bedeckte es. Nur die Reifen waren zu sehen.

„Hier ist dein Lieferwagen“, sagte er.

Er parkte daneben. Sie stiegen aus, und sie nahm ihre Taschenlampe aus der Jackentasche, schaltete sie ein und hob eine Ecke der Plane hoch. Unter ihr war ein weißer Lieferwagen. Auf dem Magnetschild an der Fahrertür stand EAST SIDE INSTALLATIONEN.

„Was denkst du?“, fragte er.

„Sieht gut aus. Hoffen wir, dass er fährt.“

Sie gingen ins Haus. Cordell und Glass waren im Wohnzimmer, Cordell lehnte an einer Wand. Glass saß auf einem der Klappstühle, die Karte ausgebreitet, eine Leuchte herangezogen. Kein Bier dieses Mal. Auf der Couch ausgebreitet lagen vier dunkelblaue Kevlarwesten mit Klettverschluss. Eine schwarze Ausrüstungstasche war weit genug geöffnet, um dunkel glänzendes Metall darin zu zeigen.

Glass sah auf, als sie hereinkamen.

„Du siehst zufrieden aus“, sagte sie.

„Bin ich.“ Er deutete auf ein rotes X auf der Karte. „Cordell hat es geschafft. Wir haben es.“

Sie sah zu Cordell hinüber. Er nickte zurück.

„Gut zu hören“, sagte Larry.

„Es gibt aber ein Problem“, sagte Glass. „Eine Planänderung.“

„Was?“, fragte Crissa.

„Ein anderer Zeitrahmen.“

„Was heißt das?“

„Sie haben den Übergabetermin geändert“, antwortete Cordell. „Sie tun das manchmal in letzter Minute. Ich habe davon erst vor einer Stunde erfahren.“

„Es ist früher, als wir dachten“, sagte Glass.

Sie sah ihn an. „Wie früh?“

„Morgen.“

„Nicht genug Zeit.“

„Wenn du aussteigen willst, verstehe ich das“, sagte Glass. „Aber ich denke, wir können das durchziehen.“ Sie sah Larry an. Er schüttelte den Kopf.

Sie wandte sich wieder Glass zu. „Nicht gut.“

„Es ist nicht so, wie wir gedacht haben“, sagte Glass. „Aber es kann immer noch funktionieren. Hör mir wenigstens zu. Wir haben alles, was wir brauchen. Wir müssen nur den Zeitplan ein wenig aktualisieren.“

„Er hat recht“, sagte Cordell. „Sonst hat sich nichts geändert. Ich habe läuten hören, dass es dieses Mal fünfhundertfünfzig Riesen sind. Ehrlich.“

Sie sah wieder zu Larry hinüber. Der zuckte mit den Achseln.

Nach einer Weile nahm sie einen der Klappstühle und zog ihn an den Tisch heran.

„Ihr habt fünf Minuten“, sagte sie. „Überzeugt mich.“

* * *

Sie waren in einem Vorort nördlich der Stadt, standen am Bordstein einer Anliegerstraße, Licht und Motor ausgeschaltet. Es war fast Mitternacht und beiden war kalt. Larry hatte den Motor eine Weile laufen lassen, aber sie befürchtete, dass die Abgaswolken in der kühlen Luft zu sehen wären, also hatte er ihn wieder ausgeschaltet. Sie waren jetzt beinahe zwei Stunden hier.

„In solchen Momenten wünsche ich mir, dass ich noch rauchen würde“, sagte er. „Damit wenigstens meine Hände was zu tun hätten.“

Einen halben Block entfernt war ein dunkelroter Chevy Silverado 4x4 Pick-up in der Auffahrt eines zweistöckigen Hauses geparkt. Es war eine Mittelklassegegend. Gut gepflegte Gärten, Garagen. Eine Welt entfernt von dem Ort, den Cordell gefunden hatte.

Nachdem sie das Haus verlassen hatten, waren sie in die Vororte gefahren, hatten vor Restaurants und auf Kinoparkplätzen geschaut, bis sie fanden, was sie suchten: einen großen Pick-up mit einer robusten Stoßstange. Sie hatten ihn eine Stunde im Blick, ehe eine Schar Leute aus dem Kino gekommen war und ein Mann und eine Frau in dem Silverado weggefahren waren. Sie waren ihnen hierher gefolgt und lagen seitdem auf der Lauer. Vor einer halben Stunde waren die Lichter im ersten Stockwerk ausgegangen. Nur noch zwei helle Fenster oben blieben übrig. Davon fiel ein Lichtfleck auf das Dach des Pick-up.

„Was ist, wenn es einen Alarm gibt?“, fragte Larry.

„Darauf muss ich es ankommen lassen und versuchen, ihn so schnell wie möglich auszuschalten.“

„Verwende nicht zu viel Zeit dafür. Wenn unten die Lichter angehen, dann komm schnell zurück. Irgendwo finden wir etwas Anderes.“

„Uns rennt die Zeit davon. Ich will nicht wieder anfangen, nach etwas anderem zu suchen.“

Sie bewegte sich in ihrem Sitz, die Glock war kalt an ihrem Rücken.

„Du bist also mit allem einverstanden?“, fragte er. „Ich bin überrascht.“

„Charlie hat recht. Der grundsätzliche Plan ist immer noch solide. Ein Tag mehr zur Vorbereitung wäre besser, aber man spielt das Blatt, das man bekommt.“

„Was ist mit Waynes fünf Ps? Proper Planning …“

„… Prevents Poor Performance. Gute Planung schützt vor schlechter Ausführung. Du hast ein gutes Gedächtnis.“

„Schwierig, das zu vergessen.“

„Er hatte recht. Aber dieses Mal haben wir diesen Luxus nicht, denke ich.“

Das Licht in einem der oberen Fenster erlosch. Sie griff unter den Sitz, holte den Lederbeutel heraus, den Glass ihr gegeben hatte und zog die Kordel auf. Darin befanden sich ein aufklappbarer Dietrich, ein Schlitzschraubendreher, eine Abklemmzange und vier Längen Kabel mit je einer Alligatorklemme am Ende.

„Früher habe ich gewusst, wie man das damit macht“, sagte er. „Aber diese neuen Autos, vergiss es. Ich wüsste nicht, wo ich anfangen sollte.“

„Gleiches Prinzip.“

„Mag sein. Aber ich bin ein altes Schlachtross. Ich kann nicht schlauer arbeiten, nur härter.“

„So alt nun auch nicht. Du hast noch ein paar Jährchen.“

Sie holte die Glock aus ihrem Gürtel, beugte sich vor und steckte sie unter den Sitz. Wenn sie im Silverado angehalten würde, wollte sie die nicht bei sich haben.

Das letzte Fenster wurde dunkel. Die einzige Lichtquelle war jetzt das einen halben Block entfernte Straßenlicht.

„Wie lange sollten wir warten?“, fragte er.

Sie schob ihren Handschuh zurück, um auf die Uhr zu sehen. „Halbe Stunde, mindestens. Lass sie einschlafen. Und wir schauen, ob eines dieser Fenster wieder hell wird.“

Sie bewegte ihre Finger, lockerte die Muskeln. Es war lange her, seit sie ein Fahrzeug gestohlen hatte. Wenn sie es versaute und erwischt wurde, wäre alles vorbei. Die ganze Sache beendet, noch bevor sie begonnen hatte. Sie ging den Inhalt des Beutels durch, machte sich mit den Werkzeugen vertraut, damit sie reibungslos arbeiten konnte und keine Zeit verlor, sobald sie im Silverado saß.

„In letzter Zeit habe ich über mein Gangsterleben nachgedacht“, sagte er. „Entscheidungen, die ich getroffen habe. Dinge, die ich aufgegeben habe. Habe mich gefragt, ob es das wert war.“

„Du könntest dir immer noch eine ehrliche Arbeit besorgen.“

„Dieser Zug ist schon lange abgefahren.“

„Dann hast du nicht viel Auswahl, oder?“

„Ich weiß nicht. In letzter Zeit scheint es, als wäre die Arbeit härter und das Geld weniger geworden. Es ist, wie sie sagen: Du kannst dir einen Ast verdienen in diesem Geschäft, aber zum Sitzen reicht es nicht.“

Als die halbe Stunde vorbei war, sagte sie: „Wir sehen uns im Haus“, und öffnete die Tür.

Sie ging über die Straße, den Beutel unter dem Arm, und bekämpfte den Drang, schneller zu gehen. Jetzt war sie in der Auffahrt. Kein Weg mehr zurück. Sie sah zu den dunklen Fenstern hoch, dann holte sie den Dietrich heraus und klappte ihn auf.

Wie erwartet, war die Fahrertür abgeschlossen. Der Türheber fuhr geschmeidig zwischen den Fenstergummi und die Scheibe.

Schon beim ersten Versuch fand sie den Verriegelungshebel, zog ihn hoch, und die Tür ging auf. Am Armaturenbrett blinkte ein rotes Licht. Sie glitt auf den Fahrersitz, machte sich mit dem Schraubendreher zu schaffen und löste gerade die Plastikverkleidung vom Lenkrad ab, als der Alarm anging. Es war ein etwas grobmotorisches Arbeiten mit den Handschuhen, aber sie fand die richtigen Drähte, benutzte die Alligatorklemmen. Der Alarm verstummte.

Die Zündung hatte keine Sicherung, sodass sie die Abklemmzange nicht brauchte. Der Schraubendreher reichte. Sie drückte ihn in den Zündschlitz, drehte ihn um. In der Lenksäule krachte es, der Motor sprang an. Sie sah zu den Fenstern hoch. Immer noch dunkel.

Sie fuhr rückwärts aus der Einfahrt, holperte auf die Straße, schlug die Räder ein und gab Gas. Larry ließ den Motor von seinem Wagen an, fuhr hinter ihr her, hielt einen gewissen Abstand. Sie würde den Pick-up stehen lassen, wenn sie angehalten würde, und wegrennen, und er würde später zurückkommen und versuchen, sie wiederzufinden. Es war kein großer Plan, aber es war alles, was sie hatten.

An der nächsten Kreuzung schaltete sie die Scheinwerfer ein. Der Motor lief ruhig. Sie kam an eine rote Ampel, setzte den Blinker, wartete. Sie sah in den Rückspiegel, war auf Blaulicht gefasst, auf Polizeifahrzeuge. Alles was sie sah, war Larrys Mietwagen, der hinter ihr hielt.

Als die Ampel auf Grün wechselte, atmete sie tief aus, bog ab. Einen Block weiter, als das Zittern in ihren Händen nachgelassen hatte, stellte sie das Radio an. Smooth Jazz kam aus den Lautsprechern. Sie folgte den Schildern zur Route 75, fuhr Richtung Süden. Sie würden den Pick-up heute Nacht in der Garage verstecken und letzte Vorbereitungen treffen. Ein paar Stunden, um zu schlafen, und dann die Arbeit. Und morgen Nacht um diese Zeit war alles vorbei. So oder so.

5

Bei Tagesanbruch war sie wach. Durch den Spalt im Vorhang kam diffuses Licht. Sie hatte wenig Schlaf gehabt, ein halbes Dutzend Mal war sie während der Nacht aufgewacht. Auf zu sein und sich zu bewegen, sich vorzubereiten, das fühlte sich besser an.

Die Anspannung hatte sich schon in ihrem Magen eingenistet, und sie wusste, sie würde nichts essen können. Sie duschte und zog sich an, benutzte den Wasserkocher im Badezimmer, um sich einen Kaffee zu brühen, schüttete drei Päckchen Zucker hinein. Sie nahm ihn mit ans Fenster, öffnete die Vorhänge. Es regnete wieder, Tropfen schlugen gegen das Glas. Das würde sie einkalkulieren müssen.

Sie packte ihre Sachen, überprüfte dann die Mini Glock, wickelte zwei dicke Gummibänder um den Griff. Das würde verhindern, dass ihr die Pistole aus der Hand rutschte oder dass sie ihr zu tief unter den Gürtel glitt. Sie würde die Waffe zerlegen und die Teile verstreuen, bevor sie Detroit verließ. Es war zu riskant, damit zu reisen. Sie wollte einen Nachtbus nach Toledo nehmen, dann einen Amtrak-Zug nach Buffalo, von dort aus ein Auto mieten und die acht Stunden zurück nach New Jersey fahren.

Sie ging wieder ans Fenster, schaute in den Regen hinaus und war bei ihrer zweiten Tasse, als das Handy auf dem Nachttisch zu summen begann. Sie sah auf das Display: Larrys Nummer. Es summte zweimal, hörte dann auf. Das war ihr Signal. Er wartete auf dem Parkplatz, war bereit.

Sie schob sich die Glock in den Hosenbund und zog ihre Lederjacke an. An der Tür sah sie sich noch einmal in ihrem Zimmer um und überlegte, ob sie etwas vergessen hatte. Ihr Koffer war gepackt und bereit, stand neben dem Bett. Neben der zerknitterten Bettdecke war das das einzige Zeichen, dass jemand hier gewesen war.

Sie machten sich im Wohnzimmer fertig, die Lampen brannten. Das Haus war kalt, sie spürte die Feuchtigkeit in ihren Gliedern. Von der Küchendecke tropfte es beständig, auf dem Linoleumboden stand eine Pfütze.

Sie zog sich die Schutzweste über ihr T-Shirt, schloss die Klettverschlüsse, streifte den schwarzen Pullover über und die dunkle Windjacke. Ihre Lederjacke hatte sie in Larrys Kofferraum gelassen.

Sie sah auf ihre Uhr. 12:45. Die Übergabe war für 14:00 Uhr angesetzt, aber sie wussten nicht, wie viel Zeit sie zur Vorbereitung hatten. Sie würden schnell machen müssen.

Charlie Glass gab die Handys und die Ohrstöpsel aus. „Die Nummern sind schon einprogrammiert, Eins bis Vier. Falls wir getrennt werden: Ich bin Eins.“ Er deutete auf Cordell. „Du bist Zwei.“ Dann auf Crissa und zuletzt auf Larry. „Drei und Vier.“

„Kapiert“, sagte sie.

Cordell kämpfte mit seiner Weste. Sie hing schief auf seinem Rücken, die Verschlussstreifen waren falsch zusammengeklettet.

„Halt still“, sagte sie und trat hinter ihn. Sie zog die Klettverschlüsse auf und justierte sie neu, bis die Weste richtig saß.

„Danke“, sagte er. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß.

„Bist du okay?“

„Ein bisschen nervös, denke ich. Sonst nichts.“

„Das ist normal. Geht wieder weg.“

Sie hatte das schon oft gesehen, bei Veteranen wie bei Frischlingen. Aufgeregt zu Beginn, ruhiger dann, wenn die Dinge in Bewegung gerieten. Sobald eine Aufgabe zu erledigen war, sobald es etwas zu tun gab und einen Zeitplan, ging es besser. Aber jetzt, kurz bevor es losging, hatte man Zeit zum Denken. Und das war nie gut.

„Du kennst dich aus mit der Strecke zur Übergabe?“, fragte ihn Glass. „Ich will dich nicht herumirren sehen nach dem Motto ‚Links? Rechts? Wo zur Hölle bin ich?‘“

„Bin bereit“, sagte Cordell.

„Du packst das“, sagte sie. „In ein paar Stunden sind wir alle hier zurück, und alles ist erledigt.“

Die Ausrüstungstasche, die Glass ihr mitgebracht hatte, lag auf der Couch. Sie zog den Reißverschluss auf, sah hinein: zwei olivgrüne M-18-Rauchgranaten mit roten Kappen, eine Mossberg Schrotflinte mit Pistolengriff und Schulterriemen, zwei Munitionsschachteln, eine Straßenkarte, eine Skimaske und ein Mundschutz aus Plastik, noch in der Originalverpackung.

Sie holte die Mossberg heraus, zog den Vorderschaft zurück, um die Funktion zu überprüfen. Der Verschluss arbeitete problemlos. Der Gurt würde es noch einfacher machen, die Waffe auf der Straße einzusetzen.

Sie öffnete die Patronenschachteln und schüttete den Inhalt auf den Tisch – Buckshot- und Jagdschrotpatronen. Sie stemmte die Mossberg gegen ihre Hüfte und schob Munition in den Ladeschacht, bis sie den Druck der Spannfeder spürte.

„Ist es das, was du gewollt hast?“, fragte Glass. Er trug eine Windjacke und lud einen blauschimmernden Revolver.

„Das wird reichen“, sagte sie. Sie pumpte, um eine Patrone hochzuladen, schob eine weitere in den Schacht. Die Reservemunition wanderte in ihre Jackentaschen. „Du stehst immer noch auf diese Trommelrevolver?“

„Sie klemmen nicht. Und man braucht keine Hülsen einsammeln, wenn man schießen muss.“

Sie sicherte ihre Waffe und schob die Pumpgun in das Futteral zurück.

„Du wirst als Erste dort sein“, sagte er. „Ruf mich auf dem Handy an, sobald du in Position bist.“

„Mache ich.“ Sie waren das schon durchgegangen. Sie schaltete ihr Handy ein, überprüfte die Schnellwahl, sah die Nummer, die er einprogrammiert hatte und steckte Handy und Ohrstöpsel in die Ausrüstungstasche.

Cordell saß auf einem der Klappstühle und sah auf den Boden. Er atmete hektisch. Sie sah zu Glass hinüber. Er hatte es auch gesehen.

„Schafft er es?“, fragte Larry. Er setzte gerade ein AR15-Gewehr zusammen.

Cordell hob den Kopf. Er wirkte angeschlagen. „Ich werde fit sein.“

„Besser wäre es“, sagte Glass. „Zeit, erwachsen zu werden, Bruder. Wir alle warten auf dich.“

„Tief atmen“, sagte Crissa. „Ein durch die Nase, aus durch den Mund. Langsam.“

Er stützte seine Hände auf die Knie, sog die Luft ein.

„Langsam“, sagte sie noch einmal.

Er nickte. „Mir geht’s gut.“

„Das wird es dir auch“, sagte sie. „Alles, was du zu tun hast, ist die Karre zu fahren. Alles andere machen wir. Es wird vorbei sein, bevor du es merkst.“

„Wir müssen los“, sagte Larry.

Sie zog ihre Tasche zu, schlang den Gurt über ihre linke Schulter. „Gebt mir lieber zehn Minuten. Wir wollen keinen Konvoi bilden. Wenn es ein Problem gibt …“, sie nickte in Richtung Cordell, „lasst es mich wissen.“

„Da wird keines sein“, sagte Glass.

„Dann sehen wir uns an Ort und Stelle.“

Dieses Mal war es ein VW Jetta, mindestens zehn Jahre alt, der an einer Einbahnstraße vor einer Reihe Lagerhäuser geparkt war. Der Armada stand schon in Position. Einen Block entfernt und auf der anderen Straßenseite. Die Scheibenwischer an, fuhr sie vorbei. Sie wusste, die Männer im Armada würden sie beobachten. Als sie am Jetta vorbeifuhr, sah sie die Detroit-Tigers-Cap auf der Rückablage.

Keine anderen Fahrzeuge unterwegs. Die Lagerhausfenster waren dunkel. Zwei Blocks weiter bog sie nach links ab. Hier gab es verriegelte Geschäfte auf beiden Straßenseiten, Karosseriewerkstätten, Reifengeschäfte. Sie fuhr noch einen Block und bog in eine Liefergasse, die von der Straße her nicht einsehbar war.

Die Wolken hingen jetzt niedriger. Es hatte sich eingeregnet. Sie zog die Tasche auf den Beifahrersitz, holte das Telefon heraus, stöpselte sich ein und drückte die 1.

Als Glass sich meldete, sagte sie: „Ich bin in Position. Sie sind da, wo sie sein sollen. Ein blauer VW, Michigan-Kennzeichen.“

„Gut. Der Armada?“

„Gleiche Aufstellung wie letztes Mal. Einbahnstraße. Sie stehen einen Block weiter, auf der linken Seite.“

„Ist sonst jemand da?“

„Habe nichts gesehen.“

„Ruf an, wenn du dran bist.“

Sie drückte ENDE, atmete ein. Der Silverado tuckerte. Sie hatte den Motor angelassen, wollte nicht das Risiko eingehen, ihn wieder anlassen und mit den Drähten rumfummeln zu müssen. Ihr T-Shirt war schweißnass unter der Schutzweste.

Sie sah in den Rückspiegel. Es war unwahrscheinlich, dass die Männer im Armada Verdacht schöpfen könnten, ihr folgen und den Jetta unbewacht lassen würden. Aber wenn sie es täten, wollte sie nicht eingekesselt sein.