Kalter Schuss ins Herz - Wallace Stroby - E-Book

Kalter Schuss ins Herz E-Book

Wallace Stroby

4,5

Beschreibung

Crissa Stone ist jung, attraktiv und ein knallharter Profi. Ihr Geld macht sie mit Raubzügen. Crissa bekommt einen Job angeboten, bei dem sie mit zwei Komplizen eine Pokerrunde überfallen soll. Eine leichte Nummer, wenig Aufwand, sehr viel Geld. Der Auftrag läuft aus dem Ruder: Plötzlich fällt ein Schuss und einer der Pokerspieler wird getötet. Als sich herausstellt, dass der Tote der Schwiegersohn eines Gangsterbosses ist, wird die Lage für Crissa gefährlich. Der Boss engagiert Eddie den Heiligen, einen skrupellosen Verbrecher und eiskalten Killer, um den Ermordeten zu rächen. Crissa taucht unter, aber Eddie hat sie in der Hand. Er weiß, für wen Crissa ihr Leben riskieren würde. Sie weiß, es gibt nur eine Lösung … Das beste Bad Girl der Kriminal-Literatur "Crissa hat ebenso männliche wie weibliche Leser. Frauen mögen sie, weil sie ein starker Charakter und eben kein Opfer ist. Die männlichen Leser schätzen die Crissa-Romane als gut erzählte, vorwärtstreibende Geschichten." (Wallace Stroby)

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Wallace Stroby · Kalter Schuss ins Herz

Wallace Stroby

KALTER SSHUSS INS HERZ

Aus dem Amerikanischen übersetzt

„Es gibt gar keine moralischen Phänomene, sondern nur eine moralische Ausdeutung von Phänomenen.“

„Jenseits von Gut und Böse“, Friedrich Nietzsche

„Merk dir das bis zu deinem Sterbetag, Kid, das einzige Verbrechen auf der Welt ist es, pleite zu sein.“

Willkommen in der Welt von Crissa Stone

„Kalter Schuss ins Herz“ alias „Cold Shot to the Heart“ begann als mein Versuch, jenen Klassikern der Kriminalliteratur Tribut zu zollen, deren Werke ich in den mich prägenden Jahren so geliebt hatte. Schriftsteller wie Dashiell Hammett, Donald E. Westlake/Richard Stark, Lawrence Block, Dan J. Marlowe, John D. Mac-Donald und andere.

In meinem vorangegangenen Roman „Gone ‚til November“ hatte ich eine Hälfte aus der Sicht eines alternden Auftragskillers aus Newark, New Jersey, geschrieben. In einer Provinzstadt in Florida gerät er mit einem weiblichen Hilfssheriff in einen tödlichen Konflikt, als er sich das Geld aus einem schiefgelaufenen Drogendeal holen will. Sara Cross, die Heldin dieses Romans, war die einzige Frau in einer durchweg männlich besetzten Polizeistation. Ich mochte die Idee einer starken, aber verletzlichen Frau, die sich in einer Männerwelt behauptet.

Meinen vierten Roman wollte ich dann ausschließlich aus der Sicht eines Berufsverbrechers schreiben (wie viele meiner Lieblingsautoren das getan hatten). Daraus wurde eine professionelle Diebin namens Crissa Stone. Sie würde gewissermaßen eine Anti-Sara-Cross sein – deswegen die umgekehrten Initialen –, aber auch sie würde in einem männlichen Umfeld zu überleben versuchen, in diesem Fall in der Welt des Verbrechens.

Diese Entscheidung erlaubte es mir, über eine Hommagehinaus zu etwas Originärerem zu gelangen. Anders als bei den traditionell männlichen einsamen Wölfen, den Protagonisten der Hardboiled-Literatur, wollte ich, dass Crissa Beziehungen hat, dass sie Bündnisse eingeht, dass die Ereignisse ihre Spuren hinterlassen und dass sie nur im äußersten Fall zu Gewalt als Lösung greift.

In „Kalter Schuss ins Herz“ braucht Crissa viel Geld, um ihren Lover und Mentor aus einem texanischen Gefängnis zu holen. Das bringt die eigentlich vorsichtige Crissa dazu, bei einem Job einzusteigen, den sie normalerweise vermeiden würde. Crissa ist seitdem übrigens ganz schön herumgekommen. In ihrem zweiten Buch, „Raub um Mitternacht“ („Kings of Midnight“) gerät sie an einen Mafioso alter Schule, in „Shoot the Woman First“ an einen Detroiter Drogendealer und einen korrupten Cop, im jüngsten Roman, „The Devil’s Share“, an Kunstschätze aus dem Irak und ein Killer-Team von Ex-Soldaten.

Ich hoffe, dass Ihnen dieses erste Abenteuer mit Crissa Stone gefällt (das Alf Mayer so trefflich und lakonisch übersetzt hat), und dass Sie mit ihr auf der Reise bleiben.

Crissa ist etwas ganz Besonderes. So viel Geld, das es zu stehlen gilt, und so wenig Zeit …

Wallace Stroby

1

Drei Minuten nachdem sie durch den Haupteingang gekommen war, hatte Crissa den Manager und die zwei Angestellten mit den Gesichtern auf dem Boden, die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt.

Sie nahm ihnen ihre Waffen ab – stupsnäsige Revolver in Gürtelholstern – und warf sie in den Abfalleimer an der Wand. Alle drei hatten sie offen getragen, aber nicht versucht, an sie heranzukommen. Sie hatte die Glock in der Hand gehabt, war schnell um den Schalter herum, hatte auf den Boden gedeutet. Ohne Protest waren sie auf die Knie gegangen, die Hände hinter dem Kopf. Sie wussten, wie so etwas lief. Ihr Leben war ihnen mehr wert als das Geld.

Sie steckte die Glock weg, ging zurück und sperrte den Eingang zu. Regen schlug schräg aus dem grauen Himmel, lief das verspiegelte Fenster hinunter. Erst 16:00 Uhr, aber schon beinahe Nacht. Sie hatten das Neonschild angemacht.

SCHECKWECHSEL BARGELD ÜBERWEISUNGEN ZAHLTAGKREDITE. Sie betätigte einen Wandschalter und das Schild summte, wurde dunkel. Sie drehte das altmodische Türschild auf GESCHLOSSEN.

Die Männer hatten sich nicht gerührt, als sie zurück hinter den Tresen kam. Alle drei waren sie Latinos, seiner älter und grauer. Der Manager. Sie lagen still, warteten darauf, dass es vorbei war.

Sie ging ins Hinterzimmer – Tisch, Archivschränke, ein großer grüner Honeywell-Safe. Die Safetür stand offen, wie erwartet. Die Bürobeleuchtung ging aus, der Computer auf dem Tisch summte und starb.

Sie lauschte an der eisernen Feuertür, hörte draußen in der Straße das Geräusch eines Autos. Zwei Mal schlug sie mit behandschuhten Knöcheln an die Tür. Nach einer Weile kam ein einzelnes Antwortklopfen zurück. Sie legte ihre Hand auf den Alarmriegel, hielt inne. Wenn die Hintertür mit einem eigenen Unterbrecher verbunden war – einem, den sie nicht gefunden hatten –, gab es Probleme.

Sie atmete durch und drückte auf den Riegel. Das Schloss klickte, die Tür schwang auf. Charlie Glass türmte sich im Regen auf, in einem grauen Trenchcoat wie dem ihren, die Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen. Sie trat beiseite, um ihn einzulassen, sah den Toyota-Geländewagen in der Straße, die Scheibenwischer eingeschaltet, die Ladetür offen, Smitty am Lenkrad.

Glass kniete vor dem Safe, wortlos, nahm eine Leinentasche aus seinem Mantel und schlug sie auf.

Sie ging nach vorn, wo die Männer lagen. Einer der Angestellten hob den Kopf vom Boden, um sie anzuschauen. Der Manager zischte ihn an.

„Silencio“, sagte sie. „No se mueva.“

Sie ging zum Fenster, schaute hinaus. Der Regen prasselte heftig, stob vom Gehsteig hoch. Niemand da draußen unterwegs. Autos rasten vorbei, die Scheinwerfer an.

Ein kurzer Pfiff von hinten. Sie sagte „Relájese. Es casi sobre“zu den Männern auf dem Boden und ging wieder ins Hinterzimmer.

Die Tasche lag geöffnet auf dem Tisch, halb mit Geldbündeln gefüllt. Glass war dabei, den DVD-Rekorder auf dem Regal mit dem Schraubenzieher zu öffnen. Er wurde von drei Überwachungskameras gespeist, zwei vorne, die andere hier hinten. Sie schaute sich um, sah den zweiten Rekorder auf einem anderen Regal, in der entgegengesetzten Ecke, nahe überm Boden. Er war ihr beim ersten Mal entgangen.

„Reserve“, deutete sie. Er nickte, nahm die Scheibe aus dem geöffneten Schacht. Während er sich an den zweiten machte, begann sie, die Schubladen zu öffnen. Die dritte war voll silberner DVDs in schmalen Plastikhüllen, mit schwarzem Stift datiert.

„Hab sie“, sagte sie. Sie war vor einer Woche in diesem Laden gewesen, würde auf dem entsprechenden Überwachungsvideo zu sehen sein. Sie nahm alle an sich, um sicher zu sein, warf sie in die Tasche, über das Geld. Er steckte die anderen beiden Disks dazu, zog sie zu, warf sie sich über die Schulter.

Hinaus in den Regen. Glass verstaute die Tasche hinten im SUV, stieg dazu und zog die Kofferraumtür hinter sich zu. Sie ging um das Fahrzeug herum zur Beifahrertür, stieg ein. Smitty fuhr los, ohne ein Wort zu sagen. Am Ende der Straße schaltete er die Scheinwerfer ein, bog nach links in die Straße ab.

„Irgendwelche Probleme?“

„Nein.“ Sie nahm die lange dunkle Perücke ab, legte sie sorgfältig zusammen, steckte sie in den schwarzen Müllsack zu ihren Füßen. Sie klappte den Sonnenschutz herunter, schaute in den Spiegel, fuhr sich durch ihr kurzgeschnittenes Haar, wo die Perücke es glatt gedrückt hatte.

Sie waren auf einer befahrenen Straße, früher Stoßverkehr, durch den Regen etwas verlangsamt. Smitty hielt an einer roten Ampel, sie saßen da, das Klicken der Scheibenwischer der einzige Laut. Er begann mit kurzen behandschuhten Fingern aufs Lenkrad zu klopfen, sah zur Ampel hoch. Er war Mechaniker, hatte den Geländewagen am Vortag auf dem Langzeitparkplatz am Flughafen gestohlen. Der Diebstahl war vermutlich bis jetzt noch nicht entdeckt worden, aber sie war sich des Risikos bewusst, dieses Fenster an Blöße, bis sie sich wieder in Sicherheit befanden.

Sie schaute nach hinten. Glass lag unter einer Decke, die Tasche ebenfalls außer Sicht. Er war schwarz, glatzköpfig und über einsneunzig groß, schwer zu übersehen. Er würde außer Sicht bleiben, bis sie die Stadt hinter sich hatten.

„Alles klar?“, fragte sie.

„Yoh.“

„Dauert noch ein wenig.“

Als die Ampel umsprang, fuhren sie einen Block weit, bogen dann zur großen gelben Brücke ein, die den Monongahela überspannte. Ein Frachtkahn tuckerte tief unter ihnen, Schaum sprudelte hinter ihm her. Regen fegte über die Wasseroberfläche.

Sie ließ ihr Seitenfenster halb hinunter, fühlte den nassen Wind auf ihrem Gesicht, nahm ihren ersten tiefen Atemzug, seit sie den Laden betreten hatte. Sie ließ ihn langsam wieder heraus, schloss ihre Augen, zwang ihren Herzschlag langsamer zu werden.

„Mann, muss ich pissen“, sagte Smitty.

Als sie ihre Augen nach einer Weile öffnete, waren sie in den Hügeln, Bäume auf beiden Seiten der Straße. Sie bewegte ihren Nacken, um die Steife loszuwerden, stellte die Lüftung so ein, dass die Wärme direkt auf ihre Füße blies.

„Ich meine, richtig pissen“, sagte Smitty.

Fünf Minuten später bogen sie zur Tankstelle ein, hielten an der zerplatzten Betoninsel, wo einst die Zapfsäulen gestanden hatten. Sie stieg aus, der Wind zerrte an ihr. Sie ging zu den geschlossenen Rolltoren, griff an dem rechtsseitigen Tor nach unten, zog es bis zu ihrer Brust hoch und duckte sich darunter.

Innen war alles, wie sie es verlassen hatten. Ihr gemieteter Taurus und der Acura von Glass standen nebeneinander in der anderen Bucht, Nasen in Richtung Ausfahrt. Sie schob das Tor ganz hoch, trat zur Seite, als Smitty einfuhr. Während er den Motor abstellte, griff sie die Halterung und nutzte ihr Gewicht, um das Tor zuzuziehen.

Smitty ließ die Scheinwerfer an, stieg aus. Er hatte diesen Platz gefunden, die Tankstelle war seit Jahren verlassen, Hubbühnen und Lifte verschwunden, nur rostige Teile und alte Reifen zurückgeblieben. Sie öffnete die hintere Tür, Glass stieg aus, die Tasche dabei. Smitty ging an die hinterste Wand, öffnete seine Hose und begann, laut gegen den Beton zu urinieren.

Glass hob die Tasche auf den Kühler.

„Lasst uns reinschauen“, sagte sie.

Er räumte die DVDs beiseite und sie zählten das Geld, teilten es auf, schichteten die Bündel auf dem noch warmen Kühler auf. Smitty kam zurück, zog sich die Hose zu.

„Vierundneunzigfünf “, sagte sie, als sie fertig waren.

„Ich hab dasselbe“, sagte Glass. „Scheiße.“

„Vierundneunzig?“, fragte Smitty. „Bist du sicher? Ich dachte, wir reden von knapp dreihundert?“

„So wurde es mir gesagt“, meinte Glass. „Keine Ahnung, was da passiert ist.“

Crissa sah auf das Geld. Einunddreißigfünf pro Anteil. Kaum die Arbeit wert. Kein Wunder, dass sie es so leicht hergegeben hatten.

„Ich habe schon geahnt, dass es keine dreihundert sind, als ich es aus dem Safe zog“, sagte Glass, „wollte aber nichts sagen, bis wir es gezählt hatten. Sie müssen in der Nacht davor was von dem Geld weggeschafft haben.“

„Oder sie hatten irgendwo noch einen anderen Safe“, sagte sie, „und wir haben ihn übersehen.“

„Verdammt“, sagte Smitty.

„Ein Freitag“, meinte Glass. „Sie hätten im Geld schwimmen müssen. Ich muss meinen Typen kontaktieren, herausfinden, was da passiert ist.“

„Spar es dir“, sagte sie. „Wir gehen nicht zurück.“

„Verdammt“, sagte Smitty wieder.

„Vergiss es“, sagte sie. „Lass uns aufbrechen.“

Sie zerlegte die Glock, warf die Teile in ein offenes Altölfass, das an der Wand stand, schaute zu, wie sie versanken. Es war die einzige Waffe, die jemand von ihnen dabei gehabt hatte.

Glass war dabei, das Geld in drei Stapel zu teilen, hatte Gummibänder für die losen Scheine parat. Sie öffnete den Kofferraum des Taurus, nahm eine Reisetasche heraus. Glass hatte seinen eigenen Koffer aus dem Acura geholt und öffnete ihn auf dem Boden. Er begann ihn mit dem Geld zu füllen. Smitty studierte immer noch seinen Anteil auf dem Kühler.

„Zähle es, so oft du willst“, sagte sie, „es wird nicht mehr. Läuft manchmal so. Nichts dabei.“

Sie verstaute ihren Anteil in der Reisetasche, zog sie zu, trug sie zum Taurus zurück, wo sie neben einem anderen Koffer Platz fand. Gefaltet daneben lag ihre Lederjacke. Sie zog den Trenchcoat aus, legte ihn ab, zog das Leder an und schloss den Deckel.

„Es lief nicht, wie wir es geplant hatten“, sagte sie, „aber es war gute Arbeit. Von euch beiden.“

Smitty steckte sein Geld in einen Leinensportsack. Glass verstaute seinen Koffer im Acura.

„Das lief schief “, sagte er, „und das geht auf mich. Aber es ist kein schlechtes Ding, das wir da laufen haben.“

Sie schaute ihn an.

„Du, wie du vorne reingehst, unschuldig und alles“, meinte er. „Alles ist unter Kontrolle, bevor die noch wissen, was da passiert. Wenn du in der Gegend bleibst, können wir einiges an Arbeit tun.“

Sie schüttelte ihren Kopf.

„Du brichst da eine gute Strähne ab“, sagte er.

„Ein anderes Mal.“

Sie fand einen rostigen Bremsschuh, holte die Tüte mit der Perücke. Stopfte den Bremsschuh hinein, knotete die Tüte zu und versenkte sie im Altöl.

„Ich nehme die Disks mit“, sagte Glass, „verbrenne sie.“

„Gut.“

Wind schlug gegen die Rolltore. Smitty hatte den Sportsack hinter einen leeren Werkzeugschrank gezwängt und stapelte Reifen dagegen. Er würde den SUV irgendwo in der Stadt stehen lassen, Schlüssel im Zündschloss, und dann für das Geld zurückkommen. Er vertraute ihnen genug, um es vor ihren Augen zu verstecken. Er und Glass waren Hiesige. Wenn einer vom anderen stahl, würde das früher oder später geregelt werden. Ihre Welt war zu klein.

„Ich denke, das war’s“, sagte sie. „Wir sehen uns irgendwo.“

Glass ging zum anderen Rolltor, entriegelte es, begann es hochzuziehen. Sie stieg in den Taurus, ließ ihn an. Als die Tür hochging, erwartete sie Polizeiautos zu sehen, Blaulichter, Männer mit Waffen.

Der Hof war leer. Bäume bogen sich im Wind.

Als sie hinausfuhr, trat er beiseite. Sie stellte Wischer und Scheinwerfer an, steuerte aus dem Hof und auf die Straße.

Zwei Meilen weiter bog sie auf einen Lkw-Rastplatz gegenüber der Interstate-Auffahrt, hielt neben einem grünen Müllcontainer. Sie entriegelte den Kofferraum und stieg aus, der Regen prasselte im grauen Zwielicht. Sie knüllte den Trenchcoat zusammen, warf ihn durch den offenen Müllschlitz, setzte sich wieder hinter das Lenkrad. Dann fuhr sie vom Parkplatz ab, quer über die Straße, zur Auffahrt, fuhr nach Osten.

Eine halbe Stunde außerhalb von Pittsburgh verwandelte der Regen sich in Schnee. Sie war jetzt in den Bergen, auf kurvigen Straßen, die durch trockene Tunnel führten und dann wieder hinaus ins Wetter. Auch der Wind wurde schlimmer. Zwei Mal fühlte sie den Taurus auf dem nassen Asphalt abschmieren. Der Schnee kam fast horizontal, schon so viel auf der Straße, dass sie die Mittellinie nicht mehr sehen konnte. Zu ihrer Linken eine hohe Felswand, zu ihrer Rechten eine niedrige Leitplanke und ein langer Weg hinunter zu den Bäumen.

Die Wischer arbeiteten, das Eis verkrustete die Blätter. Ihre Finger schlossen sich fester ums Lenkrad. Sie hatte von dem aufziehenden Sturm gewusst, hatte ihm zu entkommen gehofft, wollte aus den Bergen heraus sein, bevor es ernst wurde. Jetzt, mit Schnee auf der Straße und sechs Stunden Fahrt vor ihr, konnte sie spüren, wie die Spannung in Rücken und Nacken zunahm.

Aus einem Tunnel heraus in einer Geraden bergab, brach das Heck des Taurus hinten nach links aus, rutschte auf die Gegenfahrbahn. Sie lenkte gegen, bremste und beschleunigte erneut, bis der Wagen wieder in der Spur war. Langsam stieß sie ihren Atem aus, ihre Hände feucht in den Handschuhen.

Die Windschutzscheibe beschlug, deshalb stellte sie die Klimaanlage auf HOCH. Die Scheiben wurden frei. Kein Gegenverkehr seit mehr als fünf Minuten. Der Sturm hielt sie alle zu Hause.

Sie fühlte, wie der Wind gegen den Wagen drückte, wie die Räder wieder rutschten. Vor ihr legte sich die Straße in eine Kurve und ein weiterer Tunnel öffnete sich. Beleuchtung drinnen, gekachelte Wände. Ihre Anspannung ließ nach, als sie fühlte, dass die Reifen auf dem trockenen Belag griffen. Der Tunnel schien ewig lang zu sein. Auf der anderen Seite war es dunkel wie die Nacht, in den Lichtkegeln wirbelte Schnee.

Die Tachonadel hing bei fünfunddreißig, als sie den Aussichtspunkt passierte und das braun-weiße Polizeiauto sah, das dort parkte. Sie ging auf dreißig herunter, sah in den Rückspiegel, sah den Wagen herausziehen, der Lichtbalken an.

Sie beobachtete ihn, wie er näher kam, warte darauf, dass er ausscherte und vorbeifuhr. Er hing im Rückspiegel, bemalte den Innenraum des Taurus rot, blau und gelb. Dann kurz die Sirene. Sie blinkte, bremste und fuhr an den Straßenrand, fühlte den Schnee unter den Reifen knirschen.

Der Wagen fuhr schräg an sie heran. Zwei Gestalten drin. Sie dachte an das Geld im Kofferraum. Nichts zu machen. Keine Fluchtmöglichkeit.

Sie machte ihr Warnlicht an, legte beide Hände oben auf das Lenkrad.

Sie ließen sie warten, während sie das Kennzeichen überprüften. Sie sah ihnen im Rückspiegel zu, der Fahrer an seinem Sprechgerät. Wind rüttelte am Taurus. Dann öffneten beide ihre Türen, stiegen aus – gelbe Regenjacken. Smokey-der-Bär-Hüte mit Plastikschutz. Staatspolizei. Sie sah sie näher kommen, jeder auf seiner Seite, die Köpfe gegen den Wind gesenkt. Der Fahrer hatte seine Jacke geöffnet. Seine Hand lag auf der gehalfterten Waffe.

Als er ihr Fenster erreichte, machte er eine rollende Bewegung mit seiner linken Hand. Der zweite Trooper stöberte mit dem Strahl seiner Taschenlampe auf dem Rücksitz.

Sie ließ ihre Seitenscheibe herunter. Der Polizist war jung, gedrungener Hals, die schusssichere Weste beulte sein Uniformhemd aus.

„Führerschein, Zulassung und Versicherungsschein bitte.“

„Es ist ein Mietwagen“, sagte sie. „Moment, ich hab den Vertrag.“

Sie löste ihren Gurt, knipste das Innenlicht an, lehnte sich über den Sitz, öffnete das Handschuhfach. Der Strahl der Taschenlampe wanderte über den Beifahrersitz, verharrte auf ihr. Sie holte den gelben Vertrag heraus, griff dann in eine Manteltasche wegen ihrer Brieftasche. Der Fahrer trat einen Schritt zurück, die Hand an der Waffe.

Sie kramte in ihrer Geldbörse, zog den beschichteten Connecticut-Führerschein heraus, der bekundete, dass ihr Name Roberta Summersfield sei, der gleiche Name wie auf dem Mietvertrag.

Ohne ein Wort zu sagen, nahm er Führerschein und Vertrag, schaute kurz darauf, ging zum Einsatzwagen zurück. Der andere Polizist umkreiste den Taurus, leuchtete mit der Taschenlampe die Karosserie entlang.

Sie legte ihre Hände flach aufs Lenkrad, damit sie nicht zitterten. Im Rückspiegel konnte sie den Fahrer sehen, wieder am Mikrofon. Der andere Polizist beobachtete sie durch die Windschutzscheibe. Ausdruckslos. Schnee trieb durch das offene Fenster, hing an der Innenseite der Tür, am Kragen ihrer Jacke. Schmolz.

Der Fahrer stieg wieder aus, kam an ihr Fenster, Führerschein und Mietvertrag in seiner linken Hand, die Rechte an seiner Waffe.

„Wohin soll es gehen, Ma’am?“

„Nach Hause. Waterbury.“

„Wo kommen Sie her?“

„Pittsburgh. Dienstreise.“

Er nickte, gab ihr die Dokumente zurück, schaute zum anderen. Er knipste die Taschenlampe aus, schüttelte seinen Kopf.

„Wir hatten eine Fahrerflucht auf dieser Straße“, sagte der Fahrer. „Wir überprüfen alle Fahrzeuge, auf die die Beschreibung passt.“

Sie steckte den Führerschein zurück.

„Sie aber haben größere Probleme“, sagte er.

Sie schaute ihn an. Der andere Trooper hatte sich nicht bewegt.

„Welche denn?“, fragte sie.

„Es wird fast die ganze Nacht schneien, an die fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter. Wir werden einige Straßen sperren. Mit einem so weiten Weg wie Sie ihn haben, empfehle ich Ihnen dringend, an der nächsten Ausfahrt abzufahren – das wird Salisbury sein – und ein Motel zu nehmen. Bis zum Morgen sollten die Straßen wieder frei sein.“

„Danke, das werde ich tun“, sagte sie. Sie legte den Vertrag ins Handschuhfach zurück, klappte es zu, atmete wieder. „Ich bin eh ein wenig nervös geworden, hier draußen.“

„Halbe Meile, auf Ihrer Rechten. Es ist eine abschüssige Ausfahrt, seien Sie vorsichtig. Gute Nacht dann.“ Er berührte seine Mütze.

„Werde ich haben“, sagte sie.

Sie sah sie zum Streifenwagen zurückgehen, einsteigen. Sie wendeten, das Blaulicht immer noch an, fuhren in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Sie beobachtete die Lichter, bis sie aus dem Rückspiegel verschwanden.

Als sie sich wieder fahrtüchtig fühlte, ließ sie die Scheibe hoch, steuerte auf die Straße zurück und fuhr in den Sturm.

2

Das Motel war ein Days Inn direkt am Highway, der Parkplatz fast voll. Schnee trieb an den Lichtmasten vorbei. Sie checkte als Roberta Summersfield ein, benutzte die auf diesen Namen ausgestellte Kreditkarte.

Das Zimmer lag im ersten Stock. Sie trug ihre Taschen hoch und war zwei Minuten später in der Dusche, ihre Kleidungsstücke auf dem Badezimmerboden verstreut. Das Wasser wurde schnell heiß. Sie duckte sich unter den Duschkopf, um den Wasserstrahl auf ihre angespannten Nackenmuskeln prasseln zu lassen. Die Hitze begann allmählich ihre Schultern zu lockern, die Anspannung in ihrer Kopfhaut.

Als sie fertig war, trocknete sie sich ab, zog Rollkragenpullover und Jeans an. Die Tasche mit dem Geld stellte sie oben in den Schrank.

Zwanzig Minuten später saß sie an der Hotelbar, ein Glas Rotwein und die Reste eines Hamburgers vor sich. Es war ihr erstes Essen seit dem Morgen.

An einem Tisch zu ihrer Linken saßen drei Geschäftsleute in den Vierzigern – Anzugjacken, Krawatten gelockert, sie alle übergewichtig. Sie sahen immer wieder zu ihr her, und sie wusste, dass sie Thema am Tisch war. Sie wusste auch, dass keiner von ihnen den Mut aufbringen würde, sie anzusprechen. Das würde ihr den Aufwand ersparen, sie abblitzen zu lassen falls sie es täten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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