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Eine Spionin, die keine mehr ist. Vier Männer, die ihre Geheimnisse infrage stellen. Und Herausforderungen, die über Leben und Tod entscheiden. Meine Tarnung ist aufgefallen – kein Sicherheitsnetz mehr, kein Schutz, keine Chance. Und mehr noch: Ich habe den Fluch der Dubh Liath auf mich gezogen und bin jetzt Freiwild für ihre nicht selten unorthodoxen Methoden. Jetzt mehren sich die Fragen, verdichten sich die Geheimnisse und kommen Dinge ans Licht, die besser im Verborgenen geblieben wären – Verrat, Verleumdungen, perfide Spielchen und … düstere Gefühle. CRUEL KNIGHTS ist Buch 4 von MAFIA AFFAIRS, einer Why-Choose-Reihe, bei der die Protagonistin unter mehreren Verehrern NICHT wählen wird, und die mit einem Happy End enden wird.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
MAFIA AFFAIRS
BUCH 4
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2024 RebelYou Publishing
Ariana Lambert, Sandy View, Seamount, Courtown, Ireland
Lektorat: Marion Mergen
www.korrekt-getippt.de
Korrektorat: Ariana Lambert
Cover: HollandDesign
Kapitelzierden: Melanie Strohmaier
www.belladonnasdream.com
Erstellt mit Vellum
CRUEL KNIGHTS
* * *
Eine Spionin, die keine mehr ist.
Vier Männer, die ihre Geheimnisse infrage stellen.
Und Herausforderungen, die über Leben und Tod entscheiden.
Jade Fallon ist aufgeflogen – keine Tarnung mehr, kein Sicherheitsnetz.
Die ehemalige Agentin einer britischen Geheimdienstorganisation steht vor dem Nichts. Nein, mehr noch: Sie hat den Fluch der Dubh Liath auf sich gezogen und ist deren unorthodoxen Methoden ausgeliefert.
Declan, Boone, Kaden und Ren – selbst ein Mysterium in der Londoner Unterwelt – stehen vor einem scheinbar unlösbaren Rätsel: Jade Fallon.
Das trotzige Mädchen ihrer aller Vergangenheit bestimmt jetzt ihre Gegenwart. Wie ein Wirbelsturm fegt Jade durch das Leben der vier Männer und stellt nicht nur deren düstere Welt komplett auf den Kopf, sondern vor allem die Gefühle eines jeden einzelnen.
Mit dem Verschwinden der Agentin mit dem mohnblumenfarbenen Haar mehren sich die Fragen, verdichten sich die Geheimnisse und kommen Erinnerungen ans Licht, die besser im Verborgenen geblieben wären.
Was und wer steckt hinter Jade Fallon – ihrem Auftrag, ihrem Verschwinden?
CRUEL KNIGHTS ist Buch 4 der MAFIA-AFFAIRS-Reihe, einer außergewöhnlichen Reverse-Harem-Geschichte um irische Mythen, Verrat und Schmerz, den eine düstere Liebe mit sich bringt.
* * *
Liebe. Passion. Worte.
Ich liebe Leidenschaften aller Art und ich liebe das geschriebene Wort.
Lovestorys von der Stange suchst du jedoch bei mir vergebens. Meine Geschichten sind nicht rosarot. Eine heile Welt gibt es ebenso wenig. Manchmal ist das Leben dark, manchmal romantisch. Bei mir ist es ungewöhnlich, spannend und amourös. Die Frauen in meinen Geschichten sind tough, selbstbewusst und äußern ihre Wünsche und Sehnsüchte. Dennoch oder gerade deshalb gewähren sie den Männern die Stärke, ihre Angebetete zu erobern. Und trotz meiner Vorliebe für die Bad Boys dieser Welt garantiere ich dir ein Happy End. Vielleicht keines aus Zuckerwatte, aber eines, das zu meinen Figuren passt und dir hoffentlich jede Menge Leselust bereitet.
Lass dich verführen!
Deine
Goodreads
And beauty is a form of genius,
is higher, indeed, than genius, as it needs no explanation.
It is of the great facts of the world,
like sunlight, or spring-time, or the reflection in dark waters of that silver shell we call the moon.
It cannot be questioned.
It has its divine right of sovereignty.
It makes princes of those who have it.
You smile?
Ah! when you have lost it you won’t smile…
Und Schönheit ist eine Form des Genies,
sie ist sogar mehr als das Genie, denn sie bedarf keiner Erklärung.
Sie gehört zu den großen Tatsachen der Welt,
wie das Sonnenlicht, der Frühling oder die Spiegelung der silbernen Muschel, die wir den Mond nennen, im dunklen Wasser.
Sie kann nicht infrage gestellt werden.
Sie hat ihr göttliches Recht auf Souveränität.
Sie macht diejenigen, die sie besitzen, zu Fürsten.
Du lachst?
Ah! Wenn du sie verloren hast, wirst du nicht mehr lachen …
The Picture of Dorian Gray von Oscar Wilde, 1890
Für dich, weil du kämpfst für das, woran du glaubst
* * *
Von der Schönheit des Genies
* * *
VOR ZEHN JAHREN
»Das Leben mag dir Stolpersteine in den Weg legen. Nimm einfach Anlauf und spring darüber! Achte nur darauf, nicht zu fallen!«
Jade Fallon – ambitionierte Hilfskraft in einer Anwaltskanzlei, trotz erlebter Schicksalsschläge gewillt, es zu schaffen
Tröpfchenweise ergoss sich der Kaffee in die edle weiße Porzellantasse. Die Crema war perfekt gelungen. Eine zweite Tasse sowie ein Schälchen mit Biscotti und ein weiteres mit Zuckerstückchen standen bereits auf dem silbernen Tablett. Ich stellte die Tasse auf den Unterteller, richtete die Löffel aus und schnappte mir das Tablett.
Darauf bedacht, nichts von dem Kaffee zu verschütten, der bedenklich schwappte, setzte ich behutsam einen Fuß vor den anderen. Sollte auch nur ein Tröpfchen danebengehen, würde Mister Finnegan mir die Hölle heißmachen. Der Seniorpartner der angesehenen Anwaltskanzlei im Herzen Londons, nur einen Steinwurf vom Trafalgar Square entfernt, hatte heute hohen Besuch.
Da durfte nichts schiefgehen.
Ich durfte es nicht vermasseln.
Ich brauchte den Job. Dieser Job war wichtig. Nicht nur, weil Dad und ich dringend auf die Kohle angewiesen waren. Wir brauchten jeden Penny seit Mums Tod. Und seitdem Dad nichts anderes mehr tat, als denjenigen zu verfolgen, der vor drei Jahren meine Mum angefahren und einfach auf der Straße liegen gelassen hatte. Dads manische Suche kostete uns alles. Alles Geld war weg – und es war eine Menge Geld gewesen. Das Haus, die Autos, das Ferienhaus in Südfrankreich, mein Platz an der Eliteschule St Alban’s – alles weg. Dad hatte jedes Pfund Sterling ausgegeben. Anfangs für seine eigenen Recherchen nach dem flüchtigen Fahrer, später für Detektive und dann für zwielichtige Söldner, die alles für Geld taten, die drohten, folterten und sogar töteten, um an Informationen zu gelangen. Alles ohne Erfolg, aber mit horrenden Kosten. Der Kerl, der das Leben meiner Mutter auf dem Gewissen hatte, lebte irgendwo friedlich und unbedarft weiter, während ich so tief in einen Abgrund gestürzt war, dass ich mich vermutlich nie wieder nach oben arbeiten könnte.
Und es ging hier nicht nur um mich. Dad war heute in Kreisen unterwegs, in die kein guter Mensch je einen Fuß setzen sollte. Er brauchte Geld, tummelte sich in Spielhöllen herum, investierte in kriminelle Geschäfte, und wir rutschten von Tag zu Tag tiefer in den gesellschaftlichen und sozialen Abgrund. Von moralischen Grenzen mal ganz abgesehen. Darum scherte sich Dad schon lange nicht mehr.
Und viel fehlte bei mir auch nicht.
Ein obskurer Geschäftspartner meines Vaters hatte mir erst unlängst einen Job in einer Oben-ohne-Bar angeboten, in der ich ein Vielfaches von dem verdient hätte, was ich hier in der Kanzlei bekam.
Aber nein! So weit war ich noch nicht.
Noch glaubte ich daran, es mit meinem Köpfchen schaffen zu können, statt mit meinen Titten.
Deshalb war ich hier und bediente die Mandanten, bei denen alle Mitarbeiter sofort strammstanden, wenn sie auftauchten. Wer auch immer sie waren – so weit nach oben war ich noch nicht in der Anwaltshierarchie geklettert, um Hintergründe zu kennen, genau genommen war ich noch nicht einmal in der Nähe einer Hierarchie –, man küsste ihnen die Füße und rollte den roten Teppich aus. Und ich machte noch mehr als das: Ich brachte Anzüge in die Reinigung, kaufte Weihnachtsgeschenke für Gattinnen, holte auch schon mal einen Partner nachts um vier aus einem Bordell ab und fuhr ihn nach Hause. Alles, was getan werden musste, tat ich, ohne zu murren, ohne mich zu beschweren. Denn ich wusste, eines Tages würde meine Chance kommen. Denn ich war klug, verdammt klug. Ich musste nur Augen und Ohren offen halten, alles mitnehmen, was ich an Input kriegen konnte, und irgendwann wäre ich so weit, würde die Prüfung ablegen und meine Zulassung bekommen. Dann würde ich als Anwältin arbeiten, viel Geld verdienen und alle Schulden meines Vaters zurückzahlen.
Bis dahin war ich fleißig und aufmerksam und achtete darauf, keinen Tropfen des Kaffees zu vergießen.
Und genau da lag die Krux.
Denn gelegentlich war ich der Beweis von Murphy’s Law – wenn etwas schiefgehen konnte, ging es schief.
Warum sollte es heute anders sein?
Das Tablett balancierend schaffte ich es tatsächlich, mich und meine wertvolle Ware unbeschadet durch die Tür in den Flur zu manövrieren, bis Edgar, Neuzuwachs der Juniorpartner und ein Ass im Familienrecht, telefonierend aus seinem Büro stolzierte und mit mir zusammenstieß.
Es folgte ein Desaster. Natürlich! Ein Wirrwarr aus zerschlagenem Geschirr, spritzendem Kaffee, fliegenden Biscotti und diversen Flüchen von Edgar, die allesamt Himmel und Hölle beschworen. Ich schwieg. Hielt brav meine Klappe, obwohl ich fuchsteufelswütend war. Ich handelte einfach, sammelte die Scherben auf, wischte die Sauerei vom edlen Parkettboden und machte mich erst auf den Weg in den Waschraum, als nichts mehr daran erinnerte und die Mandanten mit frischem Kaffee versorgt waren – serviert natürlich nicht von mir, sondern von meiner Kollegin Maggie.
Seufzend stieß ich die Tür auf und überlegte, ob und welche Konsequenzen mein Missgeschick, oder eigentlich das von Edgar, haben würde. Konsequenzen für mich natürlich, denn Edgar gewann eine lukrative Scheidung nach der nächsten. Er konnte es sich leisten, die Kanzlei mit Kaffee zu fluten. Ich war noch nicht so weit.
Mit bekleckerter Bluse ließ sich die Welt jedoch nicht erobern, also müsste ich sehen, was ich retten konnte. Der geräumige Waschraum mit feinsten Marmorfliesen und vergoldeten Armaturen war leer, was ein Glücksfall war, weil er unisex von allen Mitarbeitern der Kanzlei genutzt wurde. Prüderie war jetzt also fehl am Platz, denn so konnte ich unmöglich weiterarbeiten. Schnell zog ich meine Bluse aus, wusch die Flecken grob heraus und trocknete sie unter dem Handtrockner. Das musste genügen. Ich ließ die Bluse auf dem Waschtisch liegen, schlüpfte schnell in eine der Kabinen, zog meine kaffeegetränkte Strumpfhose aus und warf sie in den Mülleimer. Als ich mich gerade daran machte, mit Toilettenpapier die Flecken von meinen Pumps zu wischen, hörte ich, wie jemand die Waschraumtür öffnete.
Verdammt! Nur im BH konnte ich jetzt nicht wieder raus.
Ich würde in der Kabine warten müssen, bis …
»Hören Sie, ich darf das gar nicht wissen. Sie kennen doch die Regeln. Ich muss das Mandat niederlegen.«
Mister Finnegan.
Er sprach mit jemandem. Dem Mandanten?
Wasser lief. Dennoch hörte ich die Worte des anderen ganz genau.
»Jetzt machen Sie sich mal nicht ins Hemd, Finnegan. Das ist nicht die erste Leiche, die über ihren Schreibtisch geht. Deswegen komme ich zu Ihnen und gehe nicht zur Konkurrenz. Ich weiß, dass mein Geheimnis in Ihrer Kanzlei gut aufgehoben ist. Also entspannen Sie sich. Keiner weiß, dass Sie die Hintergründe kennen.«
Meine Hand schnellte zu meinem Mund. Eine Leiche? Redeten die beiden über eine echte Leiche? Über einen toten Menschen?
Das war grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Wir verteidigten gelegentlich Mandanten, denen Tötungsdelikte vorgeworfen wurden. Aber dabei durften Anwälte nicht zu Mitwissern werden. Im Rahmen ihrer Arbeit als Verteidiger mussten sie sich an bestehende Gesetze halten und waren vor Gericht der Wahrheit verpflichtet. Es lag also in der Natur der Sache, dass Anwälte die jeweiligen Straftaten nicht beurteilen und schon gar nicht in diese verstrickt sein durften.
Mister Finnegan machte sich also unter Umständen gerade selbst strafbar und konnte deshalb ganz sicher keine Zeugen gebrauchen. Ich presste mir eine Hand vor den Mund und versuchte, so leise wie möglich zu atmen.
»Ja, das ist nicht das Problem. Dafür bezahlen Sie mich fürstlich. Ich kann meine Berufsehre sehr gut im Sand der Karibik vergraben. Trotzdem sollte nichts über diese delikate Angelegenheit hier in der Kanzlei bekannt werden. Behalten Sie also bitte die schmutzigen Details unserer Vereinbarung für sich!«
»Jaja, ich werde …« Der andere stoppte und das Wasser hörte auf zu laufen. »Was ist das? Ist jemand hier?«
Bei allen Gelehrten, meine Bluse!
Sie lag noch auf dem Waschtisch.
Instinktiv legte ich jetzt beide Hände über meine Brüste. Blöd! Als ob das helfen würde.
In der nächsten Sekunde wurde die Tür aufgerissen. Halbnackt und mit vor Schreck geweiteten Augen drückte ich mich an die Wand der Toilettenkabine. Ich öffnete den Mund, um etwas zu meiner Verteidigung hervorzubringen. Doch kein Laut kam heraus. Ein Umstand, der natürlich der ekelhaften Mischung aus Angst und Schock und Scham geschuldet war, aber auch meinem Sinn für Faktizität und Gerechtigkeit.
Finnegan und sein Mandant starrten mich an, als hätte ich etwas falsch gemacht. Mein Boss legte noch einen Hauch von Bedauern über seine Züge. Immerhin! Aber der andere Mann, der einen grauen Tweed-Anzug mit Weste trug, goldene Manschettenknöpfe an den Ärmeln, sogar ein orangefarbenes Einstecktuch im Jackett und ein bisschen aussah, als wäre er der Peaky-Blinders-Kulisse entlaufen, schleuderte mir eine hässliche Tirade an Vorwürfen entgegen.
Hallo! Ich war nur auf der Toilette. Was konnte ich denn dafür, dass die beiden ungeniert über Dinge sprachen, die keiner hören sollte, ohne sich zu vergewissern, dass sie allein waren?
War ich einfach nur mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort? Und man wollte mich dafür büßen lassen?
»Fallon! Was zum Teufel tun Sie hier?« Mister Finnegans Blick wanderte über meinen halbnackten Oberkörper. »In diesem Aufzug?!«
Wieder setzte ich zu einer Erklärung an, doch Mister-Tweed-Jacket kam mir zuvor.
»Finnegan, Sie wissen, was zu tun ist! Ich kann keine Zeugen gebrauchen.«
HEUTE
»Du kannst vor lauter Verzweiflung über den Verrat dein Haar raufen und einen Schuldigen suchen. Oder du reißt dich zusammen und ziehst den Karren aus dem Dreck, bevor er dich mit runterzieht – solange du noch nicht zu tief drinsteckst.«
Ren Hayes – interessierter, zunehmend verwirrter Zuhörer, lösungsorientiert, aber immer noch aus dem Gleichgewicht geworfen
Von all dem Geschwätz über Verrat, Spionage, Secret Service und Undercover summte mein Kopf. Und mein Kopf summte gewöhnlich nie. So schnell war mein Hirn nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Auf diesen Teil meiner Anatomie war immer Verlass. Wenn Declan die Marge des anstehenden Deals wissen wollte, rechnete ich ihm den Gewinn auf den Penny genau aus, und zwar für das gesamte folgende Jahr – in wenigen Minuten. Das war ein Klacks für mich. Wenn Boone Unterstützung bei der Installation einer Software zur Überwachung eines Konkurrenten oder ganz allgemein beim Hacken brauchte, erledigte ich das und schlug ihn nebenbei in einer Partie Grand Theft Auto auf der Playstation. Kein Problem für meine Konzentration.
Doch das hier brachte mich an meine Grenzen.
Ich musste meine Gedanken zwingen, auf Kurs zu bleiben. Mein Bewusstsein vibrierte. Ich hatte das Gefühl, das Gleichgewicht zu verlieren.
Seit mehr als zwei Stunden hörte ich schweigend Ciro Bennett zu, der neben Declan am Küchentisch saß und von einer Organisation des Secret Service erzählte, von Grant Baron, von Aufträgen, die in keiner Polizeistatistik erschienen, die außerhalb des Freedom of Information Act liefen … und das alles im Zusammenhang mit Jade.
Wie konnte das sein?
Dabei lag die Ursache meiner Verwirrung nicht mal in dem, was Ciro uns erzählte. Die groben Details dieser beschissenen Aktion waren uns bekannt, schließlich hatten wir Ciro aus der Misere geholfen. Was zur Hölle ich aber nicht kapierte, war die unfassbare Tatsache, dass Jade Teil dieser irren Geschichte sein sollte.
Mein sonst vortrefflich funktionierendes Gehirn hatte massive Probleme, den Scheiß zu glauben. Jade und Ciro? Beide in geheimer Mission? Im Auftrag Ihrer Majestät? Unter der Fuchtel dieses Wichsers Grant Baron? Jade – eine Spionin? In unserem Haus?!
»Moment! Du willst also sagen, dass Jade gar keine Steuerfahnderin des HMRC ist, sondern eine … Spionin? Die für denselben Laden arbeitet wie du, Ciro?«
Alle schauten zu mir, als bemerkten sie erst jetzt meine Anwesenheit. Das verwunderte mich nicht unbedingt. Immerhin hatte ich bislang meine Klappe gehalten.
»Hast du eigentlich zugehört?« Declan klang so gereizt, wie ich mich fühlte.
Eigentlich hatten wir Weihnachten feiern wollen. Die Party war in vollem Gange gewesen, als Kaden in ein Gespräch zwischen Ciro und Jade geplatzt war. Wir hatten ja geahnt, dass sie irgendwas im Schilde führte. Aber DAS!
»Ich höre euch seit Stunden zu, aber …«
»Kein Aber!«, knurrte Declan. »Wir haben Scheiße gebaut. Große Scheiße! Dieses Miststück hat uns verarscht.«
»Du wiederholst dich«, erwiderte ich genervt.
Wie oft wollten wir diesen Scheiß jetzt noch durchkauen? Ja, wir hatten uns allesamt blenden lassen. Von Erinnerungen. Von Emotionen. Von einer Frau, die damals nicht nur mein Herz erobert hatte. Dessen war ich mir mittlerweile sicher. Ich war doch nicht bescheuert. Jades Anziehungskraft wirkte – damals wie heute. Auf uns alle! Für diese Erkenntnis musste ich nicht Boones Einfühlungsvermögen besitzen, das sah ein Blinder.
Und deshalb könnte ich jetzt durchaus darüber palavern, dass ich Declan gewarnt hatte, als er Jade in unser Haus und erneut in unser Leben gelassen hatte. Aber das wäre genauso schwachsinnig gewesen wie sein jämmerliches Selbstmitleid. Ja, ich hatte von ihm verlangt, dass er alles tat, um Jade loszuwerden. Und zwar genau einmal – halbherzig. Denn der andere Teil meines Herzens sehnte sich nach ihr, weil ich schon längst am Haken meiner eigenen emotionalen Unzulänglichkeiten zappelte.
Wir alle hatten versagt und mussten jetzt in den sauren Apfel beißen. Aber es brachte nichts, hier jammernd in der Küche zu sitzen.
Was wir brauchten, war eine Lösung. Wir mussten etwas tun. Jetzt! Alle gemeinsam, wie wir es sonst immer taten. Doch genau da lag unser Problem.
Declan suhlte sich in Selbstvorwürfen. Kaden war schon vor einer halben Stunde mit einer Flasche Macallan und einem wütenden Knurren verschwunden. Boone stand mit verschränkten Armen neben mir und schwieg.
Sebastián Vargas saß in dem ausladenden Sessel vor den Terrassentüren, den ich gern nutzte, um zu lesen oder Boone bei seinen Kochsessions zu beobachten. Auch der Kolumbianer beobachtete aufmerksam das Geschehen in der Küche und streichelte scheinbar beiläufig das Knie seiner Freundin Velvety Prince, die graziös auf der Lehne saß, als wäre diese Position tatsächlich bequem.
Vargas bot seine Hilfe an. Immerhin etwas. Er und Ciro hatten schon einiges zusammen durchgestanden, was mich hoffen ließ. Mit unserer Hilfe hatten sich die zwei an der Spitze des Edelstein- und vor allem des Kaffeemarktes in England und in einigen kontinentaleuropäischen Ländern behaupten können. Wir hatten also geschäftlich miteinander zu tun, was auch so bleiben sollte. Und nicht zuletzt schien sich zwischen Declan und Sebastián eine Freundschaft entwickelt zu haben, die Letzteren dazu bewegte, uns eine Hand zu reichen, während wir dabei waren, volle Kanne unterzugehen.
Wobei das vermutlich eine maßlose Übertreibung war. Denn wir sprachen hier doch immer noch von Jade Fallon – meiner J.
Oder war womöglich ich derjenige, der die Situation unterschätzte?
Du liebe Güte, das Chaos in meinem Kopf war nicht mehr auszuhalten. Wütend knallte ich meine Faust auf den Küchentresen. »Können wir jetzt endlich nach Lösungen suchen?!«
»Ren hat recht! Fakt ist, Jade hat für dieses Arschloch Baron bei uns rumgeschnüffelt. Aber Baron ist tot. Und er war ganz sicher nicht der Anfang der Befehlskette. Da steckt jemand anderer dahinter.« Boone redete ruhig und besänftigend.
Declan schnaufte. Er hockte offenbar immer noch im Jammertal.
Ich nickte Boone zu. »Baron können wir also nicht mehr auseinandernehmen. Bleibt noch Jade. Wir müssen wissen, wer was von uns will.«
»Welche Rolle spielt das noch? Barons Laden gibt es nicht mehr. Der Premier hat die Organisation eliminiert.« Ciro wischte sich mit den flachen Händen über die Augen. Kurz bewunderte ich die Symbole und Buchstaben, die seinen Handrücken zierten. Wir teilten eine ausufernde Leidenschaft für Tattoos. »Soweit ich weiß, gibt es niemanden mehr, der für Baron oder einen möglichen Nachfolger arbeitet. Der Laden ist dicht. Jade kann also ihren Bericht nicht mehr abliefern.«
»Und wenn Baron nur ein Mittelsmann war?«, gab Velvety zu bedenken. Eine bemerkenswerte Frau. Sie war an Barons Seite gewesen, als er starb. Nun, genauer ausgedrückt: Sie hatte ihn gekillt. »Was ist mit diesem Rooney. Könnte der nicht etwas damit zu tun haben?«
Ciro schüttelte den Kopf. »Nein. Diarmaid Rooney sitzt im Knast. Die Verbindung von Baron zu Rooney betraf nur dich und mich. Baron brauchte dich als Druckmittel, um auf meine uneingeschränkte Einsatzfähigkeit zurückgreifen zu können. Und Rooney erschien nur auf der Bildfläche, weil dein Kanzleipartner … ehemaliger Partner jemanden gesucht hat, der dich aus dem Weg räumt. Geordan Beauchamp war Rooneys Auftraggeber, der wiederum Baron in die Spur schickte. Mit den Dubh Liath hatte das nichts zu tun.«
»Na, ich weiß nicht. Was ist mit diesem seltsamen Symbol, das mir der Scheißkerl in die Haut geritzt hat – nur Zufall?« Velvety hielt sich mit einer Hand an Sebastián fest, während sie mit der anderen über die Stelle auf ihrer Brust rieb, wo einer von Barons Handlangern besagtes Symbol eingeritzt hatte.
»Eine irische Rune. Das könnte mehr als nur Zufall sein. Aber soweit ich weiß, ist Diarmaid Rooney kein mystischer Mann«, stimmte ich Velvety zu. »Rooney ist ein Mafiaboss der alten Schule. Geschäfte ohne Rücksicht und um jeden Preis. Gnadenlosigkeit und Engstirnigkeit. Der Pate der irischen Mafia. Aber keiner, der seinen Opfern Symbole in die Haut ritzen lässt. Der hat andere Schweinereien auf Lager.«
Und genau deshalb wollten wir nichts mit diesem Kerl zu tun haben. Die Dubh Liath standen Rooney vielleicht in puncto Unbarmherzigkeit in nichts nach. Auch wir verfolgten unsere Interessen entschieden und skrupellos. Aber wir waren offen für neue Tätigkeitsfelder, wir sahen in die Zukunft – und keiner von uns hatte Lust, in Kürze sechs Fuß unter der Erde zu liegen.
»Noch mal: Wir müssen herausfinden, ob es neben Baron jemanden gibt, der Jade beauftragt hat. Kaden hat sie im Gästezimmer eingesperrt, wir sollten sie umgehend befragen.«
»Nein! Zuerst müssen wir uns einig darüber sein, was wir mit dem Miststück machen. Dann holen wir uns ihre Antworten. Befriedigende Antworten!« Selten hatte ich Declan derart angepisst erlebt. Was er sagte, klang zwar nach dem üblichen Vorgehen. Aber wir redeten hier von Jade! Ich hatte die beiden im Weinkeller des Winfield House erwischt. Zwischen den beiden lief was. Wie konnte er also über Jade sprechen, als wäre sie ein lästiges Insekt?
»Wir können sie nicht einsperren, sondern …«, startete ich einen Versuch, ihn zur Vernunft zu bringen.
»Sondern was?« Mit Schwung schoss Declan von seinem Stuhl auf. Sogar Ciro neben ihm zuckte zusammen, weil keiner von uns mit einem solchen Ausbruch gerechnet hatte. »Sie freilassen?«
Ich zog beide Schultern nach oben.
»Das wäre glatter Selbstmord!« Die Falte zwischen Declans Augenbrauen wurde tiefer. »Sie hat brisante Informationen über uns, unsere Geschäfte, unsere Geschäftspartner, Verträge … über unseren Alltag. Auf keinen Fall geht diese Frau irgendwohin oder bekommt Zugang zum Internet. Seid ihr alle irre geworden?«
Ja, vermutlich. Es konnte sogar sein, dass Declan der einzig Vernünftige unter uns war. Trotzdem konnte ich nicht über meinen Schatten springen und mit meiner J irgendetwas Heimtückisches in Verbindung bringen. »Gut, ich werde mit ihr reden.«
»Ich sagte NEIN!«, knurrte Declan erneut. »Vorher müssen wir …«
Schritte ertönten vom Flur und unser aller Köpfe drehten sich in die Richtung.
Benedict Montgomery hielt im Lauf inne und hob beide Hände. »Ich bin’s nur. Nicht schießen!« Er lachte über seinen schlecht gelungenen Witz.
Warum war er noch hier? Wie hatte ich bei der Verabschiedung der letzten Gäste gerade ihn übersehen können? Das sah mir gar nicht ähnlich. Ich wurde wirklich nachlässig. Verdammt!
»Ich habe mich in Declans Büro zurückgezogen, um ein wenig Ruhe zu haben. Solche Feste sind für einen alten Mann wie mich zu anstrengend. Aber wie es aussieht, habt ihr ganz andere Probleme, oder? Gibt es noch was zu trinken? Für ein Glas deines Rums, Declan, würde ich ja vor dem Schlafengehen töten. Diesen peruanischen.«
»Guatemaltekischer, Benedict. Dicht vorbei. Aber natürlich. Die Flasche hättest du in meinem Büro eigentlich finden müssen. Ren, würdest du …?« Declan rammte beide Ellbogen auf die Tischplatte und massierte seine Schläfen. Die Sache mit Jade nahm ihn mehr mit, als ich vermutet hatte. Was mich wieder zu dem Abend in der amerikanischen Botschaft brachte und der Frage, was da zwischen den beiden lief oder gelaufen war. Jades Hand hatte in seiner Hose gesteckt, seine um ihre … Du meine Güte! Schon wieder fraß sich ein ekelhaftes Monster durch meine Eingeweide.
»Ich hole den Rum«, sagte ich schnell und wandte mich ab, bevor das Monster weiter wüten konnte.
»Warte, ich helfe dir.« Im Augenwinkel sah ich, dass sich Velvety von der Sessellehne erhob. »Ich muss mir mal die Beine vertreten.«
Sie folgte mir die drei Stufen hinauf aus dem Souterrain unserer Küche, den Flur entlang und von dort in Declans Arbeitszimmer. Es erschien mir seltsam, dass sie ihre Hilfe anbot, eine schnöde Flasche Rum zu holen, aber vielleicht war es wirklich so, dass sie nach der unbequemen Position auf der Sessellehne etwas Bewegung brauchte. Mein Rücken hätte jedenfalls schon längst geschmerzt.
»Ren«, sie drehte sich noch einmal kontrollierend um, bevor sie die Tür zu Declans Büro hinter uns schloss, »es stimmt nicht, was Benedict sagt.«
»Was?« Ich ging zu dem antiken Schrank neben dem Kamin und öffnete ihn.
»Ren, hör mir zu!« Sie kam näher und ich wich zurück, weil ich befürchtete, sie würde meine Aufmerksamkeit mit einer Berührung erzwingen wollen. Ich wandte mich ab und holte die Rumflasche aus dem Schrank. Benedict kannte Declans Bar, er hätte sich doch einfach bedienen können. Seit wann war Benedict so schüchtern?
»Okay, ich hör dir zu. Was stimmt nicht mit Benedict?«
»Was er gesagt hat.«
»Was hat er denn gesagt?« Ich blieb auf Abstand. Ja, Velvety war eine bemerkenswerte Frau, aber deshalb musste ich ihr nicht gleich vertrauen. Schon gar nicht nach der Scheiße mit Jade.
»Verdammt, Ren. Ich will mich nicht in Dinge einmischen, die mich nichts angehen, aber ich denke, du solltest wissen, dass es nicht stimmt, was Benedict gesagt hat. Er hat sich nicht hier im Büro ausgeruht. Er war draußen. Vorm Haus. Er hat mit einer Frau gesprochen, die dann in einen Wagen gestiegen und davongefahren ist.«
Gut, jetzt hatte sie zumindest meine volle Aufmerksamkeit.
»Sicher hat er nur einen Gast verabschiedet.«
»Sicher nicht! Der Wagen ist mir aufgefallen, weil es ein alter schäbiger Jeep war. Passte nicht so recht in die Umgebung und auch nicht zu euren Gästen. Und diese Frau …«
»Woher weißt du das alles?«, bohrte ich nach.
Sie seufzte. »Ich war mit Ciro draußen. Wir … wir waren, also …«
Ich schüttelte energisch den Kopf. »Stopp! Ich weiß nicht, ob ich wirklich wissen will, was du mit Sebastián und Ciro …«
»Halt die Klappe, Ren!«, unterbrach sie mich so barsch, dass ich erschrocken zurückzuckte. »Das steht doch jetzt gar nicht zur Debatte. Ich betrüge Sebastián nicht, falls das deine Sorge sein sollte. Aber jetzt konzentrier dich bitte! Nichts liegt mir ferner, als jemanden zu verleumden, aber Benedict sagt nicht die Wahrheit.«
»Warum erzählst du mir das?«
»Weil er mir suspekt ist. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Und er hat gerade definitiv gelogen.«
»Nein, das meinte ich nicht. Warum erzählst du das mir?«
»Du bist die logische Konsequenz, Ren. Sebastián und Ciro würden nie auch nur ein schlechtes Wort über Benedict Montgomery zulassen. Declan auch nicht. Boone kann ich nicht einschätzen und Kaden ist nicht hier. Also …« Wie ein Zauberer, dem der Trick gelungen war, streckte sie beide Hände in meine Richtung.
»Okay!« Die logische Konsequenz – interessant!
»Ich halte dich für jemanden, dem ich auch etwas Unangenehmes anvertrauen kann. Du lässt dich nicht von Befindlichkeiten blenden. Zumindest schätze ich dich als jemanden ein, der bereit ist, auch hinter die Kulisse zu schauen.«
Ha, hinter welche Kulisse? Sicherlich nicht hinter meine eigene, wo das große Chaos um meine Gefühle und meine Befindlichkeiten herrschte. Gut, dass ich wenigstens noch nach außen hin den Eindruck erweckte, Herr meiner Sinne zu sein.
»Okay, schon gut. Also du meinst, Benedict verheimlicht etwas. Warum sollte er? Vor uns? Er ist wie ein Vater für uns alle. Das kann nur …«
»Was? Zufall gewesen sein?« Velvety war eine kluge Frau. Ihr konnte man definitiv nichts vormachen.
Polternde Schritte im Flur zogen unsere Aufmerksamkeit auf sich und keine Sekunde später flog die Tür auf. Kadens Blick huschte durch den Raum und blieb an Velvety und mir hängen. »Wo sind denn alle?«
»Unten in der …« Weiter kam ich nicht.
Kaden rannte zurück in den Flur und brüllte: »Sie ist verschwunden. Jade ist weg!«
»Ein Bootsausflug geht gewöhnlich mit glitzernden Sonnenstrahlen auf Wellenkronen, salzig schmeckenden Küssen, Sand zwischen den Zehen und Tröpfchen in den Wimpern einher. Oder aber mit eisiger Kälte, angstbeschwörender Dunkelheit und der Furcht vor dem, was kommen wird.«
Jade Fallon – keine Agentin mehr, entlarvt, verraten, entführt, frierend und in lähmender Angst
Salzige Gischt schlug in mein Gesicht. Eisige Tröpfchen kratzten wie spitze Nadeln über meine Haut, während ich in einem Boot auf und ab hüpfte. Mit jeder Welle wurde ich durchgeschüttelt und bis auf die Knochen nass.
In einem Boot?
Warum zum Teufel saß ich in einem Boot?