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Eine Spionin mit dunkler Vergangenheit. Vier Männer mit grausamen Geheimnissen. Und düstere Verlockungen, die Aufstieg oder Fall bedeuten. Jade Fallon Einst gehörte ich zu Londons Elite – mit allem Prunk und allen Möglichkeiten. Dann kam alles anders. Heute bin ich Analystin beim Secret Service. Mein neuer Auftrag: die kriminellen Machenschaften der Dubh Liath aufzudecken – ein sagenumwobenes Quartett, das im Schatten der Londoner High Society sein Unwesen treibt. Wer sich mit ihnen einlässt, muss mit seinem Blut bezahlen. Dubh Liath Wir sind die Dubh Liath – vier Männer, die jeden Job kompromisslos und unbarmherzig erfüllen. Wenn die Menschen uns fürchten – gut so. Wenn sie uns für Legenden halten – umso besser. Doch dann wirft uns das Schicksal Jade Fallon vor die Tür und konfrontiert uns mit eigenen Dämonen, die wir dachten, hinter uns gelassen zu haben. Geheimnisse werden aufgedeckt. Herausforderungen gilt es zu bewältigen. Und jeder muss sich seinen Ängsten und Gefühlen stellen. Bist du bereit für die dunkle Elite Londons? »Das Happy End des einen ist zuweilen der Beginn eines Martyriums für den anderen.« ~ Ciro Bennett BEAUTIFUL SINNERS ist Buch 3 der MAFIA-AFFAIRS-Reihe, einer Why-Choose-Reihe, bei der die Protagonistin unter mehreren Verehrern NICHT wählen wird, und die mit einem Happy End enden wird.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
MAFIA AFFAIRS
BUCH 3
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2023 RebelYou Publishing
Ariana Lambert, Sandy View, Seamount, Courtown, Ireland
Lektorat: Marion Mergen
www.korrekt-getippt.de
Korrektorat: Ariana Lambert
Cover: HollandDesign
Kapitelzierden: Melanie Strohmaier
www.belladonnasdream.com
Erstellt mit Vellum
BEAUTIFUL SINNERS
* * *
»Das Happy End des einen ist zuweilen der Beginn eines Martyriums für den anderen.«
~ Ciro Bennett
Eine Spionin mit dunkler Vergangenheit.
Vier Männer mit grausamen Geheimnissen.
Und düstere Verlockungen, die Aufstieg oder Fall bedeuten.
Jade Fallon wurde in Londons Elite hineingeboren – mit allem Prunk und allen Möglichkeiten. Doch ihr Leben verlief nicht wie vorhergesehen. Diverse Schicksalsschläge warfen sie aus der erlesenen Bahn.
Immerhin arbeitet sie als Analystin für eine inoffizielle Organisation des Secret Service. Ein sicherer Job mit Zahlen und Fakten – genau Jades Ding. Doch dann erhält sie den Auftrag, die kriminellen Machenschaften der Dubh Liath aufzudecken – ein sagenumwobenes Quartett, das im Schatten der Londoner High Society sein Unwesen treibt. Wer sich mit ihnen einlässt, muss mit seinem Blut bezahlen.
Doch der Spuk um Declan, Boone, Kaden und Ren kümmert Jade wenig. Die toughe Agentin mit dem mohnblumenroten Haar gibt nichts auf Legenden. Nein, wirklich Angst macht ihr die Vorstellung, dem sinnlichen Charme der vier Männer nicht widerstehen zu können. Wie damals, vor dreizehn Jahren, als das Universum ihnen allen den Mittelfinger zeigte.
Doch dann taucht plötzlich Ciro Bennet auf, der Jades Konstrukt der Täuschung zum Einsturz bringen könnte.
Hat Jade den Mut, sich dieser besonderen Herausforderung zu stellen?
Hat sie die Kraft, ihren Ängsten und ihren Gefühlen zu trotzen?
Und wird sie ihren Auftrag erfüllen oder den geheimnisvollen Verlockungen der Dubh Liath verfallen?
BEAUTIFUL SINNERS ist Buch 3 der MAFIA-AFFAIRS-Reihe, einer außergewöhnlichen Reverse-Harem-Geschichte mit exklusiver Spannung, irischen Mythen und prickelnden Szene, wie sie nur Mara Harte schreiben kann.
* * *
Liebe. Passion. Worte.
Ich liebe Leidenschaften aller Art und ich liebe das geschriebene Wort.
Lovestorys von der Stange suchst du jedoch bei mir vergebens. Meine Geschichten sind nicht rosarot. Eine heile Welt gibt es ebenso wenig. Manchmal ist das Leben dark, manchmal romantisch. Bei mir ist es ungewöhnlich, spannend und amourös. Die Frauen in meinen Geschichten sind tough, selbstbewusst und äußern ihre Wünsche und Sehnsüchte. Dennoch oder gerade deshalb gewähren sie den Männern die Stärke, ihre Angebetete zu erobern. Und trotz meiner Vorliebe für die Bad Boys dieser Welt garantiere ich dir ein Happy End. Vielleicht keines aus Zuckerwatte, aber eines, das zu meinen Figuren passt und dir hoffentlich jede Menge Leselust bereitet.
Lass dich verführen!
Deine
Goodreads
On November Eve they are at their gloomiest.
This night they dance with the ghosts,
and the pooka is abroad,
and witches make their spells,
and girls set a table with food in the name of the devil,
that the fetch of their future lover may come through the window and eat of the food.
Am Novemberabend sind sie am düstersten.
In dieser Nacht tanzen sie mit den Geistern,
und die Púca sind unterwegs,
und die Hexen sprechen ihren Zauber,
und die Mädchen decken im Namen des Teufels einen Tisch mit Speisen,
damit ihr zukünftiger Geliebter durch das Fenster kommt und davon isst.
Fairy and Folk Tales of the Irish Peasantry von William Butler Yeats, 1888
VOR DREIZEHN JAHREN
»Dein erster Kuss muss perfekt sein – einmalig, besonders und mit einem Jungen, der dich versteht. Nur dann verdient er es, nicht in Vergessenheit zu geraten. Der Kuss und der Junge!«
Jade Fallon – Schülerin, süße sechzehn Jahre alt, bibliophil und zum ersten Mal geküsst
Obwohl der allgemein vorherrschende Geruch nicht dem einer Bibliothek entsprach, liebte ich diesen Teil des Gebäudes am meisten. Man sollte doch meinen, dass eine private Elite-Schule wie St Alban’s, die auf das Gründungsjahr 1565 verweisen konnte, eine entsprechend historische Bibliothek beherbergte, die allen Klischees des guten alten Englands gerecht wurde. Oder? Tja, leider nicht. Die Bibliothek meiner Schule, für die meine Eltern jährlich fünfundzwanzigtausend Pfund hinblätterten, wirkte eher wie eine Lagerhalle mit Büchern. Hier in Hammersmith gab es keine historischen Abteien, keine royalen Herrschaftshäuser, keine imposanten Monumente. Obwohl dieser triste Ort nur fünf Meilen vom Buckingham Palast entfernt war, fühlte man sich wie in einem typisch englischen Kaff, das irgendwann zur Jahrtausendwende renoviert worden war.
Und so hatte man auch neben das altehrwürdige Gebäude von St Alban’s einen hässlichen Neubau geklatscht. Zwischen üppigen Glasfassaden standen vor rohen Betonwänden weiße Regale. Der Linoleumboden verströmte den praktischen Charme eines Krankenhauses. Aber na ja, ich nahm, was ich kriegen konnte. Denn trotz des schrecklichen Interieurs gab es hier Bücher. Und die waren nicht neu, auf Hochglanz poliert und spartanisch gestaltet. Jedenfalls nicht in der Abteilung, in die ich gerade ging.
Die Halsbury’s Laws und die All England Law Reports, alle Präzedenzfälle englischer Gerichte der vergangenen fünfzig Jahre, waren in dicken ledergebundenen Sammelbänden zu finden, die auf meterlangen Regalen standen. Und wenigstens hier roch ich diesen majestätischen Duft nach altem Papier, nach Geschichte und Vergangenheit, den selbst das bleichehaltige Putzmittel der Reinigungskräfte nicht vertreiben konnte. Das war mein Refugium, ein Kleinod der Glückseligkeit.
Ich hatte es nicht eilig. Meine Kunststunde war ausgefallen, weil Mister Drake krank geworden war. Bis zur nächsten Stunde, Englische Literatur, hatte ich also noch Zeit. Bevor ich mir den Band der Reports schnappte, den ich für mein Referat nächste Woche über Fusionen von Wirtschaftsunternehmen brauchte, ließ ich meine Finger über die Buchrücken gleiten. Sie waren weich und staubig. Ich beugte mich vor, wollte wie immer meine Nase zwischen die Buchrücken stecken und tief einatmen. Doch Schritte hinter mir ließen mich von diesem Plan Abstand nehmen.
»Die Sonne scheint, J!«
Um zu wissen, wer hinter mir stand, hätte ich mich nicht umdrehen müssen. Ich tat es trotzdem. Denn Ren war der schönste Junge, den ich kannte, und ich sah ihn gern an. Er war eine Klasse über mir und verfügte über einmalig symmetrische Gesichtszüge, markante Konturen, geschwungene Lippen, eine gerade Nase, perfekte Augenbrauen, wie sie meine Kosmetikerin nicht besser hinbekam. Seine Haut, eine Nuance heller als Karamell, bildete einen scharfen Kontrast zu seinem Haar, das dunkler als schwarz war. Manchmal dachte ich, es müsste für die Kraft, die nur allein Rens Haar ausstrahlte, eine neue Bezeichnung geben – etwas, das an Nacht und Finsternis und Tiefe und absolute Reinheit erinnerte. Er trug es etwas länger, als es die Schulvorschriften gestatteten, und wenn wie jetzt eine dieser pechschwarzen Strähnen über seine ebenmäßige Stirn fiel, krampften sich alle meine Organe zu einem pulsierenden Knoten zusammen, der sich einerseits gut anfühlte, andererseits aber auch schmerzte. Jedes Mal hatte ich den Drang, mich zu schütteln. Aber ich tat es nicht. Ich lächelte.
Denn obwohl ich nicht der sozialste Mensch war, gehörte Ren zu denen, die ich gern in meiner Nähe hatte. Und sei es nur, um mich an seiner einmaligen Schönheit sattzusehen.
Er hatte von seinen Eltern nur das Beste mitbekommen. Rens Mutter war Japanerin, sein Vater kam aus Hawaii und dessen Mutter war Irin gewesen. Diese Mischung machte ihn zu einem Unikat. Aber es war nicht nur sein Äußeres, das mich faszinierte. Hinzu kamen unsere gemeinsamen Interessen für alles, was mit Mathe und Kunst und Literatur zusammenhing, und was mich am vergangenen Wochenende auf der Party einer Schulfreundin verleitet hatte, ihn zu küssen.
Mein erster Kuss.
Jaja, ich war ein Spätzünder. Alle meine Freundinnen … na ja, meine Schulkameradinnen, denn so beliebt war ich nicht, um wirkliche Freundinnen zu haben, erzählten mir schon seit Jahren von ihren Abenteuern und sexuellen Erfahrungen und hielten mir gern vor, dass man mit sechzehn schon über zahlreiche Erlebnisse mit Blowjobs und Ficks verfügen müsste, während ich noch nicht einmal einen Jungen geküsst hatte.
Aber jetzt hatte ich es getan.
Ich hatte Ren geküsst. Meinen besten Freund. Den einzigen Menschen, der mich verstand. Und es war himmlisch gewesen. Genau so, wie der erste Kuss sein sollte. Perfekt. Zärtlich, voller Gefühl und mit jemandem, der wusste, was es mir bedeutete.
»Ich muss mein Referat fertig machen«, sagte ich und drehte mich wieder den Regalen zu.
»Du schnüffelst an den Büchern. Das gehört sicher nicht zu deinem Referat.«
»Tu ich nicht.« Lächelnd drehte ich mich wieder ihm zu. »Na gut, du hast mich erwischt. Das war nur zum Warmwerden.«
Rens Mimik veränderte sich plötzlich, als er nach meinem Handgelenk griff. In seinem sonst so schelmischen Blick leuchtete etwas … Lust? In meinem Bauch begann es zu kribbeln, ich legte meinen Kopf in den Nacken, um zu ihm aufzuschauen, denn Ren war groß – sicher einen guten Kopf größer als ich. Vorsichtig umschlangen seine Finger mein Kinn, und dann legte er seine Lippen auf meine. Wow! Eine Berührung so zart, dass sie vermutlich nicht in Pascal angezeigt werden konnte, so behutsam, als würde ein Schmetterling auf einer Blüte landen, und doch so stark, dass sie mich von den Füßen riss.
»Sollten wir das in der Bibliothek machen?«, murmelte ich wenig erotisch an seine Lippen.
Ren grinste, entfernte seinen Mund jedoch nicht weit von meinem. »Es ist Mittag. Alle sind entweder zum Lunch oder genießen die Sonne auf dem Pitch. Selbst die alte Fitzgerald ist nicht da.«
Na schön, wenn sogar Mrs Fitzgerald, die sicher hundertfünfzig Jahre alte Bibliothekarin, die mit strengem Blick für Ordnung und Ruhe sorgte, nicht hier war, könnte es nicht schaden, mehr von den Süßigkeiten zu naschen, die Ren offenbar austeilen wollte. »Dann küss mich noch einmal. Und zwar so, wie …«
Weiter musste ich meine Forderung nicht ausführen, ich bekam kein Wort mehr heraus. Ren küsste mich. Und dieses Mal ganz und gar nicht zart. Seine Lippen formten sich um meine, okkupierten meinen Mund. Seine Zunge drang forsch voran wie ein Eroberer. Und dann vernahm ich ein leises Stöhnen, wie ich es von Ren nur kannte, wenn er Lasagne aß. Sein Lieblingsessen … mmh … Der zweite Kuss in meinem Leben wurde noch phänomenaler als der erste. Unsere Zungen berührten sich und ein Feuerwerk explodierte in mir. Hitze breitete sich aus, vor allem in meinem Bauch, ich spürte, wie sich Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen sammelte – heiße Nässe, die mich dazu verleiten wollte, die Schenkel zusammenzupressen. Doch Ren kam mir zuvor und drängte sein Bein zwischen meine. Der Druck auf meine Muschi war überwältigend, atemberaubend und vor allem nach mehr fordernd. Während Rens Kuss intensiver wurde, er immer weiter, immer tiefer und immer schneller in meinen Mund vordrang, ich ihn aufnahm und mich in ein regelrechtes Gefecht mit seiner Zunge stürzte, presste sein Körper mich stärker gegen das Regal mit den wunderbar duftenden Büchern. Alles, was ich wollte, was ich brauchte, war auf diesem kleinen Fleckchen vereint. Rens Geruch nach Citrus und Kokos vermischte sich mit der staubigen Essenz alter Folianten. Was wollte ich mehr? Was brauchte ich mehr? Es war der Inbegriff des Glücks. Es war der Knaller!
Und es wurde noch besser.
Rens Hand glitt über meinen Körper, umfasste meine Brust und zwickte in meinen Nippel. Das hatte noch nie jemand getan. Na ja, ich selbst gelegentlich. Aber darum ging es nicht. Das hier war etwas völlig anderes.
Ein Stöhnen, wie ich es noch nicht von mir gehört hatte, glitt aus meiner Brust. »Ren … bist du sicher, dass niemand hier …«
»Es ist niemand hier. Keiner kann uns hören.« Während Ren sprach … nein, während er die Worte hauchte, strich sein Mund über mein Ohr und seine Hand glitt tiefer, erreichte den Saum meines Rockes. Ich hasste diesen rot-grünen Faltenrock unserer Schuluniform, aber im Moment war ich mehr als froh, keine Jeans zu tragen. Nur so gelang es Ren, meine nackten Schenkel zu streicheln. »Hat dich schon mal jemand … hier berührt?«
Hastig zog ich die Luft ein. Rens Finger strichen am Rand meines Höschens entlang. Himmel! Was sollte ich antworten, wie reagieren?
»Nein …«, entschied ich mich für die Wahrheit.
»Darf ich? J, darf ich dich hier anfassen? Ich möchte … ich würde dir gern etwas zeigen.«
Etwas zeigen? Ren durfte mir alles zeigen. Ich schmolz dahin, vergaß alle Skrupel, alle Ängste. Er küsste mich wieder, seufzte tief und seine Finger schlüpften wie von selbst unter den Stoff meines Höschens. Sie berührten mich an meiner intimsten Stelle. O mein Gott, dieses Gefühl … ich schnappte nach Luft. Ren stupste meinen Kitzler an, diesen kleinen pulsierenden Punkt, der bisher nur meine eigenen Finger gekannt hatte. Dieser Augenblick war unbeschreiblich, ich befürchtete, meine Knie würden nachgeben. Nach Halt suchend, klammerte ich mich an seine Oberarme und empfing gierig, was er mir zu geben bereit war. Wie im Rausch genoss ich das Spiel seiner Finger an meiner Muschi und stürzte mich in die Wellen der Lust … bis dieses himmlische Gefühl abrupt unterbrochen wurde.
Schritte ertönten. Jemand näherte sich uns. Ren nahm seine Finger und seinen Mund von mir. Er stöhnte – weniger vor Verlangen, wie er es eben noch getan hatte, mehr aus Ärger über die Störung.
Verdammt!
»Hey, Alter … wir suchen …«
Ach, Scheiße! Von allen Störungen schmeckte diese am bittersten.
»Declan!«
Declan Fawley gehörte zu Rens Freunden, die jetzt in geballter Ladung vor uns standen. Allen voran Arschloch Declan.
»Jade?« Er sah mich an, als wäre ich Hundescheiße am Absatz seines Schuhs. Er hasste mich und gab sich keine Mühe, seine Abneigung zu verheimlichen. Das war okay, denn diese Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Ich mochte diesen überheblichen Arsch nicht, auch wenn er zu Rens Clique gehörte. Ich konnte diesen aufgeblasenen Wichser nicht leiden, der glaubte, etwas Besseres zu sein, nur weil seine stinkreichen Eltern der Schule regelmäßig einen fetten Spendenscheck ausstellten. Dabei war er nicht der einzige Schüler in St Alban’s mit einem elitären Background. Mein Familienstammbaum konnte sich ebenfalls sehen lassen, genau wie das Konto meiner Eltern. Viele hier waren Sprösslinge der englischen High Society Englands. Na und? Was sagte das schon aus? Aber Idioten wie Declan ließen ihren gepuderten Arsch gern raushängen und gingen mir mit ihrem großspurigen Getue einfach auf die Nerven.
Allerdings hatte mein Hass auf ihn einen Haken. Er sah so verdammt gut aus, und das störte mich sogar noch mehr als seine blöde Hochnäsigkeit. Das haselnussfarbene Haar saß immer akkurat, keine Strähne schien am falschen Fleck zu sein. Seine Krawatte war scheißperfekt gebunden, und selbst das weiße Hemd und die waldgrüne Hose der Schuluniform waren immun gegen Falten und Knitter. Und das Schlimmste an der ganzen Misere? Jedes Mal, wenn Declan in meiner Nähe war, schlug mein Herz anders … schneller, kräftiger, ungeduldiger. Es kam aus dem Takt und ich konnte nichts dagegen tun. Ich hasste meinen Körper für seine Hinterhältigkeit.
Warum nur reagierte ich so auf diesen arroganten Arsch? Ich wollte das nicht. Nein, verdammt! Ren war derjenige, den ich wollte. Seine Küsse wollte ich. Und seine Finger unter meinem Höschen. Das waren doch Schmetterlinge genug, die in meinem Bauch verrückte Sachen machten.
Warum also hatte Arschloch Declan diese seltsame Macht über mich?
Und weshalb zur Hölle konnte ich nichts dagegen tun?
Oh doch, ich konnte!
Wütend über mich selbst reckte ich mein Kinn, rümpfte die Nase und schob eine Augenbraue nach oben, als wäre er jetzt die Scheiße an meinem Schuh. »Sag mal, Declan, gibt es nicht irgendwo ein kleines Mädchen, dessen Bücher du verbrennen kannst?«
Verstohlen angelte Ren nach meiner Hand. Er tat es heimlich, hinter meinem Rücken, dass es seine Freunde nicht sehen konnten. Ihm war sein Status vor Declan und den anderen wichtig. Für ihn, der mit einem Stipendium an der Schule aufgenommen worden war, hing viel von seinem Ruf und seinem Status in der Hierarchie der Schüler ab. Er hatte viel dafür getan, um zu Declans Clique zu gehören. Nicht auf alles davon konnte Ren stolz sein. Aber das nahm ich ihm nicht übel. Er hatte keine reichen Eltern, die ihm den Weg ebneten. Das musste Ren selbst tun, und das respektierte ich. Denn letztlich war doch nur das von Wert, was man sich selbst verdiente. Und genau deshalb wollte ich nicht dem Klischee einer hübschen Upperclass-Tussi entsprechen. Dafür tat ich so einiges, auch wenn mein Äußeres von Natur aus nicht zum monetären Mainstream passte. Mein Haar war zu rot, mein Gesicht zu wenig geschminkt. Ich trug keine Designerklamotten, keine glitzernden Klunker und ich lutschte nicht reihenweise Schwänze, um dazuzugehören. Nein, ich war anders. Und das war gut so!
»Seid brav, Kinder! Sonst kriegt ihr noch Ärger mit der Fitzgerald«, mischte sich Kaden ein und zwinkerte mir zu.
Kinder?
Ich musste mir ein Lächeln verkneifen, zu dem mich Kaden Durham regelmäßig provozierte. Mit seiner natürlichen und unbeschwerten Art umgab ihn stets ein Sonnenschein, der mich und letztlich auch alle anderen in Frohmut versetzte. Auch heute schaffte es Kaden, der angespannten Situation die Schärfe zu nehmen. Diese Gabe machte ihn zum absoluten Gegenstück von Arschloch Declan. Er war ein Sunnyboy, der Inbegriff eines Surfers. Wenn Kaden sich lässig mit einer Hand durch sein blondes Haar fuhr, hatte jeder in seiner Nähe das Gefühl, an den kalifornischen Strand teleportiert worden zu sein. Man konnte das Meer förmlich riechen und entspannte sich sofort wie an einem herrlichen Sommertag am Strand von Palm Beach. Kaden trug die gleiche Uniform und auch an ihm saß sie perfekt, aber der steife Zwirn wirkte anders. Die Krawatte war mit einer Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit gebunden, die ihn irgendwie … sympathisch machte. Aber auch wenn Kaden ein Mensch war, den man einfach mögen musste, gehörte er zu Declan. Allein deshalb sollte ich ihn hassen, nur gelang es mir nicht.
»Scheiß auf die alte Fitzgerald! Was tust du hier, Ren? Das Anmelden für die Regatta wurde vorgezogen. Also schwing deinen Arsch, wir haben einen Ruf zu verteidigen!«
Nun, vor diesem Hintergrund blieb mir wohl nichts übrig, als Declans rüde Unterbrechung zu verzeihen. Seit drei Jahren hielten die fünf Jungs den ersten Platz der jährlichen Segelregatta auf der Themse. Wenn sie sich dafür anmelden mussten, hatte das wohl Vorrang – auch wenn ich liebend gern weiter geknutscht hätte.
»Geht schon vor, ich komme gleich nach. Wir müssen nur noch …«
»Zwei Minuten!« Declan zeigte Großmut, ersparte Ren eine süffisante Bemerkung und drehte sich theatralisch zum Gehen. Kaden zwinkerte mir noch einmal zu, Boone und Sam, die wie immer nur schweigend im Hintergrund gestanden hatten, folgten ihm.
Boone Winchester und Sam Parker redeten nicht viel, maximal flüsterten sie sich etwas zu, und ich glaubte, keinen von beiden jemals lachen gesehen zu haben. Auch jetzt trotteten sie davon, als hinge eine Gewitterwolke über ihren Köpfen.
»Es tut mir leid«, flüsterte Ren, als wir wieder allein waren. »J, ich …«
»Schon gut. Ich muss sowieso an meinem Referat arbeiten.« O Gott, ich merkte selbst, wie armselig das klang.
»Es tut mir trotzdem leid.« Rens Lippen strichen über meine Schläfe. »Wir holen das nach. J, ich würde gern ein paar Sachen mit dir tun … Scheiße, eine Menge Sachen …«
Ein Schauer aus Eis und Feuer rollte über meinen Rücken, meine Muschi zog sich erwartungsvoll zusammen. Ich wollte genau das, was Ren sagte. Ich wollte, dass er all diese Dinge mit mir tat, mir alles zeigte. Ich wollte mit Ren diese nächste Stufe erleben und konnte es kaum erwarten.
»Bis dann …« Mit einem Lächeln, das die Härchen auf meinen Unterarmen erreichte, wandte er sich von mir ab und verschwand aus der Bibliothek.
Ich sah ihn nicht wieder.
Novemberabende sind düster
* * *
DREIZEHN JAHRE SPÄTER
»Wenn du deine Karriereziele erreichen willst, musst du gelegentlich über deinen Schatten springen. Auch wenn du nicht weißt, ob dahinter ein Abgrund lauert.«
Jade Fallon – Agentin am Schreibtisch, auf dem Weg zu ihrem ersten Außeneinsatz, voller Ambitionen und mit einer Erkenntnis konfrontiert, die schlimmer als jeder Abgrund ist
Es geschah tatsächlich. Heute passierte es. Ich war so aufgeregt, dass mein Hintern auf dem Plastikstuhl im Büro meines Bosses hin und her rutschte. Heute würde ich meinen ersten richtigen Job bekommen. Das erste Mal im Einsatz, nachdem ich in den vergangenen fünf Jahren nur am Rechner gesessen hatte. Doch jetzt war die lange Zeit des Wartens vorbei. Ab heute würde alles besser werden!
Nervös schlug ich ein Bein über das andere, als die Tür hinter mir aufflog und mein neuer Chef hereinkam. Packson hatte seinen Vorgänger Grant Baron mehr oder weniger von heute auf morgen ersetzen müssen, deshalb konnte ich ihn noch nicht so richtig einschätzen. Ich kannte nicht einmal seinen Vornamen. Aber das hier war nur ein Job, ich musste ihn nicht heiraten, also spielte sein Vorname keine Rolle. Und schlimmer als mit Grant Baron, diesem überheblichen Choleriker, konnte es vermutlich nicht werden. Dem arroganten Wichser würde ich keine Träne nachweinen. Noch immer waren alle etwas planlos wegen Barons plötzlicher Ansage, nur noch für den einen Fall zur Verfügung zu stehen, über den keiner sprach. Im Grunde war es mir egal. Diese ewige Geheimniskrämerei und seine egomanen Allüren waren schlichtweg zum Kotzen gewesen. Blieb nur zu hoffen, dass dieser Packson nicht ebenfalls ein selbstverliebter Idiot war.
»Bleiben Sie sitzen, Fallon!«
Hm, die Hoffnung starb bekanntlich zum Schluss. Ehrlicherweise hatte ich nicht einmal daran gedacht, aus Höflichkeit aufzustehen. Tja, die Aufregung! Andererseits war ich auch keine Schleimerin, also musste ich auch nicht so tun, als ob.
»Sie haben einen Job für mich, Mister Packson?« Neugierig verfolgte ich den Weg meines neuen Chefs zu jenem Schreibtisch, hinter dem neulich noch Baron gethront hatte. Selbst wenn ich mir noch nicht sicher war, inwieweit sich der Führungswechsel in unserer Abteilung auf meine Arbeit auswirken würde, wollte ich mich keinesfalls beschweren. Wenn ich heute nämlich die Möglichkeit eines Einsatzes bekam, war Packson definitiv besser als sein Vorgänger.
»Sieht so aus.« Mit einem müden Seufzer setzte er sich und zog eine Akte näher zu sich, in der vermutlich die Einzelheiten des Auftrags standen. Nur mit Mühe hatte ich dem Drang widerstehen können, einen heimlichen Blick hineinzuwerfen.
»Nun, Miss Fallon, die Sache ist ein wenig tricky. Man hat Sie mir empfohlen, weil es eigentlich ein Auftrag der HMRC ist, wir werden also für das Finanzamt tätig. Die brauchen eine Steuerfahnderin.«
»Eine Steuerfahnderin?« Damit hatte ich nicht gerechnet, denn unsere Arbeit in einer Organisation, die keinen Namen hatte, aber direkt dem Secret Service unterstellt war, verfügte meines Wissens über keine Schnittmengen mit dem HMRC – His Majesty’s Revenue and Customs. Das britische Finanzamt hatte doch seine hauseigene Kriminal-Abteilung. Was sollte also dieses Theater? Gewöhnlich wurden unsere verdeckten Ermittler in Mafiaorganisationen, Drogen-, Waffen-, Menschenhandelsvermittlungen eingeschleust. Die Hinterziehung von Steuern war doch nicht unser Metier.
»Sie haben den buchhalterischen Background, Fallon. Wir brauchen Informationen zu den Geschäften, woher das Geld kommt und wohin es geht.« Packson nestelte an den Ecken der Akte. War er nervös? Und wenn ja, warum? Verschwieg er etwas? Oder lag es an mir und meinem Fehler im Lebenslauf?
»Aber Sie wissen schon, dass ich keine Expertin auf dem Gebiet des Steuerrechts bin«, konstatierte ich und hätte mir postwendend selbst ein reinhauen können. Was tat ich denn? Das hier war meine Chance, endlich etwas anderes zu tun, als irgendwelche Idioten am Bildschirm zu überwachen oder Telefonate auszuwerten. Jemand hatte mich empfohlen – warum also machte ich mich selber klein? Na ja, weil ich nicht anders konnte. Mit meinem Sinn für Ehrlichkeit bremste ich mich manchmal selbst aus. Deshalb saß ich mir meinen Arsch immer noch auf einem Schreibtischstuhl platt, statt draußen auf der Jagd zu sein und Verbrecher zu überführen. Weil ich zu aufrichtig war, zu wenig hinterfotzig und mir dieses blöde Säbelrasseln einfach nicht lag. Natürlich wäre es cleverer gewesen, dicker aufzutragen. Wie meine Kollegin Sarah zum Beispiel, die log, dass sich die Balken bogen. Mit einem Schulterzucken hatte sie erst heute Morgen Packson von dem Erfolg einer Undercover-Mission in einem Bordell in Hackney erzählt, das vor allem illegal eingeschleuste Brasilianerinnen beschäftigte. Sie hätte das richtige Gespür gehabt und unseren Spion dorthin gelotst. Dass es in Wirklichkeit die letzte Adresse von geschätzten zwanzig gewesen war, hatte sie verschwiegen. Was sie als Erfolg verbuchte und damit prahlte, war eine einfache mathematische Wahrscheinlichkeitsrechnung gewesen. Und doch hatte sie die Lorbeeren eingeheimst.
Ich konnte das nicht. Leider. Warum zur Hölle konnte ich nicht einfach nicken und verschweigen, dass ich mein Studium abgebrochen hatte.
»Ja, ich kenne Ihre Akte, Fallon. Wollen Sie mir verraten, warum?«
»Warum ich mein Studium nicht beendet habe?«
Er nickte und verschränkte die Hände auf der Akte. Wenigstens hörte er auf, unstet daran herumzufummeln. »Sie haben das Wissen, den Intellekt, Sie sind nicht auf den Kopf gefallen, Ihre IQ-Tests sind alle überdurchschnittlich. Sie hätten es mit einem Abschluss weiterbringen können, als zu uns.«
Tja, das hätte ich. Ehrlicherweise war das auch der Plan gewesen.
Aber das Leben hatte andere Pläne mit mir.
Die verräterische Bitch namens Schicksal hatte mir gehörig den Kopf gewaschen.
»Private Probleme.« Das musste genügen. Ich hatte bei Gott wenig Lust, Packson von meinem verkorksten Leben zu erzählen, das rosig und elitär begonnen hatte und in den Dreck stürzte, als ich sechzehn war.
»Meine Tür steht Ihnen immer offen. Ich will, dass Sie das wissen. Wenn Sie darüber reden wollen: gut. Wenn nicht, dann eben nicht. Ihre Vergangenheit interessiert mich nicht, Fallon. Dass Sie die nötige Qualifikation für diesen Job mitbringen, ist auch ohne große Erklärungen glasklar.« Er atmete tief ein und fingerte wieder an der Akte. »Sie und nur Sie können das hier übernehmen.«
Er drehte mir die Akte zu. Mit langen Fingern zog ich sie näher und starrte auf die dicken schwarzen Buchstaben auf dem Pappdeckel.
»Dubh Liath?«
»Man spricht es duw lije aus. Das ist Irisch. Eine Mafia-Organisation hier in London. Jede Menge Geld ist im Umlauf, die Herkunft nur bedingt bekannt. Offiziell wird mit Kaffee und Diamanten gehandelt, aber woher die stammen, ist unklar. Beratungsdienste werden angegeben, aber wer worin und warum beraten wird, ist genauso unklar. Lange Rede, kurzer Sinn: Da liegt einiges im Argen und veruntreute Gelder könnten nur die Spitze des Eisberges sein.«
»Irische Mafia oder warum dieser mystische Name?«
»Gute Frage. Das ist der Knackpunkt, Fallon. Wir haben den Verdacht, dass es um Waffenlieferungen an die IRA geht. Und wenn dem so ist, haben wir ein Problem.«
Ja, das konnte ich mir gut vorstellen. Die Irish Republic Army, kurz: IRA, war eine paramilitärische Organisation, die es seit dem Karfreitagsabkommen in den Neunzigerjahren nicht mehr gab. Nach jahrzehntelangem Blutvergießen schwiegen die Waffen. Irland hatte Großbritannien versprochen, den Kampf um die Freiheit nur noch mit friedlichen Mitteln weiterzuführen. Das ging auch ziemlich lange gut, doch seit dem Brexit und der Frage, ob mit dem Austritt Großbritanniens und somit auch Nordirlands aus der EU gegen die Vereinbarungen aus dem Karfreitagsabkommen verstoßen wurde, brodelte der alte Konflikt neu auf. Manche behaupteten gar, es würde wieder Krieg geben.
»Sie meinen, mit diesen Dubh Liath rüstet die IRA auf?«
»Ich meine gar nichts, Fallon. Das ist es, was Sie herausfinden sollen. Schon lange wird behauptet, dass der Waffenstillstand damals nur eine theoretische Einigung war. Man sagt, die Waffen wurden nie vernichtet. Die sollen zusammen mit zig Tonnen Munition in den Höhlen Nordirlands vergraben sein. Und irgendwann, wenn die Führungsebene wieder stark genug ist, dann … Boom!« Packson plusterte die Wangen auf und machte mit den Händen eine ausladende Geste.
»Und Sie meinen, ich finde in den Büchern dieser Dubh Liath Hinweise darauf, ob die Waffen an die IRA liefern.«
»Das hoffe ich. Aber das ist nicht der Punkt, warum ich Sie für den Job brauche, Fallon.«
Na, jetzt wurde es interessant. Zahlen, Buchhaltung, stupide Buchprüfung, die Hintergründe von Geldtransfers offenlegen … das war doch genau mein Ding. Welchen Grund sollte es denn noch geben?
Packson schnaufte und schien sich seine nächsten Worte genau zu überlegen. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Fallon. Sie sind wegen Ihrer Qualifikationen die Richtige für diesen Job, aber da gibt es noch eine Kleinigkeit …« Packson schob die Akte mit einem Finger über den Tisch. »Schlagen Sie auf! Erste Seite.«
Während ich auf die vordere Kante des Stuhls rutschte, zog ich die Akte noch näher und klappte den Deckel aus hartem Karton auf. Die erste Seite einer solchen Akte bestand meist aus dem Inhaltsverzeichnis und den Namen der Zielpersonen. In diesem Fall waren es vier Namen.
Declan Fawley.
Boone Winchester.
Kaden Durham.
Ren Hayes.
Heilige verdammte Kuhscheiße!
»Gemeinsam erlebte Schicksale können Freundschaften entzweien oder aber so fest zusammenschweißen, dass sich keiner ohne den anderen vollständig fühlt. Und wenn die Schicksale so richtig mies waren, kann das sogar für jene gelten, die nicht unmittelbar betroffen waren.«
Declan Fawley – ehemaliger Schüler der St. Alban’s Eliteschule, heute erfolgreicher Geschäftsmann, unanständig reich, skrupellos, von alten Dämonen verfolgt, aber glücklich, einen Freund wiederzufinden
Seit gefühlten Stunden starrte ich aus dem Fenster, blickte auf die einheitlich weißen Fassaden der Villen hinter nackten Zweigen. Blätterlose Platanen säumten die Straße in Cottesmore Gardens. Draußen war es kalt aber klar. Mein Hintern lehnte an einem antiken Schreibtisch, den ich vor drei Jahren mit Hilfe eines Geschäftspartners auf einer Auktion in Kolumbien ersteigert hatte. Der Erwerb und die Verschiffung des edlen Stücks hatten mich ein halbes Vermögen gekostet, aber an diesem Tisch hatte einst der legendäre Pablo Escobar millionenschwere Deals abgeschlossen, über Leben und Tod entschieden und sich einen Teil seines Kokses durch die eigene Nase gezogen. Bis auf die Sache mit dem Koks also genau mein Ding. Deshalb liebte ich diesen Schreibtisch, er passte gut zu mir. Während ich starr aus dem Fenster blickte, strich ich zärtlich über das edle Holz. Es hätte viele düstere Geschichten erzählen können.
Plötzlich verharrte mein Finger über dem Holz. Draußen änderte sich das Bild der bislang ruhigen Straße, zahlreiche Kinder in grün-blauen Schuluniformen, mit Rucksäcken über den Schultern, polterten lachend, quatschend und hüpfend über das Pflaster. In der Nähe war ein College, wahrscheinlich begann in Kürze der Unterricht.
Mit hochgezogenen Augenbrauen wandte ich mich ab. Das war mir entschieden zu viel Trubel. Mein Blick fiel auf den Schreibtisch, wo seit einer langen Woche der Brief lag und mich verhöhnte. Sein Absender stellte mich auf eine Probe. Und nicht nur mich. Noch hatte ich den anderen nichts davon erzählt. Ich wusste nicht, wie. Ich wollte mir die passenden Worte zurechtlegen, darüber nachdenken, wie wir an diese Scheiße herangehen sollten. Seit einer beschissen langen Woche. Aber ich war keinen Schritt weiter. Dabei musste ich endlich eine Entscheidung treffen. Heute musste ich es den anderen sagen.
Die Tür schwang auf und meine Rettung schneite herein. Keine Sekunde zu früh.
»Boone!« Mit schnellen Schritten gingen wir aufeinander zu und fielen in eine freundschaftliche Umarmung. »Seit wann bist du zurück?«
»Seit eben.«
»Wie war die See? Alles heil?« Ich ging zu einem antiken Schrank auf der anderen Seite meines Büros, neben dem Kamin. Auch ersteigert. Aus Kuba. Keine so aufregende Begleitgeschichte wie zu meinem Schreibtisch, aber hübsch anzusehen. Während ich zwei Gläser und die Karaffe mit dem Macallan schnappte, schaute ich über die Schulter zu meinem besten Freund und ermunterte ihn mit einem Nicken, mir von seinem Trip zu erzählen. »Ich will alles wissen. Wie lange warst du weg? Sechs Wochen?«
»Fast sieben.« Boone nahm das Glas entgegen und wir stießen die kristallenen Gläser aneinander. »Und es war ruhig? Kein Sturm?«
Wir tranken und starrten uns eine Weile an. Ich konnte es noch nicht fassen, meinen Freund wieder an meiner Seite zu wissen. Zu oft blieb Boones Platz verwaist.