Culpa Tuya – Deine Schuld - Mercedes Ron - E-Book

Culpa Tuya – Deine Schuld E-Book

Mercedes Ron

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Beschreibung

Die Wattpad- und Tiktok-Sensation und Romanvorlage zur erfolgreichen Prime-Verfilmung – ab 27.12.2024 auf Amazon Prime

Als Noah sich in Nick verliebt hat, war klar, dass ihre Beziehung nicht einfach werden würde. Sie sind Feuer und Elektrizität, wenn sie aufeinandertreffen, sprühen Funken – in jeder Hinsicht. Nach dem letzten Sommer dachte Noah, ihre Leidenschaft wäre größer als die Angst. Doch mit dem Studienbeginn steht ihr Leben erneut kopf. Der Altersunterschied zwischen Nick und Noah, das Leben auf dem Campus, gefährliche Partys und die Gespenster der Vergangenheit stellen die beiden immer wieder auf eine harte Probe. Denn noch wissen sie nicht alles voneinander. Und sosehr sie sich bemühen, manche Wunden heilen nicht. Wenn es Noah nicht gelingt, ihre Angst zu überwinden, und Nick die Vergangenheit nicht hinter sich lassen kann, steht ihrer beider Welt auf dem Spiel.
Eine unwiderstehliche Enemies-to-Lovers-Romance über fatale verbotene Liebe und der zweite Band der Weltbestsellertrilogie »Culpables«, für alle Fans von Colleen Hoover, Anna Todd und Beth Reekles.

Die Culpa-Mía-Trilogie:
Culpa Mía – Meine Schuld (Band 1)
Culpa Tuya – Deine Schuld (Band 2)
Culpa Nuestra – Unsere Schuld (Band 3)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 592

Veröffentlichungsjahr: 2024

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MERCEDESRON

CULPA

TUYA

DEINE SCHULD

Aus dem Spanischen

von Ursula Bachhausen und Sabine Giersberg

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Quellennachweis

Das Zitat stammt aus: Shakespeare. Die Sonette. Zweisprachige Ausgabe. Deutsch von Christa Schuenke. 7. Aufl. München: dtv, 2014, S. 129.

Erstmals als cbt Taschenbuch Juni 2024

© 2017 Mercedes Ron

Die Originalausgabe erschien erstmals 2017 unter dem Titel

»Culpa Tuya« bei Penguin Random House Grupo Editorial,

S. A. U., Travessera de Gràcia, 47 – 49, Barcelona, Spanien.

© 2024 für die deutschsprachige Ausgabe

cbj Kinder- und Jugendbuch Verlag in der

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Spanischen von Ursula Bachhausen und Sabine Giersberg

Umschlaggestaltung: Marie Graßhoff

Umschlagmotive: Adobe Stock (Zamurovic Brothers, Glitter_Klo)

kk · Herstellung: UK

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-31870-3V004

www.cbj-verlag.de

Meiner Schwester Ro.

Danke, dass du meine Spielgefährtin warst,

dass du mir zuhörst, mit mir oder über mich lachst

und immer für mich da bist, wenn ich dich brauche.

PROLOG

Eisiger Regen peitschte uns ins Gesicht, wir wurden klatschnass, aber das war egal, nichts hatte mehr Bedeutung. Für mich brach eine Welt zusammen.

»Es gibt kein Zurück. Ich kann dir nicht mal mehr in die Augen sehen.« Tränen der Verzweiflung rannen ihm über das Gesicht. Wie hatte ich ihm das antun können? Seine Worte bohrten sich wie Dolche in mein Herz.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, gestand ich. Ich rang um Fassung. Wollte er mich tatsächlich verlassen?

Er schaute mich hasserfüllt an. Dass er einmal so voller Verachtung für mich sein würde, hätte ich nie gedacht.

»Es ist aus«, sagte er leise, aber entschieden.

Diese drei Worte stürzten mich in ein tiefes Loch. In ein eigens für mich gemachtes Gefängnis, in dem ich mutterseelenallein war, aber ich hatte es verdient. Diesmal hatte ich es wirklich verdient.

1

NOAH

Endlich achtzehn.

Ich wusste noch genau, wie ich elf Monate zuvor die Tage gezählt hatte, bis ich volljährig werden würde. Ich wollte endlich für mich selbst entscheiden und von hier verschwinden. Aber inzwischen hatte sich alles geändert und die trüben Gedanken waren vergessen. Ich hatte mich in Los Angeles nicht nur gut eingelebt, sondern ich konnte mir nicht mal mehr vorstellen, irgendwo anders zu leben. Nach und nach hatte ich mir meinen Platz erobert: in der Schule und in dieser Patchwork-Familie, in die es mich verschlagen hatte.

Ich hatte eine Menge Hindernisse überwinden müssen – nicht erst in den letzten Monaten, sondern mein Leben lang –, und alle hatten mich stärker gemacht. Davon war ich zumindest fest überzeugt. Es war viel passiert, und längst nicht nur Positives, aber das Beste von allem war Nicholas. Wer hätte anfangs gedacht, dass ich mich in ihn verlieben würde? Doch so war es, ich war bis über beide Ohren verknallt, so sehr, dass es wehtat. Wir hatten uns erst zusammenraufen müssen. Es war nicht einfach, aber wir arbeiteten jeden Tag daran. Unsere unterschiedlichen Persönlichkeiten rasselten oft aneinander, und mit Nick auszukommen, war nicht leicht, aber ich liebte ihn über alle Maßen.

Deshalb machte mich die Aussicht auf die anstehende Geburtstagsparty eher traurig als froh. Nick würde nicht kommen. Ich hatte ihn schon seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. Er war in San Francisco, wie so oft in den letzten Monaten. In einem Jahr würde er mit seinem Studium fertig sein, und er nutzte bereits jetzt alle Türen, die sein Vater für ihn öffnen konnte. Der Nick, der sich ständig in Schwierigkeiten brachte, war Vergangenheit. Er hatte sich verändert, er war in unserer Beziehung reifer geworden, ein besserer Mensch, auch wenn ich Angst hatte, dass sein altes Ich jederzeit wieder zum Vorschein kommen könnte.

Ich betrachtete mich im Spiegel. Mein lockerer, aber eleganter Dutt würde hervorragend zu dem weißen Kleid passen, das meine Mutter und Will mir zum Geburtstag geschenkt hatten. Meine Mutter hatte sich auf die Organisation der Party gestürzt, als hätte sie den Verstand verloren. Es sei für sie die letzte Chance, noch mal ganz in ihrer Mutterrolle aufzugehen, meinte sie, da ich in einer Woche meinen Highschool-Abschluss machen und bald darauf aufs College gehen würde. Ich hatte mich bei einer Reihe von Colleges beworben, mich letztlich aber doch für die UCLA entschieden. Nach all den Veränderungen und dem Umzug im letzten Jahr wollte ich nicht wieder weg aus Los Angeles, und erst recht nicht weg von Nick, der dieselbe Uni besuchte. Ich wusste zwar, dass er am Ende wohl nach San Francisco ziehen würde, um in der neuen Firma seines Vaters zu arbeiten, doch darum machte ich mir jetzt noch keinen Kopf. Bis dahin war es noch lange hin und ich wollte mir die Laune nicht verderben lassen.

Ich stand von meinem Frisiertisch auf, um das Kleid anzuziehen. Da fiel mein Blick auf die Narbe auf meinem Bauch. Als ich mit einem Finger sanft über die für immer gezeichnete Hautpartie strich, lief es mir kalt den Rücken herunter. In meinen Ohren hallte das Echo des Schusses, der meinen Vater getötet hatte, und ich musste tief durchatmen, um die Fassung zu bewahren. Ich hatte niemandem von meinen Albträumen erzählt, auch nicht von der Angst, die mich jedes Mal überkam, wenn ich an das Geschehene dachte, oder davon, dass ich jedes Mal wildes Herzrasen bekam, wenn in meiner Nähe ein lauter Knall ertönte. Ich wollte nicht zugeben, dass mein Vater mir ein weiteres Trauma beschert hatte, es war ja schlimm genug, dass ich es im Dunkeln nur dann aushalten konnte, wenn Nick bei mir war. Ich konnte nicht mehr ruhig schlafen und musste ständig an meinen Vater denken, der neben mir erschossen worden war; seit mir sein Blut ins Gesicht gespritzt war, war ich total von der Rolle. Aber das behielt ich lieber für mich: Niemand sollte erfahren, dass ich noch gestörter war als vorher und dass mein Leben noch immer von Ängsten beherrscht wurde, die dieser Mann in mir ausgelöst hatte. Meine Mutter hingegen schien ihre Furcht überwunden zu haben. Sie war mit ihrem Mann rundherum glücklich, denn sie war endlich frei. Ich für meinen Teil hatte jedoch noch einen langen Weg vor mir.

»Bist du noch nicht angezogen?«, hörte ich hinter mir die Stimme des einzigen Menschen sagen, der mich täglich zum Lachen brachte.

Erleichtert wandte ich mich zu Jenna um. Meine beste Freundin sah fantastisch aus, wie immer. Sie hatte vor Kurzem ihr langes Haar abschneiden lassen und trug es nun schulterlang. Mit Engelszungen hatte sie auf mich eingeredet, dasselbe zu tun, aber ich wusste, wie sehr Nick mein langes Haar gefiel. Es reichte mir inzwischen fast bis zur Taille und ich mochte es so.

»Hab ich dir schon gesagt, wie toll ich deinen knackigen Hintern finde?« Sie kam zu mir und gab mir einen Klaps auf den Po.

»Du spinnst«, erwiderte ich und zog mir das Kleid über den Kopf. Jenna ging zum Safe, der sich in meinem begehbaren Kleiderschrank direkt unter den Fächern mit den Schuhen befand. Ich selbst kannte nicht mal die Kombination, denn ich benutzte ihn nicht, aber seit Jenna ihn entdeckt hatte, hatte sie ihn zum Geheimversteck für alles Mögliche erklärt.

Als sie nun eine Flasche Champagner und zwei Gläser hervorzauberte, musste ich lachen.

»Auf deine Volljährigkeit.« Sie füllte die Gläser und streckte mir eines entgegen. Ich grinste. Meine Mutter würde mir den Hals umdrehen, wenn sie mich sehen könnte, aber meinen Geburtstag musste ich doch gebührend feiern, oder?

»Auf uns«, sagte ich.

Wir stießen an und tranken einen Schluck. Der Champagner war köstlich, und das musste er auch sein, immerhin kostete so eine Flasche Cristal mehr als dreihundert Dollar. Jenna ließ es bei allem, was sie tat, krachen, für sie war diese Art von Luxus normal, denn ihr hatte es nie an etwas gefehlt.

»Dein Kleid ist toll.« Sie betrachtete mich hingerissen.

Mit einem Lächeln wandte ich mich zum Spiegel. Das weiße Kleid war tatsächlich wunderschön und es betonte meine Figur. Die langen Ärmel waren aus zarter Spitze, deren geometrische Muster meine helle Haut durchscheinen ließen. Auch die Schuhe waren der Wahnsinn, ich war darin fast so groß wie Jenna in ihrem kurzen weinroten Kleid mit Volant.

»Unten geht’s voll ab«, erklärte sie und stellte ihr Sektglas neben meinem ab. Ich tat das Gegenteil: Ich nahm mein Glas wieder zur Hand und trank das prickelnde Getränk auf einen Schluck aus.

»Hör bloß auf, das will ich gar nicht hören«, rief ich nervös. Plötzlich bekam ich keine Luft mehr. Das Kleid war viel zu eng, ich konnte nicht mehr atmen.

Jenna zwinkerte mir zu.

»Was ist?«, fragte ich und beneidete sie darum, dass ihr die Tortur erspart blieb.

»Nichts. Ich weiß doch, wie sehr dir die ganze Sache gegen den Strich geht, aber keine Sorge, ich bin da und sorge schon dafür, dass wir ’ne Menge Spaß haben werden.« Lächelnd drückte sie mir einen Kuss auf die Wange.

Dankbar erwiderte ich ihre Geste. Mein Freund mochte meinen Geburtstag vielleicht verpassen, aber zumindest wäre meine beste Freundin bei mir.

»Gehen wir runter?«, fragte sie und strich ihr Kleid glatt.

»Was bleibt mir anderes übrig?«

Der ganze Garten war auf den Kopf gestellt worden. Meine Mutter hatte es echt übertrieben. Sie hatte ein großes weißes Zelt gemietet, das mit Unmengen von Luftballons geschmückt war. Zwischen runden rosafarbenen Tischen und bunten Stühlen liefen Kellner in Sakko und Fliege hin und her. An einem Ende des Zeltes befand sich eine Bar, an der Getränke ausgeschenkt wurden, und auf einem langen Buffet standen Tabletts mit allen möglichen Speisen, die von einem Caterer angeliefert worden waren. Mein Geschmack war das zwar nicht, aber ich wusste, dass es immer schon ein Herzenswunsch meiner Mutter gewesen war, mir so eine Geburtstagsparty zu organisieren. Wie oft hatte sie darüber gesprochen, wie es sein würde, wenn ich mit achtzehn aufs College ging, und zum Spaß hatten wir uns ausgemalt, was wir alles für die Party anmieten würden, wenn wir im Lotto gewinnen würden. Und am Ende hatten wir tatsächlich das große Los gezogen! Aber das hier war des Guten eindeutig zu viel.

Sobald ich in den Garten kam, gratulierten mir alle laut im Chor zum Geburtstag, wie bei einer Überraschungsparty, als hätte ich nicht gewusst, dass sie dort auf mich warteten. Meine Mutter kam zu mir und drückte mich fest.

»Herzlichen Glückwunsch, Noah!«, sagte sie gerührt. Ich erwiderte ihre Umarmung und sah zu meinem Erstaunen, dass sich hinter ihr eine Schlange der Gratulanten bildete. Meine Freunde aus der Highschool waren da, aber auch eine Reihe von Eltern, mit denen sich meine Mutter angefreundet hatte, und viele Nachbarn und Freunde von William. Ich wurde so hibbelig, dass ich mich unbewusst nach Nicholas umschaute. Nur seine Gegenwart würde mich beruhigen. Aber es half nichts, er würde nicht kommen. Er war in San Francisco und ich würde ihn erst auf meiner Abschlussfeier in einer Woche wiedersehen. Und doch hegte ich insgeheim noch immer die Hoffnung, ihn zwischen all den Leuten zu entdecken.

Es dauerte über eine Stunde, bis ich alle Gäste begrüßt hatte. Schließlich kam Jenna zu mir und zog mich zur Bar. Die war in zwei Bereiche geteilt, einen für die unter Einundzwanzigjährigen und einen für die Älteren.

»Du hast sogar deinen eigenen Cocktail.« Sie lachte.

»Meine Mutter hat endgültig den Verstand verloren«, erklärte ich, als ein Kellner uns den nach mir benannten Cocktail servierte. Er musste sichtlich an sich halten, um nicht loszuprusten. Na toll, der Typ hielt mich sicher für einen Snob.

Als ich den Drink sah, traf mich fast der Schlag. Es war eine grellrosa Flüssigkeit in einem Martiniglas, das mit einem farbigen Zuckerrand und einer Erdbeere an der Seite verziert war. Am Stiel des Glases hing eine Schleife, auf die mit kleinen weißen Perlen eine Achtzehn gestickt war.

»Dem fehlt noch der richtige Pfiff«, erklärte Jenna. Verstohlen holte sie einen Flachmann hervor und kippte einen Schuss Alkohol in unsere Gläser. Wenn das so weiterging, musste ich aufpassen, dass ich nicht schon vor Mitternacht sternhagelvoll war.

Ein ziemlich guter DJ legte auf, bei seiner Musikauswahl war für jeden was dabei, und meine Freunde tanzten sich schon die Seele aus dem Leib. Die Party war ein voller Erfolg.

Jenna zerrte mich auf die Tanzfläche, und wir fingen an, wie verrückt herumzuhüpfen. Mir war mörderisch heiß. Kein Wunder, der Sommer stand in den Startlöchern.

Lion lehnte an einer der Säulen am Rand der Tanzfläche und schaute uns zu. Besonders Jennas Po, den sie fröhlich hin und her schwenkte, hatte es ihm angetan. Ich musste lachen. Da ich mich schon ausgepowert hatte, ließ ich Jenna mit den anderen allein weitertanzen und gesellte mich zu ihm.

»Ist dir langweilig, Lion?«, fragte ich.

Er lächelte belustigt, doch ich konnte ihm ansehen, dass ihn etwas beschäftigte. Er ließ Jenna nicht aus den Augen.

»Herzlichen Glückwunsch, übrigens«, sagte er, denn bisher war er noch nicht dazu gekommen, mit mir allein zu sprechen. Es war seltsam, ihn hier ohne Nick zu sehen. Mit unseren Klassenkameraden hatte Lion nicht viel am Hut. Nick und er waren fünf Jahre älter als Jenna und ich, und der Altersunterschied machte sich deutlich bemerkbar. Die Jungs aus meiner Klasse waren viel unreifer als die beiden, da war es logisch, dass sie keine Lust hatten, mitzukommen, wenn wir etwas mit unseren Freunden von der Highschool unternahmen.

»Danke«, antwortete ich und fügte hinzu: »Hast du was von Nick gehört?« Es versetzte mir einen Stich. Bisher hatte er weder angerufen noch mir eine Nachricht geschickt.

»Gestern hat er gesagt, dass er bis über beide Ohren mit Arbeit eingedeckt ist. Die lassen ihn in der Kanzlei ja kaum mal Mittagspause machen. Aber immerhin konnte er mir noch sagen, dass ich dich im Auge behalten soll.« Er grinste.

»Mir scheint, deine Augen sind anderweitig beschäftigt«, erwiderte ich, als ich sah, dass sein Blick wieder zu Jenna wanderte. Die drehte sich im gleichen Moment zu uns um und strahlte vor Glück. Sie war bis über beide Ohren in Lion verknallt. Wenn sie bei mir übernachtete, redeten wir immer stundenlang darüber, was für ein Glück wir hatten, zwei Jungs zu lieben, die so dicke Freunde waren. Ich wusste aus erster Hand, dass es für Jenna keinen anderen gab, und fand es toll, dass Lion ebenso verrückt nach ihr war. Ich hatte Jenna wirklich lieb gewonnen, sie war meine beste Freundin und mit der wichtigste Mensch in meinem Leben. Sie war immer für mich da gewesen, wenn ich sie brauchte, und sie hatte mir gezeigt, was eine echte Freundin war. Sie war nicht eifersüchtig, manipulativ oder nachtragend wie Beth in Kanada, und ich wusste, dass sie mir niemals wehtun würde, zumindest nicht mit Absicht.

Sie kam zu uns und gab Lion einen dicken Schmatzer. Zärtlich nahm er sie in den Arm und ich wandte mich ab. Plötzlich wurde ich traurig. Ich vermisste Nick. Wie gern hätte ich ihn bei mir gehabt. Ich schaute zum hundertsten Mal auf mein Handy, aber er hatte immer noch nicht angerufen oder geschrieben. Allmählich ärgerte mich das. Mir eine Nachricht zu schicken, dauerte doch nicht mehr als ein paar Sekunden. Verdammt, was war denn los mit ihm?

An der Theke servierte ein Barmann den wenigen über Einundzwanzigjährigen, die noch dort waren, Drinks. Es war derselbe, der zuvor gemeinsam mit einer anderen Kellnerin »meine« Cocktails herumgereicht hatte.

Ich setzte mich an die Bar und beobachtete ihn. Fieberhaft überlegte ich, wie ich ihn wohl dazu bringen könnte, mir einen richtigen Drink einzuschenken.

»Wäre es zu viel verlangt, dich um etwas zu trinken zu bitten, das nicht rosa, dafür aber alkoholhaltig ist?«, fragte ich. Wahrscheinlich würde er mich abblitzen lassen.

Zu meiner Überraschung grinste er. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand hinsah, schnappte er sich ein Schnapsglas und schenkte eine helle Flüssigkeit ein.

»Tequila?«, fragte ich.

»Wenn einer fragt, den hast du nicht von mir«, antwortete er und schaute weg.

Ich lachte und kippte den Shot runter. Der Tequila brannte in meiner Kehle, aber er war wirklich gut.

Als ich mich umdrehte, beobachtete ich, wie Jenna Lion in eine dunkle Ecke zog. Mit ansehen zu müssen, wie meine Freunde rumknutschten, deprimierte mich.

Zum Teufel mit dir, Nicholas Leister! Warum kannst du nicht mal für eine Sekunde aus meinem Kopf verschwinden?

»Kann ich noch einen haben?«, fragte ich den Barmann. Ich wusste, dass ich den Bogen überspannte, aber immerhin war das meine Party. Da durfte ich doch wohl trinken, was ich wollte, oder?

Ich wollte den Shot gerade runterkippen, als plötzlich wie aus dem Nichts eine Hand meinen Arm festhielt und mir das Glas wegnahm.

»Ich glaube, du hast genug«, sagte eine Stimme.

Seine Stimme.

Ich blickte auf. Da war er. Nick. In Hemd und Anzughose, das dunkle Haar leicht zerzaust. Seine blauen Augen funkelten geheimnisvoll und unendlich glücklich.

»Oh mein Gott!«, rief ich und schlug mir beide Hände vor den Mund. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Wie ich das vermisst hatte! Ich stürzte mich in seine Arme. »Du bist gekommen!«, jubelte ich. Ich zog ihn an mich, sog seinen Duft ein und fühlte mich wieder vollständig.

Er umarmte mich fest. Endlich bekam ich wieder Luft. Er war da, bei mir.

»Ich hab dich vermisst, Freckle«, flüsterte er mir ins Ohr und gab mir dann ein Küsschen auf den Mund.

Es kribbelte in meinem Bauch. Vierzehn lange Tage war es her, dass ich seine Lippen auf meinem Mund und seine Hände auf meinem Körper gespürt hatte.

Er schob mich von sich und musterte mich von Kopf bis Fuß.

»Du siehst toll aus«, murmelte er heiser und zog mich wieder an sich.

»Was machst du hier?«, fragte ich und unterdrückte den Wunsch, ihn noch einmal zu küssen. Wir mussten vorsichtig sein. Um uns herum waren Leute und auch unsere Eltern liefen irgendwo herum. Ich wurde unruhig.

»Deinen Geburtstag wollte ich um nichts in der Welt verpassen«, erklärte er, und sein Blick wanderte zurück zu meinem Körper. Es knisterte gewaltig zwischen uns. Wir waren noch nie so lange getrennt gewesen, seit wir zusammen waren. Ich hatte mich daran gewöhnt, ihn fast jeden Tag um mich zu haben.

»Wie hast du es geschafft, noch rechtzeitig zu kommen?« Selig lehnte ich den Kopf an seine Brust.

»Frag lieber nicht«, erwiderte er und küsste mich auf die Stirn.

»Nette Party übrigens«, meinte er belustigt.

Ich löste mich von ihm und sah ihn wütend an.

»Das war nicht meine Idee.«

»Ich weiß«, sagte er mit seinem umwerfenden Lächeln.

Mir ging das Herz auf.

»Möchtest du den Cocktail à la Noah kosten?«, fragte ich. Der Barmann machte sich gleich an die Arbeit.

»Du hast einen eigenen Cocktail, Freckle?« Nick runzelte die Stirn, als der Barkeeper die rosa Flüssigkeit einschenkte, das Glas mit der Erdbeere krönte und es ihm entgegenstreckte.

»Tja, dann werde ich ihn wohl probieren müssen.«

Tapfer trank er das ganze Glas auf ex, dabei schmeckte das Zeug wie ein geschmolzenes Bonbon.

Ich strahlte vor Glück und Nick ließ sich von meiner guten Laune anstecken. Er zog mich an sich und seine Lippen wanderten zu meinem Ohr. Dabei streifte sein Mund die empfindliche Haut an meinem Hals und mir wurde ganz anders.

»Ich will dich richtig spüren«, raunte er.

Ich bekam weiche Knie.

»Hier doch nicht«, flüsterte ich. Er brachte mich um den Verstand.

»Vertraust du mir?«

Was war denn das für eine bescheuerte Frage? Niemandem auf der Welt vertraute ich mehr.

»Warte hinter dem Poolhäuschen auf mich«, sagte er und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund.

»Kommst du nicht mit?«, fragte ich unruhig.

»Es soll doch keiner mitkriegen, was wir vorhaben, mein Schatz«, erklärte er mit einem schelmischen Grinsen, das mir durch und durch ging.

Ich schaute ihm nach, als er die Gäste begrüßen ging. Was für eine Selbstsicherheit er ausstrahlte. Ich blieb noch einen Moment an der Bar stehen, ich hatte Angst, im Dunkeln allein zu dem einsamen Poolhäuschen zu gehen.

Ich nahm den Shot, der noch auf der Theke stand, um mir Mut anzutrinken, und er tat seine Wirkung. Ich holte tief Luft und machte mich auf den Weg zum Pool. Er lag hinter dem Zelt, in dem die Gäste ausgelassen tanzten. Aus Sorge, ins Wasser zu fallen, bewegte ich mich vorsichtig am Rand entlang, bis ich hinter dem Becken das kleine, von Bäumen gesäumte Häuschen erreichte. Dahinter war das Brausen der Wellen zu hören, die gegen die Klippen schlugen. Mit pochendem Herzen lehnte ich mich an die Rückwand des Häuschens und lauschte dem Partylärm.

Ich schloss die Augen und flehte, er möge bald kommen, da hörte ich auch schon seine Schritte. Seine Lippen fanden die meinen so schnell, dass ich kein Wort sagen konnte. Ich schlug die Augen auf.

Sein Blick sagte alles.

»Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich das vermisst habe«, sagte er. Er legte seine Hände um meinen Hals und küsste mich sanft.

Ich schmolz in seinen Armen förmlich dahin.

»Gott, wie habe ich mich danach gesehnt, dich zu berühren«, seufzte er. Seine Hände glitten an meinem Körper auf und ab, während er mit der Nasenspitze langsam über meinen Hals strich.

Ich umschlang seinen Nacken und zog ihn an mich. Diesmal war unser Kuss inniger, er machte uns heiß wie loderndes Feuer. Seine Zunge spielte fordernd mit meiner, während sich sein Körper an mich drängte. Ich wollte ihn berühren, wollte seine Haut unter meinen Fingerkuppen spüren.

»Hast du mich vermisst, Freckle?« Sanft strich er mir über die Wange, und er sah mich an, als hätte ich ihm ein Geschenk gemacht und nicht umgekehrt.

Ich wollte Ja sagen, doch mein Atem ging so schnell, dass ich nur ein Keuchen hervorbrachte, das noch stärker wurde, als seine Lippen zu meinem Hals wanderten.

»Ich will nie wieder fort von hier«, raunte er zwischen zwei Küssen.

Ich musste lachen.

»Das liegt wohl kaum in deiner Macht.«

Er suchte meinen Blick.

»Ich nehme dich mit, wohin auch immer.«

»Wie romantisch«, erwiderte ich und küsste ihn aufs Kinn.

Nick nahm mein Gesicht in seine Hände.

»Ich meine es ernst, ich hatte regelrechte Entzugserscheinungen.«

Ich musste wieder lachen, doch er brachte mich mit einem Kuss zum Schweigen, in dem die ganze aufgestaute Leidenschaft zum Ausdruck kam.

»Weg mit diesem verdammten Kleid«, brummte er leise und schob den Stoff bis zu meiner Taille hoch. Sein Blick wanderte über meine nackte Haut, und ich konnte in seinen Augen das Verlangen sehen, das durch die lange Trennung ins Unermessliche gewachsen war.

»Am liebsten würde ich die ganze Nacht mit dir schlafen«, flüsterte er. Am Bund meines Slips hielten seine Hände inne.

Ein Schauer durchfuhr mich.

»Möchtest du lieber warten?« Das lodernde Begehren funkelte in seinen Augen. »Ich würde dich am liebsten zu mir entführen, aber dann würde deine Mutter bestimmt eine Vermisstenanzeige aufgeben.«

»Da kannst du dir sicher sein«, sagte ich und biss mir unschlüssig auf die Lippe. So hatten wir es noch nie getan, aber warten wollte ich nicht. Nick presste mich gegen die Wand, und ich spürte, wie sich sein erregter Körper an meinem rieb.

»Wir machen es schnell, niemand wird uns sehen«, flüsterte er mir ins Ohr, während er mich mit Küssen überhäufte.

Als ich zaghaft nickte, zog er mir den Slip aus.

Ich befreite ihn von seiner Krawatte.

»Ich will dich ansehen«, sagte ich und löste mich aus der Umarmung.

Er küsste mich auf die Nasenspitze. Dann nahm er meine Hände und führte sie in seinem Nacken zusammen.

Regungslos verfolgte ich, wie er seine Hose aufknöpfte. Im nächsten Moment presste er mich erneut gegen die Wand. Sein zärtlicher Blick war wie ein verheißungsvolles Vorspiel. Dann küsste er mich und drang in mich ein. Als ich aufstöhnte, legte er mir rasch die Hand auf den Mund.

»Du musst leise sein«, sagte er.

Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Dann begann er sich zu bewegen, erst langsam, dann immer schneller, und mit jedem Stoß wuchs mein Verlangen. Er löste die Hand von meinem Mund und liebkoste mich dort, wo ich seiner Berührung am sehnlichsten entgegenfieberte.

»Nick …«

»Warte.« Er presste die Hände fest um meine Schenkel. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu bremsen. »Lass uns zusammen kommen«, flüsterte er mir ins Ohr.

Er knabberte an meiner Unterlippe. Die Lust wurde so übermächtig, dass alle Dämme brachen. Mir entfuhr ein Schrei, den er rasch mit einem Kuss erstickte. Gleich darauf spürte ich seine anwachsende Erregung, bis er aufstöhnte und wir gemeinsam den Moment der Ekstase erlebten.

Ich warf den Kopf in den Nacken und rang nach Luft. Nicholas hielt mich fest in seinen Armen.

»Ich liebe dich, Nick«, sagte ich, und er sah mir tief in die Augen.

»Du und ich, wir gehören zusammen«, antwortete er.

2

NICK

Verdammt, was hatte ich sie vermisst! Die Tage und Wochen waren mir endlos vorgekommen. Ich hatte Doppelschichten einlegen müssen, um früher zurückfahren zu können, aber das war es mir wert gewesen.

»Alles okay?«, fragte ich atemlos. So hatten wir es noch nie gemacht. Bei Noah hielt ich mich zurück, ich behandelte sie so, wie sie es verdient hatte, aber diesmal hatte ich nicht warten können. Sobald ich sie sah, wollte ich sie ganz für mich haben.

Sie strahlte mich an.

»Es war …«, sagte sie, doch ich brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. Ich hatte Angst vor dem, was sie sagen könnte, denn ich hatte mich von meinem Begehren hinreißen lassen. Sie sah an diesem Abend so umwerfend aus wie nie zuvor und das jungfräuliche weiße Kleid raubte mir den Verstand.

»Ich liebe dich wahnsinnig, das weißt du, oder?«, sagte ich und löste mich von ihr.

»Ich liebe dich noch mehr«, antwortete sie. Da fiel mir auf, dass ihre Lippe blutete.

»Oh, ich hab dir wehgetan«, sagte ich und wischte ihr mit dem Finger den winzigen Blutstropfen ab. Verdammt, ich war ein Idiot und ein Grobian noch dazu. »Es tut mir leid, Freckle.«

Geistesabwesend saugte sie an ihrer Lippe und sah mich an.

»Es war anders als sonst«, sagte sie im nächsten Moment.

Und ob es das gewesen war.

Ich wandte mich ab und knöpfte mir schuldbewusst die Hose zu. Noah hatte es verdient, im Bett Liebe zu machen, und nicht so eine schnelle Nummer an einer Wand.

»Was hast du?«, fragte sie besorgt.

»Nichts, verzeih mir«, antwortete ich und küsste sie erneut. Ich strich ihr das Kleid über die Hüften und musste den Drang unterdrücken, dort weiterzumachen, wo wir aufgehört hatten. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.« Ich zog eine kleine weiße Schachtel aus der Hosentasche.

»Oh, du hast ein Geschenk für mich?«, fragte sie aufgeregt. Sie war so süß und so perfekt. Allein ihr Anblick machte mir gute Laune, und wenn ich sie berührte, schwebte ich in anderen Sphären.

»Ich weiß nicht, ob es dir gefällt.« Plötzlich wurde ich unsicher.

Ihr Blick fiel auf den Aufdruck.

»Cartier? Bist du verrückt geworden?«

Ich schüttelte den Kopf und wartete darauf, dass sie die Schachtel endlich öffnete. Im nächsten Moment glitzerte das kleine silberne Herz in der Dunkelheit. Als ich das Strahlen in ihren Augen sah, war ich erleichtert.

»Wie schön!«, rief sie und strich mit ihren Fingern über den Anhänger.

»So wird dich mein Herz überallhin begleiten«, sagte ich und küsste sie auf die Wange. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so einen Kitsch von mir gegeben. Das war ihr Werk, sie hatte einen verliebten Trottel aus mir gemacht.

Tränen glitzerten in ihren Augen.

»Ich liebe dich, es ist ein Traum!«, rief sie und gab mir einen Kuss.

Ich bat sie, sich umzudrehen, damit ich ihr die Kette umlegen konnte. Das weit ausgeschnittene Kleid brachte ihren schönen Hals zur Geltung und ich musste einfach ihren Nacken küssen. Als ich spürte, wie sie erbebte, musste ich an mich halten, um es nicht gleich an Ort und Stelle noch mal mit ihr zu tun. Sie wandte sich zu mir um.

»Und? Steht sie mir?«, fragte sie.

»Du siehst toll aus, wie immer«, antwortete ich.

Wir mussten zurück zur Party, doch das war das Letzte, wonach mir der Sinn stand. Viel lieber wollte ich mit ihr allein sein. Das wollte ich im Grunde immer, aber nachdem ich sie so lange nicht gesehen hatte, war das Bedürfnis noch stärker.

»Kann ich so unter die Leute gehen?«, fragte sie unschuldig.

»Aber sicher.« Ich knöpfte mein Hemd zu und hob die Krawatte auf.

»Lass mich das machen«, bat sie. Ich musste lachen.

»Seit wann kannst du Krawatten binden?« Früher hatte sie das nicht gekonnt. Als ich noch zu Hause wohnte, hatte ich das für sie gemacht.

»Ich musste es lernen, weil mich mein wahnsinnig gut aussehender Freund gegen eine Junggesellenbude eingetauscht hat«, erwiderte sie und band mir geschickt den Knoten.

»Gut aussehend, aha.«

Sie verdrehte die Augen.

»Komm, lass uns zurückgehen, sonst denken die noch wer weiß was.«

Ich hätte nichts dagegen gehabt. Dann würden sich wenigstens die Grünschnäbel von meiner Freundin fernhalten. Für die meisten Leute waren wir immer noch bloß Stiefgeschwister.

Ich ließ sie vorgehen und gönnte mir noch eine Zigarette. Noah mochte es nicht, wenn ich rauchte, aber ich brauchte das. Ich wollte gerade gehen, da fiel mir auf, dass ihr Slip noch auf dem Boden lag.

Als ich wieder zu den Gästen stieß, unterhielt sie sich gerade mit ein paar Freunden. Darunter waren zwei Typen und der eine hatte die Hand auf ihren Rücken gelegt. Ich atmete tief durch und schlenderte zu ihnen hinüber. Als Noah mich sah, legte sie ihren Arm um mich und schmiegte ihr Gesicht an meine Brust.

Diese einfache Geste hatte genügt, um mich wieder runterzuholen.

»Hast du Lion gesehen?«, fragte ich, während ich mich suchend nach meinem Freund umschaute. Ich machte mir Sorgen um ihn. Er hatte mich in San Francisco angerufen und mir erzählt, dass sein Bruder Luca bald rauskommen würde. Der Idiot saß seit vier Jahren im Knast, weil er sich beim Verticken von Gras hatte erwischen lassen. Ehrlich gesagt, sah ich Lucas Entlassung mit gemischten Gefühlen entgegen. Natürlich freute ich mich für Lion. Sein älterer Bruder war die einzige Familie, die er noch hatte. Aber ich kannte Luca, und ich war mir nicht sicher, ob es gut für Lion war, einen Ex-Knacki wie ihn an seiner Seite zu haben.

»Schon ’ne ganze Weile nicht mehr«, sagte Noah. »Aber ich glaube, du solltest mal unsere Eltern begrüßen.« Sofort stand ich unter Strom.

Als nach Noahs Entführung feststand, dass die Sache zwischen uns etwas Ernstes war, waren unsere Eltern wenig begeistert. Daran hatten sie nie Zweifel aufkommen lassen. Mein Vater würde einen solchen Skandal nicht dulden, immerhin stand unsere Familie im Licht der Öffentlichkeit. Er hatte uns also deutlich zu verstehen gegeben, dass wir nach außen hin nur Brüderlein und Schwesterlein sein durften. Dass Raffaela sich nicht auf unsere Seite schlug, hatte mich allerdings überrascht. Seit sie es wusste, hatte sie einen Rochus auf mich, und das ging mir gewaltig auf den Zeiger.

»Sieh an, der verlorene Sohn ist zurück«, rief mein Vater. Seine Fröhlichkeit wirkte aufgesetzt.

»Dad«, antwortete ich, um einen freundlichen Ton bemüht. »Hallo, Ella.« Zu meinem Erstaunen umarmte mich Raffaella.

»Wie schön, dass du kommen konntest«, sagte sie aufgekratzt und blickte zu Noah. »Sie war so geknickt, dass du nicht da warst.«

Noah wurde rot und ich zwinkerte ihr zu.

»Wie läuft’s in der Kanzlei?«, erkundigte sich mein Vater.

Der Mistkerl ließ mich für Steve Hendrins arbeiten, ein autoritäres Arschloch, das die Kanzlei in San Francisco leitete und mir das Leben schwer machte.

»Anstrengend«, erwiderte ich.

»Lehrjahre sind keine Herrenjahre«, sagte er.

Ich bekam sofort schlechte Laune. Wie satt ich es hatte, mir diesen Käse anzuhören. Das verzogene Kind war passé, ich hatte schon seit Monaten die Rolle angenommen, die mir zukam. Ich schuftete wie blöd, denn neben der Arbeit für meinen Vater lagen auch noch das letzte Studienjahr und eine Menge Prüfungen vor mir. Die meisten meiner Kommilitonen hatten noch nie eine Anwaltskanzlei von innen gesehen, und ich dagegen hatte bereits mehr Erfahrung als viele, die ihren Abschluss in der Tasche hatten. Aber mein Vater vertraute mir trotzdem nicht.

»Tanzt du mit mir?«, wechselte Noah das Thema, damit ich ihm nicht irgendeinen unpassenden Spruch an den Kopf werfen konnte.

»Na klar.«

Wir gingen zur Tanzfläche. Gerade lief ein langsamer Song, und ich zog sie sanft an mich, um meinen Groll nicht an dem einzigen Menschen auszulassen, der mir wirklich etwas bedeutete.

»Sei nicht sauer«, sagte sie und liebkoste meinen Nacken. Ich schloss die Augen und entspannte mich.

Meine Hand glitt hinab zu ihrem unteren Rücken.

»Auf dich kann ich nicht sauer sein, denn ich weiß, dass du unter deinem Kleid nichts anhast.«

»Echt? Das hab ich gar nicht gemerkt«, antwortete sie. Irritiert hielt sie inne.

Sanft lehnte ich meine Stirn gegen ihre.

»Es tut mir leid«, entschuldigte ich mich und sah ihr tief in ihre wunderschönen honigfarbenen Augen.

Im nächsten Moment strahlte sie schon wieder.

»Bleibst du heute Nacht hier?«, fragte sie.

Immer dieselbe Leier. Ganz bestimmt nicht. Ich hatte keinen Bock, ständig den kritischen Blicken meines Vaters ausgesetzt zu sein. Ich konnte es kaum erwarten, dass Noah endlich in die Stadt zog. Alles würde viel besser, wenn sie bei mir wäre.

»Nein, das weißt du doch.« Ich schaute auf und sah, wie die Leute uns verstohlene Blicke zuwarfen. So, wie wir tanzten, sahen wir sicher nicht wie Bruder und Schwester aus, doch das war mir in diesem Moment scheißegal.

»Ich hab dich seit zwei Wochen nicht gesehen. Du könntest dir ruhig einen Ruck geben und bleiben«, bettelte sie. Ihr Ton war schärfer geworden. Wenn wir so weitermachten, würden wir uns noch streiten, und das wollte ich auf keinen Fall.

»Um in getrennten Betten zu schlafen? Nein, danke«, knurrte ich missmutig.

Sie senkte den Blick und schwieg.

»Komm schon, Freckle, jetzt sei nicht eingeschnappt. Du weißt doch, was es für eine Tortur für mich ist, bei dir zu sein und die Finger von dir lassen zu müssen. Und den Mist, den mein Vater von sich gibt, kann ich nicht mehr hören.«

»Dann weiß ich aber nicht, wann wir uns sehen können. In die Stadt kann ich diese Woche jedenfalls nicht kommen. Ich hab mit den Prüfungen und der Abschlussfeier zu viel um die Ohren.«

Verdammt.

»Ich hol dich ab, wir finden schon Zeit für uns«, versprach ich und schluckte meinen Groll hinunter. Sanft streichelte ich ihr über den Rücken.

Sie wich meinem Blick aus und seufzte.

»Mach mir kein schlechtes Gewissen. Du weißt doch, dass ich nicht bleiben kann.« Ich nahm ihr Gesicht in beide Hände und zwang sie, mich anzusehen.

»Früher warst du immer hier«, sagte sie nach sekundenlangem Schweigen.

»Früher waren wir nicht zusammen«, erwiderte ich.

Sie verstummte. Wortlos tanzten wir weiter.

Raffaella hatte uns die ganze Zeit mit Argusaugen beobachtet.

3

NOAH

Die meisten Gäste waren bereits fort. Jenna unterhielt sich mit meiner Mutter, und Nick war mit Lion irgendwo verschwunden, um zu rauchen. Ich schaute mich um. Nach der Party herrschte ein gewaltiges Chaos, und zum ersten Mal war ich dankbar, jemanden zu haben, der täglich für Ordnung sorgte.

Nach dem Trubel war ich froh, für einen Moment allein zu sein, um mir klarzumachen, welch unbeschreibliches Glück ich hatte. Die Party war der Hammer. Alle meine Freunde waren gekommen und hatten mir tolle Geschenke mitgebracht, die sich im Esszimmer stapelten. Ich wollte einen Teil gerade auf mein Zimmer bringen, da schlang jemand seine Arme um meine Taille.

»Das sind aber viele Geschenke«, flüsterte Nick mir ins Ohr.

»Ja, aber keines kann mit deinem mithalten«, sagte ich und drehte mich zu ihm um. »Das ist das Schönste, was ich je bekommen habe, und es bedeutet mir viel, weil du es für mich ausgesucht hast.«

»Wirst du die Kette immer tragen?«, fragte er. Ich ahnte, wie viel ihm das bedeutete. Es war, als hätte er sein eigenes Herz in den Anhänger gelegt. Eine wohlige Wärme stieg in mir auf.

»Ganz bestimmt.«

Glücklich zog er mich an sich. Seine Lippen berührten sanft die meinen. Viel zu sanft. Ich schob den Kopf vor, um einen innigeren Kuss zu fordern, aber er hielt mich auf Abstand. Verflixt, warum küsste er mich nicht endlich richtig?

»Willst du mehr?«, fragte er.

»Das weißt du doch«, erwiderte ich erregt. Mein Atem ging schneller.

»Dann komm heute Nacht mit zu mir.«

Ich seufzte. Ich wollte ja, aber es ging nicht. Erstens mochte es meine Mutter nicht, wenn ich bei Nick übernachtete, sodass ich meistens vorschob, ich würde bei Jenna schlafen. Und zweitens musste ich lernen. In dieser Woche warteten vier Abschlussprüfungen auf mich, und ich konnte es mir nicht erlauben durchzufallen.

»Ich kann nicht.«

Seine Hand fuhr über meinen Rücken und ich bekam eine Gänsehaut.

»Natürlich kannst du. Und dann machen wir da weiter, wo wir im Garten aufgehört haben«, widersprach er. Seine Lippen wanderten zu meinem Ohr.

In meinem Bauch kribbelte es. Ich wollte ihn spüren. Er liebkoste mit der Zunge mein linkes Ohrläppchen, um gleich darauf sanft hineinzubeißen. Wie gerne würde ich … Aber es ging nicht.

Ich löste mich von ihm und sein Blick ging mir durch und durch. Gott, wie sehr hatte ich das Begehren in seinen Augen vermisst und diesen kraftvollen Körper, der mir unendlich viel Sicherheit vermittelte.

»Wir werden uns schon irgendwann sehen, Nick«, sagte ich und wich zurück.

Er musterte mich belustigt.

»Du weißt, dass du Sex bis zu deiner Abschlussfeier vergessen kannst, wenn du heute nicht mitkommst, oder?«

Ich seufzte. Das war unfair, aber es stimmte. Meine wenige Zeit würde für einen Ausflug zu ihm in die Stadt nicht reichen, und wenn er nicht hierblieb, weil er seinem Vater aus dem Weg gehen wollte, dann …

»Wir könnten ins Kino gehen«, schlug ich heiser vor.

Nick lachte schallend auf.

»Alles klar. Wie du willst, Freckle.« Er hauchte mir ein keusches Küsschen auf die Stirn. Das machte er natürlich mit voller Absicht. »Tja, dann bis in zwei Tagen. Wir gehen ins Kino und dann schauen wir mal.«

Ich wollte ihn zurückhalten und ihn anflehen, doch zu bleiben, ich wollte ihm sagen, dass ich ihn brauchte, weil ich nur in seiner Nähe keine Albträume hatte, dass ich Geburtstag hätte und er diesmal mir zuliebe nachgeben müsse, aber ich wusste, es war umsonst. Er würde nicht bleiben. Unter keinen Umständen.

Frustriert schaute ich ihm nach, als er lässig die Stufen hinunterging, in seinen Range Rover stieg und davonfuhr, ohne sich noch einmal umzublicken.

In den nächsten beiden Tagen kam ich kaum vor die Tür, um frische Luft zu schnappen. Ich musste mir so viel Wissen einpauken, dass ich das Gefühl hatte, mir zerspringt der Kopf. Jenna rief ständig an, um über die Lehrer, ihren Freund und das Leben im Allgemeinen zu motzen. Vor Prüfungen wurde sie immer hysterisch und nun war sie obendrein für die Abschlussfeier verantwortlich. Dass sie ihr nicht die nötige Zeit widmen konnte, machte sie krank.

Am Abend war ich mit Nick verabredet. Eigentlich hatten wir vor, ins Kino zu gehen, aber meine letzte Prüfung am Freitag machte mir zu schaffen. Einerseits wollte ich ihn unbedingt sehen, andererseits wusste ich, wie sehr mich das ablenken würde. Allein seine Nähe hätte verheerende Folgen für mich. Nach unserer Verabredung würde ich nicht einfach weiterlernen können, so viel war klar. Aber ich fürchtete mich davor, ihn anzurufen und unser Treffen abzusagen. Er würde sauer sein, denn seit meinem Geburtstag zwei Tage zuvor hatten wir uns nicht mehr gesehen. Wir telefonierten zwar, aber unsere Gespräche waren ziemlich unterkühlt.

In meiner Verzweiflung beschloss ich, ihm eine Nachricht zu schreiben. Ich wollte seine Stimme nicht hören, mich nicht ablenken lassen und nicht mit ihm streiten, also drückte ich kurzerhand auf »Senden«, stellte das Handy lautlos und versuchte, ihn für vierundzwanzig Stunden zu vergessen. Nach den Prüfungen würde ich ihn sehen und alles tun, was er wollte, doch jetzt hing für mich alles von dieser letzten Prüfung ab, und ich wollte bestmöglich abschneiden.

Zwei Stunden später hockte ich noch immer in meinem Zimmer auf dem Boden. Ich sah furchtbar aus, meine Haare waren zerzaust, und ich hätte am liebsten geheult oder, besser noch, irgendjemandem den Hals umgedreht. Da ging mit einem Mal leise meine Zimmertür auf.

Ich schaute auf. Es war Nick. Mit wild gestyltem Haar und in dem weißen Hemd, das ich so sehr an ihm mochte.

Shit! Er hatte sich chic gemacht, um mit mir auszugehen. Betreten schenkte ich ihm mein allerschönstes Unschuldslächeln.

»Gut siehst du aus.«

Nick sah mich seltsam an. Ich hatte keine Ahnung, was ihm in dem Augenblick durch den Kopf ging. Ohne mich aus den Augen zu lassen, ging er zu meinem Bett.

»Du hast mich versetzt«, sagte er ruhig. Mir war nicht klar, ob das ein Vorwurf sein sollte oder ob er sich darüber wunderte.

»Nick …«, sagte ich schuldbewusst. Ich hatte Angst vor seiner Reaktion.

»Komm«, bat er mit sanfter Stimme. Es wunderte mich, dass er nicht lospolterte, und aus seinem Blick wurde ich nicht schlau. Er schien über etwas nachzudenken.

Ich sehnte mich danach, ihn zu küssen. Das wollte ich doch immer. Ginge es nach mir, läge ich den ganzen Tag in seinen Armen. Ich richtete mich auf und krabbelte auf Knien zum Ende des Bettes, wo er auf mich wartete.

»Mich hat noch nie jemand versetzt. Das ist das erste Mal, Freckle.« Er legte seine Hände um meine Taille. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«

»Es tut mir leid«, antwortete ich stockend. »Ich bin mit den Nerven am Ende. Ich falle bestimmt durch. Mein Kopf ist wie ein Sieb, ich kann mir nichts merken, aber wenn ich nicht bestehe, kann ich den Highschool-Abschluss vergessen. Und dann kann ich weder aufs College gehen noch einen Beruf ergreifen, der mir gefällt. Dann bleibe ich dumm und ungebildet und muss für immer und ewig bei meiner Mutter wohnen, verstehst du? Ich glaube…«

Rasch unterbrach er meinen Redeschwall mit einem Kuss.

»Du bist die größte Streberin, die ich kenne. Du fällst bestimmt nicht durch.« Er löste sich von mir und schaute mich zärtlich an.

»Doch, im Ernst, ich pack das nicht, Nick. Ich kriege bestimmt eine miserable Note, hörst du? Ein F! Und dann bin ich nicht mehr die Lieblingsschülerin von Mr Lam, dabei war ich doch die Beste der ganzen Klasse. Dann wird er nicht mehr so nett zu mir sein, und ich …«

Als ich seinen ungehaltenen Blick bemerkte, hielt ich den Mund. Okay, okay, ich redete dummes Zeug, aber … Er lächelte verschmitzt.

»Soll ich dir ein wenig helfen zu entspannen?«

Dieser Blick! Er durfte mich nicht so ansehen. Das war nicht zum Aushalten.

»Ich bin entspannt«, log ich.

»Soll ich dir dann vielleicht beim Lernen helfen?« Ich seufzte.

Nicholas wollte mir beim Lernen helfen? Das konnte nicht gut gehen.

»Nicht nötig«, antwortete ich schmallippig. Ich hatte Angst, dass wir alles andere machen würden, nur nicht für Geschichte lernen. Und obwohl Nick echt heiß aussah, durfte ich das nicht riskieren.

Unvermittelt krempelte er die Ärmel hoch, zog sich die Schuhe aus, setzte sich aufs Bett und nahm mein Geschichtsbuch zur Hand.

Bilder schossen mir durch den Kopf, wie wir auf diesem Bett ganz andere Dinge taten als lernen, und mir wurde heiß und kalt. Nick blätterte vor, bis er an die Stelle gelangte, mit der ich beschäftigt war, als er hereinkam.

Im Moment war mir alles egal, die Prüfungen, die Aufnahme am College … Ich wollte nur noch auf seinem Schoß sitzen und ihn küssen.

Als ich mich näherte, schaute er auf und schüttelte den Kopf.

»Stopp«, befahl er belustigt. »Jetzt wird gelernt, Freckle, und wenn du alles draufhast, bekommst du vielleicht einen Kuss von mir.«

»Nur einen?«

Lachend konzentrierte er sich wieder auf den Text.

»Na los jetzt. Und wenn du am Ende fit in dem Thema bist, erlöse ich dich von dem ganzen Stress, versprochen«, sagte er nüchtern, während ich allein schon bei der Vorstellung weiche Knie bekam.

Zweieinhalb Stunden später beherrschte ich das Thema aus dem Effeff. Nick war ein guter Lehrer. Er erklärte den Stoff ganz geduldig, als würde er mir eine Geschichte erzählen. Fasziniert hörte ich ihm zu. Auf einmal fand ich den Sezessionskrieg tatsächlich interessant, weil Nick mir auch Fakten erklärte, die nicht im Buch oder in meinen Notizen standen.

Nachdem er mich den ganzen Stoff hoch und runter hatte vorbeten lassen, klappte er das Buch mit einem stolzen Lächeln zu. Seine blauen Augen blitzten.

»Du kriegst bestimmt ein A.«

Mit einem breiten Grinsen stürzte ich mich auf ihn. Er schlang die Arme um mich und zog mich fest an sich. Im Nu wälzten wir uns auf dem Bett herum und er küsste mich voller Begehren.

Als seine Hand an meinen Hüften hinabwanderte, stöhnte ich auf. Er hob mein Bein an und ich schlang es um seine Taille. Ihn so nah bei mir zu spüren, machte mich kirre.

»Ich war stinksauer, als ich deine Nachricht gelesen habe«, sagte er, während er mein T-Shirt hochschob und genüsslich meinen Bauch küsste.

Ich schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken.

»Kann ich mir denken.«

»Aber mit dir zu lernen, hat Spaß gemacht, Freckle. Offenbar kann ich dir noch ’ne ganze Menge beibringen.«

Mit diesen Worten zog er mir die Shorts aus, jetzt hatte ich nur noch meinen Slip an. Sein Mund näherte sich meiner intimsten Stelle. Unruhig rekelte ich mich auf der Matratze.

Er legte seine Hand auf meinen Bauch und zwang mich, still zu halten.

»Ich habe dir doch einen Kuss versprochen, stimmt’s?«

Mir wurde ganz heiß. Doch als ich verstand, was er meinte, verkrampfte ich mich unwillkürlich.

»Nick…« Ich wusste nicht, ob ich dazu bereit war. So etwas hatten wir noch nie gemacht. Am liebsten wäre ich aufgestanden und weggelaufen.

Nicholas sah mich gelassen an.

»Entspann dich einfach«, sagte er. Er küsste mich sanft.

Ich schloss die Augen.

»Du bist so süß.« Langsam wanderten seine Lippen meinen Bauch hinunter und bescherten mir wohlige Schauer.

Als er sein Ziel erreicht hatte, hielt er einen Moment inne und schaute zu mir hoch. Ich fand es überaus erotisch, ihn zwischen meinen Beinen liegen zu sehen, in den Augen nichts als Verlangen, Verlangen nach mir und niemandem sonst.

Behutsam zog er mir den Slip aus. Ich schloss verlegen die Augen und ließ ihn gewähren. Ich wusste nicht, ob es mir gefallen würde oder nicht, aber darüber wollte ich nicht nachdenken.

Langsam küsste er meine Schenkel, erst den einen, dann den anderen, und drückte schließlich sanft meine Beine auseinander. Ich erschauderte.

Auf das, was dann kam, war ich nicht gefasst.

»Oh mein Gott!«, schrie ich auf. Ich wand mich vor Lust.

Seine Hände umfassten meine Taille, und mit einem Mal spürte ich, wie seine Zungenspitze an meiner empfindlichsten Stelle kleine Kreise beschrieb. Ich schloss die Augen und gab mich ganz dem Moment hin. Es wurde so unbeschreiblich intensiv, dass ich irgendwann mit einer Hand nach ihm tastete und um eine Pause bat.

»Es ist noch schöner, als ich es mir vorgestellt habe«, raunte er und hielt kurz inne. Seine Augen leuchteten.

»Soll ich weitermachen?«

Was für eine Frage …

»Jaaaa«, hauchte ich. Ich schloss die Augen und ließ mich von seinen Liebkosungen mitreißen, bis ich mich vor lauter Lust an den Laken festkrallte.

Oh mein Gott! Solch eine Ekstase hatte ich noch nie erlebt.

Als ich wieder im Hier und Jetzt angekommen war, legte Nicholas sein Kinn auf meinem Bauch ab und sah mich an, als hätte er auf dem Grund des Meeres einen Schatz gefunden. Ich wurde rot. Er schob sich hoch zu mir und schlang seine Arme um mich und ich zog die Decke über uns.

»Mensch, Noah … Warum hab ich das nicht schon längst gemacht?«

Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust. Nicholas war komplett angezogen. Ich spürte, wie sich seine Hose im Schritt ausbeulte.

Verlangte er dasselbe jetzt auch von mir?

Panik befiel mich, aber Nick drückte mir einen Kuss auf die Stirn und stand auf.

»Wo willst du hin?«, fragte ich, als er auf die Tür zustrebte.

»Wenn ich jetzt nicht gehe, bleibe ich die ganze Nacht«, erklärte er. Seine Stimme klang heiser.

Ich zog schnell die Shorts an, sprang aus dem Bett auf und lief zu ihm.

»Am Freitag bin ich fertig, Nick, dann haben wir den ganzen Sommer für uns.«

Zärtlich schlang ich meine Arme um ihn.

Nick drückte mich an sich und seufzte resigniert.

»Wenn du bei dieser Prüfung nicht mit einer Bestnote abschneidest, kannst du dich auf was gefasst machen.«

Lachend löste ich mich aus der Umarmung, um ihn anzusehen.

»Danke. Für alles«, sagte ich und merkte, wie ich wieder rot wurde.

Sanft strich er mir über die Wange.

»Du bist das Beste, das mir je passiert ist, Freckle. Du brauchst mir nicht zu danken. Für nichts.«

Mir wurde warm ums Herz vor Glück, und zugleich wurde ich unendlich traurig, als er mir einen Kuss auf den Scheitel drückte und ging.

Die Prüfung war perfekt. Besser konnte es gar nicht laufen, und als ich Jenna fünf Minuten später auf dem Flur traf, reichte ein Blick, und wir sprangen im nächsten Moment wie verrückt herum. Unsere Mitschüler glotzten, manche lachten, andere verzogen genervt das Gesicht, aber das war mir egal. Meine Zeit an dieser Highschool war vorüber. Vorbei war die Zeit der Schuluniformen, künftig musste ich mich nicht mehr wie ein Kind behandeln lassen und meiner Mutter meine Noten zeigen. Ich war frei, wir waren frei, ich war der glücklichste Mensch auf der Welt.

»Ich glaub’s nicht!« Als uns unsere Noten mitgeteilt wurden, fiel Jenna mir jubelnd um den Hals. Auf dem Weg zur Cafeteria hörten wir schon von Weitem, dass dort die Hölle los war. Unsere Klassenkameraden johlten, tanzten und jubelten vor Freude. Es war eine richtige Party im Gange. Die Schüler der unteren Jahrgänge beäugten uns, als hätten wir sie nicht mehr alle. Bestimmt waren manche von ihnen neidisch, denn die meisten hatten noch einige Jährchen vor sich, bevor sich die Tore auch für sie öffneten.

»Wir wollen am Strand unsere Schuluniformen verbrennen«, sagte einer unserer Mitschüler mit glühenden Wangen zu uns. »Seid ihr dabei?«

Jenna und ich sahen uns an.

»Na klar!«, riefen wir wie aus einem Mund. Und wir kicherten wie betrunken. Dabei waren wir einfach nur trunken vor Glück.

Nachdem ich mit meinen Klassenkameraden ausgiebig gefeiert und den anderen Schülern ein paar Streiche gespielt hatte, verließ ich die Schule. Letzten Endes war die Zeit an der Highschool doch nicht so übel gewesen. Wie sehr hatte ich diese Schule anfangs gehasst, doch ohne sie wäre ich nicht an der UCLA zugelassen worden, um englische Philologie zu studieren, wovon ich immer geträumt hatte.

Als Nick mir eine Nachricht schickte, dass er vor der Tür auf mich wartete, stürmte ich hinaus. Er stand neben seinem Auto. Überglücklich warf ich mich in seine Arme. Er drückte mich an sich, und wir gaben uns einen innigen Kuss, der einem romantischen Hollywoodfilm alle Ehre gemacht hätte.

Ich war mit der Highschool fertig, hatte Top-Noten, würde auf ein College gehen, das ich mir selbst nie im Leben hätte leisten können, ich hatte den tollsten Freund der Welt, den ich über alles liebte, und in zwei Monaten würde ich ganz allein auf dem Unicampus leben und hätte eine großartige Zukunft vor mir.

Das Leben konnte gar nicht besser sein.

4

NICK

Meine Prinzessin hatte ihren Highschool-Abschluss gemacht. Ich war unfassbar stolz; Noah sah nicht nur toll aus, sie war auch ungeheuer klug. Bei ihren Spitzennoten hätte sie an jedes College gehen können, doch sie hatte sich letztlich für die UCLA entschieden, meine Uni, hier in Los Angeles. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn sie nach Kanada zurückgegangen wäre, wie sie es ursprünglich geplant hatte.

Ich konnte es kaum erwarten, dass sie endlich zu mir zog. Zwar hatte ich es noch nicht angesprochen, doch ich wollte unbedingt, dass sie bei mir wohnte. Die verdammten Einschränkungen, die uns unsere Eltern auferlegt hatten, hatte ich mehr als satt. Seit Noahs Entführung war ihre Mutter total paranoid, und sowohl sie als auch mein Vater ließen keine Gelegenheit aus, uns zu zeigen, wie wenig angetan sie von unserer Beziehung waren. Es herrschte Eiszeit und daran hatte sich auch trotz meines Auszugs nichts geändert. Im Gegenteil! Sie ließen Noah kaum zu mir kommen, geschweige denn bei mir übernachten. Um ungestört zusammen zu sein, mussten wir in die Trickkiste greifen. Mir konnte es egal sein, was mein Vater oder seine Raffaella sagten, ich wurde bald dreiundzwanzig, doch Noah konnte noch lange nicht tun, was sie wollte. Dass uns unser Altersunterschied in der Zukunft noch Probleme bereiten könnte, war klar, aber dass er mir so viele Kopfschmerzen bereiten würde, damit hatte ich nicht gerechnet.

Doch jetzt war nicht die Zeit für trübe Gedanken: Wir hatten etwas zu feiern. Ich wollte mit Noah zum Strand fahren, wo ihre Klasse ein großes Lagerfeuer plante. Nicht, dass ich Lust darauf gehabt hätte, aber immerhin würden wir so ein bisschen Zeit miteinander verbringen können. Am nächsten Tag war Noahs Abschlussfeier und ihre Mutter wollte nach dem Festakt in der Schule essen gehen. Also sahen wir uns entweder jetzt oder ich würde sie schon wieder mit allen anderen teilen müssen. Das mag egoistisch klingen, aber ich hatte in den letzten Monaten durch ihre schulischen Verpflichtungen, meine leidigen Reisen nach San Francisco und die Steine, die uns unsere Eltern in den Weg legten, nicht halb so viel Zeit mit ihr verbracht, wie ich mir gewünscht hätte.

Die Fahrt zum Strand verlief angenehm. Noah war wegen ihres Highschool-Abschlusses ganz aus dem Häuschen und redete während der zwanzig Minuten im Auto wie ein Wasserfall. Ich fand es hinreißend, wie sie gestikulierte, wenn sie sich über etwas freute: In solchen Momenten schienen ihre Hände ein Eigenleben zu führen.

Ich parkte den Wagen, so nah es ging, bei der versammelten Menschenmenge. Anscheinend war nicht nur Noahs Klasse am Strand, sondern jede verdammte Abschlussklasse in ganz Südkalifornien.

»Es sollten doch nur ein paar Leutchen sein«, sagte sie und schaute sich ebenso verblüfft um wie ich.

»Wenn ein paar Leutchen der halbe Bundesstaat sind …«

Doch Noah hörte schon nicht mehr zu. Freudig wandte sie sich Jenna zu, die in diesem Moment im Bikinioberteil und mit hautengen Shorts auftauchte.

»Lasst uns anstoßen!«, rief sie.

Die umstehenden Jungs ließen sie hochleben und hoben ihre Becher in die Höhe.

Noah umarmte sie. Als ich an der Reihe war, nutzte ich aus, dass ich größer und stärker war als Jenna. Ich nahm ihr den Becher aus der Hand und kippte den Inhalt in den Sand.

»Hey!«, protestierte sie entrüstet.

»Wo ist Lion?«, fragte ich. Sie zog einen Schmollmund.

»Idiot!«, fauchte sie mich an. Dann strafte sie mich mit Missachtung.

Kopfschüttelnd wandte sich Noah mir zu. Sie schlang die Arme um meinen Hals und stellte sich auf die Zehenspitzen, um mir in die Augen zu sehen.

»Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht, hier zu sein?«, fragte sie und streichelte mir mit ihren langen, zarten Fingern über den Nacken.

»Amüsier dich, Freckle, mach dir keine Gedanken um mich«, antwortete ich und küsste sie auf ihre vollen Lippen, die mich so verhext hatten. »Ich schau mal, wo Lion steckt. Du kannst ja nachkommen, wenn du mich vermisst.«

»Das tue ich jetzt schon«, erwiderte sie, doch in diesem Moment zerrte Jenna sie von mir weg, um mit ihr wer weiß was anzustellen.

Missmutig sah ich ihr nach, als sie in Richtung ihrer Freunde abzog, die schon ganz heiß darauf waren, ihre Schuluniformen ins Feuer zu werfen. Eine uralte Tradition. Ich erinnerte mich noch an das Hochgefühl, als ich seinerzeit das Gleiche getan hatte.

Mit den Händen in den Hosentaschen stellte ich mich an eins der kleineren, von weniger Leuten umringten Lagerfeuer und schaute in die Flammen, während ich mir all die Dinge ausmalte, die ich in diesem Sommer mit Noah machen wollte. In den kommenden Monaten stand uns die Welt offen.

Da entdeckte ich plötzlich Lion. Er saß ganz allein an dem Feuer, das am weitesten vom Trubel entfernt war. Er hatte eine Flasche Bier in der Hand und starrte in die Flammen, wie ich es einen Augenblick zuvor selbst getan hatte. Allerdings sah er niedergeschlagen und besorgt aus. Ich ging zu ihm.

»Was ist los, Bro?« Ich klopfte ihm auf die Schulter und schnappte mir eine der ungeöffneten Flaschen aus einem Kasten Bier zu seinen Füßen.

»Ich versuche, diese Scheißparty so schnell wie möglich hinter mich zu bringen«, antwortete er und nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche.

»Indem du dir einen ansäufst? Jenna ist schon reichlich voll und einer von euch beiden wird fahren müssen. Ich an deiner Stelle würde halblang machen«, warnte ich ihn. Doch er schenkte mir keine Beachtung und hob die Flasche wieder an den Mund.

»Ich wollte eigentlich nicht mitkommen, aber Jenna hat mir so in den Ohren gelegen«, sagte er und starrte vor sich hin.

»Sie hat gerade ihren Highschool-Abschluss gemacht, Lion. Mach ihr nicht zum Vorwurf, dass sie nicht versteht, was mit dir los ist, ich verstehe es ja selbst nicht.«

Mit einem tiefen Seufzer warf er die Flasche ins Feuer, wo sie sofort zersprang.

»Die Werkstatt läuft nicht mehr so gut wie früher, und es fehlt mir gerade noch, dass mein Bruder aus dem Knast kommt und sieht, dass ich nicht in der Lage war, die Firma der Familie über Wasser zu halten.«

»Wenn du Geld brauchst …«

»Nein, ich will dein Geld nicht, Nicholas, das haben wir schon tausendmal durchgekaut. Ich krieg das hin, es ist halt nur nicht so gelaufen, wie ich wollte, das ist alles.«

Er schaute mich an. Ich war mir sicher, dass er mir nicht alles erzählte.

»Lion, bevor du irgendeinen Scheiß baust …«

Er wandte sich zu mir um und ich verstummte.

»Früher hattest du kein Problem damit, Scheiß zu bauen. Zur Hölle, was ist mit dir passiert, Nicholas?«

Ungerührt hielt ich seinem Blick stand.

»Meine Freundin wurde entführt, das ist passiert.«

Zerknirscht kramte Lion seine Kippen aus der Gesäßtasche seiner Jeans und schaute hinter mich.

»Wenn man vom Teufel spricht … Da kommt Noah«, sagte er und rückte ein Stück zur Seite. Ich drehte mich um. Tatsächlich, Noah kam auf uns zu. Ihre Haare flatterten im Wind.

Ich breitete die Arme aus. Sie gab mir einen Kuss auf die Brust und wandte sich dann an Lion.

»Jenna sucht dich.«

»Ach«, antwortete er schroff. Was für ein Idiot.

Das Lächeln in Noahs Gesicht erstarb, und ich hatte nicht übel Lust, ihm seine miese Laune gründlich auszutreiben.

Doch da stand er wortlos auf und ging zu den anderen hinüber. Noah schaute mich forschend an.

»Hat er was?«

Ich schüttelte den Kopf und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Er hat einen schlechten Tag, kümmere dich nicht um ihn«, sagte ich und beugte mich vor, um ihre vom Feuer erhitzte Wange zu küssen und mein Gesicht dann an ihrem Hals zu vergraben. Seit Tagen hatte ich mich nach ihr gesehnt, da wollte ich ganz sicher nicht, dass ihr irgendein Blödsinn die Laune verhagelte. »Ich liebe dich«, sagte ich, während meine Lippen an ihrer Kehle hinabwanderten.

»Nick«, sagte sie unvermittelt, als mein Mund sich gerade ihren Brüsten näherte.

Ich löste mich von ihr. Ich war verrückt nach ihr, doch ich sah, dass wir die Aufmerksamkeit der Leute auf uns gezogen hatten, die offenbar hofften, eine erotische Show geboten zu bekommen.

Leise fluchend zog ich Noah in die andere Richtung.

»Lass uns ein paar Schritte gehen«, schlug ich vor, und wir entfernten uns von den Lagerfeuern, hinein in die dunkle Nacht, wo nur das gleichmäßige Rauschen des Meeres zu hören war, ohne den dämlichen Partyrummel. Ich liebte diesen Strand und die Stille.

Noah war merkwürdig wortkarg und gedankenverloren, und ich ließ sie in Ruhe. Irgendwann drehte sie sich zu mir um.

»Kann ich dich was fragen?«,

»Na klar, Freckle«, antwortete ich und blieb neben einem Baum stehen, der unter dem Sand Wurzeln geschlagen hatte und sich mit einer imposanten Krone über uns erhob. Ich setzte mich hin und zog Noah zwischen meine Beine. So konnte ich ihr direkt in die Augen sehen. »Was ist los?«

»Nichts, schon gut, die Frage war blöd«, antwortete sie und wich meinem Blick aus. Als ich sah, wie sie rot wurde, wurde ich erst recht neugierig.

»Es gibt keine blöden Fragen. Was ist los?«, hakte ich nach.

»Nein, echt, es war blöd.«