Cyber Code (Band 1) - Im Visier der Agenten - Tim Peake - E-Book

Cyber Code (Band 1) - Im Visier der Agenten E-Book

Tim Peake

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Beschreibung

Band 1 des spannenden Action-Abenteuers Lange hat die Menschheit versucht, außerirdisches Leben aufzuspüren. Nun ist es so weit: Der Schwarm, eine digitale Lebensform aus dem Weltraum, hat das Signal empfangen … Der Feind aus dem Weltall Dannys Welt steht kopf! Eine Unbekannte sendet ihm mysteriöse Nachrichten. Das Mädchen nennt sich Adi und behauptet, dem Schwarm anzugehören – einer außerirdischen Lebensform. Weil sie etwas Verbotenes getan hat, ist Adi auf der Flucht vor gefährlichen Schwarmagenten. Dabei steht nicht nur ihr Leben auf dem Spiel, sondern auch das Schicksal der gesamten Menschheit! Entdecke außerirdische Lebensformen mit Danny und Adi  Mit dieser Reihe begeben sich Kinder ab 11 Jahren auf ein packend und zugleich humorvoll erzähltes Abenteuer rund um eine geheimnisvolle außerirdische Lebensform. Freundschaft und Zusammenhalt treffen auf Action, coole Technik und künstliche Intelligenz. Über allem schwebt die Frage: Was macht uns als Menschen aus und wie wird die Zukunft der Menschheit und des Planeten Erde aussehen? Spannender Lesestoff von Astronaut Tim Peake und Bestsellerautor Steve Cole! Der Titel ist bei Antolin gelistet.

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Seitenzahl: 258

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INHALT

Vorwort

Sie kommen

Kontaktaufnahme

Alarmglocken

Gehackt

Nicht geheuer

Navi auf Abwegen

Die verlassene Lagerhalle

Adi wird erwachsen

Die Würfel fallen

Versprechen oder Drohung?

Frankies Pizza

Agenten

Unvermeidbare Niederlage

Im Datenstrom

Der Zorn der Wächter

Ein langer Heimweg

Kein Ausweg

Dannys Blues

Die Gefahr in mir

Weltuntergang

Verteidiger des Blauen Planeten

Zwei wichtige Gründe

Vier Tage später

Wissenschaftliche Hintergründe

Schwarmsprech

Tim Peake – Für Thomas und Oliver. Da habt ihr was angerichtet! Der Schwarm ist hier.

Steve Cole – Für Amy, immer schon.

VORWORT

Auf der Erde gibt es unter Wissenschaftler*innen, Vordenker*innen und sonstigen klugen Köpfen einige, die nicht nur an Aliens glauben, sondern auch aktiv nach ihnen suchen. Raumfahrtbehörden wie die NASA und die Europäische Weltraumorganisation schicken Mars-Rover auf den roten Planeten, um dort Ausschau nach Spuren von Leben zu halten. Die Antennen riesiger Radioteleskope sind rund um die Uhr in den Himmel gerichtet, bereit, Signale von außerirdischen Zivilisationen zu empfangen. Dabei dreht sich alles um die vielleicht wichtigste Frage, die wir stellen können: Sind wir allein im Universum?

Eine Antwort haben wir bisher nicht, wir kommen ihr allerdings näher. In Wissenschaftskreisen liegt Spannung in der Luft. Auf dem Mars wurden in den letzten Jahren immense Mengen gefrorenen Wassers nachgewiesen. Ein Drittel des Planeten könnte früher von einem Ozean bedeckt gewesen sein – und wo Wasser ist, kann Leben entstehen. Im All wurden gigantische Gaswolken entdeckt, die komplexe organische Moleküle enthalten – die Bausteine für das Leben. Das Kepler-Weltraumteleskop der NASA hat neun Jahre lang Ausschau nach Planeten in der sogenannten habitablen Zone gehalten. So heißt der Bereich um einen Stern, in dem die richtigen Temperaturen herrschen, sodass Wasser in flüssiger Form vorkommen kann. Das Teleskop hat lediglich einen winzigen Ausschnitt unseres Nachthimmels betrachtet und dabei mehr als 2.600Planeten aufgespürt. Astronom*innen vermuten, dass es in der Milchstraße bis zu 40Milliarden felsiger, ungefähr erdgroßer, bewohnbarer Planeten geben könnte.

Sollte die Erde also wirklich der einzige Ort in der Galaxis sein, an dem sich Leben entwickelt hat? Das ist mehr als unwahrscheinlich. Und selbst wenn: Das Universum besteht aus mindestens 100Milliarden weiterer Galaxien.

In anderen Worten: Ja, ich glaube an die Existenz von Leben jenseits der Erde. Und wenn man die Frage nach Aliens ernst nimmt, dann muss man auch an die Zukunft denken.

Werden sie zum Beispiel je Kontakt zu uns aufnehmen?

Die unermessliche Weite des Weltalls macht die Existenz außerirdischen Lebens zu einer annähernden Gewissheit, ist aber gleichzeitig der Grund dafür, dass die Menschheit wohl niemals in Kontakt mit einer anderen Zivilisation wird treten können. Die Raumsonde Voyager 1 ist das von Menschen geschaffene Objekt, das sich derzeit am weitesten von der Erde entfernt befindet. Sie soll die Planeten Jupiter und Saturn erforschen und dann immer weiter in die Tiefen des Alls vordringen. Seit über 43Jahren ist die Voyager 1 inzwischen unterwegs. Wäre ihr Ziel der nächstgelegene Stern, dann müsste sie allerdings noch weitere 80.000Jahre Flugzeit einplanen. Könnt ihr euch vorstellen, dass Menschen so lange auf einem Raumschiff ausharren, nur um zu unserem nächsten Stern zu gelangen?

Wohl kaum. Nein, wenn der Mensch sein eigenes Sonnensystem verlassen will, dann muss er sich weiterentwickeln, sich anpassen, sich neue Überlebensstrategien suchen. Eine Möglichkeit bestünde in der Evolution zu einer digitalen Lebensform, die das Universum mit Lichtgeschwindigkeit bereist. Intelligentes Leben kann es aber unabhängig von einem Körper nicht geben – oder doch? Wie könnte solch ein körperloses Leben aussehen und sich entwickeln?

Tim Peake

SIE KOMMEN …

Wir müssen dringend über Aliens reden.

Lange haben wir uns Außerirdische als kleine grüne Männchen vorgestellt, als Wesen mit überdimensionalen Köpfen, Glupschaugen, dürren Körpern und langen, knotigen Fingern. Vielleicht glaubten wir sogar, ein paar Evolutionsstufen weiter könnten wir Menschen selbst so aussehen.

Doch die Wahrheit sieht ganz anders aus. Sie ist beängstigender als alles, was ihr euch vorstellen könnt.

Im Jahr 1974 schickte die Menschheit eine Botschaft in Form von Radiowellen hinaus in die Tiefen des Weltalls.

Ziel des Signals war ein abgelegener Winkel unserer Galaxie. Die Empfänger: außerirdische Wesen, denen wir in Nullen und Einsen mitteilten, dass sie nicht allein im Universum seien, wo sich unser Planet befände und was für Kreaturen auf ihm lebten.

Im Grunde genommen ging es darum, unsere eigene Cleverness zur Schau zu stellen. Dass leibhaftige Aliens die Nachricht empfangen, sich auf die Suche nach der Erde machen und uns tatsächlich aufspüren würden, damit rechnete niemand.

Die Fremden werden in keinem Raumschiff kommen. Sie reisen mit Lichtgeschwindigkeit, als Code, als körperlose Intelligenz. Die Frage ist: Wer wird sie hören? Und was wollen sie?

Ein Schwarm nähert sich.

Bald, sehr bald schon wird er hier sein.

1. KONTAKTAUFNAHME

Mein Name ist Danny Munday, aber meine Geschichte beginnt an einem Dienstag.

Der Brüller, habe ich recht? Na ja, ihr könnt euch vorstellen, was ich in der Schule schon mein Leben lang für bescheuerte Montagswitze zu hören kriege. À la »Och nö, was will denn Munday hier? Ich dachte, es wäre Friday.«. Oder »Wenn jeder Tag ein Geschenk ist, wo kann ich dann den Munday umtauschen?«. Oder auch »Wetten, du heiratest mal Freya Easter? Denn dann würdest du Danny Easter-Munday heißen, hahaha. Und eure Kinder sind dann Osterhasen.«. Was natürlich keinerlei Sinn ergibt, denn erstens zwingt einen niemand, bei der Eheschließung einen Doppelnamen anzunehmen, und zweitens ist Freya Easter derart taff, dass sie einem allein mit ihrem Blick die Knochen brechen kann. Von daher halte ich mich tunlichst von ihr fern.

Äh, wo war ich? Ach ja, Munday am Dienstag.

Es war ein stinknormaler Dienstagabend. Mum im Büro, Hausaufgaben zur Hälfte erledigt, keine besonderen Vorkommnisse. Jamila hing bei mir ab und nervte. Wobei, nein, das ist gemein. Sie ist meine beste Freundin, und ich kenne sie seit unseren Sandkastentagen. Wir chillten in meinem Zimmer, spielten Breakout Saturn auf der Playstation, futterten Nachos und amüsierten uns.

Jedenfalls bis sie mir diese mutierten Riesenspinnen auf den Hals hetzte und mich dann meinem Schicksal überließ.

»Besten Dank auch, Jam«, ärgerte ich mich, »wegen dir bin ich tot.« Ich knuffte sie in den Arm. »Du bist Captain Maxima Layne, furchtlose Königin der Kosmonauten. Warum bist du einfach abgehauen? Du hast dadurch sämtliche Spidroids im Umkreis von zehn Meilen angelockt.«

»Ich fand’s okay, dich zu opfern, Dannyboy.« Sie grinste. »Ich muss nicht schneller sein als die Spidroids, nur schneller als du.«

»Werd mal erwachsen«, pöbelte ich und warf mit gespielter Empörung den Controller zwischen die Sofakissen. »Als Nächstes spiele ich Maxima und dann kannst du krepieren.«

»Wir wissen beide, dass das nicht passieren wird.« Sie lachte. »Chill mal. Hast was gut bei mir.«

»Ja, nee, ist klar.« Ich verdrehte die Augen. »So oder so, es ist neun Uhr. Du weißt, was das heißt.«

»Jap.« Facettenäugige Spinnenmonster erstarrten mitten in der Bewegung, als Jamila die Pausetaste drückte. »Genug gespielt für heute, schließlich muss ich früh ins Bett, damit ich morgen für die Schule schön ausgeschlafen bin«, betete sie herunter.

Wie auf Kommando brachen wir in schallendes Gelächter aus. Früh ins Bett, von wegen.

Jamila wohnt direkt nebenan. In unserer Straße stehen hauptsächlich Reihenhäuser und unsere Schlafzimmer trennt tatsächlich nur eine Wand. Manchmal schicken wir einander Klopfzeichen in Morsecode, aber meistens ist das gar nicht nötig. Ein normaler Abend läuft bei uns so ab: Jamila spielt das brave Mädchen, das um Punkt einundzwanzig Uhr nach Hause geht, die Zähne putzt und ihren Eltern Gute Nacht sagt. Kaum macht ihre Mutter die Zimmertür hinter sich zu, hüpft Jamila wieder in ihre Jeans, klettert aus dem Fenster, hangelt sich an der Regenrinne entlang und steigt bei mir durchs offene Fenster ein. Wir zocken zu Ende und dezimieren weiter die Nachos. Auf demselben Weg schleicht sie sich später wieder zurück, so um Mitternacht. »Klimmzüge machen« sagen wir dazu. KLIMMZUG steht dabei für »Klandestine Luke in Mundays Mauern, zur Unzeit geöffnet« (wofür auch sonst).

Das Ganze ist genial. Seit Monaten kommt uns niemand auf die Schliche, was daran liegt, dass Jams Eltern ihre Tochter für ein artiges Engelchen halten und nie ihr Zimmer kontrollieren. Meine Mutter ist um diese Zeit eh nicht zu Hause – Spätschicht lässt grüßen. Sie ist Radioastronomin und arbeitet im Jodrell-Bank-Observatorium mit dem Lovell-Teleskop. Das Ding ist beeindruckend, auch wenn es weniger wie ein Fernglas, sondern eher wie eine überdimensionale Satellitenschüssel aussieht.

Durch ein Radioteleskop schaut man nämlich nicht mit den Augen, sondern erforscht damit unsichtbare Energie im Weltall: Radiowellen, Röntgenstrahlen, elektromagnetische Wellen, ultraviolettes Licht und solche Sachen. Als ich klein war, hat meine Mutter mir ihren Beruf so erklärt: »Im Universum herrscht jede Menge Lärm. Ich versuche herauszufinden, bei welchen Geräuschen es sich lohnt, genauer hinzuhören, und warum.«

Mein Vater ist Professor für Physik und Astronomie, von daher liegen er und Mum ganz auf einer Wellenlänge, jedenfalls was ihr berufliches Vokabular betrifft. Wenn sie sich im selben Raum aufhalten, brüllen sie sich allerdings nach kurzer Zeit an, was vor gar nicht allzu langer Zeit zu einer Scheidung und Dads Umzug nach Honolulu führte, wo er eine Stelle am dortigen Astronomieinstitut angetreten hat. Zitat: »Ich musste einfach weg.« Das war ziemlich uncool von ihm, aber seitdem sind zwei Jahre vergangen und wir haben uns alle daran gewöhnt. Ich chatte ziemlich viel mit ihm, wenn Mum bis spät in die Nacht am Observatorium schuftet. Seit Dad weg ist, überhäuft sie sich regelmäßig mit Arbeit und kann sich nur schwer davon loseisen.

Weshalb es auch ein Riesenschock für mich war, als Mum an jenem Dienstagabend früher als sonst in der Tür stand.

Um zehn nach neun schafften Jamila und ich das nächste Level und schalteten danach die Konsole aus. Ich brachte sie die Treppe hinunter, um mich – für ein halbes Stündchen – von ihr zu verabschieden, als ich auf einmal hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Vor Schreck machte ich einen Satz und verstreute dabei Nachos im ganzen Flur. Schon kam Mum hereingestürmt, unterm Arm ihren Laptop, in der einen Hand den Schlüssel und in der anderen einen Becher Kaffee. Sie ließ ihren hellwachen – um nicht zu sagen: koffeinschwangeren – Blick von einem zum anderen schweifen.

»Hi, Danny. Hi, Jam.« Sie bückte sich, sammelte eine Handvoll Nachos vom Teppichboden auf und schob sich mehrere davon in den Mund. »Sorry, wollte euch nicht stören. Ihr wart wohl gerade beim Abschiedsbussi?«

»Bitte was?« Ich lief puterrot an. Meine Mutter ist so peinlich. »Nein.«

»Igitt«, kommentierte Jamila.

»Ihr würdet es mir ja sowieso nicht sagen.« Mum lachte und leerte ihren Kaffeebecher in einem Zug. »Tut einfach, als wäre ich gar nicht hier.«

Mit den Lippen formte ich ein unhörbares »Sorry!« in Jamilas Richtung. Meine Mutter rauschte an uns vorbei wie ein aufgescheuchtes Huhn, was bei ihr ein Anzeichen für große Begeisterung oder große Erschöpfung ist, meistens beides.

»Wieso bist zu schon zu Hause?«, fragte ich vorsichtig. »Deine Schicht ist doch noch lange nicht um.«

»Kann dort nicht arbeiten«, gab sie zurück, stürmte in die Küche und knallte den Laptop auf die Arbeitsplatte. »Computer sind offline.«

»Am Observatorium?« Ich warf Jamila einen verwirrten Blick zu. Wir folgten meiner Mutter in die Küche. »Wieso das denn?«

»Überspannung, vermutlich.« Mum öffnete den Kühlschrank und zog eine halb leere Flasche Wein hervor. »Erst haben die Geräte mehrere merkwürdige Fast Radio Bursts aufgezeichnet, da machte es plötzlich zack!, irgendwas rauschte durch die Systeme und dann ist der Hauptserver abgestürzt.« Sie hob eines der dreckigen Gläser an der Spüle hoch, drehte und wendete es, stellte es dann achselzuckend wieder hin und goss Wein in ihren Kaffeebecher. »Wir waren nicht als Einzige betroffen. Die Radioteleskope in Südafrika, Kanada und im Westen Australiens sind ebenfalls offline.«

»Krass«, entfuhr es mir. Zur Abwechslung klang Mums Arbeit mal interessant. »Haben die anderen Teleskope die Fast Radio Bursts auch gehört?«

»Was ist das überhaupt?«, schaltete sich Jamila ein. »Wenn man ein Radio ganz schnell an- und ausschaltet?«

Mum bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick und nahm einen Schluck aus ihrem Becher. »FRBs sind so etwas wie Blitze aus Radiostrahlung, die in den meisten Fällen aus anderen Galaxien stammen. Es sind Energiewellen, die mit Lichtgeschwindigkeit durchs All rasen. Wodurch genau sie verursacht werden, das wird noch erforscht. Normalerweise sind es einmalige Ereignisse.« Sie legte die Stirn in Falten. »Aber der FRB von heute war anders. Er wiederholte sich immer wieder. Tapp, tapp, tapp. Die Quelle war außerdem total nah an der Erde, gerade mal fünfundzwanzig Lichtjahre entfernt.«

Tapp, tapp, tapp. Ich musste an die Morsezeichen denken, die Jamila und ich uns durch die Wand schickten. »Vielleicht war das eine Botschaft?«

»Ha. An unsere IT-Abteilung? ›Alpha, Bravo, Charlie, dieses Netzwerk benötigt eine stärkere Firewall‹?« Sie lachte, aber ihre Belustigung war eindeutig gespielt. »Immerhin konnte ich einen Teil des Signals abfangen, ehe die Systeme herunterfuhren. Das werde ich jetzt auf meinem Laptop analysieren. Es gibt bestimmt eine logische Erklärung.«

»Apropos logische Erklärung, was erzähle ich jetzt meiner Mum?« Jamila hatte ihr Smartphone hervorgezogen. »Sie schreibt, ich hätte vor einer Viertelstunde daheim sein sollen.«

»Sag ihr, du musstest noch mit Danny knutschen«, schlug meine Mutter vor.

»Mum, kannst du bitte einfach die Klappe halten?«, ächzte ich und schob Jamila aus der Küche in Richtung Haustür. »Sorry wegen meiner Mutter.«

»Megapeinlich«, sagte Jamila. Dann lächelte sie. »Aber deine ist wenigstens witzig.«

»Du meinst wohl eher durchgeknallt«, korrigierte ich sie. »Kommst du nachher trotzdem noch vorbei? Wir müssen das Titanlevel knacken.«

»Lieber nicht. Wenn deine Mum das mitkriegt, denkt sie am Ende wirklich noch, wir hätten was miteinander.« Jamila schüttelte sich und trat aus dem Haus. »Wir sehen uns morgen, okay?«

»Alles klar.« Ich lehnte mich an den Türrahmen. »Ich schreibe dir höchstwahrscheinlich nachher noch.«

»Dann lese ich es höchstwahrscheinlich nachher noch.« Sie schubste mich zurück in den Flur und schwang sich über den niedrigen Zaun zwischen den beiden Grundstücken.

Ich schloss die Tür und tigerte zurück in die Küche, wo Mum inzwischen einen USB-Stick in ihren Laptop gesteckt hatte. Er blinkte bei der Datenübertragung rot, gerade so, als wollte er den Fast Radio Burst nachahmen. Auf dem Bildschirm war ein Fortschrittsbalken zu sehen, der sich zögerlich füllte.

»Komisch, oder? Dass die Rechner von allen anderen Radioteleskopen auch ausgefallen sind«, bemerkte ich. »Glaubst du, das war ein Cyberangriff?«

»Schon möglich.« Mum trommelte mit den Fingern ungeduldig auf die Arbeitsfläche, während die Daten langsam luden. »Es ist jedenfalls die wahrscheinlichere Erklärung.«

»Und was ist die unwahrscheinliche?«

»Dass außergalaktische Radiowellen mit genug Energie auf die Erde getroffen sind, um unsere Systeme zum Absturz zu bringen. Ein unfreundliches Moin aus den Tiefen des Alls sozusagen.«

»Du meinst, ihr habt eine Nachricht von Aliens abgefangen?« Mir stockte der Atem.

Mum sah vom Bildschirm auf und schnaubte. »Das wäre natürlich die Sensation des Jahrhunderts, stimmt’s? Nee, Sohnemann, es gibt mit Sicherheit eine wissenschaftliche Erklärung. In den 1960ern wurden schon mal ähnlich starke und regelmäßige Signale aufgezeichnet. Damals hat man auch gemutmaßt, dass Außerirdische Kontakt zu uns aufnehmen wollten.«

»Und?«

»Wie sich später herausstellte, waren es Radiowellen von einem Stern im Endstadium seiner Entwicklung.«

»Also von einem Neutronenstern?« Ja, ich bin ein ziemlicher Geek, aber wenn man mit zwei Himmelsforschern als Eltern aufwächst, kommt man um eine gute Prise astronomisches Halbwissen nicht herum. »Davon gibt es doch verschiedene Typen, oder?«

»In dem Fall war es ein Pulsar. Er war extrem kompakt, maß gerade einmal fünfzehn Kilometer im Durchmesser, besaß aber mehr Masse als die Sonne.« Mum schüttelte den Kopf. »Es gibt immer noch so vieles, was wir nicht wissen. Das Team, das die Existenz von Pulsaren nachweisen konnte, hat jedenfalls den Nobelpreis und anderen coolen Kram gewonnen.«

Cooler Kram? Darauf sprang ich an wie ein ausgehungerter Hund auf einen Knochen. »Geld? Schnelle Autos? Ruhm und Ehre?«

»Das nicht, aber immerhin halbwegs faire Zuschüsse für weitere Forschungsprojekte.« Eine beschwingte Tonfolge verkündete das Ende des Ladevorgangs, woraufhin sich Mum sofort wieder ihrem Bildschirm zuwandte und eine Datei öffnete. »Was auch immer wir heute gehört haben, könnte sich als Riesensache herausstellen.«

»Als Riesensache, die die Welt verändern wird?«, fragte ich.

Doch meine Mutter war bereits ganz in ihre Arbeit vertieft und antwortete nicht mehr. Trotz beendeter Datenübertragung blinkte der USB-Stick noch immer wie wild. Ein winziger, flimmernder Herzschlag.

Dann erlosch das rote Lämpchen. Zwei Stufen auf einmal nehmend verzog ich mich ins obere Stockwerk und ließ mich in meinem Zimmer aufs Sofa plumpsen.

Eine Botschaft aus dem All? Das war so wahrscheinlich wie ein Date mit Freya Easter.

Und doch. Ich wusste es zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber sehr bald schon würde jemand Neues in mein Leben treten.

Jemand – oder etwas.

2. ALARMGLOCKEN

Eine Weile zockte ich Breakout Saturn, aber da ich Jamila versprochen hatte, Captain Maxima nicht ohne sie auf den Titan zu schicken, gab es außer ein paar Nebenquests nicht viel zu erledigen. Maxima schlägt sich in dem Spiel als eine Art Öko-Kriegerin durch eine dystopische Zukunft und versucht, den größten Mond des Saturns – den Titan – in eine neue Erde zu verwandeln, weil unser eigener Planet unbewohnbar geworden ist. Dummerweise brechen fiese Alienspinnen aus ihrem schwebenden Gefängnis in den Gaswolken des Saturns aus und errichten ebenfalls eine Basis auf dem Titan (was auch sonst). Bei den Nebenquests muss Maxima die anderen Monde terraformieren, also karge Gesteinsbrocken in bewohnbare Miniatur-Erden verwandeln. Das ist ganz witzig.

Ein Punkt, der mir schon länger Zahnschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass ein Umzug auf den Titan – Killerspinnen hin oder her – nicht wirklich infrage kommt, wenn unsere echte Erde eines Tages zu verseucht ist, um auf ihr zu leben.

Eine Weile lang schlug ich die Zeit mit der Begrünung von Saturnmonden tot, dann wechselte ich zu YouTube. Es gibt einen neuen Vergnügungspark mit der längsten Zipline der Welt: eine Seilrutsche, die drei Kilometer lang durch einen hammercoolen Wald führt und die ich unbedingt ausprobieren will. Mum hat mir versprochen, dass wir vielleicht an meinem Geburtstag hinfahren. Jetzt schickte ich ihr eine Mail mit einem Link und ein paar Videos. Bei Müttern muss man immer schön hartnäckig bleiben, wenn man was erreichen will.

Fast augenblicklich kam eine Nachricht von ihr zurück. Ich tippte sie an – aber sie war leer.

Ich zuckte die Achseln und schrieb zurück: Was ist los? Hat es dir etwa die Sprache verschlagen, weil die Zipline so geil aussieht?

Auf einmal lief mein Smartphone heiß – so heiß, dass ich es kaum noch halten konnte. Alle Apps schlossen sich, nur um direkt darauf wieder zu starten. »Seltsam«, murmelte ich. Ob die Batterie überhitzt war? Mit einer schnellen Bewegung warf ich das Handy auf meinen Nachttisch.

Jetzt war mir langweilig. Also klopfte ich viermal an die Wand – das ist die Kurzform für »Hallo, hörst du mich?«.

Keine Antwort. Ein paar Sekunden später meldete sich mein Tablet. Neue Nachricht von Jamila: Bin zu faul zum Morsen :D.

»Tss«, entfuhr es mir. Neuerdings mogelte sie ständig. Früher hatte sie die Sache ernst genommen und das Morsealphabet sogar schneller auswendig gelernt als ich. Wobei, ja, gut, ich gebe zu, damals hatten wir keine Smartphones.

Faule Socke, antwortete ich ihr. Du bist so nutzlos. Dann fügte ich ein ;) hinzu, aus schlechtem Gewissen.

Darauf Jamila: Passiv-aggressive Smileys kann man nicht morsen. Merkste was?

Dann kam auch von ihr ein ;).

»Werd erwachsen«, klopfte ich an die Wand.

Ehe ich noch länger auf ihr herumhacken konnte, gab mein Tablet einen Laut von sich: Nachricht von meiner Mutter. So auf Zack ist sie normalerweise nie. Doch als ich die neue Mail öffnete, war auch diese wieder leer.

»Jetzt wird sie vollends senil«, brummelte ich.

In dem Moment wurde der Tablet-Bildschirm schwarz, ein Cursor blinkte auf und wie von Geisterhand eingetippt erschienen grüne Ziffern.

01010111 01100101 01110010 01100100 00100000 01100101 01110010 01110111 01100001 01100011 01101000 01110011 01100101 01101110

»Was zur –?« Ich starrte auf die Nullen und Einsen, dann machte ich geistesgegenwärtig einen Screenshot.

Gerade noch rechtzeitig, denn schon in der nächsten Sekunde waren sie wieder verschwunden. Gut, dass ich ein Bild davon gemacht hatte, denn das würde ich beim Kundendienst sicherlich brauchen.

Noch während mir diese Gedanken durch den Kopf schossen, vibrierte mein Handy. Es führte offenbar ganz ohne mein Zutun einen Neustart durch. »Was zur Hölle?«, beendete ich meinen Satz von eben.

Vorsichtig nahm ich das Smartphone in die Hand. Es fühlte sich nicht mehr heiß an. Ein schneller Blick auf mein Tablet offenbarte, dass auch hier der schwarze Bildschirm verschwunden und wieder Normalität eingekehrt war.

»Was sind das für Macken?«, grummelte ich, aber ehe ich mich der Sache näher widmen konnte, wurde ich von einer WhatsApp-Benachrichtigung abgelenkt. Der Absender befinde sich nicht in meiner Kontaktliste, warnte mich die App, und tatsächlich kam mir die Nummer unbekannt vor. Die Nachricht stammte, so viel ließ sich erkennen, von einem oder einer ADI.

»Wer, bitte schön, ist Adi?«, murmelte ich.

Ich tippte die Nachricht an. Sie lautete:

···· ·– ·–·· ·–·· ––––·· ·––· –· –·––

Morsecode. Für mich also nicht schwer zu entziffern. Die Punkte und Striche ergaben »Hallo, Danny«.

Ich wirbelte herum und zog die Augen zu schmalen, misstrauischen Schlitzen zusammen, als könnte ich auf diese Weise mit meinem Blick die Wand durchbohren und auf der anderen Seite Jamila sehen, die sich kringelig lachte. Sie spielte mir eindeutig einen Streich. Ich morste: »Sehr witzig. Wie machst du das?«

Sie klopfte zurück: »Wie mach ich was?«

»Wie schreibst du mir als Adi?«

»Adi-das?«

Okay. Möglichkeit Nummer eins: Jamila mimte die Unschuldige, damit sie mich noch länger auf die Schippe nehmen konnte. Möglichkeit Nummer zwei: Sie wusste wirklich von nichts. Ich beschloss, fürs Erste meine Klappe zu halten, denn falls sie mich auf den Arm nahm, wollte ich ihr keine weitere Genugtuung gönnen.

Stattdessen schrieb ich eine WhatsApp-Nachricht an »Adi«.

Wer bist du?

Ich bin die Adi, lautete die prompte Antwort. Ich liebe Code. Du auch?

In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. Irgendwie war es einer Wildfremden gelungen, an meine Nummer zu kommen, und jetzt versuchte sie, ein Gespräch mit mir anzufangen. Vielleicht wurden vorhin mein Smartphone und Tablet gehackt? Hatte das Ganze etwas mit den Computern am Jodrell-Bank-Radioobservatorium zu tun?

Ich rappelte mich auf. Bestimmt war es am vernünftigsten, wenn ich meiner Mutter den Screenshot und die Konversation zeigte. Aber ehe ich auch nur mein Zimmer verlassen konnte, trudelte eine weitere Nachricht ein.

Kash hat mir deine Nummer gegeben. Ich bin seine Cousine Adi. Er sagt, du magst Code. Ich auch. Hallo, Danny.

»Na danke, Kash«, sagte ich laut. »Frag mich gefälligst beim nächsten Mal vorher.«

Kash war ein Freund von mir, wobei ich ihn schon ewig nicht mehr gesehen hatte – seit ein paar Monaten besuchte er nämlich eine Privatschule am anderen Ende der Stadt. Er wusste, dass ich alles mochte, was mit Code, Geheimschriften und Verschlüsselungen zu tun hat. Letztes Jahr hatten wir uns eine eigene Chiffrierung ausgedacht und dann Nachrichten über die Leute an unserer Schule ausgetauscht. Bis uns Herr Johnson, der Informatiklehrer, mit unseren Handys erwischt, unseren Code geknackt und daraufhin kapiert hatte, dass wir uns über seine große Nase lustig machten.

Der Lehrer, der euch erwischt hat, klingt wie ein totaler Vollpfosten, schrieb Adi jetzt.

Ich musste grinsen. Vollpfosten. Dasselbe Wort hatte Kash auch verwendet. Offenbar hatte er seiner Cousine die Story erzählt.

Ich schickte ihm eine schnelle Nachricht. He, du Lauch. Seit wann gibst du denn meine Nummer raus? Deine Cousine Adi schreibt mir. Bisschen komisch.

Kashs Antwort kam prompt. Selber Lauch. Adi ist cool. Dachte, ihr würdet euch verstehen. Pause. Dann die nächste Nachricht: Sei nett zu ihr. Du wirst sie mögen.

Das klang wie ein Befehl. Mit Befehlen habe ich es nicht so.

Ich öffnete wieder die WhatsApp-Unterhaltung mit Adi und tippte: Warum schreibst du mir? Hast du keine Freunde? Dann fühlte ich mich gemein und fügte ein LOL hinzu.

Das Leben ist hart, wenn man 14, weiblich und ein Genie ist, lol, schrieb Adi. Ich sollte erwachsen werden.

Das entlockte mir ein Lächeln. »Werd erwachsen« ist so ziemlich mein Lieblingsspruch. Vielleicht gefiel mir diese Adi tatsächlich.

Eine Nachricht von Jamila blinkte auf: Gute N8, hasta mañana.

Gleichzeitig schrieb Adi: Hilfst du mir, erwachsen zu werden, Danny?

Leicht fassungslos starrte ich den Bildschirm an. Das war jetzt neu. Ein bisschen merkwürdig. Aber irgendwie auch cool. Oder?

Die nächste Stunde chattete ich mit Adi. Erst gegen Mitternacht fiel mir auf, dass ich Jam gar nicht geantwortet hatte.

Und mein verbuggtes Tablet und den sonderbaren Binärcode hatte ich auch völlig verdrängt.

Hätte ich mich daran erinnert und Mum den Screenshot eher gezeigt, wer weiß, vielleicht wäre dann alles ganz anders gekommen. Vielleicht wäre das Ganze nicht so schlimm aus dem Ruder gelaufen.

3. GEHACKT

Wie sich im Laufe der nächsten Tage herausstellte, hatten Adi und ich echt viele Gemeinsamkeiten. Ihre Eltern arbeiteten als Wissenschaftler, sie ernährte sich vegetarisch und in der sechsten Klasse war sie im selben Schullandheim wie ich. Ziplines fand sie das Größte. Sie zockte gern, spielte Breakout Saturn als Maxima Layne und hatte zu Achievements dieselbe Einstellung wie ich: Wenn man sie schon sammelte, dann bitte sehr in Platin, denn – wozu machte man es sonst?

Sogar an Klimaschutzdemos hatte sie bereits teilgenommen. Ich erzählte ihr, dass meine Mum mich gelegentlich zu solchen Veranstaltungen mitschleifte, aber nur, wenn sie sich in London mit Freunden treffen und mich nicht allein zu Hause lassen wollte. Adi meinte, den Planeten zu retten sei doch auf jeden Fall eine gute Sache – und damit hatte sie natürlich recht, denn wie gesagt, mit dem Titan wird das wohl eher nichts.

Die Chats mit Adi wurden zu meinem neuen Abendprogramm. Mum arbeitete weiterhin von zu Hause aus und analysierte terabytegroße Datenmengen. Essen musste ich beim Lieferservice bestellen – und sie schlang dann höchstens ein paar Bissen hinunter. Das kannte ich von ihr: Manchmal tauchte sie so tief in ihre Arbeit ein, dass sie dabei die echte Welt vergaß. Inklusive mir.

Ich hatte kein Problem damit. Sie liebte eben ihren Job – am glücklichsten war sie, wenn Radiowellen durch ihren Kopf schwirrten und sonst nichts. Früher oder später erinnerte sie sich immer daran, dass sie auch noch einen Sohn hatte, woraufhin sie jedes Mal in mütterlichen Schuldgefühlen versank. Wenn der Zeitpunkt dieses Mal erreicht war, dauerte es garantiert nicht mehr lange, bis die Reise zur längsten Zipline der Welt Realität wurde. Wetten? Von daher: alles gut.

Jamila war weniger begeistert von den jüngsten Entwicklungen. Solange unsere Küche als nächtliches Homeoffice fungierte, traute sie sich aus Angst, erwischt zu werden, nicht mehr, KLIMMZÜGE zu machen. Sie befürchtete, meine Mum könnte ihrer Mum alles brühwarm weitererzählen, und dann bekäme sie, Jamila, Hausarrest bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Um einundzwanzig Uhr schlafen zu gehen, war also fürs Erste ihr trauriges Schicksal. Auch nicht viel besser als Hausarrest.

Da Jam mittwochs und donnerstags nach der Schule noch in AGs ging, kam ich erst am Freitag dazu, ihr auf dem Heimweg alles über Adi zu erzählen. Ehrlich gesagt scheute ich mich ein wenig davor. Es fühlte sich beinahe wie ein Geständnis an, ihr zu sagen: Hey, übrigens chatte ich die ganze Zeit mit einem Mädchen, das ich im echten Leben noch nie gesehen habe.

Jamila war dann auch tatsächlich kein bisschen beeindruckt.

»Das klingt total suspekt«, sagte sie. »Ich meine, die taucht einfach aus dem Nirgendwo auf und –«

»Sie ist Kashs Cousine«, protestierte ich.

»Wessen Cousine auch immer. Wieso fragt sie dich, ob du ihr helfen kannst, ›erwachsen‹ zu werden? Wer sagt so was?«

»Na ja, vielleicht ist sie einfach ein bisschen komisch, was ist daran so schlimm? Sie hat erzählt, dass sie mit ihrer Familie alle naslang umziehen musste.« Mir war bewusst, wie defensiv das klang, und das störte mich. »Keine Ahnung, ich glaube, sie ist einfach einsam. Wenn du dauernd aus deinem Umfeld gerissen wirst, lernst du Leute eben nie richtig kennen.«

Jam schnaubte verächtlich. »Und wieso baggert sie jetzt ausgerechnet dich an?«

»Bist du etwa eifersüchtig?« Ich grinste. »Bist du, oder? Bist du echt.«

»So was von. Und außerdem fliegen mir kleine rosa Ferkel aus dem Hintern.« Sie steckte den Zeigefinger in den Mund und deutete ein Würgen an. »Was weißt du wirklich über dieses Mädchen?«

»Eine ganze Menge«, gab ich zurück. Wobei, wenn ich genauer darüber nachdachte, wusste ich eigentlich nur, welche Gemeinsamkeiten wir hatten. Was uns unterschied – keine Ahnung. Eine Suche nach Adi auf verschiedenen Social-Media-Plattformen hatte rein gar nichts ergeben. Als ich Kash deswegen anschrieb, meinte er, Adi würde ihre Profile lieber geheim halten, weil sie nur so wenige Follower hätte. Das konnte ich gut nachvollziehen.

Wieder eine Gemeinsamkeit.

»Hast du eine Ahnung, wie sie aussieht?«, bohrte Jamila weiter.

»Ja.« Ich zeigte ihr ein Foto, das Adi mir geschickt hatte. »Siehst du? Sie sieht ein bisschen aus wie Maxima Layne.«

»Jein.« Jamila betrachtete eingehend die leicht verschwommene Aufnahme von einem Mädchen in unserem Alter mit langem, schwarzem Pferdeschwanz, vorgestrecktem Kinn und zum Peace-Zeichen erhobenem Zeige- und Mittelfinger. »Danny, das kann genauso gut gephotoshoppt sein. Woher willst du wissen, dass deine ›Adi‹ kein creepy Typ namens Adrian ist?«

»Bitte was?«, stöhnte ich. »Ich bin doch nicht blöd.«

»Ha«, gab Jamila zurück. »Wollte Adrian dich zufälligerweise schon treffen?«

»Nein, zufälligerweise nicht.« Ich swipte über den Bildschirm. »Hier. Ich habe noch ein Foto von ihr.«

Das zweite Bild zeigte Adi in Heldenpose in einem Park, die Hände in die Hüften gestemmt, die Beine leicht gegrätscht. »O Gott«, mokierte sich Jamila, »das ist Maxima Laynes Victory-Pose.« Sie riss mir das Smartphone aus der Hand, um es vom Licht wegzuhalten, und schüttelte fassungslos den Kopf. »Das ist heftig. Lass mich raten. Sie weiß, dass du Maxima spielst.«

»Sie spielt selbst Maxima.«

»Ja, schon klar.« Jamila sah mir in die Augen. »Weiß sie, dass Maxima auch mein Avatar ist? Weiß sie von uns?«

»Von uns?« Ich runzelte die Stirn und schnappte nach meinem Handy, aber Jamila zog es weg. »Was soll sie von uns wissen?«

»Dass wir beste Freunde sind, du Depp.« Sie schubste mich leicht. »Also?«

»Wäre möglich, dass ich so eine Trulla erwähnt habe, die mir ständig auf den Keks geht«, sagte ich. In Wirklichkeit hatte ich Adi sehr viel von Jamila erzählt und sogar vorgeschlagen, dass wir zu dritt was unternehmen könnten, aber Adi war darauf nicht angesprungen. So viel zum Thema »einsam«.

Oder war sie vielleicht nur an mir interessiert?

Mein Smartphone vibrierte. Mit einem Sprung versuchte ich es mir zu angeln, aber Jamila drehte mir den Rücken zu. »Oooh, sie hat dir geschrieben. Zum fünftausendsten Mal.«

Ich packte sie am Arm. »Gib das her.«

»Interessant, interessant, interessant.« Jamila zog die Augenbrauen hoch und wandte sich mir zu. »Sieht ganz so aus, als sei deine mysteriöse neue Freundin jetzt doch bereit für die nächste Stufe.«

»Was?« Ich nahm ihr das Smartphone aus der Hand und starrte auf Adis Nachricht.

Wir müssen uns treffen. Bald. Details folgen.

»Okay.« Ich schluckte. »Ein Treffen. Okay, cool.«

»Ganz schön aufdringlich«, urteilte Jamila. »Und? Machst du es?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich schätze schon.«

»Du kannst dich auf keinen Fall allein mit ihr treffen. Was ist, wenn du wirklich in eine zwielichtige Sache reingerätst?« Sie klang ernst. »Ich komme mit. Von dieser Person muss ich mir selbst ein Bild machen.«

»Damit du entscheiden kannst, ob du mir deinen Segen gibst?«