Endet der Himmel, wenn das All beginnt? - Tim Peake - E-Book

Endet der Himmel, wenn das All beginnt? E-Book

Tim Peake

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Beschreibung

Kann man im All eine Tasse Tee trinken? Wie ist es, im Weltall zu schlafen? Und wie verbringt man ein freies Wochenende an Bord?

Tim Peake ist Astronaut und war als Teil der ESA-Weltraummission für mehrere Monate auf der ISS. Auf Vortragsreisen ist er immer wieder auch Dinge gefragt geworden, die das ganz normale Leben im All betreffen. Mehr als 200 solcher Fragen hat er in diesem Buch beantwortet. Eine wunderbar unterhaltsame und informative Reise in eine Zukunft, die näher ist, als viele von uns ahnen.

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Inhalt

Cover

Über den Autor

Titel

Impressum

Widmung

LISTE DER FRAGEN

ZITATE

EINFÜHRUNG

RAKETENSTART

AUSBILDUNG UND TRAINING

ALLTAG UND ARBEIT AUF DER ISS

EIN WELTRAUMSPAZIERGANG

ERDE UND WELTRAUM

RÜCKKEHR ZUR ERDE

NACHWORT: BLICK IN DIE ZUKUNFT

DANKSAGUNG

BILDERGALERIE

BILDNACHWEISE

Über den Autor

Tim Peake ist ausgebildeter Jet-Pilot, der sich irgendwann den Traum erfüllen wollte, die Grenzen seiner Reisen ins Weltall auszudehnen. Zu seiner großen Überraschung hat er sämtliche Tests und Qualifikationen auf dem Weg zum Astronauten mit Bravour bestanden. 2015 war er dann tatsächlich als Teil der europäischen ISS-Besatzung im All unterwegs und setzt seitdem alles daran, diese großartige Erfahrung zu wiederholen. Derzeit durchläuft er als Vorbereitung für eine weitere Mission intensive Trainingsmodule im Raumzentrum der ESA in Köln.

TIM PEAKE

Was wir über das Lebenim Weltraum wissen müssen

Aus dem Englischen von Wolfgang Seidel

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2017 by ESA/Timothy Peake

Photographs © ESA/NASA and Getty Images

Illustrations © Ed Grace

Titel der Originalausgabe: »Ask An Astronaut«

Originalverlag: Century, an Imprint of Cornerstone

Cornerstone is Part of the Penguin Random House Group of Companies

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Redaktion: Dr. Matthias Auer

Einband-/Umschlagmotiv: © FinePic/shutterstock

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-404-61024-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für meine Eltern, die mir immer so viel Liebe gegeben,mich unterstützt und dazu ermutigt haben,meinen Leidenschaften nachzugehen undnach Antworten auf meine Fragen zu suchen.

LISTE DER FRAGEN

EINFÜHRUNG

Meine erste Frage ist ganz einfach: Wie wird man Astronaut?

Wenn man in der Umlaufbahn 16 Sonnenaufgänge pro Tag erlebt, wann feiern die Astronauten dann Neujahr?

Vermissen Sie im Weltraum das irdische Wetter, und was fehlt Ihnen überhaupt am meisten?

Was war für Sie der größte Luxus an Bord der ISS?

Verlor sich während der Ausbildung die Furcht, ins Weltall zu fliegen, als Sie immer mehr dazulernten?

RAKETENSTART

Wie fühlt es sich an, auf der Spitze einer 300-Tonnen-Rakete zu sitzen?

Wieso starten die Astronauten von Kasachstan aus?

Wie lange müssen die Astronauten vor dem Start in Quarantäne bleiben, und kann sie währenddessen wirklich niemand besuchen?

Wie ist der Ablauf am Tag des Starts?

Stimmt es, dass die Astronauten vor dem Start an den Busreifen pinkeln?

Wie quetschen sich alle Astronauten in die Sojus-Kapsel?

Wie viel Rechnerleistung hat eine Sojus?

Wie viele »g« lasten beim Start auf einem Astronauten?

Wann hört unser Himmel auf, und wo geht die Atmosphäre ins Weltall über?

Warum müssen Raketen so viel Geschwindigkeit entwickeln?

Wie lange dauert es, bis das All erreicht ist?

Wie lange dauert es, bis die Umlaufbahn erreicht ist?

Was machen die Astronauten eigentlich während des Starts – steuern sie die Kapsel, oder machen das die Bordcomputer automatisch?

Was passiert, wenn beim Start etwas schiefgeht?

Wo landen die Astronauten, wenn der Start abgebrochen werden muss?

Wie lange dauert der Flug bis zur ISS?

Wie funktioniert das Ankoppeln an die ISS?

In welchem Moment hatten Sie bei Ihrem Weltraumaufenthalt am meisten Angst?

Was war für Sie die größte Überraschung beim ersten Aufenthalt im All?

Haben Sie sich beim ersten Mal im All unwohl gefühlt?

Wer hat Sie auf der ISS als Erster begrüßt, als Sie die Luke öffneten?

AUSBILDUNG UND TRAINING

Mein ältester Sohn würde auch gern Astronaut werden und möchte daher wissen: Wie, wann und warum haben Sie den Entschluss gefasst, Astronaut zu werden?

Was nützten Ihnen Ihre Kenntnisse als Pilot bei der Raumfahrt?

Hat man größere Chancen, Astronaut zu werden, wenn man Pilot oder Wissenschaftler ist?

Was hatten Sie bei der Bewerbung zum Astronauten Ihren Mitbewerbern voraus?

Wie fit muss man körperlich sein, um Astronaut werden zu können?

Wie wird man psychologisch auf den Einsatz im Weltall vorbereitet?

Wie lange dauert die Ausbildung zum Astronauten?

Welche Sprachen muss man beherrschen, um Astronaut werden zu können?

Haben Sie in einer Zentrifuge trainiert, und ist Ihnen dabei schlecht geworden?

Wie bereitet man sich hier auf der Erde auf die Schwerelosigkeit vor?

Was machen Astronauten, wenn sie nicht im Weltall sind?

Welche Fächer muss man während der Ausbildung belegen?

Erhalten alle Astronauten die gleiche Ausbildung?

Was hat Ihnen bei der Ausbildung am wenigsten gefallen?

Was hat Ihnen bei der Ausbildung am besten gefallen?

ALLTAG UND ARBEIT AUF DER ISS

Wie verläuft ein normaler Arbeitstag an Bord der Internationalen Raumstation ISS?

Was ist die Internationale Raumstation ISS eigentlich genau?

Aus welchen verschiedenen Teilen besteht die Raumstation?

Und was soll das Ganze?

Was haben Sie als Allererstes gemacht, als Sie auf der Raumstation angekommen sind?

Wie geht man in der Raumstation auf die Toilette?

Was passiert mit dem Abfall auf der Raumstation?

Woher bekommt die Raumstation Wasser und Luft?

Wie lange dauert es, bis man sich an die Schwerelosigkeit gewöhnt hat?

Was ist besonders toll an der Schwerelosigkeit?

Wieso richtet sich die Uhrzeit an Bord der ISS nach Greenwich-Zeit?

Wie läuft der Alltag ab, wenn man jeden Tag 16 Sonnenauf- und -untergänge erlebt?

Wie verändert sich das Zeitgefühl im Weltall?

Wie und wo schlafen die Astronauten im Weltall?

Schlafen alle Astronauten gleichzeitig?

Sind Ihre Träume im Weltall anders gewesen, oder haben Sie etwas ganz Besonderes geträumt?

Welches war Ihr Lieblingsexperiment und warum?

Was sind die Vorteile von wissenschaftlichen Experimenten im Weltall?

Mochten Sie eine bestimmte Tageszeit im Weltall besonders gern?

Hatten Sie Freizeit? Was macht man in der Raumstation am Wochenende?

Was ist das Krasseste am Leben im Weltall?

Hatten Sie etwas Eigenes zum Lesen mitgenommen? Was empfiehlt sich denn im All am ehesten als Lektüre?

Was hat Sie auf der Raumstation am meisten überrascht?

Kann man im All eine Tasse Tee oder Kaffee trinken?

Haben Sie sich in der Raumstation Filme angeschaut?

Haben Sie in der Raumstation Wäsche gewaschen?

Schlägt das menschliche Herz auf der ISS genauso wie auf der Erde?

Wie schneidet man sich dort die Haare, und wie rasiert man sich?

Wie ist die Luft in der ISS?

Welcher ist Ihr Lieblingsschalter auf der ISS, und für was ist er da?

Was war Ihr liebster Zeitvertreib auf der ISS?

Was gab es auf der ISS zu essen?

Schmeckt das Essen im Weltraum anders?

Was war Ihre Lieblingsspeise im Weltraum?

Wie ist Ihnen die erste Weltraummahlzeit bekommen? Kommt einem das Essen denn nicht wieder hoch?

Stimmt es, dass man im Weltall den Appetit verliert?

Was passiert, wenn auf der Raumstation jemand krank wird oder sich verletzt?

Was passiert, wenn auf der Raumstation ein Feuer ausbricht?

Wie schnell ist das Internet auf der Station?

Gibt es dort Wi-Fi?

Wie haben Sie Twitter und Facebook genutzt?

Wie trainiert man auf der Raumstation, um fit zu bleiben?

War es schwierig, den London-Marathon auf der ISS mitzulaufen?

Kann sein, dass meine Frage ein bisschen bescheuert klingt … Aber als ich im Fernsehen bei Ihrem Marathonlauf zugesehen habe, fragte ich mich, wohin auf der Raumstation der ganze Schweiß geraten ist? Da ich annehme, dass Sie dort genauso schwitzen wie auf der Erde: Lief Ihnen der Schweiß aus den Poren und sammelte sich irgendwo am Boden, oder blieb die Hitze im Körper, sodass der Kühlungseffekt des Schweißes gar nicht eintrat?

Was haben Sie alles eingepackt für die ISS?

Welches war das lustigste Vorkommnis im Weltall?

EIN WELTRAUMSPAZIERGANG

Welches war Ihr beeindruckendstes Erlebnis an Bord der ISS?

Wann fand der erste Weltraumspaziergang statt?

Was war das Beste an Ihrem Spaziergang?

Hatten Sie dabei jemals Angst?

Wie war es, zum ersten Mal die britische Flagge auf einem Weltraumspaziergang zu tragen?

Ich habe gehört, dass Astronauten die Symptome der Taucherkrankheit im Weltall bekommen können. Ist da was dran, und wenn ja, was kann man dagegen tun?

Haben Sie Ihren eigenen Raumanzug, oder werden die Anzüge von allen getragen?

Wie werden die Außeneinsätze, also die Weltraumspaziergänge, geplant?

Was machen Sie, wenn Sie bei einem Außeneinsatz mal dringend zur Toilette müssen?

Beim Tauchen gibt es so was wie die Angst vor dem Auftauchen; Taucher wollen dann nicht mehr zurück an die Oberfläche. Gibt es etwas Ähnliches bei Weltraumspaziergängen?

Warum trainieren Astronauten für die Außeneinsätze in Schwimmbecken unter Wasser?

Was war das körperlich Anstrengendste, das Sie als Astronaut je machen mussten?

Stimmt es, dass Klettverschlüsse ursprünglich erfunden wurden, damit sich Astronauten im Raumanzug damit an der Nase kratzen können, wenn sie juckt? Das hat mir mein Großvater erzählt, und ich weiß nicht, ob ich ihm glauben soll oder nicht … Und hatten Sie nun einen Streifen Klettband im Helm oder nicht?

Hat Sie auf Ihrem Weltraumspaziergang etwas überrascht? Etwas, das Ihnen wirklich ins Auge gefallen ist?

Was würde passieren, wenn Sie von der Raumstation runterfallen?

Was passiert, wenn Sie beim Weltraumspaziergang etwas fallen lassen?

Kann man während des Außeneinsatzes etwas essen?

Wie hält man sich außerhalb der Raumstation warm, wo es im Weltall doch so kalt ist?

Wie kühlen wir im Weltraum auf die richtige Weise?

Ist es nicht schwierig, in der Dunkelheit des Weltalls außerhalb der Station zu arbeiten?

Was passiert, wenn Sie außerhalb der Station von Weltraumschrott getroffen werden?

War ein früherer Astronaut für Sie ein Vorbild?

ERDE UND WELTRAUM

Was sieht vom Weltraum aus schöner aus: die Erde bei Tag oder in der Nacht?

Kann man von der Raumstation aus die Erdatmosphäre erkennen, und wie sieht sie aus?

Nachdem Sie die Erde vom Weltraum aus gesehen haben, an welchen Ort würden Sie zuerst reisen?

Kann man vom Weltraum aus Flugzeuge oder Schiffe erkennen?

Entsprechen die Farben auf den Fotos von Polarlichtern, die Sie gemacht haben, den natürlichen Farben?

Sehen die Sterne und Planeten von der Raumstation anders aus als von der Erde?

Wie kommt es, dass der Weltraum auf den Fotos von der Raumstation immer stockdunkel wirkt und man keine Sterne oder Planeten erkennt?

Hat Ihr Blick von der Raumstation auf die Erde Ihre Einstellung zu unserem Planeten und zum Leben verändert?

Hat der Weltraum einen bestimmten Geruch?

Gibt es Geräusche im Weltall?

Spürt man im Weltall irgendeine Schwerkraft?

Wieso schweben Sie schwerelos durch die ISS?

Wie kann man sich auf der Raumstation wiegen?

Bestand während Ihres Aufenthaltes auf der ISS die Gefahr, von einem Meteor oder von Weltraumschrott getroffen zu werden?

Was passiert, wenn die Raumstation von Weltraumschrott getroffen wird?

Ist Weltraumschrott tatsächlich ein Problem?

RÜCKKEHR ZUR ERDE

Wie lange hat es gedauert, um auf die Erde zurückzukehren?

Gibt es in der Raumstation irgendein Spezialtraining für den Rückflug?

Warum braucht man beim Verlassen der Erde keinen Hitzeschild, wohl aber bei der Rückkehr?

Haben Sie vor dem Rückflug irgendwelche Medikamente eingenommen, damit Ihnen unterwegs nicht schlecht wird?

Wie geht der Rückflug zur Erde vonstatten, und wie schnell fliegt die Raumkapsel dabei?

Wie lange dauert der Rückflug, und wie viele »g« lasten dabei auf einem?

Wie heiß wird es beim Wiedereintritt in die Atmosphäre in der Sojus-Kapsel, und wie wird das Innere gegen Überhitzung geschützt?

Was hat Ihnen besser gefallen: der Hinflug oder der Rückflug?

Der Aufprall der Kapsel wirkt immer sehr hart. Hat sich dabei jemand verletzt?

Was passiert, wenn beim Wiedereintritt etwas schiefläuft und Sie bei der Landung vom vorgesehenen Kurs abkommen?

Wie haben Sie den ersten Atemzug frischer Luft auf der Erde empfunden?

Was passiert unmittelbar nach der Landung?

Wann konnten Sie zum ersten Mal wieder eine richtig schöne Tasse Tee genießen?

Wann haben Sie Ihre Familie zum ersten Mal wiedergesehen?

Was war die erste »richtige« Mahlzeit nach der Rückkehr?

Ist es Ihnen schwergefallen, nach dem langen Aufenthalt in der Schwerelosigkeit wieder normal zu gehen?

Wie war die erste »normale« Dusche?

Haben Sie aus dem Weltall irgendwelche Souvenirs mitgebracht?

Ist es Ihnen oder einem anderen Astronauten schon mal passiert, dass er, entsprechend der Gewohnheit in der Schwerelosigkeit, einfach etwas losgelassen hat, weil er erwartete, dass es nicht runterfällt?

Gibt es irgendwelche Langzeitwirkungen auf die Gesundheit?

NACHWORT: BLICK IN DIE ZUKUNFT

Falls Sie noch einmal auf eine andere Mission geschickt werden, die nicht zur ISS führt, müssen Sie dafür noch einmal neu trainiert werden?

»Lebe so, als gäbe es kein morgen. Lerne ständig dazu, als würdest du ewig leben.«

Mahatma Gandhi

»Das Wichtigste ist, niemals mit dem Hinterfragen aufzuhören. Die Neugier hat ihre ganz eigene Existenzberechtigung.«

EINFÜHRUNG

FRAGE: Meine erste Frage ist ganz einfach: Wie wird man Astronaut?

Alexander Timmins (9), Chichester Free School

ANTWORT: Da hast du dir einen tollen Beruf ausgesucht, Alex!

So ähnlich wie bei den Apollo-Flügen zum Mond in den 1960er Jahren, durch die die Menschheit einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht hat, stehen wir auch jetzt an der Schwelle zu einem neuen goldenen Zeitalter der Weltraumforschung. In den nächsten Jahrzehnten ist damit zu rechnen, dass wir Siedlungen auf dem Mond errichten, dass Menschen auf dem Mars landen und dass wir mit Raumsonden weiter in unser Sonnensystem vordringen als jemals zuvor. Die Verwirklichung solch kühner Träume ist in greifbare Nähe gerückt, und jeder hat die Chance, an solchen außergewöhnlichen Unternehmungen teilzunehmen.

Man kann sogar sagen, es braucht ein ganzes Buch wie dieses, um deine Frage zu beantworten. Und zwar deswegen, weil darauf keine einfache Antwort möglich ist; denn es gibt nicht den einen Weg, wie man Astronaut werden kann, so wie man Medizin studiert, um Arzt zu werden. Als ich am 15. Dezember 2015 an Bord der Internationalen Raumstation ISS (International Space Station) ankam, war ich 43 Jahre alt. Ich war mir stets darüber im Klaren, um was für ein außerordentliches Privileg es sich handelte, dorthin fliegen zu dürfen und in die Fußstapfen der Männer und Frauen zu treten, die ich seit meiner Jugend bewundert habe. Ich konnte es fast nicht glauben, nun auch zu diesem exklusiven Kreis der Raumfahrer zu gehören.

Seit dem kühnen Erstflug von Juri Gagarin am 12. April 1961 hatten genau 545 Menschen aus 37 verschiedenen Nationen vor mir die Umlaufbahn um die Erde erreicht. Die Mitglieder dieser kleinen Gruppe von Weltraumfahrern kommen aus ganz unterschiedlichen Berufen mit dementsprechend unterschiedlichen Ausbildungswegen: Lehrer, Piloten, Ingenieure, Wissenschaftler, Ärzte, und sie kommen aus allen Ecken und Enden der Welt. Die eine Leidenschaft, die uns alle verbindet, ist unser großer Forscherdrang – und die Faszination der Raumfahrt.

Um Astronaut zu werden, muss man bestimmte Eigenschaften haben und Fertigkeiten mitbringen; vieles wird einem aber auch während des speziellen Trainings für den Aufenthalt an Bord der ISS beigebracht. Ich bin zuversichtlich, dass du am Ende des Buches eine klare Vorstellung davon hast, was einen Astronauten heutzutage ausmacht. Einige der erforderlichen Eigenschaften kommen dir auf den ersten Blick vielleicht überraschend vor: So ist es beispielsweise besonders wichtig, Fremdsprachen gut zu beherrschen. Auch welchen Beruf man ausgeübt hat, bevor man Astronaut wurde, spielt eine große Rolle. Schon bevor man Astronaut wird, ist es wichtig, einen Beruf zu finden, für den man leidenschaftlich gerne arbeitet und worin man so gut werden will, wie es nur geht, eine Aufgabe also, für die man wirklich brennt. Wie wir noch sehen werden, genügt es nicht, dafür nur einfach ein Studium zu absolvieren. Astronaut wird man nur mit einer Menge Zielstrebigkeit und Begeisterung für die Sache. Und es kommt vor allem auf die gesamte Persönlichkeit, alle Charaktereigenschaften an.

Kurz nach meiner Rückkehr zur Erde wurde ich bei einer Pressekonferenz gefragt, ob ich eine besondere Botschaft für die Jungen und Mädchen auf meiner ehemaligen Schule habe. Mein eigener Lebensweg hat in einem kleinen Dorf außerhalb der idyllischen Stadt Chichester an der Südküste Englands begonnen. Meine Voraussetzungen waren meine 18 Jahre als Berufssoldat und insbesondere als Testpilot; das war eine gute Grundlage, um Astronaut zu werden. Daher antwortete ich: »Sie sehen vor sich einen ganz normalen Jungen, der eine ganz normale Schule besucht und sie mit sehr guten Noten abgeschlossen hat. Jetzt komme ich gerade von einem sechsmonatigen Einsatz im Weltraum zurück. Daher lautet meine Botschaft an die jetzigen Schüler meiner Schule: Lasst euch von niemandem erzählen, man könne nicht das erreichen, was man wirklich aus ganzem Herzen erreichen will.«

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Astronaut zu werden ist alles andere als leicht. Im Gegenteil – für mich war es das Schwierigste, was ich mir je vorgenommen habe. Aber alles in allem kann ich auch aus tiefster Überzeugung sagen, dass es sich gelohnt hat: Ich habe so viele außergewöhnliche Dinge erlebt, davon zehre ich für den Rest meines Lebens.

Worum geht es also in diesem Buch? Und was hat es mit all diesen Fragen auf sich? Seit ich von der ISS zurückgekehrt bin, schlägt mir eine Welle des freundlichen Interesses entgegen. Tausende von Leuten wollen mehr über die ganze Unternehmung wissen und wie es kam, dass ich zum Astronauten wurde. Über dieses Interesse habe ich mich sehr gefreut und beantworte gerne die teilweise wirklich spannenden Fragen wie: »Hat der Weltraum einen bestimmten Geruch?«, »Spürt man im Weltall irgendeine Schwerkraft?« oder: »Was ist das Krasseste am Leben im Weltall?« Es gibt Fragen, an die denkt man selbst gar nicht, wie: »Gibt es einen Verhaltenskodex für einen möglichen Kontakt mit Außerirdischen?« Schon eher praktischerer Art sind Fragen wie: »Was passiert, wenn Sie außerhalb der Station von Weltraumschrott getroffen werden?« Und dann gibt es natürlich noch ganz witzige Fragen wie: »Kann man im All eine Tasse Tee oder Kaffee trinken?« (Die Antwort lautet zum Glück: »Ja!«) Übrigens lautet die am häufigsten, vor allem von kleinen Kindern, gestellte Frage: »Wie geht man in der Raumstation auf die Toilette?«

All diese Fragen möchte ich gern beantworten und dabei zum Anlass nehmen, etwas ausführlicher darauf einzugehen, was das Astronautenleben so alles ausmacht – die persönlichen Aspekte, die grundsätzlichen Dinge, das Abenteuer, die Astrophysik, die Ängste und das, was Spaß und Freude bereitet. Ich kann nur hoffen, dass die Antworten auf die wissenschaftlichen Fragen und die Fragen zum Alltag auf der Raumstation nicht langweilig wirken, sondern unterhaltend und informativ sind. Ich hoffe ferner, dass sie nützliche Hinweise und Anregungen für eine neue Generation von Raumfahrern enthalten. Wer weiß, vielleicht hat einer der ersten Menschen, die einmal zum Mars fliegen, in seiner Jugend ja dieses Buch gelesen?

Unter dem Hashtag #askanastronaut wurde das Projekt auch für die Nutzer von sozialen Medien zugänglich gemacht. Viele der wunderbaren Anfragen, die uns über Twitter und Facebook erreichten, finden sich in diesem Buch wieder, was sich an den Angaben im Anschluss an die Fragen leicht erkennen lässt. In anderen Fällen, wo mehrere Personen die mehr oder weniger selbe Frage stellten, habe ich sie zu einer zusammengezogen. Mein herzlicher Dank geht an alle, die in der einen oder anderen Weise ihren Beitrag zu diesem Buch geleistet haben: Auch wenn Ihr Name nicht ausdrücklich genannt wird, sind Ihre Neugier und Ihr Interesse auf jeden Fall in die inhaltliche Gestaltung dieses Buches miteingeflossen, und ich bin jedem sehr dankbar, der sich daran beteiligt hat.

Es war mir wichtig, dass alle wichtigen Phasen meiner außergewöhnlichen Reise ins All in dem Buch berücksichtigt werden. Es gliedert sich dementsprechend in die sieben Kapitel »Raketenstart«, »Ausbildung«, »Alltag und Arbeit auf der ISS«, »Weltraumspaziergang«, »Erde und Weltraum« sowie »Rückkehr zur Erde« und »Ausblick in die Zukunft«. Dabei habe ich nicht nur Fragen beantwortet, die an mich herangetragen wurden, sondern auch solche, die ich mir selbst gestellt habe. Es war mir wichtig, den Lesern tiefe Einblicke zu geben, wie ich diese Reise ins Weltall erlebt habe, von der Beschreibung der Ausbildung und der Vorbereitungen über die aufwendigen Resultate aus Wissenschaft und Technik, die in der ISS stecken, die Experimente an Bord, den Anblick der Erde aus 400 Kilometer Höhe, den Nervenkitzel, mit Überschallgeschwindigkeit durch die Erdatmosphäre zu donnern, die Aufregung und Gefahren bei einem Weltraumspaziergang, den Teamgeist der Besatzung bis hin zur Veränderung der Grundeinstellung als Ergebnis all dieser aufregenden und erstaunlichen Erfahrungen.

Beim Schreiben und Überarbeiten dieses Buches habe ich noch einmal intensiv durchlebt, was für eine faszinierende Erfahrung dieser Aufenthalt auf der Raumstation für mich gewesen ist. Ich hoffe sehr, dass angesichts der Vielzahl von Themen, die in den Fragen angesprochen werden, sich für Leser jeden Alters etwas besonders Interessantes findet. Da einige Fragen recht ausführlich und detailliert beantwortet werden müssen, hier zuerst eine kleine Auswahl, auf die ich kurz und bündig antworten kann, um Ihnen schon mal einen kleinen Vorgeschmack zu geben.

F Wenn man in der Umlaufbahn 16 Sonnenaufgänge pro Tag erlebt, wann feiern die Astronauten dann Neujahr?

A Da als Bordzeit in der Raumstation die Greenwich-Zeit verwendet wird, beginnt das Neujahr dort zur selben Zeit wie in London. Schon allein aus diesem Grund sollten wir mehr britische Astronauten ins Weltall schicken! An Bord wird es aber so gehandhabt, dass jeder Astronaut Neujahr entsprechend der Ortszeit in seinem Heimatland begeht.

F Vermissen Sie im Weltraum das irdische Wetter, und was fehlt Ihnen überhaupt am meisten?

A Auch wenn es ein bisschen merkwürdig klingt, so habe ich den irdischen Regen am meisten vermisst. Da ich ein halbes Jahr lang nicht duschen konnte und für mein Leben gern im Freien trainiere, sehnte ich mich beim Training auf dem Laufband in dem warmen Modul der Raumstation am meisten nach einem herrlichen kühlen Regenschauer auf dem Gesicht.

F Was war für Sie der größte Luxus an Bord der ISS?

A Am meisten Freude hat mir mein Fotoapparat bereitet. Das Fotografieren wurde an Bord zu einer neuen Leidenschaft, ein ständiger Quell der Aufregung, des Erstaunens und großer Genugtuung. Ich hüte die Fotos, die ich auf der Raumstation gemacht habe, wie einen Schatz, und jedes Mal, wenn ich sie mir jetzt wieder ansehe, weiß ich genau, in welcher Position über der Erde sich die Raumstation bei jeder Aufnahme befand.

F Verlor sich während der Ausbildung die Furcht, ins Weltall zu fliegen, als Sie immer mehr dazulernten?

A Im Verlauf der Ausbildung zum Astronauten (auf die ich im zweiten Kapitel ausführlicher eingehe) erwirbt man in der Tat eine Menge Kenntnisse und praktische Fähigkeiten, wie man mit riskanteren Situationen während des Einsatzes umgeht, und das hilft gewiss, die einen oder anderen Bedenken zu beschwichtigen. Zu den riskanteren Aspekten zählen der Außeneinsatz auf der Raumstation (»Weltraumspaziergang«), der Start, der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre und Notsituationen. Durch eine entsprechende Schulung, wie man sich in solchen Situationen verhält, lernt man die verschiedenen Handlungs- oder Reaktionsmöglichkeiten kennen, die man dann hat; außerdem hilft dieses Wissen enorm dabei, solche Situationen von vornherein zu vermeiden. Frank Borman, der NASA-Astronaut und Kommandant von Apollo 8, hat dazu einmal sehr treffend bemerkt: »Ein wirklich überragender Pilot nutzt sein überragendes Wissen und seine Erfahrung dazu, es gar nicht erst zu Situationen kommen zu lassen, in denen er seine überragenden Fähigkeiten einsetzen müsste.«

Die Vorbereitung auf den gesamten Einsatz ist mustergültig. Alle Astronauten sind den vielen Helfern und Mitarbeitern, Trainern und Instruktoren zu tiefstem Dank verpflichtet. Sie widmen sich ihren Aufgaben wirklich mit Herzblut, sodass wir auf alle Eventualitäten bestens vorbereitet sind und die gesamte Mission vom Anfang bis zum Ende sicher und effizient durchführen können.

Als ich die Startrampe betrat, wusste ich, dass ich optimal auf den Weltraumflug vorbereitet war, und konnte mich voll auf die Spannung und den Thrill konzentrieren, den dieses einmalige Erlebnis nun einmal mit sich bringt. Wenn mich jemand in dem Moment gefragt hätte, ob ich Angst vor dem Weltraumflug habe, wäre meine unmittelbare Reaktion ein herzhaftes »Nicht im Geringsten!« gewesen. Trotzdem ist solch ein Raumflug natürlich mit Risiken verbunden, die sich durch keine auch noch so sorgfältige Vorbereitung und Schulung beseitigen lassen. Das wissen alle Astronauten, und jeder wägt für sich vor dem Start ab, worauf er sich einlässt: Es gibt keine Garantie gegen eine unvorhersehbare Katastrophe, also eine Zerstörung des Raumschiffs und den Verlust der Besatzung, um es ganz klar zu sagen. Der Abschied von meiner Familie vor dem Start war dasjenige, was mir in meinem bisherigen Leben am allerschwersten gefallen ist. Wenn man sich im Sitz der Startkapsel festschnallt, rollt unweigerlich die Roulettekugel des Lebens. Es gibt trotz aller Sorgfalt bei der Vorbereitung auch eine reelle Chance, nicht zurückzukehren.

Furcht entsteht aus einem Gefühl heraus, dass irgendwo Gefahren lauern. Niemand kann sich diesem Gefühl entziehen, wenn man an der Spitze einer mit vielen Tonnen hochentzündlichen Treibstoffs gefüllten riesigen Metallröhre sitzt. Die richtige Antwort in dieser Situation lautet: »Klar, ich bin mir der Risiken und Gefahren bewusst und habe mir meine Gedanken darüber gemacht, aber jetzt ist nicht der Augenblick für solche Überlegungen.«

Damit scheint mir der richtige Zeitpunkt gekommen, das erste Kapitel dieses Buches zu eröffnen: Darin geht es um den Start der Rakete.

RAKETENSTART

F Wie fühlt es sich an, auf der Spitze einer 300-Tonnen-Rakete zu sitzen?

A 15. Dezember 2015, 14 Uhr 33 Ortszeit, Kasachstan. Startzeit. Bis zum Abheben sind es noch 2 Stunden 30 Minuten. Countdown läuft.

Ich stand in 50 Metern Höhe über der Abschussrampe an der Spitze der metallisch glitzernden Sojus-Rakete und wartete auf den Einstieg in die Kapsel. Es war ein herrlich klarer Wintertag mit strahlend blauem Himmel über der kasachischen Steppe. Mein Blick schweifte weit über das ausgedehnte Kosmodrom in Baikonur zu meinen Füßen und über die grüne Ebene. Meine Sinne waren aufs Äußerste angespannt; zum letzten Mal nahm ich die Farben, die Gerüche, die Geräusche unseres Planeten tief in mich auf, bevor ich die Erde für ein halbes Jahr verlassen würde.

Während ich in unsere winzige Kapsel in der stromlinienförmigen Verkleidung an der Spitze der Rakete kletterte, vibrierte die riesige Antriebsmaschine unter mir bereits mit einer Art Ungeduld. Tiefkalter Treibstoff dampfte aus allen möglichen Ritzen und waberte in einem beständigen weißen Strom über die Plattform am Boden. Das Kondensat bedeckte die wie üblich orange und grün lackierte Außenhaut der Rakete mit einer dünnen, weiß glitzernden Eisschicht. Bei der Fahrt im Lift an die Spitze der Rakete war der Metallmantel der Rakete zum Greifen nah gewesen. Voll betankt enthält dieses gigantische Geschoss 300 Tonnen flüssigen Sauerstoff und Kerosin. Es zischt und dampft an allen Ecken und Enden innerhalb der Stahltürme, die die Rakete umgeben und wie mächtige Klammern vor der Triebwerkszündung am Boden festhalten. All das vermittelt einem einen unmittelbaren Begriff von der herausragenden Ingenieursleistung, die benötigt wird, um die Anziehungskraft der Erde zu überwinden. Während meiner Laufbahn bei der britischen Luftwaffe habe ich mich in unzähligen Pilotensitzen festgeschnallt, aber nichts lässt sich mit jenem rauschhaften Hochgefühl vergleichen, wenn man an der Spitze solch einer Rakete in die Kapsel einsteigt. Dabei war ich eigentlich gar nicht nervös; eher im Gegenteil. Auf diesen Moment hatte ich so lange gewartet, und nun spürte ich, trotz aller äußeren Gelassenheit und professioneller Konzentration auf die Sache, tief im Innern eine jungenhafte Aufregung wie zu Beginn jedes Abenteuers.

Der Einstieg der Besatzung vollzieht sich immer in einer festgelegten Reihenfolge. Der Erste ist derjenige, der auf dem linken Platz sitzt (in unserem Fall Tim Kopra), dann folgt der auf dem rechten Sitz (das war ich) und schließlich der Sojus-Kommandant (Juri Malentschenko). Als Erstes mussten wir uns durch eine horizontale Luke mit den Füßen voran in das beengte Gehäuse hineinwinden, um dann in das eigentliche Modul hinabzusteigen. Dafür gibt es keine Leiter, nur ein paar Fußstützen. Bei diesem Abstieg muss man sehr vorsichtig sein, damit man die Antenne nicht abreißt, die ein halbes Jahr später nach der Landung auf der Erde die Signale über den Standort der Kapsel sendet, damit die Bergungsmannschaft uns ausfindig machen kann.

In den Sitz musste man sich regelrecht hineinquetschen. Anders als im Sojus-Simulator in Swjosdny Gorodok, dem »Sternenstädtchen« (dem Kosmonauten-Trainingszentrum nordöstlich von Moskau), war das Modul randvoll mit Frachtgut bestückt. Zunächst glitt ich auf den Kommandantensitz hinunter und schob mich von dort, wieder mit den Füßen voran, auf meinen Platz auf der rechten Seite. Dabei muss man sehr umsichtig vorgehen und darf keine schnellen Bewegungen machen. So kurz vor dem Start war nicht der geeignete Augenblick, um einen Riss im Raumanzug zu riskieren oder einen Schaden in der Kapsel. Ich musste daran denken, wie oft ich mich beim Training gerade dieser Bewegungen zusammengekrümmt habe – so wie auch bei vielen anderen Gelegenheiten während der Vorbereitung. So hatte ich bereits genügend Erfahrung mit dem Aufenthalt in solchen extrem beengten Räumen.

Sobald ich mich auf meinem Platz niedergelassen hatte, musste ich zwei Elektroleitungen und zwei Schläuche an meinen Sokol-Raumanzug anschließen. Die Kabel verbanden mich zum einen mit dem Headset, also der Sprechanlage für die gesamte Kommunikation nach außen, und zum anderen mit den medizinischen Überwachungssensoren, die ich wie eine elektronische Weste auf der Haut trug; damit werden die Körperfunktionen permanent überwacht. Diese Art von medizinischer Verkabelung wird natürlich von allen Besatzungsmitgliedern um die Brust getragen; sie misst vor allem den Herzschlag und die Atmung, und die Daten werden ständig von den Flugärzten überwacht. Die beiden Schläuche dienen der Versorgung mit Atemluft (auch zur Kühlung und Belüftung) sowie der Versorgung mit 100 Prozent Sauerstoff (für den Notfall, wenn es zu einem plötzlichen Druckabfall kommt). Nachdem ich alles angeschlossen hatte, musste ich Knieschützer als zusätzliche Polsterung überstreifen, damit es wegen der durch die hohe Beschleunigung beim Raketenstart auftretende g-Kraft nicht zu Verletzungen an den Beinen kommt. Dann hatte ich die Sicherheitsgurte über Schultern und Lenden zu ziehen und einzuklinken, ähnlich wie Babys im Auto in Kindersitzen festgeschnallt werden. Dabei half mir ein – eher schmal gebauter – Mitarbeiter der Bodenmannschaft, für den gerade noch genug Platz in der Kapsel war. Er überreichte mir außerdem meine Checklisten.

Nun konnte man die verbleibenden Minuten bis zum Start schon fast zählen. Ich ging die Checkliste ein letztes Mal in aller Ruhe Punkt für Punkt genau durch. Dann versuchte ich, mich mental auf die bevorstehende Startphase einzustellen, die unmittelbar darauf folgenden kritischen Minuten und ersten Stunden. Zum Schluss folgte noch ein kleines Abschlussritual, um das Adrenalin etwas abzubauen. Jeder Kosmonaut darf sich drei Musikstücke aussuchen, die unmittelbar vor dem Start für ihn in die Kapsel eingespielt werden. Ich hatte mich für Don’t Stop Me Now von Queen, Beautiful Day von U2 und A Sky Full of Stars von Coldplay entschieden. Als die letzten Takte ausklangen und wir nur noch wenige Sekunden von der Zündung der Triebwerke entfernt waren, gab es doch noch ein Überraschungsmoment. Aus den Headsets dröhnten die vertrauten Synthesizerklänge und Gitarrenakkorde von The Final Countdown von Europe, die das Donnern der Triebwerke übertönten. Das hatte sich unser Sojus-Instruktor ausgedacht. Da sage noch einer, die Russen hätten keinen Sinn für Humor.

Das Abheben einer Sojus-Rakete hatte ich sechs Monate vor unserem eigenen im Juni 2015 zum ersten Mal live und direkt miterlebt (also nicht nur am Bildschirm). Ich war mit meinen Sojus-Kameraden Juri Malentschenko und Tim Kopra nach Baikonur gereist, wo wir im Übrigen auch als Ersatzmannschaft für die vorangehende Crew, die damals zur ISS fliegen sollte, in Bereitschaft sein mussten. Kurz zuvor hatten wir sozusagen den Weltraumführerschein gemacht und alle notwendigen Prüfungen für den Einsatz absolviert – und waren insofern ebenfalls startklar; dass wir als Ersatz einspringen müssten, war dennoch höchst unwahrscheinlich. Dieser Einsatz in Baikonur gab uns allerdings die Gelegenheit, den Start als eine Art Generalprobe direkt mitzuerleben. Ich hatte bereits ein paar Jahre zuvor versucht, mir einen Raketenstart live anzusehen, als mein Astronautenkollege, der Schwede Christer Fuglesang von der ESA (European Space Agency), vom Kennedy Space Center in Florida mit der Discovery in den Weltraum fliegen sollte. Damals musste der erste Starttermin wegen schlechten Wetters verschoben werden und der zweite Termin wegen eines technischen Defekts an einem der Zuleitungsventile für den Brennstoff. Als die Discovery dann einige Tage darauf endlich abhob, saß ich leider gerade im Flugzeug nach Europa, weil ich mit meinem Astronautentraining in Deutschland im Europäischen Astronautenzentrum in Köln beginnen musste. So viel zum Thema Vorführeffekt.

Aber der Sojus-Start im Juni 2015 machte alle vorangegange nen Enttäuschungen wieder wett. Für uns war es umso spektakulärer, da wir als Ersatzmannschaft noch näher dran waren als sonstige normale Zuschauer oder Beobachter. Juri, Tim und ich befanden uns nämlich auf dem Dach des Bergungsturms für Notfälle, nur anderthalb Kilometer von der Rakete entfernt. In jener sternenklaren Nacht war gerade 3 Uhr morgens vorbei, als die Haupttriebwerke gezündet wurden, gefolgt von einem brüllenden, anhaltenden Donnergeräusch. Als erste Reaktion musste ich breit grinsen, aber schnell wechselte mein Gesichtsausdruck zu großem Erstaunen. Was ich bisher zu hören bekommen hatte, war sozusagen nur der Triebwerksvorlauf, eine Art Test, auf den eine kurze Pause folgte. Erst dann zündeten sämtliche Triebwerke mit Vollgas, und diesmal war das Donnern wirklich am ganzen Körper zu spüren, ein tiefes, intensives Grollen, bei dem mein gesamter Brustraum zu vibrieren anfing. Gerade als ich dachte, das wäre das eindrucksvollste Schauspiel, das ich je zu sehen bekäme, hob sich die Sojus von der Startrampe, und als sie langsam in die Höhe stieg, war die Luft von einem ohrenbetäubenden Knistern und Prasseln erfüllt.

Sechs Monate später kauerte ich nun selbst eingepfercht in der Kapsel, blickte unverwandt auf die Digitaluhr unmittelbar vor meinen Augen und konzentrierte mich auf die Stimme unseres Instruktors in meinem Headset. Man sollte meinen, so ein Raketenstart sei die Gelegenheit für einen klassischen Countdown, aber das war leider, leider nicht der Fall. Als die Maschinen auf Vorschub und die Brennstoffturbopumpen auf Flugmodus hochgefahren wurden, gab der Instruktor ständig durch, in welchem Stadium wir uns befänden; so wussten wir als Besatzung zwar jederzeit, wie lange es noch bis zum Abheben dauerte, aber den klassischen Countdown gab es nicht. Als wir hörten, dass die Triebwerke unter Volllast laufen, was fünf Sekunden vor dem Abheben der Fall ist, konnte man die ungeheure angestaute Schubkraft der Rakete geradezu körperlich spüren. In den allerletzten Sekunden sind der Krach und die Vibrationen innerhalb der Kapsel dann so stark, dass man nicht genau sagen kann, ob das Abheben bereits erfolgt ist oder nicht. Ich spürte, wie die Rakete ein wenig schwankte, und sah, dass die Uhr den Startzeitpunkt überschritten hatte. Wir waren unterwegs! Als man nur noch das ungeheure Geprassel der Raketentriebwerke hörte und ich allmählich die zunehmende Beschleunigung spürte, musste ich an den Anblick des Starts vor einem halben Jahr denken und konnte mir nur zu gut vorstellen, wie das von außen aussah.

Gleichwohl ist der Lärm innerhalb der Kapsel nicht so stark wie außen. Nicht, dass Sie mich missverstehen. Er ist auch hier drin wirklich ohrenbetäubend. Dennoch ist man durch den geschlossenen Helm und durch die Lederkappe, an der die Kommunikationsgeräte angebracht sind, ein bisschen abgeschirmt. Was man innerhalb des Raumschiffs hingegen viel deutlicher spürt, ist die schiere Antriebskraft, die Vibrationen und natürlich die Beschleunigung. Man spürt das alles bis tief in die Eingeweide. Es gibt aber jedenfalls keinen Knall, keine erschütternde Explosion, kein Klingeln in den Ohren, und man kann leider nicht nach draußen sehen, weil die Kapsel zu dem Zeitpunkt noch komplett von der äußeren Umkleidung verhüllt ist.

Innerhalb weniger Minuten hatten wir eine Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Sekunde erreicht. Bei dieser Geschwindigkeit könnte man innerhalb von 90 Sekunden von London nach Edinburgh fliegen oder von Stuttgart nach Hamburg. Angesichts dessen kann man einfach nicht cool bleiben. Ich musste ständig grinsen.

In diesem Kapitel geht es um den Flug zur Raumstation vom Moment des Zündens der Triebwerke der Sojus-Rakete an bis zum Andocken an die ISS. Solch ein Raumflug zählt mit Sicherheit zu den außergewöhnlichsten Erlebnissen, die man heutzutage haben kann, aber ein Raumflug mit einem russischen Gerät ist sicherlich noch mal einen Tick aufregender. Die Grundeinstellung der Russen zu allem im Leben lautet »Solange es nicht kaputt ist, muss man es nicht reparieren« und gilt nicht nur für ihre Ingenieurskunst, sondern für alles rund um die Raumfahrt. Das ist bei ihnen tief in der Geschichte und in der Mentalität verwurzelt. Damit haben sie schon Juri Gagarin in eine Umlaufbahn gehievt, und so gilt es nach wie vor für alle Kosmonauten und Astronauten. Das bedeutet unter anderem, dass die Wochen intensiver Vorbereitung vor dem Start nicht nur für praktische Aufgaben und Übungen genutzt werden, sondern auch mit Ritualen und Traditionen ausgefüllt sind, die ihnen sehr am Herzen liegen. Wir werden uns mit den Einzelheiten des Starttages nachher noch beschäftigen. Aber zuerst wollen wir die Startrampe ein wenig genauer inspizieren.

F Wieso starten die Astronauten von Kasachstan aus?

A Das Kosmodrom Baikonur, in einem Steppengebiet im Süden von Kasachstan gelegen, ist der weltweit erste und derzeit größte Raketenstartplatz. Seitdem das amerikanische Space-Shuttle-Programm im Jahre 2011 beendet wurde, ist es auch der einzige Weltraumbahnhof, von dem aus Menschen zur Raumstation befördert werden können. Diese Anlage wurde bereits in den 1950er Jahren von den Sowjets errichtet. Von hier aus starteten die russischen Raketen zu ihren legendären Erstflügen; schon 1957 wurde Sputnik 1, der erste künstliche Satellit überhaupt, in den Weltraum gebracht und auch die Wostok-1-Rakete, die Juri Gagarin in eine Umlaufbahn katapultierte. Raketenstarts in Baikonur wirken deswegen so spektakulär, weil das Feuerwerk bei der Zündung optisch voll zur Geltung kommt. Auf allen anderen Startplätzen wird die untere Plattform der Rampe bei der Triebwerkszündung massiv mit Wasser geflutet, um die Flammen zu vermindern und den Krach zu dämpfen. Aber in der fast wüstenartigen Steppe von Baikonur verwenden sie kein Wasser.

Wie man sich vorstellen kann, überlegt man sich genau, wo man solch eine aufwendige Anlage plant und errichtet. Wenn es darum geht, eine Last in den Weltraum zu befördern, kann man sich das Ganze ein bisschen erleichtern, indem man sich die West-Ost-Rotation der Erde zunutze macht, das gibt einem noch einen kleinen Kick in diese Richtung. Diese natürliche Beschleunigung ist keine ganz zu vernachlässigende Größe. Am Äquator beträgt sie ungefähr 1670 km/h. Das ist immerhin schneller als die Schallgeschwindigkeit! Wenn man am Äquator steht, spürt man diese Drehgeschwindigkeit der Erde natürlich nicht, weil die Atmosphäre um uns herum sich mit der gleichen Geschwindigkeit mitdreht. Aber wenn man ins Weltall startet, dann macht dieser Kick wirklich etwas aus. Wenn wir uns auf der Erde vom Äquator in Richtung der Pole wegbewegen, dann nimmt diese Drehgeschwindigkeit immer weiter ab, und an den Polen selbst liegt sie bei null; hier rotiert die Erde ja nur noch direkt um die eigene Achse.

Wenn eine Rakete in Äquatornähe gezündet wird, bringt das also einen gewissen Beschleunigungsvorteil, was wiederum bedeutet, dass weniger Treibstoff benötigt wird; dann kann man stattdessen mehr Material transportieren. Allerdings muss man nur einen Blick in den Atlas werfen, um zu erkennen, dass das Territorium Russlands nicht gerade in den niedrigen Breiten liegt. Der größte Teil seiner eurasischen Landmasse liegt oberhalb des 50. nördlichen Breitengrades, und da ich inzwischen einige Winter in Russland erlebt habe, kann ich Ihnen versichern, dass das Klima auf jeden Fall nicht tropisch ist.

Baikonur in Kasachstan liegt in der Nähe des 46. nördlichen Breitengrades. Weiter südlich ging in der ehemaligen Sowjetunion kaum. Für die Auswahl dieses Ortes waren natürlich auch noch andere Gesichtspunkte ausschlaggebend. 1955 suchte man ein Testgelände für ballistische Interkontinentalraketen, die man damals für das Militär zu entwickeln begann. Für so ein Testgelände benötigte man eine ausgedehnte, flache Umgebung, um sichergehen zu können, dass die Funksignale von der Kontrollstation auch tatsächlich bei den Geschossraketen ankamen. Da man für die Tests Ziele auf der 7000 Kilometer entfernten Halbinsel Kamtschatka am nördlichen Pazifikrand ins Auge gefasst hatte, sollten die Testraketen nach Möglichkeit über weitgehend dünn besiedeltes Gebiet fliegen. In Baikonur in der kasachischen Steppe waren diese Voraussetzungen erfüllt; zudem gab es eine zuverlässige Wasserversorgung durch den Syrdarja-Fluss. Außerdem verlief die Eisenbahnstrecke von Moskau nach Taschkent in einigermaßen erreichbarer Entfernung. Kasachstan war damals eine Teilrepublik der Sowjetunion. Alles Wichtige wurde also in Moskau entschieden, nicht von den Kasachen.

Abgesehen von der Möglichkeit, die Erdrotation zur Beschleunigung zu nutzen, gibt es noch einen anderen Grund, Abschussrampen für Weltraumflüge möglichst nahe an den Äquator zu verlegen. Von hier aus hat man nämlich eine größere Auswahl an verschiedenen Neigungswinkeln für die Umlaufbahn. Der Neigungswinkel ergibt sich aus dem Winkel zwischen der Äquatorebene und der Richtungsachse des umlaufenden Objekts, also in der Regel einer Sonde oder eines Raumschiffs.

Man kann sich das ganz leicht klarmachen, wenn man sich zuerst einmal vorstellt, man würde eine Rakete vom Nordpol aus in eine Umlaufbahn bringen. Diese kann immer nur nach Süden fliegen; man hat gar keine Möglichkeit einer Richtungswahl. Eine Polarrakete kann immer nur mit einer Bahnneigung von 90 Grad um die Pole kreisen. Vom Äquator aus kann man eine Rakete hingegen in jede beliebige Richtung lenken; hier kann man sich den Bahnneigungswinkel aussuchen. Bei allen anderen Orten dazwischen ist die Auswahl der möglichen Bahnneigungswinkel begrenzt in Abhängigkeit vom Breitengrad.

Theoretisch ist es zwar denkbar, die Bahnebene (oder Orbitalebene) durch ein sogenanntes Bahnmanöver zu verändern. Das geschieht durch seitliche Beschleunigung, verbraucht allerdings erhebliche Mengen an Treibstoff. Bei der Planung wird also von vornherein alles darangesetzt, solche Bahnebenen-Manöver zu vermeiden.

F Wie lange müssen die Astronauten vor dem Start in Quarantäne bleiben, und kann sie währenddessen wirklich niemand besuchen?

A Sinn und Zweck der Quarantäne vor allem für die Hauptbesatzung ist es, vor der Ankunft auf der ISS körperlich völlig gesund und fit zu bleiben, damit keine Viren oder Infektionskrankheiten in die Raumstation eingeschleppt werden. Die Dauer der Quarantäne schwankt in der Regel um die zwei Wochen. Als Mitglieder der 46./47. Besatzung verbrachten wir 15 Tage in Quarantäne. Das ermöglicht auch noch einmal einige letzte Vorbereitungen sehr zeitnah vor dem Start. Andererseits ist das Haupttraining dann schon längst abgeschlossen, sodass auch genügend Zeit zur Entspannung bleibt und zu Besuchen der Familie und möglicherweise von engen Freunden, die angereist sind, um den Start mitzuerleben.

Da Baikonur heutzutage der einzige noch verbliebene größere Weltraumbahnhof auf einer eher ungünstigen geografischen Breite ist, waren auch die Möglichkeiten zur Auswahl der Bahnneigung der ISS von vornherein beschränkt. Deren Orbitalneigung beträgt 51,6 Grad.Es gibt noch einige andere Raketenstartplätze auf dem Globus.Die USA nutzten lange Zeit und sehr ausgiebig das Kennedy Space Center in Florida. Zwei neue Raumfahrzeuge, die demnächst in Dienst gestellt werden, der CST-100 Starliner von Boeing und der Dragon V2 des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX, sollen ab Ende dieses Jahrzehnts auch wieder Besatzungen für die ISS von amerikanischem Boden aus ins All bringen. Die Chinesen nutzen ihr ältestes Kosmodrom Jiuquan in der Wüste Gobi (Autonome Region Innere Mongolei) für ihre bemannten Raumflüge. In Kourou (Französisch-Guayana) ist der europäische Weltraumbahnhof beheimatet, der den großen Vorteil der Nähe zum Äquator hat.

Quarantäne bedeutet für uns Astronauten nicht, dass wir völlig von der Außenwelt abgeschottet sind, aber die medizinischen Betreuer aus Russland achten darauf, dass alles streng unter Kontrolle bleibt. Direkte persönliche Kontakte sind in der Zeit nur zu engen Familienangehörigen möglich. Auch diese werden vor jedem Besuch bei einem der Besatzungsmitglieder vom Flugarzt routinemäßig untersucht. Kinder unter zwölf Jahre lässt man aber gar nicht erst in die Quarantänezone hinein, weil sie in dem Alter quasi von Natur aus ein erhebliches »Biorisiko auf zwei Beinen« darstellen, insbesondere im Dezember, wenn das Thermometer in Baikonur selten über null steigt. Meinen beiden kleinen Söhnen fiel es schwer, für diese Maßnahmen Verständnis aufzubringen und ihren Daddy in der Zeit vor dem Abflug nur hinter einer großen, dicken Glasscheibe sehen zu können.

Aber an dieser Vorsichtsmaßnahme führt nun mal kein Weg vorbei, und es ist im eigenen Interesse klüger, die medizinischen Betreuer dabei in jeder Hinsicht zu unterstützen. Insofern hat man besonders aus der Erfahrung mit Apollo 7 gelernt, die 1968 elf Tage im All war. Deren Besatzung bestand aus Walter Schirra, einem der erfahrensten Astronauten, die die NASA je hatte, und zwei Weltraumanfängern, Walt Cunningham und Donn Eisele. Zuerst bekam damals Schirra einen Schnupfen, der dann schnell auf die beiden anderen übersprang. Das ist kein Wunder angesichts der beengten Verhältnisse, der immer wieder verwendeten Umluft, der kaum vorhandenen Möglichkeit, sich zu waschen oder zu desinfizieren und der vielen gemeinsamen Berührungspunkte an den Geräten in der Kapsel. Unter solchen Umständen hüpfen die Viren vor Freude mit Leichtigkeit von einem zum anderen. Es wird sehr viel unternommen, um sicherzustellen, dass die Raumstation möglichst keimfrei und hygienisch einwandfrei bleibt, sodass die Besatzungen unter optimalen gesundheitlichen Bedingungen arbeiten können. Und das beginnt schon spätestens mit der Quarantäne längere Zeit vor dem Start, um alle Risiken nach Möglichkeit auszuschließen.

F Wie ist der Ablauf am Tag des Starts?

A Es dürfte niemanden überraschen, dass die Abläufe am Starttag genau festgelegt sind. Dabei kann es bis zum exakten Abschusstermin der Sojus durchaus noch kleine Schwankungen geben, aber der generelle Ablauf an diesem Tag ist wirklich wie in Stein gemeißelt. Jedes Besatzungsmitglied durchläuft natürlich die gleiche Prozedur, alles beginnt auf die Minute pünktlich, alles endet genau wie vorgesehen. Dabei handelt es sich, alles in allem, um eine ausgesprochen durchdachte, langerprobte Routine, die mit äußerster Präzision durchgezogen wird. Es sind auch genügend Pufferzeiten eingeplant, damit zu keinem Zeitpunkt jemand in Hektik gerät. Außerdem wird dadurch sichergestellt, dass nichts vergessen oder übersehen wird. So kann die Besatzung komplett vorbereitet und völlig entspannt die Busfahrt zur Plattform antreten und ist somit auch geistig-seelisch in bester Verfassung: voller Selbstvertrauen, Gelassenheit und Zuversicht im Hinblick auf die Mission.

Hier ein Blick auf den morgendlichen Programmablauf:

07.55–08.05 Uhr

Wecken; Morgentoilette (10 Min.)

08.05–08.15 Uhr

Allgemeiner medizinischer Kurzcheck (10 Min.)

08.15–09.15 Uhr

Spezielle medizinische Maßnahmen (60 Min.)

09.15–09.35 Uhr

Hygiene-Maßnahmen (nach einer Dusche) (20 Min.)

09.35–09.40 Uhr

Überprüfung auf Keime (5 Min.)

09.40–09.50 Uhr

Spezialbehandlung für die Haut (10 Min.)

09.50–09.55 Uhr

Anlegen der Spezialunterwäsche für den Sokol -Raumanzug (5 Min.)

09.55–10.05 Uhr

Gang zum Hotel der Kosmonauten (10 Min.)

10.05–10.35 Uhr

Frühstück und Toilettengang (30 Min.)

10.35–10.55 Uhr

Verabschiedung der Kosmonauten (20 Min.)

10.55–11.00 Uhr

Traditionelles Signieren der Zimmertür (5 Min.)

11.00–11.05 Uhr

Religiöse Andacht oder Zeremonie (5 Min.)

11.05–11.10 Uhr

Einsteigen in die Busse (5 Min.)

11.10 Uhr

Abfahrt zum Gebäude 254 (wo die Sokol-Raumanzüge angelegt werden)

Der erste medizinische Kurzcheck am Morgen nach dem Aufwachen gehörte zur Tagesroutine, seit wir in Quarantäne waren: Überprüfung der grundlegenden Vitalparameter wie Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, Körpertemperatur und Körpergewicht. Damit sollte sichergestellt werden, dass sich keiner eine Infektion eingefangen hatte; genauso wichtig war, dass wir nicht zugenommen hatten. Die Verpflegung in der Quarantäne war so köstlich und reichhaltig, dass das gar nicht so leicht war, wie man denken könnte. Eine auch nur halbwegs messbare Veränderung des Körpergewichts bei den Besatzungsmitgliedern würde das Massezentrum der Kapsel verändern, das mit Blick auf die Sicherheit und Präzision der Flugbahn haarscharf kalkuliert war. Zum Glück gelang es mir, mein Körpergewicht von 70 kg zu halten … mehr oder weniger.