Dark City 2: Die Tränen des Lichts - Damaris Kofmehl - E-Book

Dark City 2: Die Tränen des Lichts E-Book

Damaris Kofmehl

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Beschreibung

Dark City. Ein Ort der ewigen Dämmerung, seit der Nebel das Sonnenlichtverschluckt hat. Doch es gibt Hoffnung. Fünf Teenager wurden auserwählt, das Licht nach Dark City zurückzubringen und den Weg zu bereiten, damit der wahre König des Landes zurückkehren kann. So wurde es seit tausend und abertausend Jahren prophezeit und im geheimnisvollen Buch der Prophetie festgehalten. Aber das Buch wurde in drei Teile zerrissen, und nur wenn alle Teile wieder vereint sind, kann die Prophezeiung in Erfüllung gehen. Die Teenager riskieren ihr Leben, um die fehlenden Buchteile zu finden. Inzwischen setzt Drakar der Zweite, König von Dark City, alles daran, die Jugendlichen aufzuhalten und zu eliminieren. Fürchterliche Kreaturen und fatale Fehlentscheidungen bringen die Gefährten in Lebensgefahr. Immer näher rücken die Soldaten. Und nur ein einziges Wesen ist in der Lage, die Auserwählten vor den Schergen des Königs zu retten und Dark City vor dem Untergang zu bewahren. Eine verbissene Hetzjagd beginnt.

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Damaris Kofmehl & Demetri Betts

Dark City:Die Tränen des Lichts

Damaris Kofmehl&Demetri Betts

Dark City

Die Tränen des Lichts

www.fontis-verlag.com

«Ich widme dieses Buch meiner wundervollen besten Freundin und Schwester Jennifer Klotz.

Du bist ein größeres Geschenk für diese Welt,als du denkst.»

Demetri Betts

«Ich widme dieses Buch meiner Mutter Berty Kofmehl.

Du bist die beste Mutter auf der Welt. Ohne deinen Glauben, deine Unterstützung, deine Liebe und deine Weisheit wäre ich nicht, wer ich heute bin.

Ich hab dich lieb.»

Damaris Kofmehl

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2009 by `fontis - Brunnen Basel

E-Book: © 2013 by `fontis - Brunnen Basel

Umschlag inkl. Illustrationen: Roloff, Basel

Karte im Innenteil: Roloff, Basel

E-Book-Herstellung: mbassador GmbH

E-ISBN 978-3-03848-572-8

1

Nayatis Bellen weckte die Jugendlichen auf. Sie lagen irgendwo mitten auf einer Straße, und der widerliche Gestank nach Abwasserkanälen und Kadavern ließ ihnen die Galle hochkommen. Der Nebel und die trostlose Dämmerung räumten auch die letzten Zweifel aus: Sie waren zurück in Dark City.

«Wo sind wir?», fragte Ephrion, während er sich auf seine Ellbogen stützte und sich mühsam aufrappelte.

«Irgendwo im Stadtzentrum», schätzte Joash.

Ein betrunkener alter Mann mit einer Flasche Alkohol stand am Straßenrand. Er sah sie entsetzt und verwirrt an und rieb sich die Augen. Dann warf er seine Flasche weg und rannte davon.

«Was war das?», erkundigte sich Aliyah.

«Offenbar hat unsere Ankunft einen Betrunkenen zu Tode erschreckt», meinte Miro. Er erinnerte sich daran, was Master Kwando am Tag ihrer Ankunft gesagt hatte. Solange ihr hier seid, wird es hier sein, und wenn ihr gegangen seid, wird es nicht mehr sein.

Es stimmte. Es war alles weg, die Schönheit, die Blumen, die Düfte, die Weite, die Klarheit der Luft. Es war alles weg, genau wie der Master es gesagt hatte. Sie waren zurück zu Hause, zurück in der Dunkelheit und in der bedrückenden Stimmung von Dark City.

Nayati bellte laut und stellte seine Nackenhaare auf.

«Was ist los, Nayati? Was hast du?», fragte Aliyah und versuchte ihren Wolf zu beruhigen. Doch sein ganzer Körper war angespannt und sein Fell gesträubt, während er knurrend die Straße hinaufblickte.

«Bei Shaíria», schrie Ephrion. «Es ist Katara!»

Die Jugendlichen wirbelten herum. Und da wurden sie ihrer gewahr. Sie saß auf dem Rücken eines rotbraunen Pferdes und war in Begleitung von mindestens fünf berittenen Soldaten, einem Kommandanten und ihrem Vater. Der vorderste Soldat hatte das Banner von Dark City an einer langen Stange in seine Hüfte gestemmt, alle andern waren mit Lanzen und Schwertern bewaffnet.

Ephrion deutete mit dem Finger auf Katara, und Katara deutete mit ihrem Finger zurück.

Das unverkennbare metallische Kratzen der Schwerter, die aus den Scheiden gezogen wurden, ließ die Jugendlichen erstarren. Katara war keine hundert Fuß von ihnen entfernt, und es war offensichtlich, dass sie nicht gekommen war, um sie zu beschützen.

Sie war gekommen, um sie zu töten.

«Sie sind es!», rief Goran, Kataras Vater, während er seinem Pferd die Stiefel in die Flanken stieß. «Schnappt sie euch!»

Die Truppe setzte sich in Bewegung. Sämtliche Lanzen- und Schwertspitzen waren auf die vier Gefährten mit ihrem Wolf gerichtet. Das Klappern der Hufe auf den Pflastersteinen hallte durch die ausgestorbene Gasse, während die Soldaten Drakars ihnen durch den Nebel entgegenritten. Weglaufen hätte nichts gebracht. Zu nahe war der Feind. Es gab kein Entkommen. Die Jugendlichen waren wie gelähmt und konnten sich nicht von der Stelle rühren.

«Wir sind erledigt», murmelte Miro, kreideweiß im Gesicht. Ephrion zitterte am ganzen Leib, Joash ballte seine Hände zu Fäusten. Seine Muskeln strafften sich. Aliyah grub ihre zarten Hände in Nayatis Fell, während der Wolf die Zähne fletschte, bereit, dem erstbesten Soldaten an die Kehle zu springen.

Dicht aneinandergedrängt standen die Teenager da, und sie alle wussten, dass sie keine Chance hatten. Ihr Todesurteil war bereits gefällt. In einer Woche würden sie im Stadion als Hexen und Hexer verbrannt werden. Es war alles umsonst gewesen. Wenn sie tatsächlich dazu auserwählt waren, die uralte Prophezeiung zu erfüllen, und wenn sie tatsächlich dazu berufen waren, das Licht nach Dark City zurückzubringen, so war ihre Mission kläglich gescheitert. Es war vorbei.

Näher und näher kamen Drakars Soldaten, allen voran Goran, der erste schwarze Ritter, dicht gefolgt vom Kommandanten und von Katara. Schon konnten sie ihr Gesicht erkennen. Es war irgendwie anders, härter und von einer wilden Entschlossenheit gezeichnet. Katara hatte sich verändert. Ihr Gesichtsausdruck war so kalt wie der Nebel, der sie umgab. Kaum zu glauben, dass sie einst zu ihnen gehört hatte. Sie trug enganliegende dunkle Hosen, ein gelbes, ärmelloses Oberteil mit Reißverschluss und abstehendem Kragen, einen breiten Ledergürtel mit großer Schnalle und Wildlederstiefel. Zwei silberne Armspangen schmückten ihre für ein Mädchen sehr kräftigen Oberarme. Ein Zöpfchen aus Glasperlen war in ihr pechschwarzes, schulterlanges Haar geflochten.

Der Abstand zwischen der Truppe und den Jugendlichen verringerte sich sekundenschnell. Die Soldaten formierten sich in einem Halbkreis um die Flüchtigen, die Lanzen auf ihre Brust gerichtet. Während Miro, Ephrion und Aliyah mit zitternden Knien ihres Schicksals harrten, stand Joash mit gewölbter Brust da und fixierte zwischen den Soldaten hindurch Katara. Er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden. Mit vorgerecktem Kinn saß sie auf ihrem Pferd, mit der linken Hand die Zügel gestrafft, die rechte griffbereit am Knauf ihres Schwertes. Das Zöpfchen aus Holz- und Glasperlen fiel ihr über die elfenbeinweiße Stirn. Ihr Pferd tänzelte und schnaubte.

Ein aufgeregtes, lautes Flüstern ließ Joash und auch die andern herumwirbeln.

«Schnell! Berührt meinen Mantel! Schnell!»

Jäh drehten sie die Köpfe in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und entdeckten einen Landstreicher in einem langen, verfilzten Mantel. Sie hatten ihn nicht kommen hören. Er war einfach wie aus dem Nichts aufgetaucht und sah sie so eindringlich an, als wüsste er genau, was auf dem Spiel stand. Er mochte Mitte vierzig sein, hatte eine Glatze und einen Stoppelbart. Bestimmt hatte er sich monatelang nicht gewaschen. Er trug durchlöcherte Schuhe, geflickte Hosen, ein zerschlissenes Hemd und fingerlose gestrickte Handschuhe. Sein Mantel war so groß, als wäre er für einen Riesen angefertigt worden.

«Meinen Mantel. Berührt ihn! Rasch!», forderte der Fremde die Jugendlichen erneut auf und hob das untere Ende des grauschwarzen Mantels hoch, der bis zu den Kniekehlen geteilt war. «Jetzt macht schon!», flüsterte er mit heiserer Stimme. «Haben keine Zeit!»

Verwirrt ließen die Jugendlichen ihre Blicke zwischen dem seltsamen Mann und der Truppe hin- und hergleiten, unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Bedrohlich ruhten die scharfen Lanzenspitzen vor ihnen in der Luft. Ein einziger Befehl, und die Soldaten würden sie damit aufspießen. Doch in dem Moment, als Goran mit einem Handzeichen den Befehl gab, die Jugendlichen festzunehmen, geschah etwas Eigenartiges: Der Mann mit dem Filzmantel packte die Enden des riesengroßen Überrocks und warf sie – wie ein Fischer sein Netz – über die Teenager und den Wolf. Im selben Augenblick löste sich das kleine Grüppchen in Luft auf und war verschwunden. Alles, was zurückblieb, war ein leeres Stück Straße und eine Soldatentruppe, die verdattert auf die Stelle starrte, wo sie Sekunden zuvor ihren Feind eingekesselt hatte.

2

Siebzehn Jahre zuvor …

Die Wehen waren so stark, dass Tajana nicht anders konnte, als zu schreien. Ihre Schreie hallten so laut über das Burggelände, dass selbst die Pferde in den Stallungen unruhig zu wiehern begannen. Es war eine finstere Nacht, und es regnete in Strömen. Drakar der Erste tigerte nervös vor dem Schlafzimmer hin und her. Er hatte langes, seidiges Haar, das aussah wie gesponnenes Mondlicht, und trug lederne Hosen und ein halboffenes Baumwollhemd. Ein paar Soldaten, darunter auch Ritter Mangol und der junge, pflichtbewusste Ritter Goran, waren bei ihm. Bei jedem Schrei, der aus dem Schlafgemach drang, zuckte der König zusammen. Nach mehreren Stunden des Wartens und Bangens war plötzlich der unverkennbare Schrei eines Neugeborenen zu hören.

«Ich bin Vater!», rief Drakar berauscht. «Ich bin Vater!»

Er stieß die zweiflügelige Tür auf und eilte zu seiner Frau. Die Königin lag in ihrem Himmelbett, schweißüberströmt, leichenblass im Gesicht und dennoch überglücklich. In ihren Armen lag ein kleines schreiendes Bündel.

«Ist es ein Sohn?», fragte Drakar hoffnungsvoll.

Tajana lächelte ihn matt an. «Eine Tochter», sagte sie mit schwacher Stimme. Drakars Begeisterung verwandelte sich in Verachtung.

«Es hätte wieder ein Junge sein müssen, wie es die Tradition verlangt», stellte er abfällig fest.

«Ich weiß», flüsterte die Königin, während sie immer blasser und blasser wurde und kaum noch die Kraft zum Sprechen aufbrachte. «Aber sieh sie dir an … ist sie nicht wunderschön?»

«Sie ist ein Mädchen», entgegnete Drakar trocken.

«Ihr Name ist … Katara», hauchte die Königin. Eine graue Blässe legte sich auf ihr Gesicht, und ihre Augen wurden auf einmal merkwürdig trübe. Dann kippte ihr Kopf zur Seite, und ein sanfter Atemzug entströmte ihren Lippen.

«Tajana?», rief Drakar und beugte sich mit Entsetzen über seine Frau. «Tajana?!»

Sie bewegte sich nicht mehr. Ihr Blick war starr geworden, ihre Stirn eisig kalt.

Soldaten und Hebammen stürzten herbei. Eine Hebamme nahm das in Tücher gewickelte Baby an sich, während eine zweite ihre Finger an den Hals der Königin legte, um ihren Puls zu fühlen. Aber da war kein Puls mehr. Die Hebamme sah den König bestürzt an, und obwohl sie es nicht aussprach, konnte Drakar in ihren Augen die Schreckensbotschaft herauslesen: Seine Gattin war tot. Der Stadtstaat Dark City hatte soeben seine Königin verloren.

«NEEEEIIIN!», schrie Drakar verzweifelt und warf sich über seine Frau. Er schluchzte und weinte, während er Tajana im Arm hielt. Mangol und Goran waren in das Schlafgemach getreten und blieben neben dem Eingang stehen. Mit gesenkten Köpfen standen sie da und wussten nicht, was sie tun sollten. Es dauerte lange, bis der König seinen ganzen Schmerz über den Verlust seiner Frau herausgeweint hatte. Dann legte er Tajana in die Kissen zurück und schloss ihr mit der rechten Hand die Augen.

Eine Hebamme trat zögernd zu ihm und streckte ihm die neugeborene Prinzessin entgegen. Sie schlief friedlich. Der König betrachtete sie emotionslos.

«Ich will sie nicht», sagte er kühl.

«Eure Hoheit», versuchte die Hebamme ihn zu beschwichtigen. «Sie ist Eure Tochter. Haltet sie wenigstens einmal in Euren Armen.»

Sie überreichte ihm das winzige Bündel, und Drakar nahm es widerwillig entgegen. Er hielt die kleine Katara in seinen starken Händen, und der Hoffotograf knipste ein Bild von ihr, worauf der König ihn wütend anschrie:

«Ich will kein Bild von ihr! Raus mit euch! Raus mit euch allen! Raus hier!»

Der Fotograf, die Soldaten und Hebammen wichen erschrocken zurück und huschten in gebückter Haltung eilends aus dem Raum. Als auch Goran und Mangol das Schlafgemach verlassen wollten, winkte sie der König zurück.

«Ihr bleibt! Kommt her!»

Die beiden Ritter traten eilends zu ihm und verneigten sich mit großer Ehrfurcht.

«Eure Hoheit?»

Der König drückte Goran die Prinzessin in den Arm. «Ich will, dass Ihr sie tötet», sagte er mit eisiger Stimme. Der junge Ritter wich einen Schritt zurück und starrte Drakar den Ersten entgeistert an.

«Eure Hoheit … sie ist Eure Tochter! Ihr könnt doch nicht Eure eigene Tochter …»

«Ich will keine Tochter!», schnarrte Drakar. «Ich werde niemals zulassen, dass ein … ein Mädchen meinem Erstgeborenen den Thron streitig macht! Dieses … Ding … hat kein Recht zu existieren.»

«Aber Eure Hoheit, Ihr könnt doch nicht …»

«Schweigt!» Drakars Brust bebte. «Dieses Mädchen wäre besser nie geboren worden! Es ist mit einem Fluch belastet!» Er warf einen Blick auf die tote Königin, und seine Augen füllten sich erneut mit Tränen, Tränen der Trauer – und des Zorns. «Tötet es und lasst verkünden, es wäre bei der Geburt gestorben!»

Goran blickte auf das wehrlose Würmchen, das in seinen Armen lag, und alles in ihm sträubte sich gegen den Befehl, den ihm der König erteilt hatte.

«Es ist doch nur ein Kind», murmelte er. «Ich … Eure Hoheit, ich kann das nicht tun.»

Drakar gab Mangol einen Wink. «Ich will, dass es stirbt! Hier und jetzt! Tötet es!»

Mangol nickte, riss sein Schwert aus der Scheide und wollte es eben in den Bauch des kleinen, unschuldigen Kindleins rammen, als Goran mit einer blitzartigen Bewegung seine Waffe aus dem Gürtel riss und dem verblüfften Ritter Mangol das Schwert aus der Hand schlug.

«Wartet!», rief er, im linken Arm das Baby, in der rechten Hand das gezückte Schwert. «Tötet es nicht, ich flehe Euch an! Gebt das Kind mir! Ich … ich werde es aufziehen wie mein eigenes!»

Mangol hob sein Schwert vom Boden auf, richtete die Spitze auf den jungen Goran und fixierte ihn mit seinen kleinen schwarzen Augen wie einen nicht zu unterschätzenden Feind.

«Steckt die Waffen weg», befahl der König. «Beide!»

Ohne sich gegenseitig aus den Augen zu lassen, steckten die zwei Ritter ihre Schwerter in die Scheiden zurück. Der König wandte sich an Goran.

«Ihr habt Mut. Ihr steht für das ein, woran Ihr glaubt. Das hat mir schon immer an Euch gefallen, Goran. Aber ich glaube, Euch ist nicht bewusst, worum Ihr mich bittet.»

Gorans Brust wölbte sich. «Eure Hoheit, ich weiß sehr wohl, worum ich Euch bitte. Meine Frau ist unfruchtbar. Wir beide wünschen uns nichts sehnlicher als ein Kind. Es wäre uns eine große Ehre und eine immense Freude, die Kleine als unsere Tochter aufzuziehen.»

Der König musterte den leidenschaftlichen Ritter skeptisch. Schließlich nickte er. «Ich gewähre Euch Eure Bitte, Goran. Ihr dürft das Kind behalten. Unter einer Bedingung.»

Goran straffte seine Schultern. «Alles, was Ihr wollt, Eure Hoheit.»

«Katara darf nie erfahren, wer sie wirklich ist. Der Tag, an dem sie erfährt, dass ich ihr Vater bin, wird der Tag ihres Todes sein.» Er warf Goran einen unmissverständlichen Blick zu. «Schwört Ihr, das Geheimnis ihrer Herkunft Euer Leben lang zu hüten und es mit in Euer Grab zu nehmen?»

Goran drückte das kleine Mädchen beschützend an sich.

«Ich schwöre es.»

3

Sieben Jahre nach Kataras Geburt …

Niemals hätte Sheldon gedacht, dass dieser Tag sein Leben für immer verändern würde. Niemals hätte er auch nur erahnt, welch geheimnisvolle Ereignisse im Begriff waren, ihren Lauf zu nehmen, als er an diesem Abend von einem anstrengenden Tag in der Veolicht-Fabrik im Kutschentaxi nach Hause fuhr.

Sheldon war mittelgroß, von Natur aus kräftig gebaut, hatte braune Augen und eine Glatze. Er war ein tüchtiger Mann und hatte sich schon in jungen Jahren zum Filialleiter hochgearbeitet. Er war verlässlich, zuvorkommend und gerecht. Er duldete in seiner Filiale keine Schlamperei und stellte an seine Mitarbeiter und an sich selbst sehr hohe Ansprüche. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog er es durch bis zum Ende. Seine Sturheit und seine zähe Ausdauer machten ihn zu einem hervorragenden Geschäftsmann. Er feuerte Leute, stellte neue ein, fast jedes Jahr zog er in ein größeres Büro um, und sein Schlüsselbund wurde von Jahr zu Jahr dicker.

Sheldon hatte das erreicht im Leben, wovon andere nur träumen konnten. Er war erfolgreich im Beruf und hatte eine wundervolle Familie. Es gab nichts, was ihm noch zum Glück fehlte.

Und dennoch, wenn er manchmal am Abend die Tür seines Büros hinter sich zuschloss, beschlich ihn der befremdliche Gedanke, dass es da noch mehr für ihn gab. Etwas in seinem Innern sagte ihm, dass sein Leben für mehr bestimmt war, als jeden Morgen um sechs Uhr aufzustehen und abends um acht nach Hause zu kommen. Woher diese Sehnsucht kam, wusste er nicht. Aber sie war da, tief verankert in seinem Herzen. Und wann immer Sheldon sich von seinen Verpflichtungen freischaufeln konnte, klopfte diese Sehnsucht ganz sanft an seinen Verstand und flüsterte ihm zu: «Ist das alles, Sheldon? Ist das wirklich alles?»

Vor drei Monaten war der Fünfunddreißigjährige als Generalleiter in die Veolicht-Fabrik nach Pinzkrit versetzt worden. Pinzkrit war ein kleines Städtchen im Westen des Stadtstaates Dark City. Es wurde von einem Vogt namens Kotham regiert, der seinerseits Montreal, dem Stadtbaron des Westbezirks, unterstellt war.

Ein Jahr nach der großen Nebelkatastrophe, als Drakar der Erste Dark City zu einem Stadtstaat erklärt hatte, hatte das Volk begonnen, sich über das ganze Gebiet innerhalb der Mauer auszubreiten und sich in Dörfern anzusiedeln. Rund um den großen Tufffelsen, auf dem Drakar seine Burg hatte errichten lassen, wurde die Stadt Dark City erweitert und ein imposantes Stadion zur Verbrennung der Hexen gebaut. Hier lebten die meisten Menschen, unter anderem auch die vier Stadtbarone, denen Drakar der Erste die Regierung der verschiedenen Bezirke und Außenbezirke von Dark City zugeteilt hatte.

Pinzkrit befand sich knapp vierzig Meilen südwestlich von der Stadt Dark City. Das Gebiet war bekannt für den Shuha. Der Shuha war ein mittelgroßer Vogel, der einen eigenartigen Ruf von sich gab; es klang wie berstendes Metall. Er konnte nicht fliegen, besaß dafür aber die unglaubliche Fähigkeit, sich zu tarnen. Er konnte sein Federkleid so perfekt seiner Umgebung anpassen, dass man ihn selbst auf zwei Ellen Entfernung nicht sehen konnte. Nur geübte Jäger waren in der Lage, ihn einzufangen. Das Fleisch des Shuha war eine Delikatesse, die sich nur wenige leisten konnten. Sheldon liebte gebratenen Shuha, und seit er mit seiner Familie in Pinzkrit lebte, kaufte seine Frau fast alle vierzehn Tage einen auf dem Wochenmarkt und bereitete ihn mit auserlesenen Kräutern und einer herrlich pikanten Pfeffersauce zu.

Nachdem Sheldon den Kutscher bezahlt und das Haus betreten hatte, wurde er sogleich von einem köstlichen Duft nach gebratenem Shuha eingehüllt. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen.

«Hallo Schatz!», rief er, während er seinen dunkelblauen Regenmantel an den Haken in der Garderobe hängte. Er fuhr sich über seine Spiegelglatze, legte den Schlüsselbund auf den kleinen Glastisch beim Eingang und trat ins Wohnzimmer.

«Hallo, mein Liebster!», kam es aus der Küche. «Essen ist in zehn Minuten fertig. Es gibt heute dein Lieblingsgericht.»

«Shuha», nickte Sheldon und sog den würzigen Duft mit einem zufriedenen Lächeln in sich auf. In diesem Moment kam seine Tochter Sihana die Wendeltreppe heruntergestürmt.

«Hallo Papa!», rief die Siebenjährige. Sie trug ein buntes Röckchen, und ihre drei blonden Pferdeschwänze tanzten bei jeder Stufe lustig auf und nieder. «Guck mal, was ich in der Schule gemalt hab!» Das Mädchen streckte seinem Vater stolz eine Zeichnung entgegen. Es zeigte eine Frau, die auf einem Scheiterhaufen stand und lichterloh brannte.

«Das hast du sehr schön gezeichnet, mein Spatz», sagte ihr Vater anerkennend und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

«Das ist die letzte Hexe», erklärte Sihana. «Sie ist sehr, sehr böse.»

«Oh ja, das sieht man», nickte Sheldon und tippte auf einen gelben Flecken, der schräg über dem Scheiterhaufen in der Luft hing und von dem viele gerade Striche in alle Richtungen weggingen. «Und das hier? Ist das die Sonne?»

Das Mädchen nickte eifrig. «Unsere Lehrerin sagte, wenn die letzte Hexe verbrannt ist, wird die Sonne wieder über Dark City scheinen. Ist das wahr?»

«Ja, das ist es allerdings», bestätigte Sheldon, gab seiner Tochter die Zeichnung zurück und murmelte, mehr zu sich selbst als zu dem Kind: «Dreiundzwanzig Jahre Dämmerung sind wahrlich genug. Es wird Zeit, dass dieser Nebel endlich aus unserem Land verschwindet»

«Papa», sagte Sihana und sah plötzlich ganz ernst aus.

«Ja, mein Spatz?»

«Wann wird das sein?»

«Wann wird was sein?»

«Wann kommt das Licht zurück?»

Der Vater ging in die Knie und hielt das Mädchen sanft an den Armen fest. «Bald», sagte er. «Sehr bald.» Etwas anderes fiel ihm nicht ein. Die Legende sagte, dass die Hexen mit ihrer Zauberei den Zorn Gottes heraufbeschworen hatten. Deswegen hatte Gott einen brennenden Felsen ins Meer stürzen lassen, der die gesamte Insel außerhalb der Mauern in einer Welle aus Feuer und brodelnder Gischt zerstört hatte. Eine ganze Gesellschaft mitsamt ihren fortschrittlichen technischen Errungenschaften war in einem einzigen grauenvollen Moment ausgelöscht worden. Zurück blieben nur die Inselbewohner, die innerhalb der Mauer lebten.

Doch als wenige Stunden später der Nebel kam, wurden auch sie jeglicher Hoffnung beraubt. Viele Hexen waren seither verbrannt worden, um den Fluch der Dunkelheit zu brechen. Niemand wusste, wie viele noch übrig waren und wo sie sich versteckt hielten. Die letzte Hexenverbrennung lag bereits über ein Jahr zurück, und seither hatte man keine mehr gefasst. Einige sagten, die Hexen hätten sich in die Berge zurückgezogen, damit niemand sie mehr finden könne. Andere behaupteten außerdem, sie wären dabei, an einem geheimen Ort neue Hexen und Hexer auszubilden.

Es hieß, sie wollten Drakar den Ersten vom Thron stürzen und die Regierung an sich reißen. Ja, es wurde viel gemunkelt über die Hexen. Alle hofften, dass ihr Geschlecht endlich ein für alle Mal von der Insel ausgerottet würde. Aber bis es so weit war, konnten noch Jahre vergehen, vielleicht sogar Jahrzehnte. Und so lange würde die Finsternis weiter über Shaíria herrschen, und das Gebiet innerhalb der großen Mauer würde weiterhin den Namen tragen, den man ihm seit der großen Nebelkatastrophe gegeben hatte: Dark City.

«Und wenn wir nicht alle Hexen finden?», fragte Sihana.

Sheldon strich der Siebenjährigen lächelnd übers Gesicht. «Wir werden sie schon aufstöbern. Da mach dir mal keine Sorgen. Und jetzt sag deinem Bruder, er soll den Tisch decken, ja?»

Das Mädchen nickte und rannte die Treppe hoch, während es in voller Lautstärke den Namen seines Bruders rief. «Elkor! Tisch decken!»

Sheldon löste sich die Krawatte vom Hals, legte sie über einen Stuhl und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. Dann ging er in die Küche, um seine Frau zu begrüßen. Der gebratene Shuha lag verlockend knusprig auf einer mit Kräutern verzierten Platte und wartete nur darauf, gegessen zu werden. Sheldon ging zum Herd, umarmte Mona liebevoll von hinten und roch an ihrem langen schwarzen Haar. Es war nass und duftete herrlich nach Mandelblüten. Sie hatte geduscht, bevor er nach Hause gekommen war. Seine Frau drehte sich lächelnd um und gab ihm einen zärtlichen Kuss.

«Wie war dein Tag?»

«Anstrengend», antwortete Sheldon. «Chef zu sein ist nicht immer leicht. Ich musste schon wieder jemanden feuern.»

«Veolicht-Diebstahl?»

Sheldon nickte und lehnte sich gegen die Arbeitsplatte aus Marmorstein. «Schon verrückt. Dabei weiß jeder Fabrikarbeiter, dass wir die Sicherheitsschleusen erneuert haben. Aber es gibt immer wieder welche, die denken, sie könnten die Lichtdetektoren austricksen und Batterien und Glühbirnen aus der Fabrik schmuggeln. Dabei gibt ihnen Drakar genügend Kerzen, damit sie und ihre Familien das nötige Licht zum Überleben haben.» Er griff nach einem frittierten Kartoffelstäbchen und steckte es sich in den Mund. «Wie war dein Arzttermin?»

«Er verschrieb mir Medikamente», sagte Mona. «Er sagte, wenn es in einer Woche nicht besser würde, solle ich wiederkommen.»

«Und weiter?»

«Was weiter?»

«Na, die Ursache. Hat er dir sagen können, woher diese starken Kopfschmerzen kommen?»

Mona nahm einen dampfenden Topf vom Herd und goss das Wasser des gekochten Gemüses ins Spülbecken. «Er meinte, es sei wahrscheinlich Stress. Aber ich glaube ihm nicht.»

«Du glaubst ihm nicht?»

«Das sind keine normalen Kopfschmerzen, Sheldon», sagte sie und sah ihren Mann mit verzerrtem Gesicht an. «Ich glaube, es ist etwas anderes, das sie verursacht. Ich glaube, es ist …» Sie hielt mitten im Satz inne, zögerte und sprach den Gedanken nicht zu Ende. «Vergiss es. Reichst du mir bitte mal die Sahne, Liebster?»

Sheldon gab ihr die Sahne und sah ihr dabei zu, wie sie das Gemüse verfeinerte und es anschließend in eine Schüssel kippte. «Und was, glaubst du, ist Schuld daran?», hakte er nach.

Sie schob sich eine ihrer gelockten, nassen Haarsträhnen hinter ein Ohr und schüttelte den Kopf. «Nichts, Schatz.»

«Du kannst es mir ruhig sagen.»

«Nein, Sheldon, das kann ich nicht.»

«Warum nicht?», setzte er nach, während er ein weiteres Kartoffelstäbchen stibitzte. «Ich bin dein Mann. Du kannst mir alles sagen.»

«Glaub mir, du willst meine Vermutung nicht hören», antwortete Mona trocken. Aber Sheldon ließ nicht locker. Er sah sie besorgt an.

«Natürlich will ich sie hören. Was ist es, Mona?»

Sie warf einen flüchtigen Blick an die Decke, an der eine weißglimmende Veolicht-Röhre hing, die die Küche in ein kaltes Licht tauchte. «Ich glaube, es ist das Veolicht», seufzte sie schließlich.

In Sekundenschnelle verwandelte sich Sheldons Gesichtsausdruck von dem eines besorgten Ehemannes in den eines strengen Geschäftsmannes.

«Sag das nicht.» Er fasste Monas Arm und zwang sie, ihn anzusehen. «Du weißt, dass Drakar uns damit das Leben gerettet hat!»

«Ich weiß», flüsterte Mona und senkte den Kopf. «Ich weiß. Ich wusste, dass du das sagen würdest …»

«Ich will kein Wort mehr davon hören!», sagte Sheldon unmissverständlich.

Seine Frau nickte. Für ein paar Sekunden sagte keiner von ihnen etwas. Aber tausend unausgesprochene Gedanken hingen zwischen den beiden im Raum. Schließlich ergriff Mona das Wort und meinte versöhnlich:

«Wahrscheinlich hast du Recht. Es ist wirklich nur der Stress. Nichts weiter.»

Sheldon löste seinen Griff, fuhr sich über die Glatze und atmete tief durch. «Ich rufe die Kinder, damit wir essen können.» Dann wandte er sich ab, als hätte das Gespräch niemals stattgefunden, ging aus der Küche und rief die Namen seiner beiden Kinder in den oberen Stock hoch.

«Elkor! Sihana! Essen ist fertig!» Sihana kam leicht wie eine Feder die Treppe heruntergehüpft. Ihr Bruder ließ sich allerdings nicht blicken.

«Wo ist Elkor? Hast du ihm nicht gesagt, er solle den Tisch decken?», fragte der Vater.

«Doch, hab ich», sagte Sihana, «aber er hängt wieder mal am Kommunikator.» Sie kicherte. «Ich glaube, er hat eine Freundin.»

«Teenager», seufzte Sheldon und stellte sich mit verschränkten Armen unter die Wendeltreppe. «Elkor? Schalte den Kommunikator aus! Wir essen!»

«Ist ja gut, ich komme», kam die genervte Antwort des Fünfzehnjährigen aus seinem Zimmer. Die Mutter brachte den Shuha ins Esszimmer.

«Sihana, könntest du bitte den Tisch decken?»

«Aber Papa sagte, Elkor müsse das tun!»

«Dann wird er eben nachher das Geschirr spülen», beschloss Mona spontan.

«Geschirr spülen?», empörte sich Elkor, der sich soeben die Treppe herunterschleppte, als wäre jeder Schritt eine körperliche Qual. «Nach dem Essen muss ich gleich weg. Ich hab eine Verabredung.»

Sihana begann wieder zu kichern, worauf ihr Bruder ihr einen sehr bösen Blick zuwarf.

«Hilf deiner Schwester beim Tischdecken», ordnete Sheldon in strengem Ton an, worauf der Teenager murrend Richtung Küche schlurfte. «Und bevor du deine Hausaufgaben nicht gemacht hast, gehst du nirgendwo hin! Immerhin kostet deine Privatschule eine Menge Geld, und wenn sich deine Noten nicht verbessern …»

«… lande ich irgendwann als Vagabund auf der Straße, ich hab’s kapiert», winkte Elkor gelangweilt ab und schob sich sein halblanges, fettiges Haar hinter die Ohren. Sheldon holte sich die «Dark City Daily News» aus dem Wohnzimmer und setzte sich damit an den Esstisch.

Die Tageszeitung des Stadtstaates war aus den getrockneten Blättern des Helosstrauches gepresst, eine schnell wachsende Pflanze mit großen Blättern, die in speziell dafür eingerichteten Gewächshäusern eigens zur Herstellung von Papier gezüchtet wurde. Seitdem es kein Sonnenlicht mehr gab, wuchsen außerhalb von Drakars Gewächshäusern keine Pflanzen mehr, nur noch vereinzelte Moose, Flechten und ein paar wenige Büsche, die anscheinend ohne Licht auskamen. Sämtliche Bäume, die gewachsen waren, bevor die Dunkelheit über Shaíria hereingebrochen war, und sich längst in knorrige Baumskelette verwandelt hatten, standen unter striktem Naturschutz und durften nicht gefällt werden. Holz war zu einem Luxusartikel geworden wie viele andere Dinge, Gebrauchsgegenstände und Lebensmittel, deren Herstellung Unmengen an künstlicher Energie verbrauchten. Vieles, was früher selbstverständlich zum Alltag eines jeden Inselbewohners gehört hatte, war nur noch einer kleinen Oberschicht zugänglich, selbst die Tageszeitung, die Sheldon in Händen hielt.

«4. Adar, 23 n. N.», stand am rechten oberen Seitenrand dieser Ausgabe, was so viel bedeutete wie: der vierte Tag im Monat Adar, 23 Jahre nach der großen Nebelkatastrophe. Die Nebelkatastrophe war für alle so einschneidend gewesen, dass König Drakar angeordnet hatte, aus Trauer über den Verlust des Sonnenlichts die Zeit umzubenennen. Im Jahre 1034 des Zeitalters der Könige führte er den neuen Kalender ein, und die Jahre wurden fortan nach der großen Nebelkatastrophe gezählt.

Sheldon blätterte die Zeitung relativ interesselos durch. Sie hatten einen Toten aus dem Fluss gefischt; einen Mann, der sich wahrscheinlich das Leben genommen hatte. Der Nebel und die Dunkelheit trieb viele in den Selbstmord. In einer Containersiedlung hatte ein Mann seine Frau und seine beiden Kinder erstochen, bevor er sich selbst erhängte. In einem Abschiedsbrief standen einzig vier Worte: «Ich kann nicht mehr!» Meldungen wie diese standen fast jeden Tag in der Zeitung.

Sheldon überflog ein paar belanglose Kurznachrichten und blätterte auf die nächste Seite. In Drakars Forschungszentrum war mit Erfolg eine neue Weizensorte entwickelt worden. Die Sorte sei äußerst robust und nahrhaft und bräuchte zum Wachsen nur die Hälfte des Lichtes wie andere Sorten, so hieß es. Außerdem: Katara, die Tochter Gorans, des ersten schwarzen Ritters Drakars, feierte ihren siebten Geburtstag. Und in einem weiteren Artikel stand, Lord Jamiro, der Inhaber der gesamten Industrie von Dark City, hätte sich nun definitiv von seiner Frau getrennt. Aber das hatte man kommen sehen.

«Irgendetwas Außergewöhnliches?», fragte Mona und füllte die Gläser mit frischem Blaufruchtsaft.

Sheldon faltete die Zeitung zusammen und legte sie zur Seite. «Das Übliche», sagte er. «Lasst uns essen, bevor der Shuha kalt wird.»

Ja, Sheldon hatte nicht die geringste Ahnung, dass in dieser Nacht etwas passieren würde, das weit spektakulärer war als alles, was im Tagesblatt gestanden hatte, spektakulärer als alles, was er jemals erlebt hatte. Heute Nacht würde sich ein Teil der uralten Prophezeiung erfüllen. In wenigen Stunden würden die Buchstaben, die seit tausend und abertausend Jahren im Buch der Prophetie niedergeschrieben waren, zum Leben erwachen. Die Zeit war gekommen. Und Sheldons Leben würde für immer auf den Kopf gestellt werden. In nur einer einzigen Nacht …

4

Sie aßen den leckeren Shuha, tauschten sich über die Ereignisse des Tages aus wie bei jedem Abendessen, die Kinder zankten sich, bis Sihana in Tränen ausbrach wie an jedem Abend, Elkor veranstaltete seinen allabendlichen Terror, bis sein Vater die Oberhand gewann und der Junge beleidigt die Zimmertür hinter sich zuschmetterte und drohte, zu seiner Freundin zu ziehen. Und irgendwann im Verlauf des Abends kehrte – wie an jedem Abend – wieder Friede ein, alle wünschten sich eine gute Nacht, gingen zu Bett, die Lichter wurden gelöscht, und ein weiterer ganz normaler Tag hinter den Mauern von Dark City ging zu Ende. Und dann, ja, dann geschah es …

Es war etwa gegen ein Uhr in der Nacht, als sich plötzlich draußen in der Finsternis etwas regte. Der Boden schien auf einmal lebendig zu werden. Es raschelte und knisterte. Es klang, als hätte eine riesige Ameisenkolonie Kurs auf Sheldons Haus genommen. Doch das, was aus dem Nebel auftauchte, waren keine Ameisen. Es waren Spinnen, Tausende und Abertausende von kleinen schwarzen Spinnen mit stecknadelgroßen Körpern! Und sie näherten sich dem Haus in einem rasanten Tempo. Ein einziger schwarzer Teppich aus Beinen und kugelförmigen Leibern wälzte sich über die Treppenstufen hoch zur geschlossenen Veranda, kroch unter dem Spalt der Tür hindurch und kletterte an der Fassade hoch wie ein schnellwachsendes Unkraut.

Von allen Seiten drangen die Spinnen in das Haus ein und krabbelten zielstrebig auf Sheldons Schlafzimmer zu. Wie eine Welle aus zähem, schwarzem Öl flossen sie unter der Tür hindurch, zwängten sich durch die Fensterritzen, schwappten aus dem Wandschrank und kamen sogar unter dem Teppich hervor. Sie krabbelten aus allen Ritzen und Spalten, platzten sogar wie Geschwüre aus der Wand heraus. In weniger als einer Minute war das gesamte Zimmer mit Hunderttausenden von kleinen schwarzen Spinnen tapeziert. Sie bedeckten die Wände, den Fußboden, hingen an langen Fäden von der Decke, und es wurden immer mehr und mehr. Es waren so viele, dass man das Geräusch ihrer feinen Beine hören konnte. Es klopfte und knackte. Es flüsterte und summte.

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