Dark Land 27 - Horror-Serie - Rafael Marques - E-Book

Dark Land 27 - Horror-Serie E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Als Wynn aus dem Bus stieg, empfing ihn ein kräftiger Windstoß. Die Luft war nasskalt, und die gesamte Gegend wirkte trostlos. Das Gewerbegebiet mit dem treffenden Namen Life’s End - wohl eine Anspielung auf die hier vorherrschende Trostlosigkeit und die ähnlich benannte Gefängnisinsel, die irgendwo hinter den Nebelbänken lag - hatte eindeutig seine besten Zeiten schon hinter sich.
Normalerweise hätten Wynn keine zehn Pferde an diesen Ort gebracht, der einige Kilometer außerhalb des berüchtigten Hafenviertels lag, in dem er sich mittlerweile auch recht gut auskannte. Allerdings war er nicht aus freien Stücken hier. Jemand wollte sich mit ihm in einer der Lagerhallen treffen - niemand anderes als der Dienstleister Rakk ...

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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

Die schwärzeste Nacht

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

»Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5546-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Was bisher geschah

Die Hauptpersonen dieses Romans sind:

Wynn Blakeston: Gestrandeter aus einer anderen Dimension

Abby Baldwin: Wynns beste Freundin

Sir Roger: Abbys Vater

Esrath: sein dämonischer Diener

Rakk: dämonischer Dienstleister

Der Richter: riesiges Schlangenmonstrum

Die Schwarze Göttin: Dämonin, die einst weite Teile von TC beherrscht hat

Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Schnabeldämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor flieht, folgt Johnny ihm.

Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Er ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse.

Menschen und Dämonen leben hier mehr oder weniger friedlich zusammen, und doch ist Twilight City voller Gefahren. Die Stadt ist zudem von einem dichten Nebelring umgeben, den kein Einwohner jemals durchbrochen hat. Niemand weiß, was hinter den Grenzen der Stadt lauert …

In dieser unheimlichen Umgebung nennt sich Johnny ab sofort Wynn Blakeston – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will. Schließlich wimmelt es hier von Dämonen aller Art – und die hat Wynn in seiner Heimat immer bekämpft.

Wynn findet heraus, dass der Schnabeldämon Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen, die sogenannten Kraak.

Als Wynn wegen eines unglücklichen Zwischenfalls zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird, zahlt der geheimnisvolle Sir Roger Baldwin-Fitzroy das Bußgeld und nimmt ihn bei sich auf – warum, das weiß Wynn nicht.

Er lernt Sir Rogers Tochter Abby und seinen Diener Esrath kennen, die auch in Sir Rogers Villa leben. Er freundet sich mit Abby an, sie wird schon bald zu seiner engsten Vertrauten in dieser mysteriösen Welt.

Was Wynn nicht ahnt: Auch sein geheimnisvoller Gönner hat noch eine Rechnung mit dem Dämon Norek offen. Als es Sir Roger schließlich gelingt, Norek zu schnappen, liefert er den Kraak dem Wissenschaftler Dr. Shelley aus, der gleichzeitig Leiter des Sanatoriums Dead End Asylum im Deepmoor ist. Dieser verpflanzt Noreks Gehirn in einen anderen Körper und sperrt Norek in seinem Sanatorium ein.

Sir Roger aber präsentiert Wynn Noreks toten Körper, sodass der glaubt, der Kraak wäre für immer besiegt.

Doch einen Ausweg aus Dark Land scheint immer noch in weiter Ferne, und Wynn muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sein Aufenthalt in dieser Welt wohl noch länger andauern wird. Mit Abbys Hilfe hat er inzwischen einen Job beim Twilight Evening Star ergattert, der größten Zeitung von TC. Als man dort erkennt, dass er für Größeres bestimmt ist, steigt er vom Archivar zum Reporter auf.

Und schon bald stellt Wynn fest, dass noch ganz andere Aufgaben in TC auf ihn warten …

Währenddessen ist Abby dem Geheimnis ihrer verstorbenen Mutter ein Stück näher gekommen. Offenbar war diese eine Hexe, und Sir Roger scheint eine düstere Vergangenheit zu haben. Nun fragt Abby sich, ob das Erbe ihrer Mutter auch in ihr schlummert …

Die schwärzeste Nacht

von Rafael Marques

Als Wynn aus dem Bus stieg, empfing ihn ein kräftiger Windstoß. Die Luft war nasskalt, und die gesamte Gegend wirkte trostlos. Das Gewerbegebiet mit dem treffenden Namen Life’s End – wohl eine Anspielung auf die hier vorherrschende Trostlosigkeit und die ähnlich benannte Gefängnisinsel, die irgendwo hinter den Nebelbänken lag – hatte eindeutig seine besten Zeiten schon hinter sich.

Normalerweise hätten Wynn keine zehn Pferde an diesen Ort gebracht, der einige Kilometer außerhalb des berüchtigten Hafenviertels lag, in dem er sich mittlerweile auch recht gut auskannte. Allerdings war er nicht aus freien Stücken hier. Jemand wollte sich mit ihm in einer der Lagerhallen treffen – niemand anderes als der Dienstleister Rakk …

Wynn konnte nicht einmal behaupten, dass er von dem Anruf des Dämons, der ihn an seinem Schreibtisch in der TES-Redaktion erreicht hatte, überrascht gewesen war. Allerdings wusste er nicht, was er von dem Treffen zu halten hatte.

Rakk galt nun schon seit einiger Zeit als verschwunden. Wynn hatte das eigentlich nur durch Zufall erfahren, als er gemeinsam mit Bella Tosh in einem Priestermord ermittelt hatte und dabei auf den Gedanken gekommen war, den Dienstleister nach der Bedeutung der Kirche in Twilight City auszufragen.

Rakks Büro war – abgesehen von einem einsam in einer Ecke liegenden Kreuz – komplett leer geräumt gewesen. Das letzte Mal, dass Wynn etwas von ihm gehört oder gesehen hatte, war, als Reverend Spring auf der Flucht aus der Trinity Church erschossen und sein mysteriöses Schwarzes Buch gestohlen worden war. Damals hatte Rakk seinen Hut am Tatort hinterlassen.[1]

Und jetzt das. Natürlich war ihm sofort der Gedanke an eine Falle gekommen. Nur, warum sollte der Dämon so etwas tun? Was hätte er davon gehabt, ihn zu töten? Und überhaupt, warum war er verschwunden, nur um kurz darauf den Reverend zu erschießen? Irgendwie tief in seinem Inneren hoffte er, dass es für all das eine halbwegs vernünftige Erklärung gab. Die Alternative war, dass Rakk – wahrscheinlich nicht zum ersten Mal – einfach zum Mörder geworden war und mit dem Schwarzen Buch einen bestimmten Plan verfolgte.

Eigentlich war es Zufall gewesen, dass er überhaupt noch im Büro des Twilight Evening Star gesessen hatte. Abby hatte da schon längst Feierabend gehabt.

Wynn schob die Gedanken daran beiseite und kümmerte sich wieder um das Hier und Jetzt. Es war bereits später Abend. Der Himmel hatte sich deutlich verdunkelt, auch wenn, wie in dieser Welt üblich, immer ein Rest Lichtschein zurückblieb. So konnte er sich zwischen den hohen Lagerhallen noch einigermaßen orientieren.

Schon nach wenigen Metern sah er sein Ziel vor sich. Über einem eisernen, stark verrosteten Tor prangten die Initialen AR, der Name der Firma, die hier ansässig war. Ihre Halle hatte gigantische Ausmaße und bildete einen regelrechten Komplex. Das Tor mochte zwar seine besten Zeiten hinter sich haben, der Hof sah jedoch so aus, als würde hier noch hin und wieder Betrieb herrschen. Jedenfalls wucherte das Unkraut nicht an allen Ecken und Enden durch den Straßenbelag.

Ohne die Gitter zu berühren schob sich Wynn durch die beiden halb offen stehenden Torflügel. Wieder ließ ihn ein Windstoß zusammenzucken. Allmählich ärgerte er sich, dass er von der Arbeit nicht erst zu Baldwin House gefahren war, um sich eine dickere Jacke zu holen – und den Revolver, den ihm Rakk einmal überlassen hatte. Oder eine andere Waffe aus Sir Rogers Arsenal. Doch irgendwie vertraute er noch immer darauf, dass der Dienstleister sein Freund war.

Außer ihm hielt sich niemand auf dem Gelände auf, jedenfalls nicht außerhalb des Gebäudes. Rakk und er hatten keinen genauen Treffpunkt ausgemacht. Der Echsendämon hatte nur gesagt, dass er Wynn in der Halle erwarten würde.

Die Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergraben, bewegte Wynn sich auf die erste Tür zu, die in sein Blickfeld geriet. Dabei sah er sich immer wieder um, entdeckte aber niemanden. Wenn die Firma tatsächlich noch existierte, warum gab es keine Wachtposten?

Nach knapp einer Minute erreichte er die Tür. Sie war nur angelehnt. Wynn entdeckte leichte Einbruchsspuren im Bereich des Schlosses. So vorsichtig wie möglich drückte er sie auf.

Im Inneren des Gebäudes erwartete ihn ein Anblick, mit dem er bereits gerechnet hatte. Die Halle war fast bis zum Dach gefüllt. In Dutzende Reihen geordnet sah er Tausende Stücke Lagerware, hauptsächlich Kisten und Eisenteile, die teils in Gitterboxen oder Regalen mehrere Meter übereinandergestapelt waren. Einige der Gänge schienen allerdings schon seit Jahren nicht mehr betreten worden zu sein, so dick waren bereits die Spinnweben, die sich zwischen den Boxen spannten. Die Lichtverhältnisse waren natürlich noch schlechter als draußen. Vor allem, weil die zahlreichen Dachfenster von einer dicken Schmutzschicht überzogen waren.

Wynn wollte schon nach Rakk rufen, als er zögerte. Nicht nur wegen des leicht süßlichen Geruchs, der die Luft in seiner Nähe erfüllte. Er hörte auch ein leises Summen. Nur wenige Meter entfernt war eine Plastikplane über den Boden ausgebreitet worden. Zahllose dicke, schwarze Fliegen summten über sie hinweg.

Sein Mund wurde trocken. Er ahnte bereits, was ihn unter der Plane erwartete. Dennoch trat er an sie heran und riss sie zur Seite. Vor ihm lag eine Leiche. Der etwa fünfzig Jahre alte Mann trug die dunkelblaue Uniform eines Wachdienstes. Jemand hatte ihm offensichtlich den halben Kopf weggeschossen.

»Rakk, verdammt …«, murmelte Wynn. »Das darf doch nicht wahr sein.«

Er kannte den Dienstleister lange genug. Deshalb wusste er auch, welche Waffen er benutzte. Sein überdimensionaler Revolver war mit Geschossen geladen, die Sekundenbruchteile nach dem Einschlag explodierten. Genauso wie der Wachmann hatten auch diejenigen ausgesehen, die von Rakk niedergeschossen worden waren.

Irgendwie hatte Wynn sogar Glück im Unglück. In einem Halfter an der Hüfte des Toten steckte eine Pistole. Inzwischen war Wynn mit den etwas klobigen Waffen, die in Twilight City benutzt wurden, gut vertraut. Nach dem Leichenfund fühlte er sich sofort besser, als er die Pistole aus dem Halfter zog und in seinen Händen wog. Andererseits wusste er auch, dass Rakk über enorme Selbstheilungskräfte verfügte. Sollte er tatsächlich versuchen, ihn zu erschießen, würde er wohl dennoch auf verlorenem Posten stehen.

Zumindest wusste er jetzt, woran er war. Rakk war nicht hier, um ihn über sein Verschwinden aufzuklären. Jedenfalls nicht vorrangig. Der Wachmann war sicherlich nur der Anfang gewesen.

Die Halle schien gar kein Ende zu nehmen. Zwischen den mehr als dreißig Meter hohen Regalen tat sich ein wahres Labyrinth auf. Die stickige Luft war kaum zu atmen, jedenfalls für einen Menschen. Solange er sich an der Außenwand des Gebäudes entlangbewegte, würde er sich aber zumindest nicht verlaufen.

Inmitten der Gänge huschte plötzlich eine Gestalt vorbei. Wynn blieb abrupt stehen. Der Schatten – mehr war es wirklich nicht gewesen – zeigte sich kein zweites Mal. Die Pistole hatte er nicht weggesteckt. Fast automatisch wanderte sein Daumen über den Sicherungshebel und drückte ihn herunter. Ihm war klar, dass man ihn locken wollte. Andererseits musste einfach irgendwann etwas passieren. Deshalb tat er der Gestalt den Gefallen und trat in den Gang.

Die leisen Schritte waren nicht zu überhören. Irgendwo in seiner direkten Umgebung bewegte sich etwas. Erkennen konnte er jedoch nichts. Durch die Lücken zwischen den Kisten konnte man so gut wie nicht hindurchsehen, so dicht hatten sich Staub und Schmutz hier festgesetzt.

Wieder lag es Wynn auf der Zunge, nach Rakk zu rufen. Seine Intuition hielt ihn davon ab. In gewisser Weise wusste er auch so, dass der Dienstleister in der Nähe war. Nur wann er sich zeigte, bestimmte er selbst.

Die Regale standen nicht hundertprozentig gerade aneinander. Manche waren angesichts der tonnenschweren Lagerwaren leicht zur Seite geneigt, andere einfach schief platziert worden. Wynn quetschte sich an zwei einfach mitten im Gang stehenden, mit weißen Decken verhüllten Motorblöcken vorbei und gelangte an eine kleine Kreuzung.

Zunächst entdeckte er nichts Ungewöhnliches, dann aber erklang ein lautes Klicken. Im Stand fuhr Wynn herum. In dem nach rechts abknickenden Gang stand jemand – Rakk.

Der Echsendämon sah genauso aus, wie er ihn in Erinnerung hatte: dunkelgrauer Anzug, Hose, Krawatte, schwarze Schuhe und dazu ein grauer Hut mit mittellanger Krempe. Das längliche Maul war dem eines Krokodils nicht unähnlich, jedoch nicht ganz so lang. Selbst seinen Revolver trug er bei sich, hielt die Mündung aber in Richtung Boden.

Nur an seinen Augen entdeckte Wynn eine Veränderung. Der Blick der Pupillen war längst nicht so klar wie früher, eher trüb. Wie, als wäre sein Geist von einer Art Nebel verhüllt. Nicht nur in psychischer, sondern auch physischer Hinsicht.

War das noch der Rakk, den Wynn kannte? Oder nur ein Abbild von ihm, eine Art Marionette fremder Kräfte?

»Rakk«, rief er jetzt doch.

Der Dienstleister nickte. »Hallo, Wynn«, erwiderte er nur. Sehr langsam hob der Dämon die Hand mit der Waffe, legte auf Wynn an – und schoss!

***

Auch wenn er Rakk als Freund angesehen hatte, hatte Wynn fest mit einer solchen Aktion gerechnet. Noch während er sich in Deckung warf, wurde ihm endgültig klar, dass der Dienstleister nicht mehr Herr seiner Sinne war. Jemand beeinflusste ihn und trieb ihn zu diesen Taten.

Diese Erkenntnis brachte ihn im Moment aber auch nicht weiter. Die Kugeln des Dienstleisters rauschten über ihn hinweg und schlugen in eines der Regale. Lautes Krachen und Splittern erklang, als die Geschosse explodierten.

Kurz darauf hörte er ein schauerliches Quietschen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich das Regal hinter ihm in seine Richtung neigte. Intuitiv legte er trotzdem auf Rakk an, doch der Dämon war längst verschwunden.

Wynn fluchte und warf sich zur Seite. Mit einem wahren Donnerhall krachte das Regal auf die Stelle, an der er sich noch vor Sekundenbruchteilen aufgehalten hatte. Damit war es jedoch noch längst nicht vorbei. Die Wucht, mit der das Regal umgestürzt war, riss weitere tonnenschwere Kisten aus der Verankerung.

Überall wirbelte Staub in die Höhe, sodass er sich kaum noch orientieren konnte. Hustend taumelte er zur Seite weg. Dabei spürte er, wie kleine Holzsplitter durch seine Haut fuhren.

Inmitten des Chaos erschien erneut der Dienstleister. Diesmal zögerte Wynn nicht. Er riss seine Waffe hoch, legte auf den Dämon an und schoss. Selbst wenn sie Freunde waren, hier ging es um Leben und Tod.

Das Geschoss fuhr in die linke Schulter des Dienstleisters und riss sie zur Seite. Mehr geschah allerdings nicht. Rakk hielt sich weiter auf den Beinen und legte seinerseits auf Wynn an.

Wieder warf sich Wynn zur Seite und stürzte zu Boden, nur um im nächsten Augenblick wieder aufzuspringen und seine Flucht fortzusetzen. Das Knistern in seiner direkten Umgebung ließ ihm einen Schauer über den Rücken rinnen.

Als er sich kurz umsah, bestätigte sich seine Befürchtung. Rakks explosive Geschosse rissen nicht nur die Regale auseinander, sie setzten die eingelagerten Waren auch in Brand. So trocken, wie die Kisten, Planen und gestapelten Aktenordner waren, konnten sich die Flammen rasend schnell ausbreiten.

So schnell er konnte rannte er durch den Gang und bog blitzschnell in den nächsten ein. Er musste irgendwie auf die andere Seite der Halle gelangen. Der Rückweg durch die Seitentür war ihm jedenfalls abgeschnitten.

Allmählich kam ihm das Lagerhaus nicht nur wie ein Irrgarten vor, es erinnerte ihn auch an das Archiv des Twilight Evening Star. Irgendwie wirkten alle Gänge und Regale gleich. Hin und wieder beschlich ihn das Gefühl, überhaupt nicht von der Stelle zu kommen. Aber das war wahrscheinlich wirklich nur Einbildung.

Wynn verharrte kurz auf der Stelle. Von seinem Verfolger hörte und sah er nichts mehr. Hatte Rakk wirklich schon aufgegeben? Oder spielte er – oder vielmehr derjenige, der ihn kontrollierte -mit ihm? Nur wer? Der Gedanke daran, seinen ehemaligen Freund von seiner augenscheinlichen Besessenheit zu befreien, war so weit weg. Im Moment ging es nur noch ums nackte Überleben.

Mehrere laute Schussgeräusche rissen ihn aus den Gedanken. Wynn sah, wie sich eine Kugel durch gleich mehrere Kisten wühlte und sie regelrecht zerschmetterte. Schließlich schlug sie in die Gitterstruktur eines Regals und explodierte. Als er sah, dass sich die mehrere Meter hohe Konstruktion gefährlich zur Seite neigte, lief er weiter.

Direkt hinter ihm krachte es so laut, dass sein Trommelfell zu platzen drohte. Dennoch drehte er sich kein einziges Mal um. Irgendwann wurden die Geräusche leiser und leiser. Stattdessen drang etwas an seine Ohren, das sich entfernt nach den Flügelschlägen eines Vogels anhörte.

Wynn legte seinen Kopf in den Nacken. Obwohl die Regale über dreißig Meter hoch waren, lag die Decke noch viel weiter über ihm. Bis zu ihr konnte er allerdings nicht sehen. Das Licht reichte einfach nicht aus. Wenn sich dort oben wirklich ein Vogel oder ein ähnliches Geschöpf aufhielt, war es vor seinen Blicken sicher.

Nur Augenblicke später geriet eine geflügelte Gestalt in sein Blickfeld. Es war Rakk. Der Dämon hatte seine Drachenschwingen aus dem Rücken wachsen lassen. Zusammen mit seinem Anzug und dem Hut bot er einen geradezu grotesken Eindruck, was ihn aber nicht weniger gefährlich machte.

Ein weiterer Flügelschlag genügte, und Rakk landete auf der Spitze eines Regals. »Gib auf, Wynn«, drang es monoton aus seinem Mund, während er seine Waffe auf ihn richtete. »Du kannst mir nicht entkommen.«

»Rakk, komm endlich zu dir«, rief er ihm zu. Er verließ sich jedoch nicht allein auf seine Worte. Mit beiden Händen riss er die Waffe des toten Wachmanns hoch und drückte ab. Seine Kugel drang direkt in den Kopf des Dämons und schleuderte ihn zurück. Gleichzeitig löste sich aus Rakks Waffe ein Schuss. Das Geschoss jagte jedoch nur Richtung Decke. Die folgende Explosion stanzte ein kleines Loch ins Dach und sorgte dafür, dass zumindest ein wenig mehr Licht in die Halle drang.

Während Rakk nach hinten kippte, setzte Wynn seine Flucht fort. Als er in den nächsten Gang bog, wusste er bereits, dass er sich hoffnungslos verlaufen hatte. Zwar sah er sich diesmal nicht meterhohen Gitterregalen gegenüber, sondern einer Reihe knapp vier Meter hoher, mit Plastikplanen überzogener Turbinen. Doch wohin er auch blickte, jeder Weg konnte tiefer hinein in die Halle führen.