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Vorsichtig gingen die beiden Männer an den Blutflecken vorbei und näherten sich den Straßenlaternen. Ganz in der Nähe befand sich eine Bushaltestelle, deren Scheiben durch die Kälte zum Teil geplatzt waren. Auch an dem Glas klebten Blutreste.
Kenny wollte schon weitergehen, als seine Füße an etwas hängen blieben. Mit seiner Messerhand griff er in den Schnee - und zog einen abgetrennten Arm hervor. Überrascht schrie er auf und zuckte zurück.
Der Arm war nicht abgeschnitten, sondern mit brutalster Gewalt ausgerissen worden!
"Scheiße, was ist das, Kenny?", rief Roger und begann zu würgen.
"Ich weiß es nicht. Aber wir sollten von hier verschwinden."...
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Was bisher geschah
Neujahrs-Tod
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
»Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Wuerz
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5856-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die Hauptpersonen dieses Romans sind:
Wynn Blakeston: Gestrandeter aus einer anderen Dimension
Abby Baldwin: Wynns beste Freundin
Sir Roger: Abbys Vater
Esrath: sein dämonischer Diener
Lieutenant Bella Tosh: Ermittlerin der Abteilung Delta
Sergeant Kajahn: Bellas Partner in der Abteilung Delta
Clay Billings: Karrierehungriger Polizeibeamter
Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Schnabeldämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor flieht, folgt Johnny ihm.
Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Er ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse.
Menschen und Dämonen leben hier mehr oder weniger friedlich zusammen, und doch ist Twilight City voller Gefahren. Die Stadt ist zudem von einem dichten Nebelring umgeben, den kein Einwohner jemals durchbrochen hat. Niemand weiß, was hinter den Grenzen der Stadt lauert …
In dieser unheimlichen Umgebung nennt sich Johnny ab sofort Wynn Blakeston – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will. Schließlich wimmelt es hier von Dämonen aller Art – und die hat Wynn in seiner Heimat immer bekämpft.
Wynn findet heraus, dass der Schnabeldämon Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen, die sogenannten Kraak.
Als Wynn wegen eines unglücklichen Zwischenfalls zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird, zahlt der geheimnisvolle Sir Roger Baldwin-Fitzroy das Bußgeld und nimmt ihn in bei sich auf – warum, das weiß Wynn nicht.
Er lernt Sir Rogers Tochter Abby und seinen Diener Esrath kennen, die auch in Sir Rogers Villa leben. Er freundet sich mit Abby an, sie wird schon bald zu seiner engsten Vertrauten in dieser mysteriösen Welt.
Was Wynn nicht ahnt: Auch sein geheimnisvoller Gönner hat noch eine Rechnung mit dem Dämon Norek offen. Als es Sir Roger schließlich gelingt, Norek zu schnappen, liefert er den Kraak dem Wissenschaftler Dr. Shelley aus, der gleichzeitig Leiter des Sanatoriums Dead End Asylum im Deepmoor ist. Dieser verpflanzt Noreks Gehirn in einen anderen Körper und sperrt den Kraak in seinem Sanatorium ein.
Sir Roger aber präsentiert Wynn Noreks toten Körper, sodass der glaubt, der Kraak wäre für immer besiegt.
Doch einen Ausweg aus Dark Land scheint immer noch in weiter Ferne, und Wynn muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sein Aufenthalt in dieser Welt wohl noch länger andauern wird. Mit der Hilfe von Abby, die inzwischen herausgefunden hat, dass ihre verstorbene Mutter Matilda Fitzroy eine Hexe war, hat er einen Job beim Twilight Evening Star ergattert, der größten Zeitung von TC. Als man dort erkennt, dass er für Größeres bestimmt ist, steigt er vom Archivar zum Reporter auf.
Und schon bald stellt Wynn fest, dass noch ganz andere Aufgaben in TC auf ihn warten …
So gelingt es ihm, TC von dem so genannten »Richter« zu befreien, einem riesigen, schlangenartigen Wesen, das TC in regelmäßigen Abständen mit seinen Jägern heimgesucht hat.
Bei seiner Vernichtung warnt der Richter Wynn vor einer drohenden Gefahr, und Wynn fragt sich, ob das etwas mit dem geheimnisvollen weißen Schiff zu tun hat, das vor einiger Zeit wie aus dem Nichts im Hafen aufgetaucht ist und auf dem immer wieder Bewohner der Stadt spurlos verschwinden.
Kurz darauf bricht der Winter über TC herein – was in dieser Stadt sehr ungewöhnlich ist, die meisten Bewohner haben noch nie Schnee gesehen. Das muss ein böses Omen sein! Und tatsächlich bringt das Schneechaos ungeahnte Schrecken mit sich …
Neujahrs-Tod
(2. Teil) von Rafael Marques
»Hell’s Corner war auch schon mal wärmer, oder?«
Ronnie hatte den Schal, den er als Mundschutz benutzte, zur Seite geschoben. Sofort wünschte er sich, es nicht getan zu haben. Die verfluchte Kälte schien ihm die Spucke im Mund gefrieren zu lassen.
Kenny, sein bester – weil einziger – Freund, stöhnte auf. »Das war der schlimmste Kalauer, den ich seit Langem gehört habe. Eigentlich sollte sich unter dir der Boden auftun, so schlecht war der.«
Ronnies Grinsen gefror. »Ich fand es lustig«, erwiderte er trotzig. Dann schob er wieder den Schal vor den Mund.
Seite an Seite schritten die beiden Obdachlosen durch die weißen Schneemassen. Schnee – den Begriff kannten viele noch aus alten Erzählungen, aber es gab eigentlich niemanden in der Stadt, der dieses Naturschauspiel schon einmal miterlebt hatte. Zum letzten Mal sollte er vor hundert Jahren gefallen sein …
Die Kälte, die die weiße Pracht mitgebracht hatte, war geradezu mörderisch. Viele ihrer Kameraden waren in dem Schneesturm zu Tode gekommen. Die Leichen, die ihnen auf ihrem Weg durch das Viertel aufgefallen waren, sprachen jedenfalls eine deutliche Sprache.
Kenny und Ronnie hatten den Sturm nur überstanden, indem sie sich in ihrer Wohnstätte verbarrikadiert hatten – einem riesigen Müllcontainer. Erst als sich das Wetter gebessert hatte, hatten sie sich aus dem Versteck gewagt. In den Lumpen, in die sie eingewickelt waren, war die Kälte kaum zu spüren. Nur an ihren Augen nahmen sie sie mehr als deutlich wahr. Erst wenn ein Stück ihrer Haut frei lag, spürten sie, wie gut es war, so dick eingepackt zu sein.
Hell’s Corner – ein verfallenes Viertel, in dem sich vor allem die Blut-Dealer ausgebreitet hatten – hatte sich in den letzten Wochen verändert. Seit eben jene Dealer aus dem Gebiet verschwunden waren, traute sich auch die Polizei wieder hierher. Die Behörden hatten bereits einige Maßnahmen zur Säuberung von Hell’s Corner eingeleitet – was jedoch bedeutete, dass unliebsame Anwohner mit Gewalt vertrieben wurden. Im Moment war von der Polizei allerdings nichts zu sehen.
Seit gut einer halben Stunde waren sie nun schon unterwegs, um irgendwie etwas Essbares in die Finger zu bekommen. Dafür durchforsteten sie eine Gasse nach der anderen. Meist fanden sie nichts als Schnee. Selbst die Eingänge der Häuser waren unter den weißen Massen verschwunden.
Inzwischen knurrte Kennys Magen wie ein räudiger Köter. Ronnie erging es sicher nicht anders. Auf der Straße zu leben, bedeutete oft, große Entbehrungen hinzunehmen. Aber meistens fand sich irgendwie doch eine Möglichkeit, sich den Magen aufzufüllen. Nur heute sah es düster aus.
Nach einer Weile erreichten sie eine etwas breitere Straße, die direkt zu den beiden riesigen Türmen führte, die dem Viertel seinen Namen gegeben hatten. An der verdreckten Fassade, deren Fensterscheiben fast alle eingeschlagen waren, hingen einige schmutzige Fahnen herunter. Teile des Gebäudes waren mit einer Eisschicht bedeckt.
Nicht weit von ihnen entfernt entdeckte Kenny zwei nebeneinanderstehende Straßenlaternen, an denen aus pergamentartigem Papier hergestellte Bänder hingen. Die darauf abgebildeten Schriftzeichen waren uralt und weder für ihn noch für irgendjemand anderen in der Stadt zu entziffern. Es war seit Jahrhunderten Tradition, sie vor der dritten Rauhnacht aufzuhängen. Nach alter Überlieferung sollte es sich bei den Schriften um Bannsprüche handeln, die böse Geister von der Stadt abhalten sollten.
Die Spruchbänder wurden normalerweise von Bediensteten der Stadt überall in Twilight City aufgehängt – und auch von diesen bewacht. Schließlich handelte es sich bei dem Pergamentpapier um eine Antiquität von unschätzbarem Wert. Nur, diesmal war weit und breit niemand zu sehen.
»Wenn ich nicht so Hunger hätte, würde ich mir das Pergament gleich mal schnappen«, murmelte Ronnie und tippte dabei auf seinen Magen. Trotz des Lebens auf der Straße besaß er einen beachtlich dicken Bauch. »Aber das schmeckt nur nach Leiche.«
Kenny starrte ihn kurz angewidert an. »Ich will gar nicht wissen, woher du das so genau weißt.«
Trotz seines knurrenden Magens trat er näher an das Spruchband heran. Dabei entdeckte er etwas, das er zuvor übersehen hatte. Mitten in den Schneemassen zeichneten sich einige rote Spuren ab. Er hatte keine Zweifel, dass es sich um Blut handelte. Obwohl niemand sonst in der Nähe zu sein schien, griff er in seine Lumpen und zog ein Messer mit krummer, gezackter Klinge hervor. Sicher war sicher.
»Hey, Kenny, was ist los? Warum hast du das Messer rausgeholt? Willst du dir von mir eine Scheibe abschneiden?«
»Halt die Klappe, Ronnie«, flüsterte er.
Vorsichtig trat er an den Blutflecken vorbei und näherte sich den Straßenlaternen. Ganz in der Nähe befand sich noch eine Bushaltestelle, deren Scheiben durch die Kälte zum Teil geplatzt waren. Auch an dem Glas entdeckte er Blutreste.
Kenny wollte schon weitergehen, als seine Füße an etwas hängen blieben. Mit seiner Messerhand griff er in den Schnee – und zog einen abgetrennten Arm hervor. Überrascht schrie er auf und zuckte zurück. Sein Geist erfasste jedoch sofort, dass der Arm nicht abgeschnitten, sondern mit brutalster Gewalt ausgerissen worden war. Der Ärmel der Jacke, die noch auf der Haut verblieben war, wies auf einen Mitarbeiter der Stadt hin.
»Scheiße, was ist das, Kenny?«, rief Ronnie und begann zu würgen.
»Ich weiß es nicht. Aber wir sollten von hier verschwinden.«
Kenny sah sich noch einmal um. Dabei entdeckte er in einer schmalen Seitenstraße zwei Schuhe, die aus einer Schneewehe herausragten. Als wollte man ihm ein Zeichen geben, fegte eine Windböe durch die Straße und befreite den Toten aus seinem weißen Grab. Jemand hatte dem Kerl förmlich die Brust aufgerissen. Selbst seine Kehle war nicht verschont geblieben. Da er noch beide Arme hatte, war das schon der zweite Tote.
»Hey, Kenny, was ist jetzt wieder?«, fragte Ronnie weinerlich. »Komm, sag doch was!«
»Weg hier!«
»Was?«
»Wir müssen weg von hier. Irgendeine Scheiße geht hier vor, und ich will nicht der Nächste sein, der dran glauben muss. Los jetzt!«
»Ja, ja …«
Kenny drehte sich um – und erstarrte. Aus einer anderen Straße wankten mehrere Gestalten auf sie zu. Sie waren noch gut zwanzig Meter entfernt, aber auch so konnte er gut erkennen, dass mit ihnen etwas ganz und gar nicht stimmte. Es waren Obdachlose wie sie, ebenfalls in graubraune Lumpen gehüllt. Sie besaßen jedoch weder Mützen noch einen Mundschutz. So fiel sein Blick auf ihre angeschwollene, von einem seltsamen Ausschlag überzogene Haut. Und auf die Münder. Als er das Blut entdeckte, das einigen von ihnen direkt von den Zähnen tropfte, wusste er, dass er die Mörder der beiden Stadtbediensteten vor sich hatte.
»Was zum …«, murmelte er und schüttelte den Kopf.
Sein Blick wanderte in Richtung der Türme. Der Weg zu den Wahrzeichen von Hell’s Corner war frei. Immerhin etwas. Doch die anderen Obdachlosen waren sehr nahe. Zudem wirkte es, als würden sie ihre Schritte langsam beschleunigen. Als wäre eine Gier in ihnen erwacht.
Ronnie geriet in Panik. Er löste sich aus seiner Starre und rannte los, kam aber nicht weit. Schreiend stolperte er über etwas, das unter einer Schneewehe verborgen lag.
»Komm schon, Mann«, rief Kenny ihm zu und versuchte, ihn wieder auf die Beine zu zerren.
Die einarmige Leiche, die für Ronnies Sturz verantwortlich war, beachtete er dabei kaum. Bei den weit über hundert Kilo, die sein Freund auf die Waage brachte, war sein Rettungsversuch ein hoffnungsloses Unterfangen. Als er merkte, wie nahe die Veränderten ihm schon gekommen waren, ließ er ihn los und rannte davon.
»Kenny!«, schrie Ronnie ihm hinterher. Sein Ruf ging in einem erstickten Gurgeln unter. Wie wilde Tiere stürzten sich drei der Gestalten auf ihn. Kenny sah nur, wie Blut durch die Luft spritzte, dann wirbelte er wieder herum.
Mit aller Macht versuchte er, die Gedanken an das Ende seines Freundes aus seinem Kopf zu verdrängen. Doch es gelang ihm nicht. Schon gar nicht, als er die hechelnden Laute hinter sich hörte. Kenny rannte, so schnell er konnte, nur war er nicht in der Lage, in den schweren Lumpen Tempo aufzunehmen.
In diesem Moment sah er etwas, das wieder Hoffnung in ihm aufkeimen ließ. Mitten auf dem Platz vor den Türmen fuhr ein Streifenwagen der Polizei. Kenny schrie, so laut er konnte, und schwenkte dabei mit den Armen.
Hinter ihm brüllte jemand auf. Ein harter Stoß traf seinen Rücken und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Schreiend taumelte er nach vorne, bis er über seine eigenen Füße fiel und zu Boden stürzte. Instinktiv drehte er sich dabei auf den Rücken. Vier der Männer und Frauen mit dem seltsamen Ausschlag hatten ihn fast erreicht. In ihren starren Blicken lag eine unbändige Gier. Ihre Münder waren weit aufgerissen, sodass Kenny auf die blutbesudelten Zähne blicken konnte, zwischen denen undefinierbare Reste hingen.
Dann stürzten sie sich auf ihn. Kenny brüllte und schlug um sich. Mehrmals fuhr die Klinge seines Messers in die Brust einer gut vierzig Jahre alten, braunhaarigen Frau. Dunkelrotes Blut spritzte ihm entgegen. Trotz der schweren Verletzungen griff sie weiter nach ihm und versuchte, ihm die Kehle aufzureißen. Erst als er ihr die Klinge mit voller Wucht in die linke Brustseite rammte, erstarrte sie. Ihr Blick brach, und schon im nächsten Moment kippte sie zur Seite.
Kenny verlor den Kontakt zum Messergriff. Das nutzten die Begleiter der Frau eiskalt aus. Mit gurgelnden Lauten stürzten sie sich auf ihn. Er war nicht einmal in der Lage, sich zu wehren. Die Kräfte der Angreifer waren um einiges größer als seine. Plötzlich rasten kaum zu beschreibende Schmerzen durch seinen Körper, als sich die Zähne der Männer in seinen Körper wühlten.
Sein Blick trübte sich. Wie aus lauter Entfernung drangen laute Schussgeräusche an seine Ohren. Kenny bekam das kaum noch mit. Während die ersten der Angreifer zusammenbrachen, rann das Leben immer schneller aus seinem Körper …
***
Lieutenant Ed Dandrigde drückte einfach ab. Sein Partner und bester Freund, Officer Charly Vincent, tat es ihm nach. Er feuerte fast sein gesamtes Magazin auf die vier Männer, die sich auf den Obdachlosen gestürzt hatten.
Mehrere seiner Kugeln trafen die Köpfe der Befallenen. Immer wieder spritzte Blut durch die Luft, und das nicht nur von den Gestalten mit den entstellten Gesichtern. Einer von ihnen hatte sich in ihrem Opfer, das inzwischen nur noch ein blutiger Klumpen war, regelrecht verbissen. Doch als er von zwei Geschossen am Kopf getroffen wurde, brach auch er zusammen.
Charly und er hatten den in Lumpen gehüllten Mann aus einer Straße laufen sehen. Zunächst hatten sie nur still beobachtet, wie die Gestalten mit den hässlichen Ausschlägen ihn verfolgt hatten. Dass der Kerl gestorben war, machte Ed nicht viel aus. Er hatte so oder so nicht viel für Menschen wie ihn übrig. Meist nahm er für sie einen anderen Begriff in den Mund.
Aus der Entfernung sah Ed, wie zwei weitere Männer und eine Frau aus der Straße wankten. Wie wilde Tiere fletschten sie ihre Zähne, an denen noch Blut und Fleischreste klebten. In seinen fast dreißig Dienstjahren hatte er so etwas noch nicht erlebt, und dabei war man in Twilight City eigentlich vor keiner Überraschung sicher.
Mordende Hummerwesen, mutierte Vampire und marodierende Piraten hatten schon zu den Dingen gehört, mit denen er sich beschäftigt hatte. Gerade zuletzt war es in der zweiten Rauhnacht bereits zu mehreren bizarren Todesfällen gekommen. Unter anderem wurde von schattenhaften Gargoyles berichtet, die Jagd auf Werwolfkinder gemacht hatten. Auch in einem anderen Stadtteil war ein seltsames Monstrum mit riesigen Pranken Amok gelaufen und hatte einige im Schnee spielende Kinder getötet. Erst zwei Handgranaten hatten den Dämon stoppen können.
Die ganze Stadt spielte verrückt, und diese Gestalten, die er jetzt vor sich sah, waren wirklich die Spitze des Eisbergs. Es waren Kannibalen. Ed kannte sogar einige von ihnen, hatte sie schon verhaftet. Da waren sie allerdings noch normal gewesen und nicht zu blutrünstigen Bestien mutiert.
Im Laufe des vergangenen Tages waren zahlreiche Menschen und Dämonen wegen Grippesymptomen ins Good-Hope-Hospital eingeliefert worden. In der Nacht war es dann zu den ersten Todesfällen gekommen. Bei anderen Erkrankten hatten sich schließlich grauenvolle Ausschläge gezeigt. Kurz darauf waren sie in dem Krankenhaus Amok gelaufen, wobei mehrere Patienten und auch Ärzte den Tod gefunden hatten. Unter anderem auch ein Mediziner, der die Polizei darüber informiert hatte, dass es sich bei dem Erreger um eine Art Lebensform handelte. Seitdem war es immer wieder zu Meldungen von bizarren Todesfällen oder umherziehenden Kannibalen gekommen.
Dass es vorher zum ersten Mal seit gut hundert Jahren geschneit hatte, war da fast zur Randerscheinung mutiert. Das Fest der Eiskönigin war vorbei, dafür stand bald die dritte Rauhnacht an, was gleichbedeutend mit dem Beginn des nächsten Jahres war.
»Hier muss irgendwo ein Nest sein«, rief Charly, während er seine Dienstwaffe nachlud.
»Wäre gut, dann könnten wir diese Brut endlich mal ausräuchern.«
Die Veränderten bewegten sich träge und leicht torkelnd voran, waren jedoch nicht zu unterschätzen. Ed waren noch Berichte im Kopf geblieben, wonach einige dieser Gestalten sogar Kollegen angegriffen hatten. Zumindest war die Verbindung zu ihnen abgebrochen.
Der Lieutenant lud ebenfalls neue Geschosse in seine Waffe. Als die Befallenen auf ihn aufmerksam wurden und in seine Richtung stürmten, drückte er ab. Nach wenigen Sekunden stürzten drei neue leblose Körper in den Schnee.
»Gib Meldung durch«, wies er Charly an. Dabei dachte er daran, dass das Funkgerät ihres Einsatzwagens eines der wenigen war, das überhaupt noch funktionierte. »Wir brauchen die Ausputzer hier. Sie sollen einen Flammenwerfer mitbringen …«
***
Die geistige Botschaft traf das Wesen wie ein Blitz. Zum ersten Mal seit längerer Zeit fühlte es wieder Leben in sich. Der dunkle Umhang wallte hoch und näherte sich der glitzernden, rötlich leuchtenden Oberfläche des unterirdischen Sees. Das Wesen wusste genau, was es zu tun hatte. Auch nach all der Zeit, die es in der starren, untätigen Haltung verbracht hatte, waren seine Erinnerungen noch immer vorhanden.
Obwohl es keinerlei Strömung gab, bewegte sich die undefinierbare Flüssigkeit in kleinen Wellen auf das Wesen zu. Als der Umhang das Wasser berührte, strahlte der gesamte unterirdische Saal für einen Augenblick in hellem, roten Licht. Die an den Wänden aufgehängten Fackeln erhielten neue Nahrung und fingen an zu brennen. Geheime Türen schoben sich zur Seite. Aus den dunklen Öffnungen wehte der Gestank des Todes. Und dennoch lebten die Gestalten, die sich mit stakkatohaften Bewegungen aus ihrem Grab schoben. Sie wussten alle, was sie zu tun hatten. Immer enger zogen sie ihren Kreis um den kleinen See.
Das Wesen indessen sah