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"Das Blut der Auserwählten" ist eine dreiteilige Romanreihe über das Leben des fiktiven Protagonisten Kurt Powell. * Teil 1: Lähmende Begegnungen auf der Flucht * Kurt Powell wächst als ganz normaler Junge im Amerika der 1950er auf – denkt er zumindest. Er ist der Prügelknabe der Schule, sein jüngerer Bruder Paul führt einen psychologischen Krieg gegen ihn und er verliert seinen Vater schon sehr früh in einem traumatischen Vorfall. Und das ist erst der Beginn der kathartischen Reise durch Schmerz, Verlust und neuer Selbstfindung, zu der sich Kurt Powells Leben zu formen beginnt. * Teil 2: Die Begleichung alter Wunden * Nachdem der 23jährige Kurt aus Geldgier heraus das erniedrigende Angebot seines Chefs Bob trotz seines Ekels davor angenommen hatte und gleich darauf die Hälfte davon an den korrupten Polizisten Brown abgeben durfte, entschloss sich Kurt dazu, einen Schlussstrich unter allem zu ziehen und ein neues Leben anzufangen. In Sydney lebend, verdient er haufenweise Geld mit einer Arbeit, die er zutiefst verabscheut und schleppt sich weiter eskapistisch durch sein Leben auf der Suche nach Vergebung, Verständnis und einem großen Sinn hinter all seinem Leid. Doch diesmal sollen seine Wünsche zum ersten Mal in seinem Leben wirklich in Erfüllung gehen, wenn auch ganz anders, als Kurt sich in seinen Träumen vorgestellt hatte. Währenddessen lauert jene mysteriöse Persönlichkeit, die ihn schon sein ganzes Leben lang verfolgt, immer einen Schritt hinter ihm in der Dunkelheit… * Teil 3: Übersinnliche Abrechnungen * Durch eine zufällige Begegnung beginnt alles Blut an Kurts Händen mit einem Mal, sichtbar zu werden und die Hoffnung auf einen tieferen Sinn hinter seinem traumatisierten Leben zerbirst in Millionen Scherben. Nun steht Kurt in den Medien als Sündenbock der gesamten Nation, oder sogar der ganzen Welt, vor Gericht.
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Seitenzahl: 590
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Roman Thomas H. Binder Copyright: © 2012 Thomas Binder published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de ISBN 978-3-8442-4244-7
Die Ereignisse in Kurt Powells Leben beruhen ganzheitlich auf keinerlei Tatsachen, sie entstanden aus einzelnen Gedankengängen, Anspielungen, Meinungen, Anekdoten meiner Mitmenschen, aus meinen eigenen und aus äußeren Einflüssen, die in Verbindung mit Inspiration aus Vielen meiner Lieblingsbücher und -filme in eine episodenhafte, und doch chronologische Geschichte zusammenflossen.
Der Protagonist und alle weiteren Charaktere entstanden aus meiner puren Fantasie. Jegliche Ähnlichkeiten zu einer tatsächlich existierenden Person namens Kurt Powell oder anderen Figuren sind rein zufällig und unbeabsichtigt. Weiter habe ich mir bei der Beschreibung diverser Städte gewisse geographische Freiheiten erlaubt, die sie mir hoffentlich verzeihen werden. Die Umgebung, die Nationalitäten, die Persönlichkeiten und der teils historische, teils hypothetische Verlauf der Geschichte wurden zwar nicht zufällig gewählt, beziehen sich aber auf Menschen jeder ethnischen und nationalen Herkunft und jeder politischen und religiösen Überzeugung.
Diese Geschichte soll die Komplexität von Menschen, die mehrdimensionale – also nicht eindeutige - Darstellung von Gut und Böse und die Entfaltung oder auch Offenheit des Lesers zu neuen Blickwinkeln in Bezug auf bestimmte 'sensible' Themen zur Aufgabe haben - und vor allem die Bereitschaft zu Denken, zu Hinterfragen, Fremdes nachzuvollziehen und Neues zu entwickeln.
Ich danke allen meinen Mitmenschen, Familie wie Freunden, für ihre Unterstützung, Kraft, Liebe und Ehrlichkeit. Danke für die Offenheit, dem wissensdurstigen Bewusstsein und der Tiefe der weit schweifenden Gespräche, die mich zu diesem Buch inspiriert haben.
Danke Philip, danke Martin, danke allen, die sich nie wegen meiner körperlichen Behinderung abgeschreckt oder unwohl fühlten.
Und am meisten Dank an die Freunde, die mich am Längsten begleitet haben: meine Eltern Elisabeth und Johann, die mehr Freunde als Eltern waren und die auf ewig jung bleiben mögen.
Ohne meine Mitmenschen wäre ich heute niemals, wo ich nun bin.
Thomas Binder
Man konnte die Angst im Raum knistern hören. Genauso stark wie die Aggression. Das Opfer lag gekrümmt vor Schmerzen auf dem Boden. Blut tropfte von seiner Stirn auf den beigen, mittlerweile ziemlich vergilbten 70er-Jahre-Teppichboden in einem winzigen, trostlosen, billigen Zwei-Zimmer-Apartment.
Kurt Powell stand über ihm und hielt einen Siegespokal der Leichtathletik-Mannschaft der High School von Littleton in der rechten Hand, von dem ebenfalls Blut tropfte. Keuchend. Schwitzend. Sabbernd, wie ein scharfer Rottweiler.
Der Pokal war wohl das einzige bedeutende Erfolgserlebnis seines Opfers, Al. Der übergewichtige, unrasierte, alleinstehende, vereinsamte, blutüberströmte Mann stöhnte, noch immer in der Phötusposition liegend, lautstark unter Kurt auf.
Man braucht weniger Kraft um die Schädeldecke eines erwachsenen Mannes aufzubrechen, als ihr jetzt glauben würdet.
Das Opfer versuchte kläglich, seinen letzten Funken an Überlebenskraft zu nutzen, um es seinem Peiniger, den er vor Sekunden noch umarmen wollte, verdammt noch mal heimzuzahlen. Powell sollte für all seine Lügen, seinen grenzenlosen Egoismus, seine Komplexe und seine Schadenfreude büßen.
Wie beurteilt man Gerechtigkeit? Wer hat das Recht, zu beurteilen, was richtig ist und was falsch? Muss diese Entscheidung immer und für alle Zeit zutreffend sein?
„Who you become, is how you're fed.“
Aletheuo (Truthspeaking), DJ Krush feat. Angelina Esparza
„I'm trying to fit it all inside I'm trying to open my mouth wide I'm trying not to choke And swallow it all, swallow it all, swallow it all.“
The Collector, Nine Inch Nails
„Life keeps tumbling your heart in circles 'til you... Let go.“
In The Deep, Bird York
Irgendwo in Europa, 2003 Kurt Powell saß allein auf dem Randstein irgendeiner Straße, in einem Land, in dem er nicht ein Wort der Nationalsprache verstand (geschweige denn das Kauderwelsch, das dessen Einwohner die ganze Zeit daher brabbelten). Nicht, dass ihm das viel ausmachte. Er saß dort, balancierte betrunken eine Flasche Bier in der rechten Hand, stützte sich mit der Linken ab, um nicht umzukippen und dachte über sein Leben nach. So viele Erinnerungen.
Damals war er ein Heiliger gewesen, ein Held. Aber niemand hatte seine Taten zu würdigen gewusst. Niemand hatte ihn verstanden, meistens er selbst nicht. Menschen hatten damals geschrien und geweint, aber er hatte sie verändert. Er hatte ihnen etwas Neues gegeben, das sie allein nie an sich bemerkt hätten. Die Sonne schien ihm ins verbrauchte, gegerbte Gesicht, der Wind presste sich gegen seinen Körper und wehte ihm die letzten grauen Haarsträhnen in die Augen. Er sah den Leuten auf der Straße zu, wie sie an ihm vorbei schlenderten, wie sich Paare umarmten und küssten, wie Kinder lachten. Er beobachtete sie mit einem Lächeln im Gesicht. Einem neidischen Lächeln. Er war jetzt 53 Jahre alt und fühlte sich allein. Er hatte sich erst einmal in seinem Leben so einsam gefühlt, wie jetzt. Doch er war oft allein gewesen. Er musste nachdenken. Über sein Leben, seine Familie, seine Frauen. Er war stark gewesen, hatte mit seiner Arbeit Menschen das Leben gerettet und wurde sogar einmal geliebt. Wirklich geliebt. Bedingungslos. Wann war sein Leben nur in dieses paranoide Wettrennen gegen sich selbst abgedriftet? Was war der Auslöser für den ganzen Schmerz, den er Menschen zugefügt hatte? Für das ganze Blut an seinen Händen? War es sein eigener Schmerz gewesen, den er von anderen zugefügt bekommen hatte? Er wusste es nicht. Aber er würde es bald herausfinden. Das Leben war schon seltsam. Alles hatte damals so unscheinbar und einfach angefangen...
Los Angeles, Kalifornien, 1959 Kurt Powell war ein ganz normaler, durchschnittlicher, achtjähriger Schüler, wie er in der 4. Klasse einer ganz normalen durchschnittlichen Grundschule in einem ganz normalen durchschnittlichen Vorort einer normalen amerikanischen Großstadt sein kann. Das dachte er zumindest. Man könnte auch sagen, er wünschte es sich in seiner perfekten, rosaroten Kindesrealität, die jedoch sehr bald in sich zusammenfallen sollte. Kurt war in den USA geboren worden und wuchs dort mit seinen aus Polen emigrierten Eltern auf, die aufgrund des kommunistischen, kompromisslosen Regimes der Sowjetunion mit viel Glück geflüchtet waren. Seine Eltern hatten nie etwas mit der wirtschaftspolitischen Lage ihrer Heimat anzufangen gewusst, doch vermochten sie erst vor neun Jahren genug Geld zusammen zu sparen, um sich die Ausreise aus ihrer Heimat und den Umzug ins Ausland leisten zu können. Die Vereinigten Staaten hatten damals ein Handelsembargo über die gesamte Union verhängt und jegliche Verwaltung wurde dadurch zentral auf Moskau verlagert, was das Sparen nicht gerade leichter machte. Die beiden Frischvermählten träumten schon lange von einem Haus an der Westküste der USA, wo sie es sich wärmer und sicherer vorstellten. Sie hatten genug von ihrer Heimat, mehr denn je wegen der Drohung Eisenhowers, einen Atomkrieg anzuzetteln. Also setzten sie alles daran, so schnell wie möglich in die Staaten emigrieren zu können. Sie versuchten, sich ein neues, freieres Heim aufzubauen, wie viele andere Familien damals. Die meisten ihrer Freunde waren bereits ausgereist, vor allem in die DDR, nach Westdeutschland oder nach Israel. Irgendwann schafften es die beiden auch wirklich, genug Geld zusammen zu sparen, um sich vier gefälschte Pässe (zwei für ihre noch ungeborenen Wunschkinder) und den Flug leisten zu können und sogar ein wenig Startkapital zu haben. Sie kamen planlos und überwältigt in den Staaten an, Kurts Mom mit ihm selbst hochschwanger. Kurts Dad fand bald einen schlecht bezahlten, harten Job als Bauarbeiter, den er zwar ungern machte, aber keine andere Wahl hatte. Bald zogen sie von einem billigen Motelzimmer in eine kleine Studentenwohnung am Rand von Los Angeles. Kurt bekam von all diesen Schwierigkeiten nicht viel mit - er wuchs, wie der Großteil aller Kinder, in seiner eigenen, kleinen, aber doch unendlich großen Welt in seinem Kinderkopf auf, die von neuen, aufregenden Abenteuern nur so strotzte. Egal, wie viel oder wenig sie sich leisten konnten, Kurt wurde als kleines Kind nie langweilig. Etwa ein Jahr nach seiner Geburt wurde Kurts Mom zum zweiten Mal schwanger und von Dad immer wieder verprügelt, weil sie sich, wie er meinte, kein zweites Kind leisten konnten und der Zeitpunkt gerade überhaupt nicht passte. Daddy meinte, Mom sei schuld an ihrer Schwangerschaft. Er war nervös. Er brauchte ein Ventil, auch wenn er trotz ihrer Geldsorgen selbst ein zweites Kind wollte. Kurt merkte davon nichts, außer dass er beobachtete, wie Moms Bauch langsam größer wurde und sie sich, wie sie meinte, öfters an irgendwelchen Kästen gestoßen hätte. Kurt hatte liebevolle Eltern, wenn man Dads sporadische Wutanfälle nicht mit zählte. Seine Mom wollte nur sein Bestes. Er hatte sich später zwar nie richtig an seine Kindheit erinnern können, doch er hätte sie im Großen und Ganzen wohl für schön und erfüllt befunden - bis er langsam ein individuelles Bewusstsein entwickelte und seine Umwelt plötzlich völlig anders wahrnahm. Der schöne Teil seiner Kindheit hörte auf, als er erkannte, dass er nicht der Mittelpunkt des Universums war, sondern dass es noch so viele andere Menschen um ihn herum gab, die alle unabhängig von ihm existierten und arbeiteten und weinten und Spaß hatten. Und Kurt lernte dies bedeutend früher als jeder andere, den er kannte.
Kurt war mit acht Jahren ein recht mittelmäßiges Kind gewesen. Er war durchschnittlich gut in der Schule, hatte durchschnittlich viele Freunde und 'Feinde' unter seinen gleichaltrigen Schulkollegen, heckte zwischendurch einen Streich aus und benahm sich aber trotzdem die meiste Zeit höflich, wie es ihm von seinen Eltern beigebracht wurde. Doch als er seinen neunten Geburtstag feierte, passierte etwas. Irgendetwas veränderte sich. Kurt begann, seine Umwelt nicht mehr mit den verschleierten, erstaunten Augen eines Kindes zu sehen, sondern begriff – schrittweise, kontinuierlich mit jedem Tag mehr – die wahre Realität um ihn herum. Er begann, die Fehler in dem perfekten Mosaik zu sehen, als das er sein Leben und die ganze Welt bis jetzt betrachtet hatte. Er verstand, wie normal seine Familie wirklich war, wie unperfekt. Warum dies geschah, verstand er nicht, aber er konnte es nicht aufhalten. Es machte ihn traurig, ein Psychologe hätte es depressiv genannt. Kurts Vater hatte seit damals einen neuen, schlecht bezahlten Aushilfsjob, seine Mutter war den ganzen Tag - mit gestohlenen Schmerzmitteln vollgepumpt - zuhause und Kurt spielte draußen mit anderen Kindern, die ihn abgrundtief hassten. So normal war also sein Leben. Eine der vielen unbewussten Dinge, die Kurt schon als Kind registrierte, war, dass er plötzlich nur mehr die Schattenseite aller Menschen sah - was ihrer Meinung nach in ihrem Leben falsch lief und die Wut darüber. So sah sein neues Weltbild aus und es widerte ihn an. Diese besagten Schulkinder hänselten Kurt in den kommenden Wochen oft. Sie schienen die Veränderung in ihm zu spüren und sie gefiel ihnen überhaupt nicht – sie hatten insgeheim Angst vor Kurt oder verabscheuten ihn ... oder sie machten ihn einfach so aus Spaß nieder. Menschen haben seltsamerweise immer Angst vor Veränderung. Wobei Kurt dann meistens keine andere Wahl hatte, als vor den Schlägern wegzulaufen, was ihm klarerweise enormen Respekt unter seinen Schulkollegen einbrachte (ungefähr soviel wie dem Klassenstreber mit einer 10-Dioptrien Hornbrille, exzessiv durch gefetteten Haaren im Seitenscheitel-Look und orthopädischen Korrekturschuhen). Er war ein Kind, dass die Bosheit und die Frustration anderer Menschen zwar wahrnahm, aber nie verstand - und schon gar nicht hinterfragte. Möglicherweise war er dafür zu dumm, zumindest aber zu pragmatisch. Er dachte nicht darüber nach, dass es einen Grund dafür geben könnte, und schon gar nicht, was dieser Grund sein konnte. Er glaubte, dass alles gerecht abliefe und jedem außer ihm selbst sowieso alles geschenkt würde, so naiv wie er noch war. Das machte ihn neidisch. Aber er wusste nicht, was er dagegen machen sollte. Andererseits war Kurt ein Kind, das ein sehr gutes Gespür für die Gedanken und Gefühle anderer hatte. Vielleicht wäre er ein brillanter Psychologe geworden, sogar ein neuer Sigmund Freud, wenn er nur die Chance dazu gehabt hätte; die Zeit, das Geld und den Willen zur Ausbildung. Aber wir wollen nicht abschweifen...
Kurt erfuhr mittlerweile täglich Geringschätzung, Herablassung und Erniedrigung. Seine Mitschüler jagten und verhauten ihn, seine Eltern hatten nichts als Nörgeleien für ihn übrig, seine Lehrer beschwerten sich über seine Noten, die sich dramatisch verschlechterten. Es ging ihm offensichtlich rundum gut! Natürlich ging dies alles ganz und gar nicht spurlos an Kurt vorbei. Aber wie wohl jedes andere Kind in seinem Alter und seiner Situation dies getan hätte, verdrängte er es. Alles. Nun, naja, fast alles. Er war der typische genetisch und psychologisch vorprogrammierte Verlierer, der sich schon so an eine tägliche Abfolge von Enttäuschungen gewöhnt hatte, dass er in seiner infantilen Naivität ein Spiel daraus machte, wie viel Bevormundungen und Zurechtweisungen und Entwürdigungen er am Tag aushalten konnte, bis er kurz vor den Tränen war. Er war in diesem Spiel der ungeschlagene Champion gewesen. Aber er bekam leider nie eine Medaille...
Dann gab es da noch Kurts Bruder Paul, der ein Jahr jünger als er war. Paul war interessanterweise größer gewachsen und muskulöser als der schlaksige, kleinwüchsige Kurt und musste seinen großen Bruder jedes Mal vor den nimmermüden Schulverfolgern und darauf folgenden Abschürfungen und Knochenbrüchen retten. Seltsam, nicht? Tja, dies wiederum ließ Kurt noch lächerlicher erscheinen und ihn zur absoluten Witzfigur der Schule und des Viertels, in dem sie wohnten, avancieren. Alle diese heldenhaften Rettungsaktionen waren jedoch in Wahrheit nur Teil von Pauls eigenem, sadistischen Teufelskreis, den dieser um Kurt spann. Nicht nur, dass Kurt sich wehrlos verprügeln ließ, er ließ sich von seinem jüngeren Bruder retten, der stärker als er selbst war. Das war wirklich der Brüller in seiner ganzen Klasse gewesen. Paul war abgrundtief bösartig, obwohl niemand einen Grund für seinen Hass heraus gefunden hätte. Die ganze Sache wurde wohl durch die Tatsache noch skurriler und komischer, dass Paul seinen großen Bruder absichtlich - also genau aus diesem Grund, dass alle Kurt nurnoch mehr verachten würden – rettete. Nicht, weil er sein Bruder war, sondern weil sie ihn verachten sollten. Weil Kurt ein Würstchen war, ein Verlierer. Weil jeder ihn verachten sollte. Verdammt noch mal alle. Paul war wirklich ein kleiner Teufel.
Eigentlich war Paul ein guter Junge. Er war alles andere als schlecht in der Schule, er spielte niemandem Streiche - außer Kurt, wovon nur sie beide wussten - und war immer pünktlich und gewaschen zum Abendessen da, um vor seinen Eltern wie ein braver Soldat zu salutieren. Kurt fand es lächerlich, doch die Augen ihrer Eltern leuchteten geradezu spürbar vor Stolz. Es fühlte sich an, als würden tausende kleine Nadeln in Kurts Herz gestoßen werden, Sekunde um Sekunde tiefer dringend. Doch er konnte sich nicht wehren, konnte Paul nicht mal verprügeln, weil er wusste, dass er schwächer als sein kleiner Bruder war. Paul bemerkte Kurts Frust sehr schnell und er genoss es geradezu. Wie sehr Kinder doch hassen können... Neid ist wohl eines der wirkungsvollsten Rachemotive. Doch auf was war Paul neidisch? Paul war großartig darin, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und Kurt somit die soziale Hölle auf Erden zu bereiten – nicht mal die Streber hatten Respekt vor ihm. Kurts Eingeweide verkrampften sich regelmäßig vor lauter Wut und Scham, während in Pauls Gesicht ein diabolisches Grinsen eingebrannt zu sein schien. Tag für Tag dieses Grinsen. Tag für Tag diese Erniedrigung. Es war eigenartig. Kurt beneidete Paul wegen dem Stolz ihrer Eltern, wegen seiner Stärke und wegen seiner Lebensfreude. Paul beneidete seinerseits Kurt. Nur nicht mal Paul selbst war klar, warum er Kurt so hasste, so beneidete, so verabscheute. Es war ein Gefühl, das tief aus seiner Seele kam und das er nicht beeinflussen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Aber Paul war zu jung, um das Gefühl hinterfragen zu können, oder zu wollen. Er befriedigte einfach seinen Trieb, besser als Kurt zu sein; Kurt runter zu ziehen. Paul ging es dabei auch gar nicht um das Taschengeld seines Bruders oder Spielsachen, im Gegensatz zu den vier anderen, älteren Schlägern, die Kurt täglich belagerten - deren Namen Kurt nicht einmal wusste. Nicht, dass er sich je dafür interessiert hätte. Nein, Paul ging es allein um Kurts Hass, Kurts Frustration und seine eigene grässliche, süße Befriedigung an Kurts Leid. Ein jüngerer Bruder, der größer war als der Ältere und diesen vor Prügel schützen musste. Zwei Brüder, die sich tagtäglich einen psychologischen Blitzkrieg lieferten. Und Kurt verlor immer. Jeden Tag. Jede Stunde. Und seine Wut darüber brannte sich ein, bis in die hintersten Winkel seines jungen Hirns. Wie gesagt, ganz normal eben, wie bei vielen anderen. Und am Abend kam ihr Vater nach Hause und verprügelte sie beide ganz normal, wie immer.
Dad hatte die unglaubliche Fähigkeit, Kurt und Paul in zeitlich - mit einer erschreckend mathematischen Genauigkeit – in gerade so gewählten Zeiträumen zu schlagen, dass man es nicht regelmäßig nennen konnte und dass es keinem Nachbarn wirklich auffiel, geschweige denn auffallen wollte. Es wäre beinahe komisch gewesen, wenn es nicht so abgrundtief abstoßend wäre.Und er schlug sie nicht etwa, weil sie schlechte Noten hatten oder weil sie mit einem Baseball ein Fenster zerschlugen. Er schlug die Jungs, weil sich einer die Schuhe nicht richtig zugebunden hatte; oder weil einer seinen Scheitel zu mittig gekämmt hatte. Oder aus irgendeinem anderen verfluchten Vorwand, jemand solange zu verdreschen, bis er vor lauterAnstrengung das Pulsieren von Blut in seinen eigenen Händen bemerkte.Es machte Dad verdammt noch mal großen Spaß, es irgendjemandem endlich einmal richtig zeigen zu können - egal ob derjenige ein Drittel seiner Körpergröße maß (wenn überhaupt), oder nicht.Krankhafter Sadismus musste in der Familie liegen.Trotzdem liebten sie ihren Dad. Und sie hassten ihn dafür, aus tiefstem Herzen.Dad arbeitete nun schon einige Zeit in einem italienischen Nobelrestaurant am anderen Ende der Stadt, was eine tägliche Autofahrt von einer knappen Stunde erforderte. Dies hieß jeden Tag weniger Geld und weniger Nerven für Dad.Er arbeitete dort als Bodenwischer, Tellerwäscher, Geschirreinräumer, Müllrausträger, oder anders gesagt 'Sklave für alles' – Drecksarbeit, die eben so anfiel. Unglaublich befriedigend! Jeden Tag mehr am Abgrund des resignierten Wahnsinns, der absoluten Erschöpfung.Das Problem war, Dad fand nichts Anderes. Er konnte nichts Anderes, war zu nichts Komplizierterem fähig. Eine scheinbar angeborene Nervenkrankheit, die aber erst vor wenigen Jahren ausgebrochen war und die seine gesamte Feinmotorik zu einem Lottospiel machte, pendelnd zwischen Ruhephasen und heftigen Schüttelanfällen. Keine Heilmethode. Zu lebensgefährlich und zu komplex - und zu teuer. Viel zu teuer.
Das netteste Wort, dass Dad in diesem Restaurant jeden Arbeitstag zu hören bekam, war: 'Feierabend!', anstatt vielleicht so etwas wie 'Gute Arbeit!' oder 'Danke für deine Hilfe!'. Abgesehen davon war er durch seine regelmäßigen Schüttelanfälle – einer heftigen Impulsentladung der Nerven – zur Lachnummer unter seinen Arbeitskollegen auserkoren.Tja, wie der Vater, so der Sohn. Paul kam wohl eher nach Mom. Nun, wie man sich vorstellen kann, waren Dads Aufstiegschancen in so einer Situation endlos variabel – etwa gleich wahrscheinlich, wie Schneeflocken in der Wüste zu entdecken. Die Worte 'Weihnachtsgeld' oder 'Lohnerhöhung' oder 'höhere Steuerklasse' waren für Kurts Familie ohnehin nicht mehr als geheimnisvolle, bedeutungslose Fremdwörter. Diese Begriffe waren so weit von der Realität entfernt, dass man sie eigentlich nie benutzte, außer vielleicht als eine Begründung dafür, wenn sie sich dieses oder jenes nicht leisten konnten, weil diese Illusionen wie zerbrechliche Wölkchen zerfließen würden, wenn man sie entweihte, ihren Zauber durch zu häufige Erwähnung zerstörte.Von dem Lohn, der für sie vier nicht einmal ansatzweise ausreichte, konnte er nicht mehr als die Wohnung und gerade noch etwas zu Essen für alle bezahlen. Für alles weitere, wie Kleidung, Schulbücher, Möbel oder Spielsachen brauchten sie schon meist das zusätzliche Geld, das ihre Mutter bei gelegentlichen Putzterminen bei reichen Emporkömmlingen und anschließenden Diebstählen verdiente. Mom tat dies allerdings ebenso für ihren täglichen, kleptomanischen Kick als für das Wohlergehen des Familiensparschweins.Falls einer ihrer Kunden einmal bemerkte, dass etwas fehlte und wutentbrannt mit der Polizei drohte, hatte Mom immer sehr überzeugende Gegenargumente, welche sie mit diesen allein besprach... Glücklicherweise warfen diese Termine immer eine überraschend anständige Summe an Geld und Schmuck ab, womit sie sich wenigstens ein wenig besser über Wasser halten konnten. Mom und Dad kamen ja aus dem kommunistischen Osten und die hatte man in Amerika zu dieser Zeit wohl wegen der geographischen und politischen Lage nicht besonders gern, was dazu führte, dass sie auch nicht besonders viel Unterstützung von irgendwelchen Ämtern zu erwarten hatten. Den Menschen reicht einkalterKrieg wohl nicht, sie wollen Action, sie wollen Aggression. Und Hass.
Da wir gerade bei Kurts Eltern sind: Diese hatten – wenn es nach den beiden ging, was eigentlich immer der Fall war - grundsätzlich keine 'normalen' Vornamen, sie waren nur 'Mom und Dad'. Niedlich, findet ihr nicht? Herzallerliebst, oder? Nun, Kurt und Paul hatten kein großes Problem damit. Abgesehen davon, dass sie ihre Eltern nie wirklich als normale, gleichwertige Menschen – wie Freunde oder spätere Vorgesetzte – sahen und sich daher geistig nie komplett von ihnen trennen konnten. Tief in ihrem Inneren, obwohl sie es beide nie zugegeben hätten, waren die beiden Brüder bis zu ihrem Tod immer noch Kinder, die ihren Dad verehrten und ihre Mom liebten. Aber sie waren glücklich, naja, sie versuchten es jedenfalls zu sein. Das war es, was ihr Dad am allermeisten satt hatte - diese Verpflichtung, alles schön und friedlich und unerschütterlich perfekt erscheinen zu lassen. Und immer schön zu lächeln. Kurt wurde irgendwie durch die Schule geschoben mit C's und D’s, seine Frau klaute zeitweise aus Spaßmehr als manche Idioten aus einer Tankstellezerren konnten- er hätte ihr aber nie gesagt, dass er das wusste - und verglichen mit seinem Job war die Hölle mitsamt Fegefeuer ein Wochenendausflug an den See mit anschließendem Familien-Picknick. Dads einziger Lichtblick war Paul, der überaus sportlich begabt war und gleichzeitig gute Noten nach Hause brachte, was Kurt – neben seiner Demut als beschützter großer Bruder - vor lauter Neid und Eifersucht in den Wahnsinn trieb. Paul war (in Dads Augen) ein Abziehbild der ureigensten amerikanischen Anschauung von Perfektion - ein junger, blonder, strahlender, durchtrainierter Captain America, der im Krieg gegen die bösen Kommunisten tapfer seine Heimat verteidigte. Trotz ihrer osteuropäischen Abstammung hatten sie – Mom und Dad – schon immer ein Faible für den amerikanischen Traum, Patriotismus und republikanische Ideale gehegt. Interessante Kombination, oder? In ihrer Heimat hatten sie immer als Spinner gegolten, als Freaks, die man bei jeder Gelegenheit benutzen konnte, um sich selbst aufzuwerten; um über sie lachen und sich besser fühlen zu können. Wäre Paul nicht gewesen, hätte ihr Vater sich sicher mittlerweile in einem Whisky-Vollrausch mit seinem '45er Colt Revolver eine Kugel in den Kopf gejagt. Diesen bewahrte er übrigens - wie jeder andere pflichtbewusste Familienvater - sorgsam unter dem Kopfpolster (und dem militärischen Bürstenschnitt seines Kopfes) auf seiner Seite des Bettes auf.
Kurt hatte von alledem keine Ahnung. Sein Verständnis der unperfekten Realität um ihn herum reichte nicht bis zu seinen Eltern. Er liebte seine Eltern, trotz der Tatsache, dass er täglich angeschrien und runtergemacht wurde. Er dachte - wie wohl alle Prä-Teenager in ihrem Rest von kindlichem, perfekten Idealismus – nicht im Traum daran, dass es seinen Eltern irgendwie schlecht gehen könnte; dass sie Probleme haben könnten, mit denen sie aus belanglosen Gründen niemals fertig werden könnten. Und schon gar nicht daran, dass der Stolz und die Beruhigung, dass ihre Kinder vielleicht doch in ihrem Leben allein bestehen konnten, das Einzige war, was ihnen noch echte Freude bereitete und sie noch am Leben erhielt.Eltern sind für ihre Kinder immer unbesiegbar – wenigstens bis zur Pubertät.Nein, daran dachte er nicht einmal. Kurt schwankte meistens zwischen frustrierter Aggression durch die permanente Aufmerksamkeit, die wie ein Scheinwerfer auf seinen Bruder gerichtet war (anstatt wenigstens manchmal auf Kurt selbst), und resignierter Apathie, die ihm das tägliche Leben aufdrängte - das für ihn größtenteils aus Entwürdigungen und Geringschätzung und unerfüllten Erwartungen bestand. Dabei dachte er übrigens noch gar nicht an seine körperlichen und psychischen Wunden, die ihm jeden Tag durch Paul und dessen Kollegen von Schulterroristen zugefügt wurden.Kurt hätte so ein netter Junge werden können. Wenn man ihn nur gelassen hätte.Er hatte eigentlich keine wirklichen Interessen, ließ sich durch den Tag treiben und wartete verzweifelt auf ein Zeichen, auf eine Spur eines Ziels, das er verfolgen konnte, das er verfolgen wollte, dass einen wirklichen Sinn machte. Einfach irgendetwas Gutes, an dem er sich festhalten konnte. Natürlich fand er nichts. Nichts Ultimatives. Jetzt noch nicht. Die Schule war Kurt, im Gegensatz zu seinem perfekten Bruder, nicht wichtig und sein Dad prügelte sowieso auf ihn ein, ob er nun A’s nach Hause brachte oder F’s. Wahrscheinlich würde sich nicht einmal etwas daran ändern, wenn er an einem Tag eine Auszeichnung als Amerikas klügster, genialster, frühreifster Schüler daher schleppen und am nächsten Tag mit einem blauen Auge nach Hause kommen würde, weil er seinen Lehrer als Schwuchtel beschimpft hätte.Aber Kurt war seinem Dad deswegen nicht böse. Natürlich wurde er während der Schläge rasend wütend, aber er hätte nie zurückgeschlagen. Er verstand irgendwie langsam, warum sein Dad das tat. Das tun musste.Dad war unzufrieden und machtlos, etwas daran zu verändern. Dad hasste sein Leben. Und ihm fehlte einfach die Kraft dazu, den unbegabteren, unfähigeren Sohn von beiden auch noch abgöttisch zu lieben.Es waren nicht mal die Schläge, die Kurt jedes Mal dabei die Tränen in die Augen schießen ließen, es war das Schluchzen und Weinen seiner Mutter aus der Küche.Es war die Hilflosigkeit, die absolute Gewissheit, dass sie selbst nichts dagegen unternehmen oder es gar verhindern konnte.Und Mom wusste auch gar nicht, was sie anderes hätte tun sollen, als ihren Mann anzuschreien und irgendwie von den armen, blutenden Jungs loszureißen, ihm ein kaltes Bier in die Hand zu drücken und ihn mit allen Mitteln, davon abzulenken, nochmal die harte Faust niedersausen zu lassen; ihn nur irgendwie aus der Wohnung kriegen, und wenn sie ihn buchstäblich aus der Tür schieben musste. Als sich alles wieder beruhigt hatte, pflegte sie ihre Söhne, so gut es ging mit den wenigen Medikamenten, die sie sich leisten konnten, oder die sie bei den Nachbarn unentdeckt mitgehen hatte lassen. Sie konnte sich nicht wehren. Sie konnte nur weinen, pflegen, trösten und verdrängen.Da Kurt Powell als Kind nie der wirklich hellste Kopf gewesen war, hatte er einen kleinen Wunschtraum, den er seiner Mutter immer nach den (mehr oder weniger) sporadisch stattfindenden Prügel- und ihren anschließenden Pflegeepisoden erzählte. Wenn sein Dad einmal tot wäre (was er nur in leisestem Flüsterton zu sagen wagte), würde er ihn begraben und dann seine Mom heiraten und sie müsste dann nie mehr weinen.Wenigstens schaffte er es damit - wenn auch nur für ein paar Minuten -, dass sie lächeln musste, egal wie kindlich und naiv sich das anhörte oder wie ernst sie ihn dabei nahm. Dabei sah Kurt sie jedes Mal in ihre blonden, langen Haare weinen, die - an manchen Stellen schon früh grau geworden und verzweifelt wieder hellblond gefärbt waren - ihr in vollen Strähnen vom Kopf ins müde, faltendurchzogene Gesicht fielen.Kurt besaß soviel Mitleid, soviel Leidenschaft und soviel Dummheit. Das Mitleid wurde ihm jedoch durch die tägliche emotionale Folter immer stärker genommen.
Dad redete viel über Krieg, vor allem über den einen Krieg, der gerade in Vietnam (oh, Entschuldigung - in Charlie-Land) wütete. Mittlerweile hatte sich die gesamte Familie von ihren polnischen Wurzeln entfremdet und vollkommen dem amerikanischen Patriotismus jener Zeit verschworen. Ein Lehrbuchbeispiel für den echten 'american way of life'. Dad war in seinem Element. Er saß, von seinen beiden Jungs, drei ihrer Freunde und zwei Six-Packs Dosenbier umringt, auf einem alten vergilbten Campingsessel im Innenhof des Apartmentblocks, in dem sie alle wohnten. Vor Dads Füßen stapelten sich schon ein paar Dosen und sein Mundwerk war im Gegensatz zu sonst schon ordentlich gelockert „Ich bin wirklich froh,“, meinte Dad überschwänglich, „dass den verdammten Charlie-Schweinen endlich mal gezeigt wird, wo der Hammer hängt. Wir Amerikaner sind doch nicht irgendwelche verweichlichten Schwuchteln, die man herumschubsen kann, wie es einem gefällt.“ Mom und Dad hatten sich bereits seit ihrer Ankunft in den Staaten als wahre Amerikaner bezeichnet, was sie genau genommen rechtlich ja auch waren.„Jetzt, wo diese Scheiß-Kommunisten-Wichser anfangen, diesen verdammten Ho-Chi-Minh-Pfad zu bauen“, meinte ihr Vater mit einer Dose Bier in der Rechten und immer lauter werdender Stimme, die geballte linke Faust immer wieder auf den linken Oberschenkel knallend, „jetzt fängt sie an, die Zeit für unser Land zu KÄMPFEN, uns vor dem Feind zu verteidigen!“Dad dachte dabei, wie viele andere Amerikaner dieser Zeit, nie an die Zehn- und Hunderttausende von toten, bäuerlichen Zivilisten und die sich gegenseitig über den Haufen knallenden Soldaten des Nordens, Südens und Amerikas. Und schon gar nicht daran, dass der Konflikt Jahre andauern würde, ohne ein nennenswertes Ergebnis zu liefern – außer die amerikanische Wirtschaft dramatisch aufzubessern -, bis es zum tragischen Ende kommen sollte.Sie als Amerikaner müssten, brauste Dad auf, endlich aufwachen und kapieren, dass der Kommunismus immer weiter vordringe und dass man dies verhindern müsse und Paul würde ihnen schon allen zeigen, zu was ein Amerikaner fähig wäre, wenn seine Zeit einmal in ein paar Jahren kommen würde, diesen elenden Dreckskerlen.Jetzt redete er schon wieder über Paul. Nie lobte er Kurt! In solchen Momenten hätte er Paul erwürgen können. Immer nur Paul dies, Paul das! Dad sollte ihn endlich auch einmal so ansehen! Er hasste Paul! Er hasste ihn wirklich. Aber er hatte nie den Mumm gehabt, sich zu wehren. Oder die Kraft. Oder die Skrupellosigkeit. Und Paul wusste das ganz genau, als er ihn jedes Mal mit einem triumphierenden Lächeln ansah, wenn Dad ihm den Kopf tätschelte und Kurt ignorierte.
Nachdem Dad sein fünftes Dosenbier in einem Schluck hinunter gewürgt hatte und lautstark rülpsen musste, fuhr er mit seinem Monolog vor den Söhnen und drei ihrer – oder eher Pauls - besten Freunden an einem sonnigen Samstag Nachmittag im Innenhof ihres Häuserblocks fort. Sie waren mittlerweile von einem Kranz umgeben, der aus auf Dads Stirn zerdrückten leeren Bierdosen bestand. Dad schrie in der Zwischenzeit - schon mehr als leicht berauscht - Eisenhower hätte noch Prinzipien. Er kreischte schon zwischen kurzen, sich abwechselnden Hust- und Würganfällen. Dad hatte sich wohl verschluckt. Trinken und Luft holen gleichzeitig war keine gute Idee, erkannte er. Sie, da sie ja noch Kinder wären, würden sich nicht erinnern können, aber vor ungefähr zwei Jahren hätten diese Idioten im Kongress endlich Eisenhowers Vorschlag zugelassen, die verkackten Sowjets aus dem mittleren Osten raus zu drängen und selbst Truppen hin zu schicken. Das sollten sie (die Kinder) sich merken, dies wäre die 'Eisenhower Doktrin' gewesen und das wäre das einzig Richtige gewesen und er (Dad) hätte das ganz genauso gemacht. Was interessierte Kurt schon irgendeine doofe „Eisenhower-Dohtrien“? Was sollte das überhaupt sein? „Was aber ein verdammter Fehler war“, meinte Dad schon unverständlich nuschelnd, aber sehr laut, „war als eure Politiker vor ein paar Monaten Castros beschissene Kommunisten-Regierung in Kuba zugelassen haben. Wozu soll der Mist gut sein? Aber einen gibt es, das sag' ich euch, der eine Wende herbeiführen wird. Der es ihnen allen zeigen wird. Einen, der genau weiß, wie man was an zu packen hat.“ Er meinte Senator Joseph McCarthy. Dads Gesicht formte sich zu einem benebelten, verehrenden, fast verliebten Lächeln. Dieser McCarthy wüsste, wie man mit diesem Gesocks von sozialistischen Bastarden umzugehen hätte. Während diesem vor Stolz überschäumenden Monolog fing er durch die schnell zunehmende Alkoholmenge in seinem Körper immer stärker an zu lallen. Kurt wunderte sich, was mit seinem Vater auf einmal los war. Natürlich verstand er Dads momentanen Zustand nicht. Die Kinder hatten ihrem Vater noch nie vorher beim Trinken zugesehen und hatten auch das Verhalten der wenigen Betrunkenen, die sie bis jetzt gesehen hatten, nie mit besonderem Interesse studiert. Sie hatten keine Ahnung, wie Dads gegenwärtiger geistiger Zustand aussah. McCarthy würde „'en verhammt'n Kowunjismus en'lich volstän'ig auslöshn“, damit endlich alles richtig in der Welt liefe, brachte Dad noch brüllend hervor, bevor er schallend rülpsen musste und sich beinahe übergeben hätte. Er hatte bereits mehr als genug, was unmissverständlich durch den Speichelfaden angezeigt wurde, der sich allmählich seinen Weg von Dads Gesicht bis zum Boden bahnte.
Drei Monate später - das wusste er natürlich da noch nicht - würde Kurt eine Sondersendung der Abendnachrichten sehen, in der eine Ansprache eines pausbäckigen Senators mit Halbglatze gezeigt würde. Der Senator würde über den fernen Osten und die Gefahr sprechen, die sich dort befände. Er würde davon reden , dass diese Gefahr sogar schon auf Menschen des Westens übergegriffen hätte und dass dies die fürchterlichen Auswirkungen des Kommunismus seien, welche man unverzüglich ausrotten und im Keim ersticken müsse. Er würde zudem noch einen Wissenschaftler, zwei Schriftsteller und sogar einen seiner Kollegen des Kongresses anklagen, kommunistische Aktivitäten betrieben zu haben und sich „anti-amerikanisch“ verhalten zu haben. Oder etwas in der Richtung. Drei dieser vier Leute waren Jugendfreunde ihres Dads gewesen, als sie als jung verheiratetes Paar voller Hoffnung in die USA gekommen waren, Mom mit Kurt schwanger. Diese vier unterschiedlichen Leute, die sich nicht wirklich gekannt hatten (und ganz nebenbei vollkommen unschuldig waren) würden gezwungen werden, ihre Familie, ihre Freunde, ihre Arbeit, ihre Häuser und ihren Ruf aufzugeben und sollten ohne finanzielle Mittel nach Europa oder sonst wohin abgeschoben werden - Hauptsache weit weg, wohin interessierte das Gericht eigentlich gar nicht so sehr. Kurt würde für etwa zehn Sekunden ausdruckslos und desinteressiert auf den Fernseher starren und ihn danach abdrehen. Sein Vater würde nie etwas davon erfahren.
Dad öffnete sein achtes Bier, bevor er mit seinen Lobeshymnen über McCarthy fortfuhr. Kurt und Paul hatten keine Ahnung, von wem ihr Vater da überhaupt redete und ihre Freunde natürlich auch nicht. Es war Kurt auch egal, aber wenigstens tätschelte sein Vater ihm jetzt manchmal auch den Kopf, wenn er über irgendwelche Politiker und Amerika redete und einen stolzen Glanz in den Augen bekam, anstatt sie beide zu schlagen oder an zu brüllen.Außerdem fiel ihm bei dem ganzen Politik-Gefasel der Schulausflug zum Pentagon ein, auf den er sich schon freute. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was ihn dort erwarten würde...Aus seinen Gedanken gerissen, horchte Kurt auf, als sein Vater, der gerade wieder etwas ruhiger geworden war, vor Ärger und Frustration wild mit den Armen in der Luft gestikulierte. Er referierte gerade darüber, wie man in Gottes Namen einen Diktator praktisch vor der eigenen Haustür (in Kuba) ungestraft sein anti-amerikanisches, dreckiges Treiben zulassen konnte. Dad hatte es nie besonders mit Fremdworten und die wenigen, die er kannte und benutzte, waren bald ausgeschöpft. Trotzdem wiederholte er sie immer und immer wieder, wohl um intelligenter wirken zu wollen. Wie man sehen kann, hat es nicht ganz den gewünschten Effekt, aber Kurts und Pauls Dad ließ sich darin nicht beirren, von niemandem.Wie jemand es von einer Regierung wie der ihren abgesegnet bekommen konnte, brauste Dad weiter, sein terroristisches Gift in die Köpfe anderer Menschen hinein bringen zu dürfen. Nun gingen Dad endgültig die Redewendungen aus...Paul starrte wie gebannt mit vor Staunen und Stolz und Patriotismus leuchtenden Augen auf ihren lallenden, stockbesoffenen Vater.(Platsch! Igitt! Was zum ...?)Sie wurden abrupt und unvermittelt von einem Schwall Abwaschwasser aus dem dritten Stock des Blocks unterbrochen, vor dem sie auf dem Asphalt inmitten der leeren Bierdosen hockten.Weiters wurden sie recht ungehalten von einem anderen Unbekannten darauf hingewiesen, dass es mittlerweile 10 Uhr abends wäre und dass manche Menschen morgen um fünf Uhr früh aufstehen und zur Arbeit hetzen müssten und dementsprechend gern schlafen würden.Nach einer nicht weniger rohen Antwort von Dad machten sie sich also alle auf den Nach-Hause-Weg, als ihnen plötzlich eine merkwürdige, dunkle Gestalt entgegenkam.
Die Gestalt war ganz in schwarz gekleidet, trug einen wallenden, langen Wintermantel und hatte eine dunkle Kapuze über dem Kopf, so dass man nur schwach sein bleiches, ausgelaugtes Gesicht erkennen konnte.Seine Augen schienen aufgequollen zu sein und die Ringe darunter verstärkten diesen Eindruck nur noch. Er schien müde, aber noch lange nicht erschöpft zu sein.Kurt konnte nicht genau bestimmen, ob die schwarzgrauen Flächen im Gesicht des Obdachlosen, das bis unter die Augen von der Kapuze verdeckt wurde, ein Stoppelbart oder Dreck war. In den Augen des Unbekannten entdeckte Kurt eine müde, resignierte Ausdruckslosigkeit, die er nie zuvor gesehen hatte. Die Gestalt schien irgendwie verdächtig, vertraut und besonders...Gleich darauf flackerte ein böses, beunruhigendes, sicheres Lächeln in dessen Gesicht auf, das Kurt unwillkürlich erzittern ließ. Es war das Gesicht eines Mannes, der einen Plan hatte, einen düsteren Plan.Zu was ist ein Mensch wohl fähig, wenn er lange genug vom Leben gefickt wurde? Lange genug am Abgrund menschlicher Belastbarkeit lebte?Woher kannte Kurt nur diesen Typen? Diesen Blick... Warum fühlte er sich plötzlich, als hätte er ihn irgendwo schon einmal gesehen...? Und wieso lächelte der Penner ihn so komisch an?... Konnte er selbst auch mal so enden, wie dieses Wrack eines Menschen?
Die Gestalt sieht Kurt einen Augenblick lang an, lächelt und wendet sich seinem Vater zu. Während der Obdachlose seinen Kopf zu Dad dreht, ist Kurt, als ob ein merkwürdiges, Angst erzeugendes, bläulich-weißes Glühen von diesem ausgeht, wie die leuchtende Korona der Sonne. Der Typ ist irgendwie nicht er selbst ...Kurt bekommt schreckliche Angst, gefolgt von einer dunklen, dunklen Vorahnung. Er will rennen. Er zieht Dad am Ärmel, doch dieser reagiert nicht darauf. Anschließend sieht er nur mehr alles wie in Zeitlupe ablaufen.Kurt denkt: „Dad, Dad, muss aufpassen! Er ist in großer Gefahr! Ich spüre es!“ Er fleht, dass seinem Dad nichts passieren darf. Kurt ist starr vor Angst.
Er hatte ihn gefunden! Endlich hatte er den Jungen gefunden! Er war schon seit Jahrzehnten, vielleicht schon seit Jahrhunderten auf der Suche nach ihm und nun stand er vor ihm, dieser kleine, verängstigte Junge mit seinen glasigen Augen, der alles verändern würde. Oder der, der alles beenden würde. Aus dem Augenwinkel sah er seinen eigenen, langen Mantel im Wind flattern und musste an seine unglaublich lange Reise denken, die nun wohl zu Ende war. Hoffentlich. Er war schon gespannt, wie Kurt die erste Prüfung bestehen würde... Er sah den Jungen einen Augenblick direkt an und musste kurz lächeln. Er konnte Kurts Panik spüren, wie sie sich langsam in eine dunkle Vorahnung verwandelte. Danach wandte er sich Kurts Dad zu, öffnete den Mund und ließ die erste Prüfung beginnen.
Es war nichts Sichtbares, aber Kurt war wie vom Blitz getroffen vor Schreck und Neugier und dumpfer Verwirrung. Er blieb stehen und beobachtete den Obdachlosen mit weit aufgerissenen Augen.Er fühlte sich merkwürdig, als würde er einem alten Freund begegnen, den er ewig lang nicht gesehen hatte (was in seinem Alter wirklich schwierig gewesen wäre). Als hätte er einen verschwundenen Vater nach unendlich vielen Jahren wieder gefunden. Doch sein einziger, wahrer Vater stand doch zwei Schritte rechts neben ihm!Was war nur mit ihm los? ... Dieses Glühen ... Was passierte mit ihm?Kurt konnte sich dieses Glühen nicht erklären. Es war wie eine Aura, die um diese Person herum strahlte, wie ein umgekehrter, bösartiger, wissender Heiligenschein.Es faszinierte Kurt, er war gebannt, wie eine Motte von einem Lichtstrahl, der der Sonne gleichkam, gebannt sein musste. Sie bewirkte ein unheimliches, wohliges Gefühl in Kurt. Er war unfähig, sich zu bewegen, wie in Trance.Sein Verstand sagte ihm, dass es einfach nicht da war, nicht existierte. Er war nicht sicher, ob er sich das nur einbildete, aber er konnte es fast physisch spüren. Es war wie Elektrizität, die von diesem Menschen ausging.Die Gestalt fragte Dad, ob dieser nicht ein bisschen Kleingeld für ihn hätte. Kurt hätte sich – trotz seiner impulsiven Angespanntheit - nicht im Traum die kommende Katastrophe ausmalen können...Kurts Vater beobachtete die Gestalt für drei Sekunden, überlegend, abtastend, ging einen Schritt auf ihn zu und sagte: „Glaubst du, ich hab für deinen arbeitslosen Arsch auch nur einen Cent übrig, du drogensüchtiges Stück Scheiße?“ Paul trat hinter Dad ein paar Schritte vor und wartete angespannt, nervös, aber bereit auf die Reaktion der Gestalt. Dieser beobachtete seinen Gegner seinerseits für einen Augenblick, noch immer diabolisch grinsend und ging langsam auf die drei zu. Binnen vier beschleunigenden Schritten hatte er sie erreicht, im dritten ein Klappmesser ziehend. Dad befahl seinen Söhnen, sie sollten rennen.Kurt blieb wie angewurzelt stehen – sein Gesicht vor Horror kreidebleich - und starrte die Gestalt an, die mit dem Messer in der Hand weit ausholte und auf Dads Brust zielte.Dad wich zurück und verpasste der Gestalt überraschend schnell eine gerade Rechte. Der Angreifer wankte benommen einen Schritt nach hinten und stieß, sich nach vorne lehnend, danach sein Messer in Richtung Dads Bauch. Paul versuchte, die Magengegend der Gestalt - wie ein Footballspieler beim Tackling - mit seiner Schulter zu erwischen, traf aber den flink nach rechts ausweichenden Feind nicht und musste einen harten Stoß von dessen linken Ellbogen einstecken, bevor er bewusstlos zu Boden ging.
Kurt erwachte aus seiner Starre(Was soll ich tun, was soll ich nur tun? Bitte Gott, sag' mir, was ich tun soll!)und rannte verängstigt und hilflos auf den Wohnblock zu. Ihr Vater wich selbst nach rechts aus, aber das Messer streifte ihn an seiner linken Seite, unterhalb des linken Brustmuskels, an den Rippen.(Oh nein, Dad beginnt zu bluten... Dad!)Dad verlangsamte geschockt und mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Bewegung. Die Gestalt schaltete schnell und riss das Messer hoch zu Dads Halsschlagader.(Dad wird sterben! Verdammt, was soll ich nur tun?)Dad konnte seinen Kopf gerade noch rechtzeitig nach hinten werfen - sein Hals blieb vorerst verschont - doch das scharfe Messer schlitzte ihm erbarmungslos die gesamte linke Wange auf. Dad schrie vor Schmerzen und Überraschung und sank auf die Knie.(Dad!!! Nein!!!)
Dad konnte Blut in seinem Mund schmecken, den verdammten, verhassten, geilen, metallischen Geschmack, der über Leben und Tod entschied.Er konnte die Wärme seine Kehle hinab rinnen spüren, das Adrenalin in sein Gehirn schießen und ihn kurz mit neuer Kraft beleben fühlen. Die Zeit, um zu kämpfen, war gekommen. Dieser Bastard durfte nicht lange genug weiterleben, um seinen Triumph auskosten zu können!
Kurt sieht – noch immer wie in Zeitlupe - das Blut aus Dads Gesicht laufen, wie einen kleinen roten Wasserfall. Die Gestalt hält für eine Sekunde inne und reißt dann – Dads Schock ausnutzend – das Messer weiter bis übers linke Auge, das mit einem feuchten, schmatzenden Laut entzwei flutscht.Kurt sieht, wie Dads Blut von seinem früherem Auge auf seine Brust rinnt und schließlich auf dem Boden eine kleine Pfütze bildet. Die Überreste seines Auges hängen an den Nervenbahnen vor den zwei Hautfetzen herunter, die früher mal seine Wange gewesen waren, und baumeln tot hin und her.
Paul lag noch immer etwas abseits bewusstlos am Boden. Dad wollte sich mit letzter Kraft auf den Angreifer stürzen, aber die Gestalt erkannte seine Chance, sprang ausfallend nach links - wie ein Torero während eines Stierkampfs - und riss mithilfe des Messers Dads Kehle entzwei.Eine Fontäne von Blut schoss aus seinem Hals, bevor er kläglich noch mit letzter zuckender Kraft versuchte, den Angreifer – röchelnd am Boden liegend - am Knöchel zu packen.Danach fiel Dads Kopf bewusstlos mit einem Gurgeln zu Boden.Dad bewegte sich nicht mehr, atmete nicht mehr. Sein regungsloser Körper lag in einem See aus Blut, sein Gesicht und Hals grauenhaft verstümmelt. Wie ein antiker griechischer Held, der sein tragisches, aber ehrenvolles Ende gefunden hatte, lag er dort, während die untergehende Sonne ihre letzten, hämischen Strahlen auf seinem glitzerndem Blut tanzen ließ.Gute Nacht, süßer Prinz...
All das beobachtete Kurt zitternd, hinter einem etwas entfernten Baum versteckt(WARUM?! WIESO, VERDAMMT NOCHMAL?! WIE KANN DAS SEIN? DAS KANN NICHT WAHR SEIN!!!)und Tränen schossen ihm in die Augen. Er spürte zum ersten Mal die absolute Hilflosigkeit, die Ungerechtigkeit und die Enttäuschung.Sein Kopf war gähnend leer und gleichzeitig gefüllt mit tausend Gedanken, die jede Sekunde durch die Windungen seines traumatisierten Gehirns rasten.Am liebsten wäre er aufgesprungen, zu Dads Mörder gelaufen und hätte dessen Schädel immer und immer wieder gegen den nächsten Randstein der Straße gehämmert, solange, bis die Sonne untergehen würde. Aber er konnte es nicht. Er konnte sich nicht bewegen. Er wusste nicht wie.Er war wie gelähmt vor Angst, als wäre sein ganzer Körper wegen Blutarmut eingeschlafen. Seine Gedanken kreisten darum, dass Dad nicht tot war, nicht tot sein konnte; nicht tot sein durfte.Zu viel Angst, zu viel Schmerz. Mehr als genug, um die Scheuklappen in Kurts Geist zuschnappen zu lassen und alles aus zu blenden. Nun, zumindest so viel wie möglich.So ist das Leben, könnte man annehmen.
Paul kam wieder zu sich, überall mit Blutspritzern bedeckt. Er kniete sich - vor Schock wie schläfrig benommen - neben Dad hin und starrte, noch vom früheren Schlag betäubt, ungläubig auf dessen blutgetränkte Leiche. Langsam erst dämmerte ihm die harte, schreckliche Realität.Zuerst erkannte er den Körper gar nicht und dachte, es wäre der Penner, der dort lag, von seinem großen Helden niedergestreckt. Erst als er zum Gesicht der Gestalt vor ihm hinauf blickte, erkannte er die Situation wie sie wirklich war.(Dad? Was...? Wie...? Wieso? WIE IST DAS MÖGLICH, GOTTVERDAMMT??? dachte Paul)Paul hatte plötzlich einen Impuls, gegen die Leiche zu treten. Noch mal und noch mal und noch mal. Dads totem Körper ins Gesicht zu schlagen und sich weinend auf seinen breiten, bewegungslosen Brustkorb sinken zu lassen und solange zu weinen, bis sein ganzer Körper keinen Tropfen Wasser mehr in sich haben würde und elendiglich neben seinem Helden verrecken würde.Er folgte diesem Impuls natürlich nicht, sondern setzte sich neben das, was von Dad noch übrig war und starrte ausdruckslos, abgestumpft, geschockt in die sternenbefüllte Leere, zum dunklen Horizont.Die Söhne konnten beide noch nicht glauben, was sie da sahen, sie wollten es nicht glauben, als sich die Gestalt über Dads Leiche beugte, die 50 Dollar aus seiner Brieftasche nahm, sich in Kurts Richtung drehte und ihm zurief: „Das Leben ist nicht fair, mein Junge, sondern eine Hure. Das musst du wie jeder andere auch lernen. Du bekommst nur, was du auch gibst... Oder geben wirst.“Er machte eine Pause, Paul (der hilflos und bewegungs-unfähig neben seinem toten Dad kniete) vollkommen ignorierend - mit seinem Blick starr den Baum fixierend, hinter dem Kurt erstarrt und zitternd hockte.Kurt war paralysiert vor überschäumender Furcht, er hätte weder wegrennen, noch kämpfen, noch schreien können. Nun war sein Kopf leer, einfach leer, ganz und gar leer.Beide – die Gestalt und Kurt - schienen abzuwarten, ob der Andere etwas erwidern würde, doch beide blieben stumm.Schließlich nach einem langen, mystischen Augenblick, brach die Gestalt die Ruhe und meinte lächelnd: „Ich weiß mehr über dich als du ahnst, Kurt. Wenn wir uns wiedersehen, wirst du es vielleicht verstehen. Ich hoffe, du erkennst mich, wenn es soweit ist. Denke über meine Worte nach, Kurt.“Ohne Paul eines einzigen Blickes zu würdigen, drehte er sich um und verschwand, verwirrt und desorientiert, in eine scheinbar frei gewählte Richtung, als wüsste er nicht, wie er hierher gekommen war. Das Glühen um die Gestalt herum war verschwunden.
Kurt schrak schweißgebadet aus dem Traum auf und setzte sich im Bett aufrecht hin.All das, der Innenhof, die Bierdosen, das Kopftätscheln, und der Tod Dads, alles war nur ein irrsinnig realistischer, entsetzlich langer, schrecklicher Albtraum gewesen.Er bekam riesige Angst, als sich eine dumme, aber fürchterlich beständige Ahnung in ihm breit machte: was, wenn dies wirklich geschehen konnte... Was, wenn das ein Zeichen gewesen war... Es war so real für ihn gewesen. Er schüttelte den Gedanken mit einer leichten Ohrfeige, die er sich selbst verpasste, ab und fragte sich selbst, was nur mit ihm los war. Er brauchte fünf Minuten, bis er zu verstehen begann, dass das Ganze nur ein Traum gewesen war, dass sein Dad lebte und wohlauf war. Er keuchte und weinte und redete sich ein, dass das alles nicht wahr sei. Trotz allem blieb es nur ein Traum ... richtig? Diese fünf Minuten kamen Kurt wie Jahre vor, die er auf seinem Bett saß, weinte und sich selbst ohrfeigte, wie es sein Dad nicht besser hätte tun können. Schließlich stand er mitten in der Nacht auf und schlich zum Schlafzimmer seiner Eltern, um wirklich sicher zu gehen. Er drückte die - zu einem Spalt geöffnete – Tür etwas weiter auf und sah beide in der Dunkelheit selig in ihren getrennten, einen Meter auseinander gestellten Betten schlafen.
Einen Monat später starb ihr Dad auf genau diese Weise. Auf dem Heimweg ausgeraubt und aufgeschlitzt, Paul allein zurücklassend.
Los Angeles, Kalifornien, 1960 Nicht ganz ein Jahr war vergangen. Kurts zehnter Geburtstag war erst wenige Wochen her und der Grad an Respekt, den ihm die Gleichaltrigen entgegenbrachten, hatte sich nicht im Geringsten verändert; bis auf die Tatsache, dass sie ein Jahr älter waren und nun auf noch grausamere Gemeinheiten kamen, die ihn in noch tieferen Zorn, Trauer und grimmige Wut zu versetzen vermochten. Doch wenigstens wurden die meisten Kinder mittlerweile zu faul für körperliche Erniedrigungen, sondern beschränkten sich auf psychologische, teilweise unbewusste Kriegsführung. Das Leben ohne Dad kam Kurt merkwürdig vor. Er vermisste seinen Vater zwar, wusste aber nicht, was ihm eigentlich genau an Dad fehlte. Er wurde nur mehr selten geschlagen, hatte die ungeteilte, traurige und frustrierte - aber nichtsdestotrotz aufopfernde - Aufmerksamkeit seiner Mutter (wie wohl jedes Kind die seiner Mutter hatte, wenn sie nur einen Funken Liebe in ihrer Brust besaß) und keiner machte ihm irgendwelche nervenden Vorschriften, die er sowieso nicht eingehalten hätte. Aus Vorsichtsmaßnahmen wurde Kurt für sechs Monate nach dem Tod seines Vaters und dem Verschwinden Pauls in zur langfristigen Beobachtung in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort dröhnte man ihn mit Beruhigungsmitteln und Kinderpsychopharmaka zu und setzte ihn weit verwirrteren Leuten aus, als er selbst es war (zumindest seiner Ansicht nach). Das war wohl auch einer der Gründe, warum er ausrastete. Kurt hielt seinen eigenen Psychostress bereits kaum aus und nun bekam er den auch noch von außen durch die restlichen Patienten. Während einer der letzten Beobachtungssitzungen mit einem verkrampften Anfänger von Kinderpsychologen, der wirklich mit aller Gewalt cool wirken wollte, brach alles aus Kurt heraus. Er sprang von dem mattgelben Plastiksessel auf, begann zu schreien, riss den Sessel in die Höhe und schleuderte ihn direkt in das verhasste Gesicht des Psychologen. Zu dessen Glück traf Kurt nur den übergroßen Schreibtisch aus Eichenholz, an dem sie wochenlang gesessen und leere Belanglosigkeiten besprochen hatten. Der Tisch löste sich sogleich krachend in mehrere Bestandteile auf. Die professionelle Schlussfolgerung des Psychologen bestand nun darin, dass er von dem Kerl, bei dem er diesen Tisch selbst gekauft hatte, voll und ganz aufs Kreuz gelegt worden war. Kurt war im Vergleich dazu relativ unwichtig. Diagnose: völlig behämmert. Durchgeknallt. Natürlich in elegantem Ärzte-Latein verpackt. Sofortige Maßnahmen der Ruhigstellung und Isolation seien zu treffen, um weitere Gewaltausbrüche und Verletzungsgefahren gegenüber der Umwelt zu minimieren.
Kurz gesagt: Kurt wanderte in Zwangsjacke und Gummizelle. Als Zehnjähriger, der seinem Vater zuerst im Traum beim Sterben zugesehen hatte und wenige Wochen später von seinem tatsächlichen Tod erfuhr. Die meisten Menschen sind verrückt - oder sie werden es.Kurt langweilte sich nicht in der Zelle. Die unauflösbare Stille zauberte Phantome in sein hilfloses Gehirn; die kahlen, weißen, gepolsterten Wände fühlten sich gleichzeitig so warm und doch so kalt an; die Jacke, die es ihm verbot, sich an juckenden Stellen zu kratzen, die aber so verzweifelt danach schrien, gekratzt zu werden: Stirn, Hals, Arme, Schenkel. Alle schrien sie stundenlang vergeblich.Das kann einen normalen Menschen in den Wahnsinn treiben - und Kurt war alles andere als normal, findet ihr nicht? Zuerst fürchtete er sich schrecklich, da er eine solche Behandlung noch nie erfahren hatte, dann schwankte die Angst durch die ihm verabreichten Mittel schnell in benommene Gleichgültigkeit um. Er konnte das Blut in seinem Kopf pochen hören, wie der Trommelschlag eines Sklaventreibers. Er war ums Tausendfache sensibler auf seine Umwelt geworden, als er es vorher ohnehin bereits gewesen war - und was ihm obendrein noch erst die Probleme verschafft hatte, in denen er jetzt steckte. Die Lautstärke der Geräusche, die wirklich auf ihn ein hallten und nicht nur als Echos in seinem Kopf zirkulierten, hatten sich ebenfalls um das Tausendfache verstärkt.Das rostige Kratzen des Schlitzes in der Tür, wenn ihm sein Essen gebracht wurde. Das helle Klimpern der zahlreichen Schlüssel auf dem Bund der Wärter, die Tag für Tag gelangweilt während ihrer Aufsichtsrunden durch die Gänge schlurften. Das alte, schrille Scheppern und Klirren des uralten, furchterregenden Rollstuhls, in dem er zu Therapien und Untersuchungen gebracht wurde; er bekam jedes Mal Gänsehaut von den metallenen Armlehnen des Rollstuhls, die ungepolstert und hart waren und sich jeden Tag kälter anfühlten. Der Rollstuhl stank, als wäre jemand darin gestorben. Wahrscheinlich stimmte das sogar.Kurt konnte nicht genau bestimmen, wie viel Zeit er in der Gummizelle verbrachte – Stunden, Wochen, Monate? -, doch irgendwann kam seine Mutter ihn abholen. Genau so benommen, wie er. Sie war süchtig nach Schmerzmitteln, schon seit Jahren. Kurt hatte das nie bemerkt. Bis jetzt.Eine Woche war er dort in der Zelle allein mit sich selbst und der Stille gewesen. Seine Gefühle in Bezug auf seine Familie waren wie fortgeblasen. Weit weg. Dumpf. Unscharf. Ohne Belang.Letztendlich wurde Kurt wieder in die Schule eingegliedert und war durch die Gerüchte, er habe einen Lehrer verprügelt, wäre in der Klapsmühle gelandet und wieder ausgebrochen, populärer als je zuvor. Nun war er nicht mehr nur der Schultrottel, sondern der Schulfreak.Kurts größtes, gegenwärtiges Problem war, dass mit Dad (und kurz darauf Paul) seine Beschützer vor den blutgeilen Mitschülern verschwunden waren. Nun hatte er niemanden mehr, der ihm die gelangweilten, zukunftslosen Schulschläger vom meist ungewaschenen Hals hielt.Also landete dieser Hals mitsamt zugehörigem Kopf beinahe täglich in einer der Schultoiletten, so wie sein Schulgeld in den Taschen der Größeren landete. Natürlich war er viel zu schwach, um auch nur an Gegenwehr zu denken. Die Sprüche dieser Burschen waren oft so lahm und einfallslos, dass oft nicht mal mehr ihre Kumpanen darüber lachten. Doch jeder Satz schmerzte, abgesehen von den gelegentlichen blauen Flecken.Allerdings musste man sagen, dass sich mittlerweile weniger Kinder an ihn herantrauten, da sie plötzlich Angst vor ihm zu haben schienen. Oder zumindest vor seinem Image.Kurts nächste Jahre könnte man wie den zweiten Akt eines Kinofilms beschreiben: die Story blieb die Gleiche wie zuvor, manche Charaktere verschwanden, neue würden dazu kommen, aber vor allem wurde alles extremer, um die Zuseher bei Laune zu halten; und genau das sollte wenige Wochen später mit dem armen, unschuldigen, dummen, hyper-sensiblen Kurt geschehen.
Als Entspannung zwischen den täglichen schulischen Rangordnungsritualen und Streichen wurde Kurt – als Nachbehandlung für seinen Ausflug in die Welt der Irren und der Kranken - einmal pro Woche zur Schulpsychologin, Ms. Hoover gerufen. Diese war bei den präpubertierenden Jugendlichen, ihres Namens wegen, nach Kurt die zweite Schulsensation hinsichtlich sämtlicher auf Saugreferenzen passenden Scherze. Das Ziel dieser Lektionen bestand darin, an seiner unübersehbaren Lernschwäche (oder eher völlige Interesselosigkeit, was sie nicht erkannte und schon gar nicht zu behandeln gewusst hätte) und seinen wachsenden Komplexen durch die Abkapselung in der Schule zu arbeiten. Diese Beobachtungsstunden würden trotz zukünftiger, zweijähriger Durchführung keine sichtbare Verbesserung zeigen.Nicht, dass das Kurt in irgendeiner Hinsicht gestört hätte.Er nahm alles hin, ohne darüber nachzudenken, oder viel Zeit und Kraft dafür aufwenden zu wollen. Ihn kümmerte das alles herzlich wenig, bis auf die abfälligen Kommentare über seinen Dad, dass dieser ein feiger Schwächling gewesen wäre, ein Verlierer, wie man ja an Kurt sehen konnte und Ähnliches. Die starken Beruhigungsmittel, die er noch immer einnehmen musste, zeigten brav ihre Wirkung, außer eben bei Beleidigungen seines einzigen Helden, den er schon so früh verloren hatte. Zumindest dem, der für Kurt als „Held“ als nächstes in Frage kam. Das Einzige, was ihm in seinem jungen Leben noch irgendetwas bedeutete. Dort wurde seine Wut gebündelt.Man konnte sagen, Kurt war der große Vorreiter der sich krampfhaft treiben lassenden Generation X - nur ein paar Jahrzehnte zu früh.Diese Witze über seinen Vater brachten Kurt soweit, dass er einmal einem besonders beliebten Cliquenführer – und einfallslosem Schulschläger - namens Bobby Delarow im Speisesaal ihrer High School das Essenstablett so lang gegen den blanken Schädel donnerte, bis derselbe eine lebensgefährliche Gehirnerschütterung und darauf folgende Gehirnblutungen davontrug.
Kurt und Bobby Delarow sind umringt von anderen Mitschülern, zahllose Münder, zu einem O von blankem Entsetzen verzogen. Es ist Nachmittag und die Sonne scheint sanft durch die Fenster des Speisesaals. Kinder, paralysiert von der Rohheit des dummen, kleinen Schulclowns, die allesamt nichts anderes tun können, als fassungslos da zu stehen und der Blutspur zuzusehen, die langsam, ganz langsam, von Bobbys Stirn auf den grauen Linoleumboden des Essensraums tropft.Platsch ... platsch ... platsch.(Wenn du noch ein verdammtes Wort sagst...)Platsch ... platsch ... platsch.Beinahe im Sekundentakt.Bobby wird die nächsten drei Jahre in einem Krankenbett verbringen und schließlich einen Gehirnschlag erleiden und sterben. Kurt wird lange nichts davon erfahren, sehr lange.
Trotz Kurts allgegenwärtiger Gleichgültigkeit gegenüber seinem nicht gerade rosigen Leben, konnte er nie wirklich die sporadischen Anfälle von Depressionen, zielloser Wut und Selbstmordgedanken verdrängen, die ihn immer wieder quälten. Sein größtes Problem dabei war, dass er zu feige war, es einfach durch zu ziehen. Alles zu beenden. Doch Kurts Mutter hatte von all dem nicht den blassesten Schimmer.Alles, was sie bemerkte, war sein wirklich auffällig niedriger Notendurchschnitt. Er litt offensichtlich an einer starken Lernschwäche, welche seine präpubertären Depressionen, sein familiärer Verlust und die Tabletten nicht gerade minderten.„Ja, wirklich ein harter Fall, aber was soll man machen, da muss man durch, nicht?“ war die einzige, hastige, peinliche Bemerkung Ms. Hoovers zu Kurts Mutter während eines Elternsprechtages. Sie wollte eigentlich gar nicht wirklich über dieses Thema sprechen, sie war mit dieser Patientengeschichte maßlos überfordert. Sie meinte, sich noch zu einem weiteren Satz mit aller Kraft durchringend, dass Kurt nur sehr langsame Fortschritte mache und dass selbst diese beinahe stagnierten.Es gab viele Gründe für Kurt, sein Leben zu hassen. Dies wirkte wie ein Katalysator für die kurzen, immer wieder auftretenden Wutanfälle, genauso wie die frustrierten Fragen nach dem Sinn zahlreicher Facetten seines Lebens. Es war ein sich selbst verstärkender Teufelskreis.Er war traurig, verletzt, allein und wütend.Er verstand nicht, wieso irgend einem Menschen, egal wem, so etwas widerfahren musste, warum es geschehen durfte; und vor allem, warum verdammt nochmal eigentlich gerade er das sein musste, der so ein Leben verdiente. Er suchte einen Grund für seine Schicksalsschläge, irgendeine Schuld, die er zu begleichen hatte. Oder jemanden, der daran schuld war. Natürlich fand er nichts. Noch nicht.Er hatte es satt, für alle den Sündenbock zu spielen. Er sollte ihnen allen endgültig einen Strich durch die Rechnung machen. Was für einen Sinn machte das Leben denn, wenn es nur aus Enttäuschungen bestand?Er hatte einen Plan.