Das dritte Leben - Juan Villoro - E-Book

Das dritte Leben E-Book

Juan Villoro

3,8

Beschreibung

Lange Jahre nach ihrer wilden Zeit als Rockmusiker leben Mario und Tony ein neues Leben. Der eine ist Manager einer gläsernen Hotelpyramide, mitten im tropischen Dickicht an der Küste von Mexiko. Der andere versucht dort gerade, die Bewegungen der Fische im Aquarium in Klänge umzuwandeln. In „La Pirámide“ wird gelangweilten Europäern der ultimative Kick geboten: Während die Gewalt der einheimischen Drogenmafia keine Grenzen kennt, vergnügen sich die Gäste mit russisch Roulette oder kurzfristigen Entführungen durch Guerilladarsteller. Als zwei Taucher brutal ermordet werden, hört der Spaß auf und Mario weiht Tony in das Geheimnis seines dritten Lebens ein. Eine grandiose Persiflage auf unsere Gegenwart, die dekadenter und dämlicher nicht sein könnte.

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Lange Jahre nach ihrer wilden Zeit als Rockmusiker leben Mario und Tony ein neues Leben. Der eine ist Manager einer gläsernen Hotelpyramide, der andere hat dort gerade einen ziemlich blödsinnigen Job angenommen: die Bewegungen der Fische im Aquarium in Klänge umzuwandeln. Wer in »La Pirámide« Urlaub macht, sucht die Gefahr: Das Touristenresort verspricht gelangweilten Europäern den Kitzel der Angst. Auf dem Programm stehen Abenteuer mit giftigen Spinnen, vorgetäuschte Entführungen und Exkursionen in Guerillagebiet. Doch als der Taucher Ginger Oldenville mit einerHarpune im Rücken tot auf dem Marmorboden vor dem Aquarium aufgefunden wird, holt die verstörende Wirklichkeit alle ein, und Mario weiht Tony in das Geheimnis seines dritten Lebens ein. Juan Villoro, einer der brillantesten Autoren Lateinamerikas, erzählt in seinem Roman mit abgründigem Witz, wie aus falschen Paradiesen echte Höllen werden.

Hanser E-Book

Juan Villoro

Das  dritte Leben

Roman

Aus dem Spanischen

von Susanne Lange

Carl Hanser Verlag

Die spanische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel Arrecife bei Editorial Anagrama in Barcelona.

Das Motto auf Seite 5 wird zitiert nach Malcolm Lowry, Ultramarin, hrsg. v. Christa Cooper u. Joachim Sartorius, übers. v. Werner Schmitz, © 1962 Margerie Bonner Lowry; 1982 Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg.

ISBN 978-3-446-25205-9

© Juan Villoro 2012. Originally published in Spanish

by Editorial Anagrama S. A. 2012

All rights reserved

Alle Rechte der deutschen Ausgabe

© Carl Hanser Verlag München 2016

Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München

Foto: © mofles / Thinkstock

Satz: Greiner & Reichel, Köln

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Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

Eines Tages werde ich ein unerhört verdorbenes und niedergedrücktes Land entdecken, wo die Kinder an Milchmangel zugrunde gehen, ein unglückliches, wenn auch unaufgeklärtes Land, und ich werde ausrufen: ›Hier bleibe ich, bis ich diesen Ort zu einem guten gemacht habe.‹

Malcolm Lowry

In der ersten Phase meines Lebens

wollte ich nur wach werden,

in der zweiten nur einschlafen.

Wird es eine dritte geben?

»Geh jetzt«, sagte Sandra, ließ aber die Tür offen.

Ein Anfall von Paranoia machte mich misstrauisch. Doch die Erregung war stärker als die Vorsicht.

Ich stieß die Tür auf.

Ihre Räume wirkten doppelt so groß wie meine. Ich ging durch eine Art Salon, folgte dem Fernsehgeräusch im Schlafzimmer. Stöhnen war zu hören. Empfing Sandra einen Pornokanal?

Das letzte Abendlicht streifte die Wände mit violettem Glanz. Ich blickte zum Bildschirm. Sandra hatte eine Sendung über plastische Chirurgie eingestellt. Ich suchte nach der Fernbedienung.

»Nicht ausschalten!«, rief sie aus dem Bad.

Der Arzt hielt ein Implantat in der Hand, so ehrfürchtig, als wäre es buchstäblich Götterspeise. Dabei sprach er von »Natürlichkeit« und »Vertrauen«.

»So was siehst du dir an?«, fragte ich in Richtung Tür.

»Das entspannt mich«, antwortete sie, als sie aus dem Bad kam.

Sie trug einen Bademantel. Das Logo der Pyramide – die vier Himmelstreppen – wölbte sich über ihrer linken Brust.

Der Bildschirm warf rötliches Licht auf die Wände. Das beruhigte Sandra? Nach acht Stunden im Übungsraum, wo sie eine Mischung aus Yoga und Kampfsport unterrichtete, sah sie gern Körper, die von einem Skalpell massakriert wurden.

Ich betrachtete ihre vom Training geschundenen Füße. Die schwindende Sonne war noch stark genug, jemanden zu blenden, der fünf Wodka-Ananas intus hatte.

»Stell die Klimaanlage ab«, befahl Sandra.

Das gefiel mir. Ohne Klimaanlage war man wie von der Welt abgeschnitten.

Sandra legte die Hand auf den Bademantelgürtel und ließ sie dort ruhen, eine Spezialistin für Dehnungen aller Art.

Noch am Morgen hatte ich mehr Aussicht darauf gehabt, mit einem Teufelsrochen zu ringen, als dieses Zimmer zu betreten. Doch nachmittags kam irgendwie der Umschwung. Vielleicht war es der Wodka, vielleicht dieses grauenvolle Lied, das ich plötzlich herrlich fand: Feelings.

Sandra und ich kannten uns seit einem Jahr, tranken aber zum ersten Mal etwas zusammen. Sie bestellte einen Martini und beklagte sich über ihre Arbeit. Beim zweiten Martini fiel ihr ein noch schlimmerer Job ein: Jahrelang hatte sie in einer Diskothek in Kukulcán in einem Käfig getanzt.

Beim dritten Martini sagte sie: »Berühr mich mit deinem Finger.« Mein »Finger« ist ein Stummel. Ein Feuerwerkskörper war mir in der Hand explodiert.

»Verstümmelte können mit dem verlorenen Körperglied fühlen. Mein Vater hat in Korea eine Hand verloren. Spürst du mich mit deinem Finger?«, fragte sie und beugte ihr Gesicht vor.

Ich musste an die erste erotische Filmszene denken, die mich gebannt hatte. El Cid alias Charlton Heston hatte mit Sophia Loren geschlafen. Beim Aufwachen fuhr sie dem Helden mit ihrem schlanken Finger über Stirn und Nase. Mit zwölf hielt ich diese Liebkosung für unübertrefflich: Sophias Finger glitt über den Cid, als wollte sie ihn zeichnen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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