Das eherne Buch - Christian von Aster - E-Book

Das eherne Buch E-Book

Christian von Aster

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Beschreibung

Der Sohn des alten Fürsten fällt einem heimtückischen Anschlag zum Opfer. Ein totgeglaubter Clan erhebt von Neuem sein Haupt. Ein letzter Kampf um Überleben oder Vernichtung droht. us den Händen seines Vaters empfängt Jaarn, der letzte Nachkomme des Hauses von Stahl, ein sagenumwobenes Schwert, mit dessen Hilfe er dem Reich Frieden bringen soll. Es trägt den Namen »Das eherne Buch« und ist aus Geschichten geschmiedet. Fürsten und Räuber trachten nach dem Legendeneisen und bald heften sich die gefürchtetsten Meuchelmörder des Reiches an seine Fersen. Seiner Jugend und Unerfahrenheit zum Trotz liegt das Schicksal des Reiches allein in Jaarns Händen. Zwischen Gaunern und Gelehrten ist es ihm bestimmt, zum Helden zu werden.

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Seitenzahl: 492

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Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Hobbit Presse

www.hobbitpresse.de

© 2015 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Birgit Gitschier, Augsburg; Illustration: Helmut »Poul« Dohle, 2015

Abbildungsnachweise: Schwert von iStockphoto © MrsWilkins; Schmuckelement von iStockphoto © Ekaterina Romanova

Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde

Printausgabe: ISBN 978-3-608-93934-7

E-Book: ISBN 978-3-608-10816-3

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhalt

PROLOG

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

Für Carina, die mich vieles über Krieg und Frieden lehrte

PROLOG

Der Eiserne Rabe hatte seine Schwingen über der Ebene von Khabrach ausgebreitet. Dicht an dicht standen seine dunklen Zelte in strenger Formation, wie schon in so vielen Kriegen zuvor. Jene aber, die den Raben kannten, ahnten, dass etwas anders war. Sein schwarzes Auge schien geschlossen, den angriffslustigen Schnabel hielt er gesenkt und die viel besungenen Krallen ruhten reglos im satten Gras der Ebene.

Auf den Klingen und in der Steppe war kein Blut zu sehen. Weder das des Raben noch das seiner Widersacher. Keine Spur jenes Rots, das Ehre und Macht seit jeher forderten und das den Soldaten an Orten wie diesem gewöhnlich bis zum Knöchel reichte.

Khabrach war eine der wenigen freien Städte des Reiches, die erblühten und wieder vergingen, die immerfort umkämpft waren und ihre Namen und Bräuche mit jedem neuen Herrn wechselten. Khabrach aber würde heute weder brennen noch von der Karte getilgt werden. Denn der Fürst von Navrodt, der über sie herrschte, hatte verfügt, dass die Stadt kampflos kapitulieren sollte. Bei Sonnenaufgang, sobald der Statthalter dem Sohn des Eisernen Raben das Zepter der Stadt zu Füßen legte, würde sein Wappen, das flammende Hirschhaupt, dem des Hauses von Stahl weichen.

Nachdem die Armee auf ihrem Marsch von Ghidt-Lhorr die Vorratskammern zweier Provinzen geplündert und die Bevölkerung gegen sich aufgebracht hatte, stand am Ende ihres Weges ein Sieg ohne Schlacht. Die Soldaten des Raben waren erschöpft, aber guter Dinge. Heute Nacht würden sie feiern.

Im Licht der schwindenden Sonne wurden Fässer aus den Versorgungszelten gerollt, und überall flammten kleine und große Feuer auf.

Während die Priester hinter den Mauern der Stadt ein letztes Mal die Riten ihrer Götter begingen, vergnügten sich die Soldaten vor den Toren mit Würfeln, Wein und Freudenmädchen, die der Herr von Khabrach ihnen überlassen hatte.

Die Stimmung war ausgelassen. Soldaten scherzten und tranken. Schwielige Hände warfen Würfel aus geschnitzten Knochen oder schlossen sich gierig um bleiche Brüste, während der Wein aus Krügen und Helmen raue Kehlen hinunterfloss.

Zwei Stunden nach Sonnenuntergang waren innerhalb des Lagers nur noch die Wachmannschaften und Armbrustschützen nüchtern. Sie und ihr Anführer, dessen prachtvolles Zelt sich inmitten der anderen erhob.

Neben den Standarten am Eingang stehend, ließ Hirrach von Stahl den Blick über das Heerlager schweifen. Khabrachs Dirnen schienen ihm weniger hübsch als die aus Shem-Goll, was für seine Männer aber offenbar keine Rolle spielte. Während sie sich im Zuge des Sieges scheinbar an allem und jeder erfreuen konnten, gab es für ihn seit dem Tod seines Bruders bloß noch die Eine: Sie trug den Namen Krieg, hüllte sich in Vergeltung und trug ein kostbares Geschmeide aus Ruhm und Ehre um den Hals. Derweil sich seine Getreuen flüchtigen Liebeleien hingaben, grämte sich Hirrach, dass ihm die leidenschaftlichen Stunden mit seiner eigenen Geliebten verwehrt geblieben waren. Statt einer heldenhaften Schlacht und der Gelegenheit, sich seinem Vater zu beweisen, hatte hinter diesen Mauern nur ein feiger alter Mann darauf gewartet, auf Befehl seines Herrn das Knie zu beugen. Hirrach war gekommen, den Sieg über diese Stadt zu erringen und dabei jenes gierige Funkeln in den Augen seiner Braut zu sehen, das ihn befriedigte wie nichts sonst. Doch sie war nicht einmal hier gewesen und gab sich stattdessen anderen hin, irgendwo im vom Krieg zerrissenen Reich.

Verbittert betrachtete der Heerführer die Mauern der Stadt, deren helle Steine sich deutlich vom Abendhimmel abhoben. Seinem Vater würde es gleich sein, wie Khabrachs Zepter seinen Weg ins Nest des Raben fand – ob durch Krieg oder Kapitulation, durch Feder oder Schwert, der alte Rabe scherte sich nicht darum. Seine Leidenschaft für den Krieg war längst der zärtlichen, aber unverbrüchlichen Liebe alter Männer zur Macht gewichen. Er weilte daheim und zählte seine Pfründe, während Hirrach in seinem Namen Siege erstritt. Das war das Vorrecht des Alters, wenn die Kräfte der Väter auf die Söhne übergingen, damit diese ihre Kriege führten.

Langsam glitten Hirrachs Augen über die Banner mit dem Wappen seiner Ahnen. Jegliche Disziplin im Lager war längst dem Taumel des Triumphs gewichen. Mit finsterem Blick trat er zurück ins Zelt und betrachtete seinen Prachtharnisch: die Prunkrüstung der Raben, aus schwarzem Stahl geschmiedet, mit jenen fein ziselierten Federverzierungen auf den Armteilen, die sein Vater ehrfürchtig als Schwingen des Krieges bezeichnete. Zahllose mächtige Männer hatten am Ende unzähliger Schlachten vor dieser Rüstung gekniet. Hirrach aber würde sie, wenn der Statthalter ihm am folgenden Tag das Zepter der Stadt überreichte, nicht anlegen. Denn sie hatte es nicht verdient, vom Atem eines Feiglings getrübt zu werden.

Er blickte in den Spiegel über seinem Feldbett. Das schwarze Haupthaar und der Backenbart waren ordentlich gestutzt, seine Haut sauber, die Nägel gekürzt. Wäre er heute im Kampf gestorben, hätte der Tod sich mit ihm schmücken können.

Seufzend wandte er sich ab, setzte sich unter den Augen seiner Wachen an das kleine hölzerne Schreibpult und las ein letztes Mal die Nachricht, die er an seinen Vater verfasst hatte. Darin beschrieb er akribisch das Geschehen auf der Ebene, seine Einschätzung der Lage, seine Verwunderung und seine Meinung zur künftigen Haltung gegenüber dem flammenden Hirsch.

Am Ende würde sein Vater ohnehin tun, wonach ihm der Sinn stand. Denn der alte Rabe war eigenwillig und engstirnig genug, mitunter selbst gegen einen stürmischen Wind zu fliegen.

Bedächtig faltete Hirrach das Schreiben zusammen, hob mit der Linken die kleine Schale mit dem Siegelwachs von der Kerze und träufelte behutsam etwas davon auf das Papier. Dann befeuchtete er seinen Ring und presste ihn in das heiße Wachs.

Als er die Hand wieder hob, zierte das stolze Haupt des Eisernen Raben die Nachricht. Er reichte sie einer der umstehenden Wachen.

»Schickt einen Reiter los. Die Vögel sind zu unsicher in dieser Gegend. Die Leute hier haben Hunger. Und Pfeile.«

Die Wache nahm das Papier, verneigte sich knapp und verließ eilig das Zelt. Grübelnd starrte Hirrach dem Mann hinterher. Die Nachricht würde seinen Vater vermutlich erst eine Woche vor der Rückkehr seiner Truppen erreichen. Aber der alte Rabe würde zufrieden sein. Nicht zuletzt, weil er ihm etwas Entscheidendes verschwieg: Seine Soldaten hatten einen Mann aufgegriffen, der sich ins Lager geschlichen hatte. Ein Spion, ein gedungener Meuchelmörder womöglich. Nichts, das an einem Ort wie diesem ungewöhnlich gewesen wäre. Der Grund jedoch, weshalb Hirrach ihn in seiner Nachricht nicht erwähnte, war das Clansmal auf der Brust des Mannes. Denn obwohl für jene Tätowierung kaum ein Viertel Fingerhut Farbe verwendet worden war, hätte der alte Rabe dieses Zeichens wegen ohne Zögern einen erbarmungslosen Krieg entfesselt.

Doch auch wenn Eonh von Stahl nichts davon erfahren durfte, wusste Hirrach, dass er mit jemandem darüber sprechen musste. Und er wusste auch genau, wer dieser jemand war.

»Habt ihr ihn rufen lassen?«

Die angesprochene Wache nahm Haltung an.

»Sire, er wurde längst verständigt. Wenn Ihr mir die Vermutung erlaubt …«

Der Mann schaute ihn fragend an und wartete Hirrachs bedächtiges Nicken ab, bevor er fortfuhr.

»Nach allem, was man hört, hat er seit Bekanntwerden der Kapitulation ohne Unterlass getrunken.«

Hirrach seufzte. Seit Bekanntwerden der Kapitulation, seitdem waren ungefähr fünf Stunden vergangen, was bei Thorden Baut ohne Weiteres ein gutes halbes Fass bedeuten konnte. Und er hatte mit Sicherheit nicht den schwächsten Wein gewählt. Der Heerführer stieß einen leisen Fluch aus. Es war wichtig, sich so schnell wie möglich über den Eindringling zu beratschlagen. Mit jemandem, der genug von List und Strategie in Zeiten des Krieges verstand, dass er ihm womöglich erklären konnte, was dieser Mann, dessen bloße Existenz ihm schon ein Rätsel war, in seinem Heerlager zu suchen hatte.

Wenn Baut sich aber tatsächlich in Rage getrunken hatte, würde es dauern, bis er wieder ansprechbar war. Es gab exakt zwei Dinge, mit denen der Alte sich nächtelang ohne Schlaf befassen konnte: Krieg und Wein. Und von beidem verstand er mehr als die meisten anderen.

Leise fluchend schloss Hirrach seine Augen und atmete tief ein.

»Ich bin mir sicher, die Männer geben ihr Bestes, Sire«, ereiferte sich die Wache.

»Glaub mir, Soldat, wenn es um Thorden Baut und ein gutes Fass Wein geht, könnte eine ganze Armee ihr Bestes geben, es würde zu nichts führen.« Er lachte auf. »Aber wenn uns die Garden von Khabrach heute schon keine Verluste beschert haben, sollte zumindest der alte Baut noch seine Chance bekommen, nicht wahr?«

Bevor sein Gegenüber etwas darauf entgegnen konnte, stolperte unvermittelt ein weiterer Soldat ins Zelt und stürzte vor den Füßen seines Kommandanten zu Boden. Ihm folgte ein tobender alter Mann in einer edlen, aber schlecht sitzenden, fleckigen Robe, in deren nachlässig gebundenem Gurt ein Dolch steckte. In der einen Hand hielt er einen Humpen und in der anderen einen Stiefel, mit dem er gerade ein weiteres Mal ausholte, um damit auf den Gestrauchelten einzuschlagen. Über seinem wirren grauen Bart funkelten zwei angriffslustige blaue Augen. Mit heiserer Stimme brüllte er: »Was denkst du kleine Lanzenwanze eigentlich, mit wem du es zu tun hast? Ich habe wahrscheinlich schon deinen Großvater unter den Tisch gesoffen!«

Als der Stiefel des Alten erneut auf ihn niederging und der Soldat schützend die Hände vors Gesicht hob, musste Hirrach einschreiten, doch nicht ohne dabei zu lächeln. Zumindest war Baut nüchtern genug, um aufrecht zum Zelt seines Herrn zu gelangen.

»Thorden!«, fuhr er ihn scharf an.

Zögernd ließ der Angesprochene seinen Stiefel sinken, drehte sich langsam zu seinem Kommandanten um und nahm einen Schluck aus seinem Krug, wobei er eine leichte Verbeugung andeutete.

»Als ich hörte, dass du mich zu sehen wünschst, Herr, zog ich mir sogleich etwas über und beeilte mich, deinem Willen zu genügen. Nur diesen Humpen konnte ich freilich nicht allein beim Feuer stehen lassen.«

Baut versuchte stramm zu stehen. Als ihm das nicht gelingen wollte, ließ er sich auf den Stuhl vor dem Schreibpult sinken, grübelte einen Moment lang und begann schließlich, sich unter Hirrachs belustigtem Blick umständlich seinen Stiefel wieder anzuziehen.

»Es ist gut, dass du da bist, Thorden. Ich muss dir etwas zeigen und hoffe, dass du klar genug denken kannst, um mir mehr darüber sagen zu können.«

Baut schaute ihn verwundert an und zerrte seinen Gürtel zurecht, worauf Hirrach dem Berater seines Vaters aufhalf, ihn zum Ausgang führte und die Wachen anwies, ihnen zu folgen.

Im flackernden Widerschein der Fackeln bewegte die kleine Gruppe sich durch das dunkle Lager. In einiger Entfernung waren, vom Licht des Mondes beschienen, die hellen Mauern von Khabrach zu erkennen.

Den Wein im Atem des Alten riechend, konnte Hirrach kaum glauben, diesen Helden von der legendären Schlacht am Keilerstein stützen zu müssen. Einen jener Männer, die gemeinsam mit seinem Vater das Reich in seiner gegenwärtigen Form begründet hatten und über die es beinahe ebenso viele Lieder wie über die alten Götter gab.

Baut grinste ihn weinselig an.

»Weißt du, wenn du mich schon stützt, könntest du mich eigentlich auch gleich tragen.«

»Genaugenommen tue ich das ja schon beinahe«, knurrte Hirrach.

»Unsinn. Außerdem habe ich dich auch schon oft genug getragen.«

»Da war ich nicht älter als vier, Thorden!«

»Pah! Die einen sind vier, die anderen betrunken. Getragen werden beide gern. Früher hättest du keine Widerworte gehabt.«

»Glaub mir, die hatte ich eher, als du denkst. Aber mein Vater hatte sie mir verboten.«

»Ja, weil er ein wahrer Freund ist! War er schon immer. Nicht so ein kleiner fieser Mistbock wie du.«

»So sprichst du mit deinem Vorgesetzten?«

»Wenn der Vorgesetzte einen vollgeschissen hat, darf man das.«

»Da war ich zwei, du garstiger alter Mann!«

»Später hätte ich es mir auch nicht mehr gefallen lassen. Weißt du eigentlich, dass ihr zwei die einzigen verschissenen Bälger wart, die ich gewickelt habe? Du und Ruach, ihr …«

Es bedurfte nicht mehr als eines kurzen strengen Blickes, um Baut zu signalisieren, dass er zu weit gegangen war. Selbst so lange nach seiner heimtückischen Ermordung traf die Erwähnung seines älteren Bruders Hirrach wie ein Schlag ins Gesicht.

Der Alte senkte betreten den Kopf. »Verzeih, Herr. Ich wollte nicht …«

Seine Entschuldigung klang trunken, aber ehrlich. Hirrach wusste, dass der Alte es nicht so gemeint hatte. Baut war der engste Vertraute seiner Familie, er war bei seiner und der Geburt seines Bruders zugegen gewesen, hatte ihre Weihe vollzogen und zusammen mit seinem Vater die Hand ihrer Mutter gehalten, als diese schließlich im Kindbett verstarb. Wenn es im ganzen Reich auch nur einen Mann gab, den sein Vater einen Freund genannt hätte, dann war es Baut. Er war dabei gewesen, als Eonh von Stahl das Zepter Ghidt-Lhorrs verliehen wurde und als der Wundbrand ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Selbst als die Eisenmutter ihm seinen dritten Sohn tot in die Arme gelegt hatte, hatte Baut an der Seite des Raben gewacht. Das Haus von Stahl war nicht denkbar ohne Thorden Baut. Egal, wie betrunken er war.

Sie gingen weiter. Nunmehr aber schwieg der Alte. Hirrach war das nur recht. Nicht zuletzt, weil er hoffte, dass die gedrückte Stimmung Baut etwas ernüchterte. Die kleine Gruppe passierte ein letztes Feuer mit einigen schlafenden Soldaten daran und wendete sich dann einem unscheinbaren Zelt zu, das sich, vermeintlich unbewacht, inmitten der anderen erhob. Ein Eindruck, der sich mit einem Schlag änderte, als sie sich im Inneren plötzlich den Spitzen zweier Armbrustbolzen und einer fünfköpfigen Wachmannschaft gegenübersahen.

Als sie ihren Kommandanten erkannten, ließen die Schützen ihre Armbrüste sinken, die übrigen Soldaten schoben ihre Schwerter zurück in die Scheide.

Seiner Trunkenheit zum Trotz entging selbst Baut nicht, wie nervös die Wachen wirkten. Der Alte runzelte die Stirn, leerte mit einem letzten Schluck seinen Humpen und wendete sich verwundert an Hirrach.

»Was ist denn mit denen los? Hat denen niemand gesagt, dass die Schlacht ausfällt?«

Auf ein Zeichen des Heerführers traten die Wachen beiseite und gaben den Blick auf einen Gefangenen frei, der gefesselt und vornübergebeugt auf einem niedrigen Schemel saß. Der Mann, der augenscheinlich gefoltert worden war, blutete aus zahlreichen kleinen Wunden. Sein rechtes Auge war zugeschwollen, sein dunkles Hemd zerrissen, sodass auf seiner Brust im unruhigen Licht der Fackeln deutlich eine Tätowierung zu erkennen war: ein blutroter Keilerkopf mit einer schwarzen Krone.

Baut verstummte. Seinen ungläubigen Blick starr auf die Tätowierung gerichtet, trat der Alte näher an den Gefangenen heran, wobei Hirrach hätte schwören können, dass er lediglich drei Schritte brauchte, um wieder vollkommen nüchtern zu werden.

»Bei allem, was heilig ist! Jetzt und hier? Ein Keiler?«, hörte er Baut ungläubig flüstern. Zögernd streckte er die Hand nach der Brust des Gefangenen aus. Als der Alte seine Tätowierung berührte, zuckte der Mann zusammen.

»Das Clansmal des Keilers. Unglaublich!« Auf Bauts Stirn glänzte kalter Schweiß.

Hirrach nickte. »Ich weiß. Seit der großen Schlacht am Keilerstein wurde keiner mehr gesehen.« Er machte einen Schritt auf den Alten zu. »Was also mag es bedeuten, dass dieser Mann sich gerade jetzt in unser Heerlager schleicht?«

Baut biss sich angespannt auf die Unterlippe, betrachtete nachdenklich erst den Gefangenen und dann die Wachen. Schließlich fiel sein Blick wieder auf Hirrach.

»Er ist tatsächlich heute aufgegriffen worden?«

»Gegen Mittag. Hat sich nicht einmal gewehrt. Wir wollten ihn verhören, mussten aber feststellen, dass er keine Zunge hat. Es scheint beinahe so, als wäre er nur gekommen, um von uns erwischt zu werden. Aber das ergibt doch keinen Sinn, oder?«

Baut runzelte die Stirn und strich sich mit der Hand durch den Bart, während Hirrach fortfuhr: »Wenn er mich hätte umbringen wollen, hat er sich verdammt dumm angestellt. Hat es ja nicht einmal in meine Nähe geschafft. Ich frage mich, wer in welchem Teil des Reiches welchen Stein umgedreht haben mag, dass nach Jahren ein Keiler darunter hervorgekrochen kommt?«

»Zumal der rechtmäßige Träger jenes Wappens längst tot ist. Seit dein Vater ihm das Land und den Kopf genommen hat«, gab Baut zu bedenken.

»Und Garrudt Bitterkling hatte keinen Sohn, keinen Erben. Sein gesamtes Geschlecht starb zusammen mit ihm am Keilerstein. Davon sind wir doch alle ausgegangen. Bis heute.«

Baut atmete tief durch, seine Brust bebte. Der Heerführer konnte sehen, wie der Alte zitterte. Dann fuhr er ruckartig herum. Das trübe Blau seiner Augen wirkte plötzlich völlig klar.

»Hatte er etwas bei sich, als er aufgegriffen wurde?«

Hirrach wendete sich an eine der Wachen, die umgehend die Armbrustbolzen auf einem Tischchen beiseiteschob und ein unscheinbares Lederbündel aufschnürte. Als Baut nun neugierig näher trat, kamen darin ein kleiner Dolch und ein Umschlag zum Vorschein. Letzteren zierte das gebrochene Siegel des Keilers. Die Augen des Alten verengten sich.

»Er hatte … eine Nachricht dabei?«, fragte er mit stockender Stimme.

»Eine völlig sinnentleerte, wenn du mich fragst.« Hirrach griff nach dem Papier und entfaltete es, wobei auch noch der Rest des Siegels auseinanderfiel. Er hielt die Nachricht so vor sich, dass Baut mitlesen konnte.

Auf dem Zettel standen lediglich drei Wörter: Das Zepter Ghidt-Lhorrs.

Der Alte senkte den Kopf. Hirrach konnte ihn schlucken hören und fragte leise:

»Ahnst du, was das bedeutet, Thorden? Erkennst du irgendeinen Sinn darin?«

Als Baut den Blick wieder hob, waren seine Augen feucht. Zögernd schaute er zu den Wachen hinüber.

Hirrach verstand und befahl seinen Männern, sie mit dem Gefangenen allein zu lassen.

Nachdem einer der Soldaten die Fesseln des Mannes überprüft hatte, verließen sie geschlossen das Zelt.

Kaum dass die Wachen fort waren, nahm Baut seinem Kommandanten das Schriftstück aus der Hand und betrachtete es aufmerksam. Ungeduldig schaute Hirrach ihm dabei über die Schulter.

»Ist es ein Rätsel? Verbirgt sich eine Botschaft darin?«

»Nein, Herr. Weder noch.« Bauts Stimme klang bedrückt. »Es ist eine Antwort.«

Mit diesen Worten ließ er seine Hand sinken und legte das Papier zurück auf den Tisch.

Hirrach drehte sich verwundert zu dem Gefangenen um.

»Dann … dann ist er also nur ein Bote?«

Thorden Baut seufzte kaum hörbar.

»Nein«, murmelte er. »Dieser Mann ist gekommen, um dich im Namen des Keilers zu töten.« Der Alte zögerte kurz. »Und so seltsam es scheint, es wird ihm gelingen.«

Als Hirrach sich dem Alten fragend zuwandte, erkannte er in dessen Hand den Dolch des Gefangenen, der im selben Moment blitzschnell vorschoss.

Es war die kurze präzise Bewegung eines Mannes, dem das Führen einer Waffe so selbstverständlich war wie Essen und Trinken.

Hirrach spürte nicht einmal, wie die dünne Klinge seinen Hals verletzte. Dennoch zuckte seine Hand empor, stoppte jedoch abrupt, als ihm plötzlich der Atem stockte. Der Sohn des Raben sackte in sich zusammen. Er spürte, wie Baut ihn auffing und sanft niederlegte. Der Alte bettete Hirrachs Kopf in seinen Schoß, strich ihm vorsichtig das Haar aus der Stirn und blickte ihn traurig an.

»Es tut mir leid, Hirrach. Unendlich leid. Glaube mir, hätte es einen anderen Weg gegeben, ich hätte ihn gewählt.«

Hirrach wollte etwas entgegnen, aber seine Stimme versagte mitsamt der Kontrolle über den Rest seines Körpers.

Während sein Blick sich zu trüben begann, bemerkte er Tränen in den Augen des Alten. Nur noch verschwommen nahm er wahr, wie Baut langsam aufstand, einen Schritt zurück trat und sich murmelnd dem Gefesselten zuwandte.

»Ich habe um ein schmerzloses Gift gebeten. Du solltest nicht leiden wie dein Bruder. Mehr konnte ich nicht für dich tun.«

Hirrach sah noch, wie Baut die vergiftete Klinge neben dem Gefangenen zu Boden fallen ließ. Dann zückte er seinen eigenen Dolch, stieß ihn dem Tätowierten in die Brust und löste ihm die Fesseln.

Als das getan war, beugte der Alte sich noch einmal zu Hirrach hinab, der mühsam gegen den Verlust seines Bewusstseins ankämpfte. Das Blut in seinen Ohren rauschte. Wie durch einen tosenden Schleier vernahm er die letzten Worte des Alten.

»Aber du sollst die Hintere Halle nicht ohne Antwort betreten: Die Worte auf jenem Papier sind die Antwort auf die Frage, was der Keiler mir dafür bietet, wenn ich den Flug des Raben für alle Zeiten beende …«

Dann wurde es, während Thorden Baut nach den Wachen rief, um Hirrach von Stahl herum endgültig schwarz.

I

Jaarn erwachte spät des Nachts in der Kammer hinter den Bücherregalen. Verwundert rieb er sich die Augen und erkannte über sich, im Schatten einer Kapuze, das faltige Gesicht Bruder Khronhs, der energisch an seiner Schulter rüttelte.

Kaum dass er wach war, wisperte der Greis ihm eindringlich zu: »Steh auf. Er will dich sehen. Sofort.«

Mit einem Mal war er hellwach, die Worte des Alten waren ihm bis ins Mark gefahren. Er. Jaarn wusste, was das bedeutete: Der Hohe Bruder, der oberste Bibliothekar von Ghidt-Lhorr verlangte nach ihm! Was immer auch der Grund dafür sein mochte, ihn zu dieser nächtlichen Stunde wecken zu lassen, jetzt war nicht die Zeit zu hadern. Denn am Gürtel des Hohen Bruders befanden sich die Schlüssel zu allen Stockwerken. Er vermochte Jaarn in diesem Turm aus Stein und Papier jede Tür, selbst die nach draußen, zu öffnen. Allein deswegen durfte er, wenn er den Turm jemals verlassen wollte, jetzt nicht zögern.

Die meisten seiner Brüder schliefen. Links von ihm schnarchte der dicke Khudrach und im spärlichen Licht eines brennenden Kerzenstummels konnte er erkennen, wie Ghilmin, der Übersetzer, sich unruhig hin- und herwälzte, als träumte er von den Wirren der älteren Sprache.

Nur die Betten der während der Nachtstunden mit den Abschriften betrauten Brüder waren leer. Alles wirkte wie immer. Der Bibliothekar schien tatsächlich lediglich nach ihm verlangt zu haben. Und das, obwohl Jaarn mit seinen fünfzehn Jahren noch nicht einmal das Recht erworben hatte, die Gänge ohne Begleitung zu durchschreiten. Der Hohe Bruder musste einen guten Grund haben, mitten in der Nacht einen seiner Schüler zu sich zu bitten.

Hastig schwang Jaarn sich von seinem Lager, tauschte sein Nachthemd gegen die grobe graue Kutte der Bücherbrüder und folgte dem alten Khronh.

Der greise Bruder drängte zur Eile und in schnellem Takt wechselte sein Stab über die Bodenbretter. Jaarn bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten.

Während sie zwischen den Regalen hindurchschritten, herrschte die übliche gedämpfte nächtliche Geschäftigkeit im Turm. Die meisten Brüder, die dort hinter ihren verzogenen Pulten saßen, kannte Jaarn: den buckligen Whibrinn mit der flinken Feder, Kolbrin van Ghast, von dem man munkelte, dass er der Sohn eines Fürsten sei und natürlich Bruder Barik, der komplett aus Bart zu bestehen schien und den er noch nie bei Tag hatte arbeiten sehen.

Mit zusammengekniffenen Augen saßen sie über den Abschriften, Ausbesserungen und Übersetzungen, die der Hohe Bruder in Auftrag gegeben hatte, und mühten sich, unter seinen strengen Vorgaben, das geschriebene Wort und die Legenden vergangener Tage vor dem Vergessen zu bewahren.

Die Pulte waren Tag und Nacht besetzt; hier lebten, alterten und starben die Brüder seit Generationen. Und wenn er selbst alt genug wäre, würde auch Jaarn mit tintenfleckigen Fingern dort sitzen dürfen.

Zwischen den Schreibpulten hindurch folgte er Khronh weiter Richtung Treppe. Je näher sie den Stufen kamen, desto schneller schlug sein Herz. Jene hintere Treppe nämlich führte tiefer hinab als alle anderen. An ihrem Ende lag das Tor nach draußen. Ein ungeheuerlicher Gedanken für jemanden wie Jaarn, der im Inneren dieser Bibliothek aufgewachsen war.

Die Sammlung der historischen Bücher verlassend, stiegen sie im Schein der Fackeln über ausgetretene Stufen eine Ebene tiefer. Hier wurden überwiegend militärische Schriften aufbewahrt: Werke großer Strategen und Berichte über die Schlachten des älteren Reiches. Dann folgten die Landkarten. Vergilbte Pläne voll von Städten, die längst vergessen und von Kriegen ausgelöscht worden waren, an die sich ebenfalls niemand mehr erinnerte. So aber erging es den meisten Städten im Reich. Lediglich die Mauern der fünf Großen trotzten jedem Ansturm. Ghidt-Lhorr war die Dritte und dementsprechend mitsamt der Bibliothek ebenfalls über Jahrhunderte hinweg vom Krieg verschont geblieben.

Khronh trieb Jaarn mit dem Stock an und riss ihn aus seinen Gedanken. An Regalen mit Berichten über Schlachten und Heldentaten vorbeihetzend, begegneten sie immer wieder Mönchen mit knarrenden Wägelchen, auf denen sich alte Bücher stapelten. Die Bibliothek war in steter Bewegung.

Kurz bevor sie die nächste Treppe erreichten, sprach ein herbeihastender Bruder, dem es sichtlich unangenehm war, sie aufzuhalten, Khronh mit gesenktem Kopf an.

»Verzeiht, Herr …«

»Nicht jetzt«, unterbrach der Alte ihn unwirsch und wollte ihn beiseiteschieben. Der Mann aber blieb beharrlich.

»Es ist nur, weil Ihr darum batet, Euch Bescheid zu geben, falls wieder Bücher abhandenkommen.«

Khronh blickte ihn ungläubig an.

»Ich weiß nicht, wie es geschehen konnte, Herr. Aber es ist wie mit den anderen zuvor: Sie sind einfach fort. Spurlos verschwunden. Als hätten sie nie in den Regalen gestanden.«

Der Alte schloss die Augen und winkte ab. Dann griff er nach Jaarns Handgelenk und zog ihn hinter sich her.

Obgleich es ihm sonderbar vorkam, dass in dieser Bibliothek etwas verschwand, wagte Jaarn nicht, nach den verschwundenen Büchern zu fragen. Stattdessen musterte er den Alten, dessen grimmigen Gesichtsausdruck er nur zu gut kannte. Als erster Diener des Hohen Bruders war Khronh vermutlich der Strengste unter den Brüdern. Er schien keine anderen Interessen als die Einhaltung der hiesigen Regeln zu haben. Man munkelte sogar, dass es ihm Freude bereitete, andere für ihre Verfehlungen zu bestrafen. Auch deshalb begegnete man dem alten Khronh in diesen Mauern gleichermaßen mit Furcht wie mit Respekt. Jaarn jedoch hatte keine Angst vor ihm, wusste er doch um das Geheimnis des Alten. Etwas, das Khronh weit mehr Freude machte, als seine Brüder zu schikanieren: Der Alte kümmerte sich nämlich heimlich um zwei Katzen, die in der Bibliothek umherstromerten. Wenn andere zugegen waren, schimpfte er zwar auf die Tiere, die er dann aber, wenn er sich allein wähnte, heimlich fütterte und umsorgte. Jaarn hatte ihn einmal dabei beobachtet und wusste inzwischen, dass Khronh immer etwas Trockenfleisch im Ärmel trug und die Tiere bei Gewitter sogar in seiner Kammer schlafen ließ.

Sie betraten nun das Stockwerk mit den sinnlichen Schriften, das er auf einen energischen Wink des Alten hin hastig passierte, während er dem Geräusch des knorrigen Stockes auf den Stufen noch tiefer nach unten folgte. Vorbei an den verbotenen Schriften, an Büchern, die den Pflanzen des Reiches gewidmet waren, und anderen voller Tiere und mythischer Kreaturen stiegen sie immer weiter hinab.

Dicht hinter Khronh bleibend, durchschritt Jaarn Stockwerk um Stockwerk und ihr Abstieg durch das papierene Abbild der Welt schien kein Ende nehmen zu wollen. Bis die Schlüssel des Alten schließlich das Tor zu den öffentlichen Lesesälen aufsperrten.

Mondlicht fiel durch die Fenster auf leere Pulte, neben denen bereits die Stapel georderter Bücher für den kommenden Tag bereitstanden. Wenn am Morgen die Türen aufschwangen, würden sich Edelleute, Gelehrte und Privilegierte aus allen Winkeln des Reiches hier einfinden, um dem Wissen vergangener Zeitalter zu frönen.

Doch auch die Lesesäle ließen sie hinter sich und betraten schließlich über steinerne Stufen das Erdgeschoss des Turmes. Und hier sah Jaarn es zum ersten Mal aus nächster Nähe: Beim Anblick des mächtigen Tores vergaß er beinahe zu atmen. Bis zu diesem Tag hatte er es lediglich in geschlossenem Zustand und mit schweren Riegeln über dem dunklen Holz gesehen. Nun aber stand es wahrhaftig offen. Den gepflasterten Weg dahinter, erhellt durch Dutzende Fackeln, säumten bewaffnete Soldaten, deren Reihen bis ins Innere der Stadt zu reichen schienen. Führte der alte Khronh ihn womöglich wirklich nach draußen, hinaus aus dem Turm, der Bibliothek, in eine Welt, die er bis jetzt nur aus den Schriften kannte?

Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als Jaarn sich aus Khronhs Schatten löste und ungläubig auf das Tor zuschritt. Er hatte es beinahe erreicht, als der Alte in seinem Rücken barsch raunte: »Trödel nicht rum, Junge!«

Verwirrt fuhr Jaarn herum und sah den Greis gebückt durch eine unscheinbare schmale Öffnung inmitten des Mauerwerks verschwinden. Eine Geheimtür, die, wenn sie geschlossen war, in der Wand nicht auszumachen war.

Einen verstörten Blick über seine Schulter zurück in Richtung Tor werfend, beeilte er sich, Khronh zu folgen. Hinter dem schmalen Spalt erstreckte sich am Fuß einer hölzernen Treppe ein großer, in das massive Gestein geschlagener Raum. Die ringsum angebrachten Teerfackeln vermochten nichts an der eigentümlichen Kälte zu ändern, die von den Felswänden ausging und den Atem der Anwesenden sichtbar werden ließ.

Abgesehen von Khronh erblickte Jaarn drei weitere Männer, die im Zentrum des Gewölbes eine Art Altar flankierten, über dem das Rabenbanner ausgebreitet lag. Zwei von ihnen trugen das Habit der Bücherbrüder. Der eine, der ein gewöhnlicher Mönch zu sein schien, stützte den anderen. Um in diesem den Hohen Bruder zu erkennen, bedurfte es lediglich eines Blickes in seine Augen. Das Licht der Fackeln spiegelte sich in den geschliffenen Gläsern, die in einem schmalen hölzernen Gestell auf seiner dünnen Nase prangten. Dahinter vermeinte Jaarn das gesammelte Wissen jedes einzelnen Stockwerkes erahnen zu können.

Als er diese Augen auf sich spürte, lief es Jaarn kalt den Rücken hinab. Doch mehr noch schauderte es ihn, als er begriff, dass es keinesfalls der Hohe Bruder gewesen war, der ihn hatte rufen lassen. Denn neben dem Bibliothekar stand kein Geringerer als der Herr über die Dritte der Fünf, der Fürst von Ghidt-Lhorr, der alte Rabe höchstselbst: Eonh von Stahl.

Vor dem Stadtvater auf die Knie fallend, überlegte Jaarn fieberhaft, ob er sich etwas hatte zuschulden kommen lassen. Weshalb sonst hätte der Rabe sich nachts von seinem Thron erheben und hierherkommen sollen? Gewiss nicht eines Buches wegen. Was immer aber der Grund dafür sein mochte, Jaarn schwante nichts Gutes. Mit noch immer gesenktem Haupt blinzelte er zu seinem Fürsten empor und betrachtete ihn verhalten: Seinen einstmals schwarzen und längst grau gewordenen Bart und seine gebeugte Haltung, die kaum die eines Herrschers zu sein schien. Selbst seine blassen Augen unter den mächtigen dunklen Brauen wirkten eigentümlich traurig, beinahe so, als hätte irgendetwas das Feuer im Inneren des Fürsten zum Erlöschen gebracht.

Und dann bemerkte Jaarn im Bart seines Gegenübers jene gelben Verfärbungen, wie er sie von Brüdern kannte, die heimlich Grimmkraut rauchten. Der Anblick verstörte ihn. Jaarn wusste, was das Kraut in einem Menschen anrichten konnte. Manch ein Bücherbruder hatte seinetwegen das Alphabet neu erlernen müssen. Dass der alte Rabe es rauchte, konnte Jaarn nicht glauben. Und doch: Ihm gegenüber stand nur noch ein Schatten des Stadtvaters, eine Ahnung jenes Bildes, das die Legenden vom alten Raben zeichneten.

Kaum dass Jaarn vor ihm auf die Knie gesunken war, machte der Fürst eilig einen Schritt auf ihn zu, streckte die Hände nach ihm aus und stammelte:

»Nein, nicht! Steh auf, mein Junge. Schnell. Ich bin es, der vor dir knien und dich um Vergebung bitten sollte!«

Verwirrt ließ Jaarn sich emporziehen, nahm dabei den unverwechselbar beißenden Geruch des Grimmkrauts im Atem des Fürsten wahr und blickte verstört vom Hohen Bruder zu Khronh hinüber.

Während er ihm aufhalf, blickte der Rabe Jaarn ernst an: »Ich habe dich um dein Leben betrogen, mein Junge. All die Jahre, die man dich auf mein Geheiß hin glauben ließ, der Sohn einer Frau zu sein, die dich auf der Schwelle dieses Turmes ausgesetzt hat.«

Obwohl die Worte des Fürsten konfus klangen, ahnte Jaarn, wie ernst es ihm war. Sein Gegenüber fuhr unbeirrt fort: »In Wirklichkeit war deine Mutter die wunderbarste Frau, die je in den Fünfen wandelte. Meine geliebte Hedhra, die in jener Stunde starb, da dein Leben begann.«

Jaarn schwirrten die Sinne. Doch der alte Rabe ließ ihm keine Gelegenheit, seine Gedanken und Gefühle zu ordnen, und flüsterte mit bebender Stimme:

»Verloren all die Stunden, Tage, Jahre, einzig, um dem Wunsch deiner Mutter zu entsprechen. Drei Söhne gebar sie mir und hoffte, nur den ersten davon an den Krieg zu verlieren. Wie hätte sie, nachdem auch der zweite sie seinetwegen verließ, dem Schwert auch noch ihr drittes Kind opfern können? Bei deiner Geburt bat sie mich mit ihrem letzten Atemzug, dich, ihren Jüngsten, nicht auch noch dem Krieg zu überlassen.«

Auch wenn er langsam zu begreifen begann, was der alte Rabe krächzte, schien Jaarn dieser Gedanke doch unvorstellbar. Zögernd hob er an: »Dann … dann ist meine Mutter der Grund dafür, dass …«

»Oh ja. Grund und Ursache dafür, dass du nicht sein durftest, wer du bist. Um nicht auf die Schlachtfelder zu stürzen und ein Held im Namen deines Vaters zu werden, musstest du in derselben Nacht, da du geboren wurdest, sterben.« Eonh von Stahl lächelte bitter und die verfärbten Spitzen seines Bartes zitterten. Leiser als zuvor murmelte er: »Nicht einmal deine Brüder wussten, dass du deine Geburt überlebt hast. Einzig der Hohe Bruder und ich kannten dieses Geheimnis. Bis heute.«

Geradezu berauscht von der Erkenntnis seines wahren Wesens richtete Jaarn sich vor dem blassen Fürsten auf, als dieser sprach:

»Du bist Jaarn von Stahl, Sohn des Raben, nunmehr einziger Erbe des Throns von Ghidt-Lhorr.«

Hin- und hergerissen zwischen Wut und Staunen betrachtete Jaarn seine Hände und versuchte, das edle Blut darin zu erahnen. Er war verwirrt. Sollte er tatsächlich all die Jahre nicht mehr als eine Lüge zwischen Büchern gewesen sein? Der Eiserne Rabe schlug die Augen nieder.

»Ich offenbare dir diese Wahrheit nicht, um mich reinzuwaschen, sondern weil mich heute im Abstand weniger Stunden zwei Botschaften erreichten. Ich musste erfahren, wie ich am selben Tag ohne Kampf eine Stadt gewann und meinen Erben verlor. Feigheit schenkte mir ein Zepter, und ein totgeglaubter Feind nahm mir den zweiten meiner Söhne.«

Seine Stimme bebte, und auch wenn der Stadtvater Ghidt-Lhorrs es nie zugegeben hätte, bemerkte Jaarn doch, wie nahe er den Tränen war, als er in einem feierlich-verzweifelten Ton sprach: »Darum bist du, als jüngster meiner Söhne, ausersehen, im Gedenken an deine Mutter Frieden über eine Welt zu bringen, die ihn beinahe vergessen hat!«

Jaarn verstand nicht. Die gesamte Geschichte des Reiches fußte auf nichts anderem als Krieg. Es gab niemanden, der im Laufe der Jahrhunderte nicht seinen Platz und seine Rolle darin gefunden hatte. Er wusste nicht, was er von den Worten des Fürsten halten sollte und ob aus ihm nicht womöglich der Wahnsinn oder der Rausch sprach.

Hilflos blickte er sich noch einmal im Gewölbe um. Der alte Khronh lehnte an der Wand und war, auf seinen Stock gestützt, eingenickt. Der Bruder, der den großen Bibliothekar stützte und unter dessen regloser Kapuze die Augen lediglich zu erahnen waren, hatte sich die ganze Zeit über nicht bewegt. Er war nur hier, um dem Hohen Bruder zu Diensten zu sein, kaum mehr als die menschliche Krücke seines Herrn. Doch als Jaarn jetzt zu ihm hinüberblickte, irritierte ihn etwas: Ein Ärmel seiner Kutte war etwas verrutscht und darunter, knapp über dem Handgelenk, konnte er ein Brandmal erkennen, das … Bevor er diesen Gedanken aber zu Ende führen konnte, hob der Gebieter der Schrift seinen Blick, nickte Jaarn zu und öffnete seinen beinahe zahnlosen Mund. Die Stimme des Hohen Bruders klang eigentümlich fest, als sie durch das Gewölbe unterhalb des Turmes hallte.

»Der Krieg, mein Junge, mag der Vater aller Dinge sein. Aber vielleicht ist es an der Zeit, dass ihre Mutter sich ihrer annimmt.«

Stirnrunzelnd betrachtete Jaarn den Alten. Im gleichen Augenblick hob der Fürst zu sprechen an: »Es gibt eine Legende, mein Sohn, die man sich heute kaum noch erzählt, weil sie die Menschen schon einmal enttäuscht hat und ihre Zeit lange schon vergangen ist.«

Jaarn versuchte, sich auf die Worte des Fürsten zu konzentrieren, doch die Sätze rauschten in seinem Kopf durcheinander. Ihn bei den Schultern greifend, blickte der Stadtvater ihm fest in die Augen.

»Du wirst noch alles erfahren. Bald schon. Das Einzige aber, was du heute Nacht wissen musst, ist, dass du mein Sohn bist und eine große Aufgabe vor dir hast, von deren Erfolg das Schicksal kommender Zeitalter abhängt.«

Der alte Rabe griff nach dem Banner auf dem Altar und riss es mit einer einzigen entschiedenen Bewegung fort. Darunter kam ein mächtiges Schwert zum Vorschein, dessen Schneide und Heft mit feinen Verzierungen versehen waren, eine prachtvolle, einzigartige Klinge, deren Griff und Parierstange Edelsteine schmückten, in denen Jaarn fein gearbeitete Buchstaben zu erkennen glaubte.

Eonh von Stahl blickte seinen Sohn bedeutungsvoll an.

»Meine beiden größten Schätze verbarg ich in diesem Turm vor den Blicken meiner Feinde. Dich und deine Bestimmung.«

Jaarn schwirrten die Sinne. Nachdem ihm dieser Mann, der allem Anschein nach tatsächlich sein Vater war, offenbart hatte, ihn um seiner Mutter willen vom Schwert fernhalten zu wollen, überreichte er ihm keine zwei Minuten später im Namen der gleichen Mutter ein ebensolches.

»Ein Schwert?«, fragte er ungläubig.

Der alte Rabe aber schüttelte den Kopf.

»Es mag danach aussehen, in Wahrheit aber ist es das Eherne Buch, das hier seit so vielen Jahren in den Grundfesten der Bibliothek unter seinesgleichen ruht.« Seine Finger versonnen eine Handbreit über der Klinge haltend, schien der Fürst seltsam bedacht, sie dabei nicht zu berühren. Noch rätselhafter als zuvor fuhr er fort:

»Du wirst vorsichtig sein müssen, Freund und Feind werden schwer zu unterscheiden sein. Doch wenn es dir gelingt zu finden, was verlorenging, und das Eherne Buch dem Kriegbringer zu Füßen zu legen, dann wird jener Gott zu dem Wort stehen, das er einst gab!«

Ein Schwert, das ein Buch und ein Bücherbruder, der ein Sohn des Raben war. Jaarns Beine zitterten. All das musste ein Traum sein. Oder hatten Trauer und Grimmkraut das Gemüt des Fürsten womöglich doch zu sehr verwirrt? Er biss sich auf die Unterlippe, blickte noch einmal in die Gesichter der alten Männer und wünschte sich insgeheim bloß noch aufzuwachen. Da legte der Fürst ihm erneut die Hand auf die Schulter.

»Morgen wirst du alles Übrige erfahren.« Eonh von Stahl seufzte schwer und blickte Jaarn ernst an. »Nun aber geh wieder nach oben. Verbringe diese letzte Nacht inmitten deiner Brüder. Morgen werde ich dir ein Zimmer im Palast bereiten und am Tag darauf wirst du aufbrechen, um deine Bestimmung zu erfüllen.«

Mit diesen Worten wandte der Fürst sich ab und schritt auf die Stufen zu, die zum Ausgang des Gewölbes emporführten.

»Aber Sire …« Jaarns Stimme war von Zweifel erfüllt, als er sie zaghaft erhob.

»Nenne mich Vater«, sagte der alte Rabe beinahe liebevoll und drehte sich noch einmal zu ihm um.

»Vater …«, das Wort kam ihm nur schwer über die Lippen, »… verzeiht, aber glaubt Ihr, dass ich dort draußen allein bestehen kann?«

Der Fürst lächelte ihn voller Zuversicht an.

»Sorge dich nicht, du wirst nicht allein sein. Morgen wird ein Mann nach Ghidt-Lhorr zurückkehren, der dich begleiten und beschützen wird. Er wird es kaum glauben können, plötzlich noch einen Raben im Nest zu finden. Aber es wird ihn freuen, dessen bin ich mir sicher. Und ohne jeden Zweifel wird er dich mit seinem Leben beschützen. Denn Thorden Baut ist mein ältester und engster Vertrauter. Ein Freund.«

II

Als Jaarn das nächste Mal aus dem Schlaf schreckte, spürte er einen leichten Kopfschmerz, bevor er einen seltsam strengen Geruch wahrnahm. An beides aber verschwendete er zunächst keinen Gedanken und wollte sich stattdessen, da die Morgensonne nicht durch das Fenster hereinschien, noch einmal auf seinem Lager strecken, herumdrehen und weiterschlafen, bis Khudrachs Schnarchen oder das erste Tageslicht ihn weckte.

Und obwohl er genau das auf diese Art bereits so oft zuvor getan hatte, wollte es ihm heute doch nicht gelingen. Zum einen, weil er gefesselt war. Zum anderen, weil er überhaupt nicht in seinem Bett lag.

Kaum dass Jaarn dies begriff und schlagartig hellwach war, begann er plötzlich auch die Riemen um seine Beine und Handgelenke zu spüren. Er lag, die feuchte Kutte an seinem Körper klebend, auf nacktem Fels inmitten vollkommener Finsternis.

Die Fesseln schmerzten und waren derart straff, dass er sich nicht bewegen konnte. Er versuchte ruhiger zu atmen, sich zu konzentrieren und seine Gedanken zu ordnen. Womöglich hatte das Ganze mit dem Raben zu tun. Die Geschichtsbücher strotzten von Geschichten über Fürsten, die die Kinder anderer Fürsten entführten.

Wer aber hätte überhaupt wissen können, dass er der Sohn Eonhs von Stahl war? Den Worten seines Vaters zufolge hatten nur er selbst und der Hohe Bruder Kenntnis davon gehabt.

Jaarn versuchte im Dunkel etwas zu erkennen, drehte sich mit einem Ruck zur Seite und spürte dabei erneut, wie die dünnen Lederschnüre ihm tief in die Handgelenke schnitten. Im Zuge der Bewegung stieß er gegen eine Art Säule, die dadurch ins Wanken geriet und mit einem dumpfen Geräusch umstürzte. Staub wirbelte auf, Dreck spritzte ihm ins Gesicht. Das Geräusch aber war ein vertrautes. Bücher! In seinem Kopf begann es zu arbeiten. Womöglich gar die verschwundenen Schriften? Vielleicht ging es hier um sie. Weshalb aber hätte man dann auch noch ihn entführen sollen? Aus welchem Grund sollte irgendjemand …

Ein leises Knirschen am anderen Ende des Raumes, das Schleifen von Stein auf Stein, beendete abrupt seine Gedanken. Der matte Schein einer Lampe drang in die Kammer. In ihm konnte Jaarn einige der am Boden liegenden Bücher erkennen: Dhur’Kharrs Gesänge, Boa’Thais glorreiche Niederlage und das Oktameron des Horgon von Mhirr. Schriften, die es in keiner der Fünf, ja im ganzen Reich nicht noch einmal gab. Wer immer für den Diebstahl dieser Bücher verantwortlich war, wusste genau, was er tat.

Jaarn drehte sich in Richtung des Lichts und ignorierte den Schmerz, als die Riemen sich weiter in seine Handgelenke gruben. Im Gegenzug erhaschte er schließlich einen Blick in einen niedrigen, direkt in den Fels gehauenen Gang und erkannte gleich darauf einen gebückten Schatten, der, wie es schien, zwischen den Steinen hindurch in den Raum geflossen kam.

Die Gestalt war in das graue Gewand der Bruderschaft gehüllt und trug eine kleine Öllampe in der Hand sowie ein starres längliches Bündel über der Schulter. Als sie auf ihn zukam, erkannte Jaarn in ihrem Rücken eine zweite, kaum sichtbare Öffnung in der Wand. Ein weiterer geheimer Raum im Fundament des Turmes?

Wichtiger schien ihm zunächst aber etwas anderes: Als der Mann seine Lampe auf einem zweiten Bücherstapel abstellte, erkannte Jaarn die vernarbte Hand, die aus dem weiten Ärmel der grauen Kutte hervorragte. Es war die gleiche, die wenige Stunden zuvor noch den Bibliothekar gestützt hatte.

Dann fiel sein Blick auf das in Tuch eingeschlagene Bündel über der Schulter des Unbekannten und plötzlich verstand er: Das Schwert! Jener fremde Schemen stand im Begriff, nicht nur die Bücher, sondern auch das Eherne Buch zu stehlen!

Verzweifelt begann Jaarn, in der Hoffnung, dass irgendjemand ihn hören würde, aus Leibeskräften zu schreien. Doch nur, um im nächsten Moment von seinem Entführer mit einem Stofffetzen geknebelt zu werden.

Über ihm kniend, verknotete der Fremde den Knebel und schlug dann seine Kapuze zurück. Jaarn musterte ihn eindringlich. Dieses Gesicht hatte er noch nie zuvor gesehen. Dieser Mann war kein Bücherbruder. Er musste sich, um jenes Schwert und die Bücher stehlen zu können, eingeschlichen, eine Kutte geraubt und sich als einer von ihnen ausgegeben haben.

Der Fremde blickte ihn teilnahmslos an. Aus der blassen Haut seines unrasierten Kinns stachen graue und schwarze Stoppeln hervor. Abgesehen von den Narben, die sein Gesicht wie ein Muster durchzogen, hatte er zwei verschiedenfarbige Augen: Das rechte war grün, das linke blau und von einem milchigen Schimmer getrübt.

Jaarn schoss eine Schrift über die alten Harachiten durch den Kopf, denen zufolge solche Augen einem Mann erlaubten, einen Blick auf die andere Seite, in die Welt der Götter und hinter die Dinge zu werfen.

Es schauderte ihn, als der Unbekannte ihn mit diesen ungleichen Augen fixierte und ihm lächelnd zuraunte: »Schön, schön. Bist also endlich wach. Gefällt mir. Bedeutet nämlich, dass du nicht tot bist.« Sein Grinsen wurde breiter, während er aus seinem Ärmel ein kleines Fläschchen hervorzog und gegen das Licht der Öllampe hielt. »Ahnst ja nicht, wie schwierig es is’, einem im Schlaf die richtige Menge davon zu verabreichen. Bei zu wenig wärste schon während des Runterschleppens wach geworden. Und bei zu viel … na ja … wie gesagt: Bin froh, dass du wach bist.«

Zornig funkelte Jaarn den Unbekannten an. Der aber ließ sich davon nicht beeindrucken, stand auf und griff wieder nach dem Bündel.

»He, Junge! Schau nicht so grimmig. Wenn einer wütend sein sollte, bin ich das. Sollte alles ganz anders laufen. Und dann zaubert der alte Rabe noch ein Küken aus dem Nest.«

Der Fremde richtete den umgestürzten Bücherstapel wieder auf und begann ihn mit einem ledernen Riemen zu umwickeln. Jaarn verfolgte jede seiner Bewegungen und erkannte, dass nicht nur seine linke Hand von einem Brandmal geziert wurde. Auch am rechten Handgelenk hoben Narben sich vom Rest der Haut ab.

Während der Mann das Bücherbündel verknotete, konnte er ihn murmeln hören.

»Höchstens noch ’ne Woche hätt’ ich gebraucht. Hätt’s ausgetauscht und wär’ längst über alle Berge! Und jetzt?« Er schüttelte den Kopf und zog den Knoten fester. »Bücherbruder geworden, Fluchtgang freigelegt, Schriften gestohlen, den alten Ceswell dieses Ding anfertigen lassen, und dann so was. Der dritte Sohn des Raben. Kydhan wird mir den Hals umdrehen.« Er ließ von den Büchern ab und wendete sich Jaarn zu. »Weißt du, ich hasse Geheimnisse. Zumindest solang’s nicht meine eigenen sind.«

Er versuchte, dem Fremden etwas zu entgegnen, was allerdings an seinem Knebel scheiterte. Dennoch tat der Mann so, als hätte er Jaarn verstanden.

»Natürlich. Gerade, wo du dachtest, jetzt fängt das schöne Leben an, Sohn des Fürsten und so weiter. Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Obwohl: besser, wenn ich dich enttäusche. Hat nämlich nicht mehr lang zu leben, der alte von Stahl. Da draußen hat noch einer ’ne Rechnung mit ihm offen. Rupft alles, was auch nur vage nach Rabe aussieht.«

Verständnislos blickte Jaarn den Narbigen an, während dieser sich anschickte, ein weiteres Bündel zu verschnüren.

»Beweg’ mich in Kreisen, wo man so was mitbekommt. Gibt viele, die das Geld brauchen können, Kerle, die für ein bisschen Gold alles tun würden. Aber dieses Mal hat der Keiler sich wen ganz Besonderes ausgesucht. Übrigens genau den Mann, der dich auf deinem Weg in die Welt begleiten und beschützen sollte.«

Jaarn zog die Stirn kraus. Er verstand gar nichts mehr. Ihm dröhnte der Schädel. Innerhalb weniger Stunden war sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden. Sein Gegenüber bemerkte seine Verwirrung.

»Glaub mir, Bursche, Thorden Baut is’ alles andere als ein Freund. Er hat vor seinem Aufbruch nach Khabrach mehr als die Hälfte der städtischen Gardisten gekauft. Hat nur darauf gewartet, deinen Vater vom Thron zu stoßen, um endlich aus seinem Schatten zu treten. Nach all den Jahren, in denen niemand ihn darin wahrgenommen hat. Fühlte sich immer zu Höherem berufen, der alte Baut. Brauchte nur noch einen Grund, sich gegen den Raben zu wenden. Da kam ihm der wieder erwachende Keiler gerade recht. Und glaub mir, früher oder später wird ihm irgendjemand von dir erzählen. Und dann wird er alles tun, um auch dir die Flügel zu stutzen.«

Der Narbige verknotete das Bücherbündel und streckte seinen Rücken. Jaarn, der unter den gegebenen Umständen nur zu gerne darauf verzichtet hätte, Teil irgendeiner Bestimmung, Sohn des Raben oder was auch immer zu sein, hoffte, dass diese ganze Angelegenheit nur ein Traum war, und wünschte sich nichts sehnlicher, als sobald wie möglich in der Kammer hinter den Regalen zu erwachen, seine Kutte überzustreifen und dem Alltag eines angehenden Bibliothekars nachzugehen.

Sein Gegenüber hielt kurz inne, zog ein zweites Fläschchen sowie ein Stück Stoff aus seinem Ärmel und träufelte, während er weitersprach, einige Tropfen auf das Tuch.

»Vor ’n paar Stunden haben Baut und seine Vorhut im Morgennebel das Stadttor erreicht. Inzwischen sind sie sicher bereits dabei, die letzten Getreuen deines Vaters aus dem Weg zu räumen. Jetzt is’ er vielleicht sogar schon auf dem Weg zu seiner Audienz, um den alten Raben in den Arm zu schließen, ihm Einzelheiten über den Tod seines Sohnes zu offenbaren und ihm einen Dolch ins Herz zu stoßen.«

Der Unbekannte verschloss die Flasche und verrieb die Flüssigkeit im Tuch, wobei er zischend die Luft durch die Zähne einsog und den Kopf schüttelte.

»Danach wird Baut alles tun, um seine Macht in der Stadt zu festigen. Zeigen, dass es besser is’, sich ihm nich’ in den Weg zu stellen. Und dann wird er von dir erfahren. Is’ also besser, wenn wir bis dahin weg sind.«

Jaarn brauchte einen Augenblick, bis er begriff. Wenn dieser Mann recht hatte, würde er seinen Vater verlieren, bevor er ihn überhaupt kennengelernt hatte. Selbst wenn er sich gestern noch für eine Waise gehalten hatte, erschreckte ihn diese Vorstellung. Etwas in seinem Inneren zog sich zusammen.

Das durfte nicht geschehen! Er musste den alten Raben warnen, es zumindest versuchen!

Jaarn begann sich am Boden zu winden, wobei er für einen Moment sogar die Fesseln vergaß, die nach wie vor in sein Fleisch schnitten.

Der Fremde seufzte.

»Beruhig dich. Die Dinge gehen ihren Weg. Machen sie seit eh und je. Und während sie das tun, muss man ihnen folgen. Ab und zu kann man vielleicht eine Pause machen. Oder anderen Leuten ein Bein stellen. Ist schon so einiges möglich, wenn die Dinge ihren Weg gehen. Selbst wenn er vorgezeichnet ist. Und weil du, mein Junge, mir noch nützlich sein wirst, werden wir wohl ein Stück dieses Weges gemeinsam gehen.«

Nachdenklich betrachtete der Narbige den getränkten Lappen in seiner Hand.

»Was jetzt kommt, tut mir leid. Taubkraut. Wird noch etwas schlimmer werden als vorhin. Is’ aber die einzige Möglichkeit, dich unter den Augen von Bauts Leuten lebendig aus der Stadt zu bekommen.«

Mit diesen Worten beugte er sich vor und presste Jaarn, dem sofort die Sinne schwanden, den Lappen auf Mund und Nase.

Der aufgehenden Sonne trotzend, ließ der Morgennebel ihr Licht kaum bis zu den zerrütteten Mauern durchdringen. In den wabernden Schwaden des milchigen Graus wirkte die Ruine wie das Gerippe eines vor Urzeiten niedergestreckten Ungetüms.

Im Moos zwischen den geborstenen Bodenplatten staken Fackeln, inmitten der Mauerreste brannte ein kleines Feuer. Eine Handvoll Männer starrte trübsinnig in die Flammen, die in der feuchten Luft knisterten. In Decken gehüllt hockten sie dort, die Hände an ihren schartigen Schwertern, gerade noch so nüchtern, wie sie für den Fall, dass etwas schiefging, sein mussten.

Ihnen war anzusehen, wofür sie bezahlt wurden. Allerdings auch, dass diese Bezahlung, selbst wenn sie ihre Arbeit so gut wie möglich verrichteten, nicht üppig war.

Die Männer, die seit einer Woche in den Ruinen des Keilersteins lagerten, waren Söldner. Die Sorte Männer, die ihren Lohn so schnell versoffen, dass sie niemals eine vernünftige Rüstung besitzen würden. Die meisten von ihnen stammten aus Shem-Goll, der Schurkenstadt, hinter deren Mauern der Abschaum des Reiches hauste.

Der General des Keilers lehnte an den Resten einer Wand. Nachdenklich betrachtete er die Männer, die er persönlich und vor allem ihres Aussehens wegen ausgesucht hatte. Die kleinsten Übel aus einem Haufen Unrat. Raubeinige, narbenübersäte Gestalten, die ihm furchteinflößend genug schienen, dass niemand sich an sie herantraute. Das war insofern wichtig, da sich selbst in einer kaum belebten Gegend wie dieser neben den Todsammlern überall marodierende Truppen herumtrieben, um mit ihren Dolchspitzen in schwelenden Trümmern oder einfältigen Wanderern zu stochern.

Er schob seine abgewetzte rote Lederaugenklappe zurecht, wendete seinen Blick von der kleinen Söldnertruppe ab und betrachtete den weitgehend unversehrten Teil einer Mauer, an der, seinen Anweisungen entsprechend, das Wappen des Keilers aufgezogen worden war. Keines der alten Banner, die vor nunmehr siebzehn Jahren in der letzten großen Schlacht zerfetzt worden und längst ausgeblichen waren. Damals, als der Rabe dem Keiler die Krone vom Haupt gerissen und ihm seine Krallen ins Herz gestoßen hatte. Als Garrudt Bitterkling gefallen und jeder einzelne seiner Offiziere im Namen Eonhs von Stahl hingerichtet worden war. Alle bis auf ihn, Zadt Mhaw, der seine Uniform abgelegt und sich in Lumpen davongemacht hatte, sodass jener Tag ihn anstelle des Lebens nur seine Ehre und ein Auge gekostet hatte.

Er war nie stolz darauf gewesen, davongekommen zu sein. Inzwischen aber schien ihm jener schwache Moment, in dem er sein Leben über seine Ehre gestellt hatte, beinahe Bestimmung gewesen zu sein. Wie sonst hätte er es, nach den unzähligen Kämpfen, die er seither mal für diesen, mal für jenen Herrn gefochten hatte, vermocht, den Keiler heimlich im Dunkel zu füttern, um ihn von Neuem erstarken zu lassen? Und das Banner über ihm, dessen kräftiges Blutrot durch den Nebel strahlte, war ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr der Keiler sich erholt hatte.

Seine Uniform wieder offen tragen zu können gab dem General ein erhebendes Gefühl. Auch wenn er der einzige Uniformierte in der Ruine war. Der tadellose Sitz seiner Kleidung und sein graues, selbst nach fünf Tagen im nebligen Hinterland ordentlich im Nacken gebundenes Haar verrieten, wie sehr er sich von seinen Begleitern unterschied. Allein schon in seiner Haltung war ihm seine militärische Ausbildung deutlich anzusehen. Und womöglich war diese auch der einzige Grund dafür, dass diese Söldner ihn noch nicht hinterrücks erdolcht und ausgeraubt hatten. Aber möglicherweise hofften sie auch darauf, dass sein Plan aufging, auf bessere Bezahlung und einen Posten in der wiedererstarkten Armee des Keilers.

Mhaw legte den Kopf in den Nacken und starrte in den grauschwarzen Himmel. Da saß er nun mit seinen sechs bewaffneten kleineren Übeln zwischen den kläglichen Überresten der Festung seines einstigen Herrn und wartete auf die Nachricht, die alles ändern sollte.

Eines wusste er dabei aus Erfahrung: Egal, wie schlecht man seine Männer bezahlte, es machte einen großen Unterschied, ob man dies drei oder sechs Tage lang tat.

Obwohl die Situation mit jedem Tag schwieriger wurde, war der General des Keilers noch immer voll Zuversicht. Wenn sie jedoch noch länger ausharren müssten, würde sich das stille Murren der Söldner bald in offene Auflehnung verwandeln. Über kurz oder lang, dachte er mit einem wachsamen Blick auf den wüsten Haufen, würde er im Laufe des Tages ein Exempel statuieren müssen.

Diese Befürchtung aber ging einen Moment später im dumpfen Echo lauten Hufgeklappers unter, das sich von jenseits der Mauern näherte.

Der General erhob sich und legte seine Hand auf den Schwertgriff. Auf einen kurzen Wink von ihm rappelten sich auch seine Begleiter missmutig auf. Kaum dass sie alle standen und den Ursprung des Geräusches auszumachen suchten, brach unter den Resten eines moosbewachsenen Torbogens ein berittenes Pferd aus dem Nebel. Sein Fell glänzte schweißnass. Und obwohl der Reiter das Zeichen des Raben trug, erschrak er doch im Angesicht des Keilerbanners nicht. Der Mann, der offenbar längere Zeit ohne Pause geritten war, hing erschöpft im Sattel. Mhaw trat näher und nickte ihm zu.

Der Berittene zögerte kurz, schien Mhaw dann aber an seiner Augenklappe zu erkennen und ließ sich vom Pferd helfen. Einer der Söldner reichte ihm eine hölzerne Schale mit dem, was vom Abendessen übriggeblieben war. Hastig begann er, den verwässerten Eintopf hinunterzuschlingen, und hoffte dabei auf ein Stückchen Fleisch, das diese schäbigen Gestalten übersehen hatten.

Dem Einäugigen, der seinen Blick nicht einen Moment von ihm abwendete, war seine Ungeduld anzumerken. Die Nachricht war zu bedeutsam, als dass er noch länger hätte warten können. Der Bote hatte seine Schale, ohne freilich ein Stück Fleisch gefunden zu haben, nicht einmal zur Hälfte geleert, als Mhaw sie ihm energisch aus der Hand riss und den Mann mit seinem verbliebenen Auge anfunkelte.

»Erst die Nachricht. Du wirst nicht bezahlt, um dir hier den Bauch vollzuschlagen.«

Sein Gegenüber schaute wehmütig der Schale nach und erhob kleinlaut seine Stimme.

»Herr, ich komme direkt aus Khabrach. Alles verlief wie vorgesehen. Der Fürst von Navrodt hat die Waffen gestreckt und dem Raben die Stadt kampflos überlassen, so wie der Keiler es befohlen hat. Auch Meister Baut hat seinen Teil des Handels erfüllt: Dem Boten, der dem alten von Stahl Khabrachs Kapitulation überbrachte, folgte bald darauf ein zweiter mit der Nachricht vom Tod seines Sohnes.« Die Stimme des Mannes klang müde. Auf Mhaws Gesicht hingegen breitete sich ein Lächeln aus. Der Keiler preschte voran. Und nichts würde ihn jetzt noch aufhalten!

Der Bote streckte seine Hand nach der Suppenschale aus, doch der General hielt sie noch ein wenig weiter von ihm fort.

»Ist Baut bereits auf dem Weg zurück in die Dritte? Sprich schnell, dann lass ich dich wieder an deinen Napf.«

Die umstehenden Söldner grinsten. Der Mann aber war zu kraftlos, um wütend zu werden.

»Wie geplant, Herr, Meister Baut besticht und verspricht. Die Zahl seiner Verbündeten wächst mit jedem Tag, seine Gefolgsleute haben inzwischen den größten Teil der Armee überzeugt, dass die Zeit des Raben vorüber ist.«

Mhaws Lächeln wurde breiter.

»Sehr gut, sehr gut. Seine Blutlinie endet ebenso plötzlich, wie die des Keilers vor siebzehn Jahren. Die Götter sind wahrlich gerecht. Und wie steht es um die Moral der Soldaten?«

»Bis sie zurück in Ghidt-Lhorr sind, werden die meisten bereit sein, einem neuen Herrn zu dienen.«

Der Einäugige schlug dem Boten wuchtig auf die Schulter. Dabei spürte er die Kälte der vergangenen Tage aus seinen alten Gliedern weichen.

»Und Baut, der Verräter, hält sich weiter an den Plan?« Der Reiter nickte, den Blick starr auf die Schale mit der Suppe gerichtet.

»Ja, Herr. Sobald Meister Baut den alten Raben getötet hat, wird er mit Hilfe der Verschwörer das Zepter der Stadt an sich reißen.«

Verzweifelt streckte der Mann ein weiteres Mal seine Hände nach der Schale aus. Mhaw drückte sie ihm so heftig gegen die Brust, dass er dabei einen guten Teil verschüttete.

»Hauptsache, er vergisst nicht, die Leiche seines alten Freundes in Salz einzulegen. Es gibt schließlich jemanden, der sich sehr auf den Anblick dieses alten Kadavers freut.«

Während der Bote hastig zu löffeln begann, blickte der General zu dem Keilerbanner empor. Ghidt-Lhorr, die Dritte der Fünf, stand im Begriff zu fallen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Durch denselben Verrat, der auch die Blutlinie des Raben ein für alle Mal beenden würde.

Das erste Mal seit vielen Jahren war Zadt Mhaw zufrieden.

Und der Keiler würde es ebenso sein.

Abermals schlug Jaarn seine Augen an einem ihm fremden Ort auf. Und abermals spürte er kalten Schweiß auf seiner Stirn. Sein Schädel schmerzte tatsächlich weit schlimmer als zuvor. Zum einen des Taubkrauts wegen, zum anderen aber auch, weil der falsche Bruder ihn auf seinem Weg durch den Tunnel offenbar nicht sehr rücksichtsvoll behandelt hatte: An seinem Hinterkopf spürte er das Pochen zweier großer Beulen.

Sein Entführer hatte ihm zwar den Knebel aus dem Mund genommen, seine Beine waren jedoch noch immer gefesselt. Sein Kopf ragte unter einer rauen Decke hervor, die den Rest seines Körpers bedeckte. Der schwere Stoff roch nach Moder, Urin und Erbrochenem.

Er fühlte sich hundeelend. Zu den Kopfschmerzen gesellten sich ein bitterer Geschmack im Mund und das anhaltende Gefühl, sich übergeben zu müssen. Während sein Körper sich nicht zwischen Bewusstsein und Ohnmacht entscheiden konnte, spürte er, wie ihm Speichel über das Kinn lief und die Decke tränkte.

Die Augen offen zu halten kostete ihn so viel Kraft, als lägen Mühlsteine auf seinen Lidern. Und seinen Kopf zu bewegen schien ihm beinahe unmöglich.

Jaarn versuchte, ruhig zu atmen. Der Himmel über ihm wankte, und er war nicht sicher, ob sein geschwächter Geist ihm etwas vorgaukelte oder ob er auf einem Karren lag. Undeutlich vernahm er Hufgetrappel und das Rumpeln von Rädern, so dumpf, als ob ihm jemand Wolle in die Ohren gestopft hatte. Nicht einmal seine Finger spürte er mehr. All seine Sinne schienen unnütz, waren wie betäubt und er selbst ein besserer Leichnam, der sabbernd und hilflos auf einem Fuhrwerk durch die Gassen Ghidt-Lhorrs gezogen wurde.