Das eine oder andere Leben - Luise Isover - E-Book

Das eine oder andere Leben E-Book

Luise Isover

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Beschreibung

Als die junge Bäckerstochter Adele mit Sebastian, dem schüchternen Studenten, zusammenkommt, wähnt sie sich am Ziel ihrer Träume. Doch Sebastians gut gehütetes Geheimnis, stellt ihre Liebe auf eine harte Probe. Viel zu schnell muss Adele Sebastian gehen lassen und versuchen, ihre Liebe aufrecht zu erhalten. Sie ahnt nicht, dass das erst der Anfang einer Reise ist, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird. Denn auch Adele bleibt von der Wahrheit ihres Lebens nicht verschont.

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Mit diesem Buch danke ich meinem Sohn für diese Inspiration. Ich wünsche ihm, in seinem Leben den richtigen Weg zu finden und ihn mit vollem Stolz zu gehen.

Inhaltsverzeichnis

Eine Begegnung mit Sehnsucht nach Liebe

Kaffee und Scones

Der erste Besuch zuhause

Der Krankenhausaufenthalt und die Wahrheit

Das Auslandssemester

Der Geburtstag und das Geschenk

Die Überraschung

Die Reise in ein aufregendes Abenteuer

Der ganz andere Urlaub

Das Diwali-Fest

Familie Sharma

Das Schicksal der Kamala Zsupra

Der Tod von Menna

Die Verlobung und der Weg zurück

Die Beichte und der Lehrer auf Probe

Die Weichen für den Neuanfang

Der Umzug in ein neues Leben

Die Hochzeit der Liebe

Unerwartete Überraschungen

Der Abschied

Die richtige Entscheidung?

Leseprobe

1. Eine Begegnung mit Sehnsucht nach Liebe

Sebastian war ein echter Hingucker. Mit seinem Waschbrettbauch, den starken, muskulösen Armen, dem dunklen, leicht lockigen Haar und den eisblauen Augen, in denen man sich verlieren konnte, ohne jemals einen Ausweg zu finden. Aber davon wusste er nichts. Ja, er konnte die Frauenherzen zum Schmelzen bringen, sie höherschlagen lassen. Doch lieber kümmerte er sich um sein Studium, indem er sich hinter seinen Büchern in seinem Zimmer versteckte.

Da er seiner Großmutter keinen Wunsch abschlagen konnte, hatte er ihr auf dem Sterbebett versprochen, dass er einen guten Abschluss in seinem Studium als Biologe machte. Das war seiner Großmutter wichtig, die wusste, wie schwer es war, ohne guten Abschluss durchs Leben zu kommen.

Wie immer klingelte sein Wecker um 6:45 Uhr. Er stand sofort auf, um nicht, wie andere, eine halbe Stunde oder länger, den erbarmungslosen Wecker zu erschlagen, bis sie sich bemühen, den Weg ins Bad zu finden.

Nein, das lag ihm nicht. Nicht, dass er nicht gern noch länger schlafen würde, aber er wusste, dass eine Dusche seine Lebensgeister schon wecken würde.

Sein Weg ins Badezimmer verlief noch schlürfend und den Blick in den Flurspiegel wagte er gar nicht erst. Er duschte, zog sich anschließend an und stylte sein Haar, ehe er die Küche für das Frühstück aufsuchte. Dieses bestand lediglich aus einer Tasse Kaffee, da der Kühlschrank wie so oft leer war. Aber das war normal in der WG von Tobi, Isabell, Hannah und Sebastian. Der Kaffee musste genügen, bis er sich beim Bäcker einen Croissant mitnahm.

Er stellte sein Rad wie immer unangeschlossen an die Scheibe des Ladens, mit dem Gedanken, dass dieses alte Ding eh niemand stehlen würde. Es rostete langsam vor sich hin und die Farbe blätterte an nicht nur einer Stelle ab. Ihm aber leistete es gute Dienste und brachte ihn, in der sonst so verstopften Stadt, schnell von einem zum anderen Punkt. Seine Mitbewohner lachten zwar des Öfteren, da er so an dem Rad hing, er jedoch sah keinen Sinn darin, unnötiges Geld auszugeben, wenn sein Drahtesel seinen Dienst noch tat.

Die Glocke über der Tür schellte, als Sebastian den kleinen Laden betrat und zum Tresen ging. Er musste nicht schauen, da er jeden Morgen das Croissant wählte, dennoch flogen seine Augen kurz über die Auslagen, um nicht zur Bäckerstochter schauen zu müssen. Sie machte ihn… verlegen.

„Guten Morgen, Sebastian!“, begrüßte ihn die junge Frau hinter dem Tresen mit einem vorsichtigen Lächeln.

„Guten Morgen, Adele. Wie immer, bitte”, erwiderte Sebastian, ebenfalls mit einem Lächeln, welches jedoch eher einer angespannten Miene glich. „Hier, bitte.“ Die junge Frau hatte schon längst das Croissant in eine kleine Tüte gesteckt und reichte diese nun an Sebastian weiter.

Wie immer fand der Austausch von Ware und Geld schweigend statt und gerade, als Sebastian sich abwenden wollte, ergriff Adele, nach einem kleinen inneren Kampf, doch noch das Wort.

“Wie geht es dir im Studium? Kommst du voran?“.

Seine Antwort war knapp, aber nicht unfreundlich. “Gut, danke.“ Sebastian hielt sich nie lange in dem kleinen Laden auf. Und auch heute änderte Adeles Vorstoß nichts daran.

Adele schaute ihm mit großer Sehnsucht nach. Das konnte ihrem Vater - einem sonst sehr beschäftigten Mann - nicht verborgen bleiben.

„Schlag ihn dir aus dem Kopf.”, riet er seiner Tochter, während er eine seiner großen Hände auf ihre zierliche Schulter legt. “Der ist nur mit sich und seinem Studium beschäftigt.“

“Ja, ich weiß“, seufzt sie. “Wenn das nur so einfach wäre.” Denn das war es nicht. Es war alles, aber nicht einfach. Seit Sebastian jeden Morgen in den Laden kam, ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf.

„Eines Tages werden wir zusammen sein.“ Es war ein leises Versprechen, welches sie sich gab und das weder für die Ohren ihres Vaters, noch für Sebastians bestimmt war. Noch nicht.

An der Uni angekommen, führte ihn sein erster Weg zur Bibliothek. Er hatte noch ein Buch abzugeben, sonst würde er kein neues mehr bekommen, wie Gerda - die gute Seele der Bibliothek - ihm kürzlich mitgeteilt hatte. Auch jetzt schien es ihm, als hätte die rüstige Dame, mit ihren grauen, zum Dutt gebundenen Haaren und der Brille auf der Nasenspitze, direkt auf ihn gewartet.

„Na endlich“, rief sie ihm schon entgegen, kaum dass er die schweren Türen zur Bibliothek aufgeschoben hatte. „Es haben schon andere Studenten nach dem Buch gefragt. Du hast das es länger gehabt, als du wolltest.“

„Ja, ich weiß“, antwortete Sebastian mit gesenktem Kopf und leicht beschämt. „Dafür werde ich Überstunden in der Restauration machen, wenn Sie wollen.“

„Nein, so wichtig ist das nun auch nicht. Das Buch ist jetzt da, also vergessen wir den Vorfall.“ Sie hatte was übrig für den Jungen, denn manch anderen, dem hätte sie sicherlich eine Strafe aufgebrummt.

„Vielen Dank.“ Er klopft mit den Knöcheln seiner Faust auf den Tresen, lächelt die alte Dame an und verließ eilig die Bibliothek, um rechtzeitig zur Vorlesung zu kommen.

Die Stunden an der Uni vergingen wie im Flug. Es war bereits Mittag und sie saßen in der Mensa, als Professor Dr. Wolf eine Mitteilung über die Sprechanlage verbreitete.

„Morgen ist Tag der offenen Tür und die Zweitsemester werden die Schüler und Schülerinnen der 13. Oberstufe des Marie-Luisen-Gymnasiums empfangen und betreuen.“

Im Hörsaal war ein Raunen und Stöhnen zu hören. Nur bei einem nicht. Denn Tobi war sofort Feuer und Flamme. „Super, ich hoffe da sind ein paar süße Mädels dabei. Unsere an der Uni, kenne ich schon alle.“

Sebastian hingegen, der mit seinen Mitbewohnern am Tisch saß, war jetzt schon in Gedanken versunken. Er hörte nicht wie die Mädels Tobi mit seinem Frauenverschleiß aufzogen, denn seine Gedanken waren schon beim morgigen Tag.

Besser hätte der Tag in der Schule für Adele nicht beginnen können. Morgen würde sie Sebastian endlich an der Uni sehen. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, ohne dass sie sich dessen bewusst war. Ihre beste Freundin Sahra, wusste was das Lächeln von Adele neben ihr, zu bedeuten hatte. Schon seit Adele Sebastian das erste Mal gesehen hatte, war sie in ihn verliebt gewesen. Bis heute, hatte sie sich allerdings nicht durchringen können, ihm das zu gestehen. Sie beugte sich zur ihrer Freundin. „Du weißt nicht, ob du ihn überhaupt zu Gesicht bekommst, das ist dir klar, oder?“, flüsterte sie

„Uhm...“ Adele fühlte sich ertappt und sie hasste es, wenn sie wie ein offenes Buch war. Bei Sahra war das noch in Ordnung, aber sie wollte auf keinen Fall, dass andere ihre Verliebtheit mitbekamen.

„Ja, schon”, setzte sie noch abschließend hinterher. Und auch wenn Sahra ihre Freundin mit einem skeptischen Blick bedachte, gab sie Ruhe. Es würde noch die Zeit kommen, darüber zu sprechen.

Den ganzen restlichen Tag ging ihr die Information mit der Uni nicht aus dem Kopf. Sie würden morgen an der Universität sein und diese besichtigen. Hoffentlich konnte sie Sebastian dort sehen. Vielleicht würde er sie dort bemerken? Möglicherweise würde sie mehr Worte miteinander wechseln können, als nur Begrüßungen? Sie verlor sich beinahe den ganzen Tag in ihren Träumereien und Vorstellungen über den morgigen Tag, dass sie in ihrer Nachmittagsschicht nicht bemerkte, dass ihr Vater die Teiglinge für den nächsten Tag schon fertig und ihr die ganze Arbeit abgenommen hatte.

Ein lauter Knall aus der Backstube, war es, der sie wieder in der Realität ankommen ließ. Erschrocken eilte sie die drei Stufen der Treppe hinauf, schob die Tür zur Backstube auf und fragte mit entsetztem Gesichtsausdruck: „Paps, was ist los? Ist dir etwas passiert?“

„Nein, mir ist nur das Blech heruntergefallen. Alles gut.”

Sie ging ihrem Vater zur Hand, das fallengelassene Blech aufzuheben und den Bienenstich vom Boden der Backstube abzukratzen.

Jetzt, wo sie wusste, dass es ihrem Vater gut ging, gingen ihre Gedanken wieder zum morgigen Tag. Morgen also, dachte sie morgen gehe ich an die Uni. Und ein vorfreudiges Kribbeln machte sich in ihrem Bauch breit.

In der Zwischenzeit, ging Sebastian Gerda mit der Restauration eines sehr alten Schätzchens zur Hand. Er hatte ein Händchen dafür entwickelt und er liebte Bücher. Wenn er mal eine Pause vom Leben brauchte, half er Gerda dabei, ihren Bestand in Ordnung zu halten. Um 17:30 Uhr schloss Gerda die Bibliothek, nachdem auch Sebastian sich auf dem Weg nach Hause gemacht hatte.

In seiner WG angekommen wurde er gleich von Tobi empfangen, der gerade aus der Tür kam und Pizza holen wollte. „Möchtest du auch Pizza?“, fragte er Sebastian.

Sebastian, der nach einem Gespräch mit Gerda, sehr viel besser gelaunt war, verspürte jetzt auch wieder einen enormen Hunger, weshalb er begeistert nickte. „Unbedingt! Wie immer, bitte.“

„Okay. Also Tomate mit Mozzarella.“ Tobi nickte und wusste, dass er Sebastian gar nicht erst überreden brauchte, etwas Anderes zu wählen, als das Übliche. Er hatte es oft genug versucht und scheiterte jedes einzelne Mal kläglich. Irgendwann hatte er es aufgegeben. Manche Leute waren vermutlich einfach nicht für Experimente. Ganz anders, als Tobi es war. Er liebte Experimente.

„Sebastian? Tobi ist mit der Pizza da!“, schallte es kurze Zeit später über den Flur.

„Bin gleich da“, rief Sebastian aus seinem Zimmer zurück, wo er schon seinen Laptop gestartet hatte und darauf herumtippte.

Abends aßen sie meist zusammen in der großen Küche, die zwar spartanisch, aber mit viel Liebe, von den beiden Mädels eingerichtet worden war. Sie hatten einen großen Tisch und eine mit Leder bezogene, alte Wartebank aus dem Bahnhof, drei zusammengewürfelte Stühle vom Sperrmüll und ein paar alte Schränke. Das Einzige, was modern war in dem Raum, waren der Kühlschrank und die neue Kaffeemaschine. Und dennoch liebten alle diesen Raum. Er war das Herzstück ihrer Wohnung.

Während des Essens, sprachen sie über den Tag und was es so an der Uni neues an Projekten im Bereich der Zellbiologie gab. Isabell wollte unbedingt bei dem neuen Dozenten, Dr. Rahul Sharma, in den Vorlesungen sitzen. Sie liebte die Vorträge über organische und anorganische Zellen. Sebastian beteiligte sich zwar hier und dort am Gespräch, aber mit seinen Gedanken war er schon wieder bei seinen Büchern. Er musste noch ein Referat vorbereiten und er wollte keine Zeit verlieren. Sachen auf dem letzten Drücker zu erledigen, war nicht seine Art. „Was du heute kannst besorgen“, hatte seine Großmutter immer gesagt und der Spruch war in seinem Kopf eingemeißelt, wie alte Schriften in Stein.

Nach dem Essen half er den Mädels noch dabei, den Tisch abzuräumen, ehe er sich in sein Zimmer zurückzog. So verging der Abend recht schnell und die Nacht kam über Bern herein. Es war schon weit nach Mitternacht, als Sebastian die Datei abspeicherte und den Laptop zufrieden zuklappte und schlafen ging.

Die dunkle Nacht, hatte einem verregneten grauen Morgen Platz gemacht. Und dennoch verlief auch heute für Sebastian alles wie üblich. Er ging ins Badezimmer und machte sich zurecht, während die WG nur langsam erwachte.

Später sprang er auf sein Fahrrad, um zur Bäckerei zu fahren, doch schon beim Eintreten bemerkte Sebastian, dass etwas fehlte. Adele war nicht im Laden, um ihn zu bedienen. Er verließ den Laden wieder, ohne ein Wort gewechselt zu haben und auch ohne Croissant. Auf dem Weg zur Uni, machte er sich das erste Mal darüber Gedanken, was mit der Tochter des Bäckers war. Er war so sehr in seinem morgendlichen Trott integriert, dass er gar nicht darüber nachgedacht hatte, dass sie irgendwann nicht da sein könnte. Sie war, wie selbstverständlich, einfach immer dort. Nur heute nicht und das brachte ihn vollkommen aus seinem Konzept.

Nach seiner Vorlesung steckte er sein Buch in die Tasche und schlenderte langsam Richtung Ausgang und zum Treffpunkt auf dem Campus, wo sie auf die Schüler treffen sollten. Etwa fünfzig Schüler der 13. Klasse hatten sich hier bereits eingefunden, als Sebastian ankam und nach einer kurzen Begrüßung durch den Professor, wurden jedem Studenten vier Schüler zugeteilt.

Sebastian bekam zwei Jungen und zwei Mädchen. Überrascht stellte er fest, dass er eines dieser Mädchen kannte. Es war Adele, die Tochter des Bäckers, die er heute Morgen im Laden vermisst hatte.

Sebastian führte die kleine Gruppe, die aus Adele, Sahra und zwei Jungen bestand, über den Campus und erklärte ihnen die Häuser an denen sie vorbeikamen. Manchmal blieben sie länger stehen, da die Schüler Fragen hatten, auch wenn sie sich in Grenzen hielten. Er beantwortete alle nach bestem Wissen und er merkte, dass es ihm leichter fiel, zu reden, wenn sein Blick auf Adele lag. Sie schien wie ein Anker zu sein, der dafür sorgte, dass er frei sprechen konnte.

Mit einigen gewollten Unterbrechungen gelangten sie zur Bibliothek, wo sie die Treppen hinaufstiegen und Sebastian die schweren Türen aufschob. Bevor er die kleine Gruppe einließ, legte er den Zeigefinger auf seine Lippen. Eine kleine Geste und dennoch nickten die Vier, als Zeichen, dass sie verstanden hatten. Dann trat er beiseite.

Sie standen in einer großen lichtdurchfluteten Halle mit Regalen, die bis zur Decke reichten und über zwei Etagen gingen.

„Wow!“, staunte Adele. „Das sieht ja so... so...“

Sahra fiel ihr ins Wort: “Faszinierend aus?“, half sie ihrer Freundin aus und Adele nickte.

„Mh ja.. faszinierend aus“, wiederholte Adele. Sie konnte sich an dem Anblick nicht sattsehen. Und sie vergaß darüber hinaus, dass es noch etwas Anderes bzw. jemand anderen gab, an den sie sich nicht sattsehen konnte.

„Und wo werden die Bücher restauriert?“, fragte einer der Schüler. Gerda schaute zu Sebastian und den Jugendlichen „Etwas leiser, bitte!“, erklang ihre forsche Stimme sogleich. Sebastian nickte und ging schnell auf dem blauen Teppich zwischen den Regalen, zu einer alten Treppe mit einem verschnörkelten Geländer.

„Nach unten, bitte“, sagte er kurz und knapp. Adele und ihre Klassenkameraden folgten ihm. Unten angekommen schaltete Sebastian das Licht ein und sie standen vor einer Tür, die nur aus Glas bestand.

„Die Handschuhe bitte überziehen!“ Immerhin waren das sehr alte Bücher, die einen gewissen Wert hatten. Er wollte nicht riskieren, dass sie sie beschmutzten. Am liebsten hätte er sie in Anzüge gesteckt, aber sowas gab es hier leider nicht. Adele fragte, ob sie die Bücher auch mal anfassen durften, jetzt wo sie ja Handschuhe trugen, doch Sebastian schüttelte entschieden den Kopf.

„Auf gar keinen Fall, hört ihr?!“

Die Führung war die Hölle für Sebastian, denn er hatte die Befürchtung, dass die Jugendlichen sich nicht an seine Anweisungen halten und damit die Arbeit von ihm und Gerda gefährden könnten. Aber zu seinem Erstaunen ging alles gut. Die Bücher blieben unversehrt und er konnte ihnen zeigen, wie er die einzelnen Seiten der Bücher an die Stelle einsetzte, wo sie hingehörten. Er beantworte ihre Fragen auch hierzu geduldig, auch wenn die Meisten von Adele kamen und es ihm daher gefiel, sie zu beantworten.

Die Zeit verging schnell, viel zu schnell für Adele. Sie wollte noch nicht weg, denn es war zu schön in der Nähe von Sebastian. Sie fühlte sich wohl, zum ersten Mal hatte er wirklich mit ihr geredet. Mehr, als in der ganzen Zeit, die sie ihn kannte. Er hatte ihre Fragen alle beantwortet und sie stellte extra viele, um mit ihm reden zu können und einen Blick von ihm zu erhaschen. Manchmal kam sie sich selbst dumm vor, aber das nahm sie heute einfach in Kauf, denn die Stunden mit Sebastian machten einfach zu viel Spaß. Und nachdem alle wieder vor der großen Eingangstür der Bibliothek standen, sagte sie zu Sebastian: “Entschuldigung, ich habe mein Tuch unten vergessen.“

„Ich wusste nicht, dass du ein Tuch dabeihattest“, flüsterte Sahra und Adele schaute sie geheimnisvoll grinsend an.

„Okay, dann gehen wir nochmal nach unten“, sagte Sebastian zu Adele. „Ihr anderen könnt ja schon zu euren Mitschülern gehen.“

Als die beiden wenig später erfolglos die Treppe aus dem Keller nach oben kamen, merkte Sebastian, dass das Licht aus war und nur der Mond noch die Bücher und den blauen Teppich beleuchtete. Er hatte unten komplett die Zeit vergessen und anscheinend das Rufen von Gerda überhört. Sie waren eingeschlossen. Zum Leidwesen von Sebastian, der sich doch um sein Referat kümmern wollte, aber zum Glück für Adele, für die es nichts Aufregenderes gab, als die Nacht hier mit Sebastian verbringen zu müssen... oder eher zu dürfen.

„Oh mein Gott, jetzt müssen wir hier übernachten!“, sprach Adele das Offensichtliche aus. Sebastian schaute sie an und fragte sie: „Hast du Angst?“

Adele wollte erwidern, dass sie keine Angst hatte, aber Sebastian kam ihr zuvor.

„Brauchst du nicht, ich kenne mich hier aus und dir wird nichts passieren.“ Aber Angst war das Letzte, was Adele hatte. Sie freute sich darüber, endlich länger mit Sebastian allein sein zu können, als nur ein paar Minuten. Minuten, in denen er nichts sagte, als „das Übliche“. Jetzt konnte er nicht so schnell entwischen.

Nachdem er ihr versichert hatte, dass er gleich zurück sein würde, ging er nach unten in den Keller und kam kurz darauf mit einer Decke, etwas zu trinken und einer Dose mit Keksen wieder. Sie setzten sich auf das blaue Sofa, was in der Leseecke stand.

„Leider war unten nichts Anderes“, erklärte er Adele. Gerdas Geheimvorrat bestand aus einer Flasche Wein und ein paar Keksen, die ihr so manche lange Stunde mit den Büchern versüßt hatte. Mittlerweile wusste Adele nicht mehr, ob das alles hier so eine gute Idee war. Aber nun war es zu spät, dachte sie. Obwohl sie in Sebastians Nähe keine Angst hatte, war es etwas unheimlich. Zum ersten Mal mit dem Mann ihrer Träume allein zu sein, erfüllte sie mit einer Aufregung, die sie nur schlecht im Zaum halten konnte. Sie fühlte sich bei ihm wohl, geborgen und ihr war nicht kalt, dennoch überzog eine leichte Gänsehaut ihre Arme. Und Sebastian fiel auf, dass sie zitterte.

“Ist dir kalt?“, fragte er mit besorgter Stimme.

„Nein“, kam es aus ihrem Mund geschossen, „es ist nur...ach, es ist nichts.“ Sie war sich bewusst, dass es ihre Nervosität war, aber das musste Sebastian noch nicht wissen.

Und da er sich darüber auch keine weiteren Gedanken zu machen schien, fing er an, ihr von den Büchern zu erzählen. Voller Leidenschaft und Hingabe. Adele konnte ihre Augen nicht von seinen Lippen lassen.

“Warum studierst du Biologie und nicht Restauration?“, wollte sie von ihm wissen.

Sebastian wusste auf diese Frage nicht gleich eine Antwort, außer dass es das war, was er seiner Großmutter versprochen hatte. Sie war diejenige gewesen, die immer gesagt hatte: “Junge, für dich ist es wichtig, dass du etwas machst, wo dein Leben eine Zukunft hat.“

Seine Leidenschaft für Bücher, war nur ein Hobby. Oder etwa doch nicht? Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, musste er sich eingestehen. Und jetzt war wohl auch nicht mehr die richtige Zeit, dies zu tun. Er steckte mitten im Studium der Biologie. Und Ablenkungen, waren das Letzte, was er jetzt brauchen konnte.

Sie öffneten die Flasche Wein und unterhielten sich. Adele erzählte über ihre Arbeit in der Bäckerei und Sebastian erklärte Adele, was ihn an der Biologie so faszinierte. Es war toll, wie einfach es war, mit ihm zu reden. Und darüber hinaus, war er auch ein guter Zuhörer, stellte Fragen und schwieg an den richtigen Stellen. Und er kam selbst etwas aus sich raus, da es für ihn nicht minder schön war, wie leicht es ihm fiel, mit Adele zu reden. Als er ihr gerade vom heutigen Seminar erzählte und seinen Blick zu ihr lenkte, merkte er, dass sie eingeschlafen war. Er zog beinahe liebevoll die Decke bis über ihre Schultern, dann setzte er sich gemütlich neben sie und schlief kurz darauf auch ein.

Erst als die Sonne ihre Strahlen in der Bibliothek ausstreckte und Gerda den Schlüssel resolut im Türschloss drehte, welche sich kurz darauf quietschend durch einen kräftigen Stoß öffnete, wachten sie auf. Vollkommen aufgeschreckt sahen sie sich an. Und Gerda traute ihren Augen nicht, als sie die jungen Leute erblickte.

“Was macht ihr denn hier?!“, fragte sie. „Ich dachte gestern, es wäre niemand mehr hier. Ich hatte doch extra noch gerufen!“ Ganz so, wie sie es immer tat. Das wusste sogar Sebastian. Aber gestern Abend, hatte er eben nichts davon mitbekommen.

„Das haben wir wohl nicht gehört.“, stammelte Adele verlegen. “Wir haben mein Tuch gesucht, was ich wohl doch nicht dabeihatte.“

„Ein Tuch?“, hakte Gerda stirnrunzelnd nach.

„Ja“, sagte Sebastian, „ein Tuch.“

Gerda lächelte: „Nun, dann aber jetzt schnell raus mit euch!“ Mit einer verscheuchenden Geste, trieb sie die beiden jungen Leute an und Adele und Sebastian liefen aus der Bibliothek. Er holte sein Rad vom Fahrradständer, wo es das Einzige war, was noch dort stand. Sie gingen auf direktem Weg nach Hause, ohne ein Wort miteinander zu sprechen. Jeder versunken in seinen eigenen Gedanken. An der Haustür von Adele verabschiedeten sie sich und Adele, die wirklich all ihren Mut zusammenkratzte, gab Sebastian ein flüchtigen Kus auf die Wange und flüsterte: “Danke für den schönen Abend!“.

Sebastian ging ohne etwas zu sagen und er war froh darüber, dass Adele sich so schnell ins Haus zurückgezogen hatte. Denn auch über seine Wangen war eine leichte Röte gezogen und um nichts in der Welt, hätte Adele mitbekommen sollen, dass ihm der vorsichtige Kuss peinlich war. Peinlich, nicht weil es ihm nicht gefallen hatte, sondern da dieser ganze Kram für ihn Neuland war.

Erst als er um die Ecke herum war, stieg er auf das Fahrrad und legte den restlichen Weg bis zur WG nun wieder zügiger zurück.

Am späten Nachmittag, hatte Adele Sahra zu Besuch und diese ließ sich alles bis in jede kleine Einzelheit erzählen. Am Ende seufzte sie resigniert.

„Er hat nichts zu dir gesagt?“, fragte Sahra.

„Nein, nichts.“ Trotz ihrer Verwunderung, musste sie dennoch lächeln.

„Das ist schon merkwürdig. Ihr verbringt eine ganze Nacht zusammen und von ihm kommt keine Reaktion? Du küsst ihn auf die Wange und von ihm kommt nichts? NICHTS?“

Adele konnte die Empörung ihrer Freundin gut nachvollziehen. Aber für sie selbst, war das gestern schon mal ein Vorstoß. Einen, den man ausbauen konnte, weshalb sie nun wieder lächelnd zu Sahra schaute.

„Ja, aber weißt du, ich bekomme schon noch raus, warum er so komisch zu mir war.“

2. Kaffee und Scones

Es vergingen drei lange Wochen, bis Adele sich traute, Sebastian anzusprechen. Drei Wochen, in denen sie sich jeden Morgen sahen und dennoch war es, als wäre überhaupt nichts zwischen ihnen passiert. Keine gemeinsame Nacht in der Bibliothek. Kein Kuss auf die Wange, der so viel Überwindung gekostet hatte. Nichts. Dennoch hatte sie heute all ihren Mut zusammengenommen und ihn auf eine Tasse Kaffee und ein Croissant eingeladen. Er sagte ihr zwar, dass er im Augenblick keine Zeit habe und sich beeilen müsse, aber wenn sie wolle, dann könnte sie heute Nachmittag zu ihm in die WG kommen, um dort mit ihm einen Kaffee zu trinken.

„Ja, wann?“, fragte sie und musste sich bemühen, ihm nicht ihre Aufregung zu zeigen. Nicht, dass sie ihn damit noch verschreckte.

„So gegen 16:00 Uhr“, kam es noch leise bei ihr an, dann ging die Tür zu und Sebastian war weg.

„Ich werde da sein“, lächelte sie, auch wenn Sebastian schon längst draußen und die Tür hinter ihm geschlossen war.

Den ganzen Schultag über, konnte Adele sich nicht konzentrieren und Sahra hatte alle Mühe, sie immer wieder leicht mit dem Ellenbogen anzustupsen, dass sie etwas vom Unterricht mitbekam. Sie gab sich ihren Tagträumen hin und malte sich aus, wie es in der WG von Sebastian werde würde. In Gedanken legte sie sich schon ihre Sachen zurecht, die sie anziehen würde und sie wurde immer aufgeregter. Der Schultag heute, war nicht existent und sie war nur rein körperlich anwesend, weshalb sie sehr froh war, nach der siebten Stunde endlich nach Hause zu können.

Was Adele nicht ahnte, während sie vor ihrem Schrank stand und ein Oberteil nach dem anderen herauszog, es kurz betrachtete und dann achtlos aufs Bett warf, war, dass eine Stunde später, nachdem sie keuchend die Treppen bis in den vierten Stock hinaufkam – Sebastian hatte sie unten schon eingelassen - schon an der Tür eine Überraschung auf sie wartete. Völlig aus der Puste stützte sie sich am Türrahmen ab und holte erst einmal richtig tief Luft. Die Tür stand offen und eine zarte Stimme rief ihr entgegen: “Komm rein, wir warten schon!“

Adele wunderte sich, zog ihre Augenbrauen zusammen und ging betrat die Wohnung. Schon im Flur musste sie lächeln. Wenn sie sich vorgestellt hätte, wie eine Studenten-WG aussah, dann hätte sie es wohl genau so vermutet. Vom langen, schmalen Flur gingen etliche Zimmer ab. Manche der Türen waren mit typischen Schildern versehen. Auf einem Schild stand in großen Buchstaben ‚Zickentempel‘ und Adele musste schmunzeln. Sie hatte jedoch nicht mehr die Zeit, sich ausführlicher mit dem Türschmuck zu beschäftigen. Stattdessen folgt sie den Stimmen, bis in die Küche, wo sie zunächst im Türrahmen stehen blieb. „Huch, wer bist du denn?“, fragte die Frau mit den kurzen blonden Haaren, die der Tür am nächsten saß.

„Ich? Ich bin Adele.“

„Ja, das ist die Bäckerstochter“, winkte Tobi ab.

„Oh, Sie bringen die Torte.“

„Die Torte?“ Adele trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. „Nein, tut mir leid. Ich bin mit Sebastian verabredet.“

„Ach, noch ein Gast“, nickte die Frau verstehend. „Na das hätte er mir ja mal sagen können. Ich bin Inka, die Mutter.“

„Das ist die Mutter von Sebastian“, klärte Isabell Adele auf und sorgte dafür, dass sie sich am liebsten mit der Hand an den Kopf gefasst hatte. Sie schob es auf ihre Nervosität, aber das konnte sie den Anwesenden natürlich nicht erklären.

„Guten Tag“, sagte Adele stattdessen höflich, auch wenn es ihr nun etwas peinlich war.

„Sebastian scheint noch etwas länger zu brauchen, wie immer. Sogar heute, wenn es um ihn geht, sind ihm die Bücher wichtiger, als die Menschen. Das war schon immer so“, redete Inka drauf los, so als kannte sie alle Anwesenden schon länger, als ein paar Minuten und schaute in die Runde mit erstaunten Gesichtern.

„Oh, ihr wisst es gar nicht?“

„Was wissen wir nicht?“, fragte Isabell.

„Na..“, wollte Inka schon ansetzen, als eine Stimme hinter ihr erklang und sie abrupt den Satz stoppte.

„Hallo, ich bin da, wo seid ihr denn alle? Mom?“ Sebastians Stimme tönte durch den Flur und die Köpfe wandten sich in Richtung Tür.

„Ja, wir sind in der Küche“, sagte Inka

„Hallo alle zusammen. Wartet ihr schon lange?“

„Nein“, meinte Tobi und fügte noch hinzu, „in der Zeit habe ich bestimmt ein süßes Mädel verpasst und graue Haare bekommen!“

„So ein Quatsch!“, sagt Isabell.

„Spinner!“, kam es zeitgleich aus Hannahs Mund.

Sie tranken alle zusammen Kaffee und aßen Kuchen. Es war eine lustige Runde, besonders, weil Tobi alle mit seinen Frauengeschichten erheiterte. Selbst Isabell und Hannah, prusteten mehr als einmal beinahe in ihren Kaffee und Tobi, der war vollkommen in seinem Element, als der Clown und Stimmungsmacher in der WG.

Nach dem Kaffee verzogen sie sich alle in ihre Zimmer, nur Adele und Inka saßen noch am Tisch und tranken ihren Kaffee in aller Ruhe aus. Sobald die Runde etwas kleiner geworden war, begann Adele, sich Gedanken darüber zu machen, was Sebastians Mutter ihnen vorhin erzählen wollte. Und sie musste einfach nachhaken. Etwas schienen sie alle nicht über Sebastian zu wissen.

„Was meinten Sie vorhin damit?“ Nur zögerlich kam die Frage von Adele, so dass Inka nachfragen musste.

„Womit denn, mein Kind?“

Inka hatte gerade damit begonnen, die leeren Teller und Tassen einzusammeln und sie in die Spüle zu tragen, wo bereits das Wasser einlief.

„Na...“ Adele holte tief Luft, aber Inka winkte schon ab. Sie schien mittlerweile zu verstehen.

„Ach das! Nun, das sollte dir lieber Sebastian erklären.“ Ihr Blick lag dabei einen Moment lang forschend auf Adele, ehe sie sich wieder dem Abwasch widmete.“

Sie wuschen gemeinsam das restliche Geschirr ab. Adele machte sich dabei die ganze Zeit Gedanken über die Aussage von Sebastians Mutter. Und sie war neugierig, aber sie fragte nicht noch mal nach. Sebastian sollte es ihr Erzählen, also würde sie ihm diese Chance einräumen. Als der Abwasch erledigt war, machte sich Inka fertig für ihren Weg nach Hause.

„Tschüss, mein Lieber!“, rief sie in Sebastians Zimmer, von wo nur ein kurzes „Ja, tschüss, Mom!“ kam. Inka winkte Adele noch, dann verließ sie die Wohnung und ließ die verwunderte Adele allein in der großen Küche zurück. Es war ein seltsames Gefühl, ohne ein Mitglied der Wohnung hier in der Küche zu sein. Und sie wusste nicht, ob sie nun gehen oder bleiben sollte. Was sie wollte, war klar. Zumindest ihr. Also ließ sie es auf einen Versuch ankommen, ob Sebastian sie auch hier haben wollte. Sie klopfte leise und vorsichtig an Sebastians Tür und lauschte.

„Komm rein“, kam es von drinnen, leise wie immer. Adele öffnete die Tür einen Spalt breit und steckte erst mal nur den Kopf hinein. „Hey, was machst du?“, fragte sie, um herauszufinden, ob er überhaupt Zeit für Besuch hatte.

„Ich schreibe an meiner Semesterarbeit über Bakterien, die das Papier zerstören.“ Aus jedem anderen Mund mochte das klingen, wie das langweiligste Thema weit und breit. Aber wenn Sebastian davon erzählte, klang es für Adele, als gäbe es nichts Spannenderes.

„Oh, das hört sich interessant an. Darf ich lesen, was du bisher geschrieben hast?“

„Ja, klar“, erwiderte Sebastian und schob Adele das Manuskript rüber. „Magst du was trinken?“

„Wasser wäre gut, ja.“

„Okay.“

Adele schnappte sich die Arbeit von Sebastian oder eher den Laptop, denn dort schrieb er die Arbeit und las sie. Zumindest das, was bisher dort geschrieben stand. Als er zurück war, stellte sie ihm hierzu Fragen, denn natürlich verstand sie nicht alles, worum es in seiner Arbeit ging. Aber Sebastian war jemand, der gut Sachen, die ihn faszinierten, erklären konnte. Sie machten es sich auf seinem Bett gemütlich, unterhielten sich die ganze Nacht und im Morgengrauen sagte Sebastian zu Adele: „Du bist die Erste, der ich nicht komisch vorkomme und die mir zuhört.“

Etwas verlegen schaute Adele zu ihm auf

„Ich höre dir gern zu. Es ist interessant, wenn du etwas erzählst, denn du bist mit einer Begeisterung dabei, die… ansteckend ist. Wenn ich dir zuhöre, ist es, als würde ich selbst dabei sein.“

Sebastian wusste nicht recht, wie er mit diesem Kompliment umgehen sollte, weshalb er es bei einem Lächeln beließ.

Sie schlief später in seinen Armen ein und er schaute eine ganze Weile auf sie hinunter. Er konnte sich an ihrem Anblick nicht sattsehen, auch, wenn es noch gar nicht so lange her war, dass er sie nicht groß beachtet hatte oder nicht groß beachten konnte. Dafür tat er es jetzt umso mehr. Wie schön, dass du bei mir bist, dachte er, dann schlief auch er ein.

Es war bereits später Nachmittag, als Adele durch das Klappern von Geschirr und dem Geruch von frischem Kaffee aufwachte. Sebastian hatte alles liebevoll ans Bett gestellt.

„Guten Morgen“, flüsterte er leise.

“Guten Morgen“, erwiderte Adele schlaftrunken, die noch einen kurzen Moment die Augen geschlossen hatte. Als sie die Augen aufschlug, sah sie Sebastian, schüchtern lächelnd und ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Das war die Bestätigung für Adele, dass er der richtige für sie war. Ihn wollte sie, sonst keinen.

Die Wochen vergingen. Sebastian und Adele waren beinahe unzertrennlich und trafen sich immer dann, wenn es ihre Schule und sein Studium zuließ. Und selbst wenn sie es nicht zuließen, schafften sie es, sich zwischendurch zu sehen. Sie unterhielten sich und lernten sich kennen. Wobei Adele das Gefühl hatte, dass er sie besser kannte, als sie ihn.

Aber davon ab, passierte nicht viel zwischen den beiden. Es blieb lediglich bei flüchtigen Küssen und die gingen alle von Adele aus. Sie fragte sich allmählich, warum nicht mehr passierte und diese Frage wurde immer lauter in ihr. Also beschloss sie, sich mit Inka zu treffen um mit ihr über Sebastian zu reden. Vielleicht hatte sie eine Idee, warum die Beiden in ihrer Beziehung nicht weiterkamen. Als hätte Inka gewusst, was Adele vorhatte – obwohl die Vorstellung verrückt war - , stand sie an einem Dienstagmorgen in der Bäckerei. „Guten Morgen“, begrüßte Adele Sebastians Mutter überrascht, aber freundlich. Sebastian musste seiner Mutter erzählt haben, wo sie arbeitete, da Adele sich nicht vorstellen konnte, dass das eine zufällige Begegnung war, so wie Inka sie musterte.

„Guten Morgen“, erwiderte Inka, nicht weniger freundlich und setzte Augenzwinkernd hinterher: „Sie sind also die junge Frau, die das Leben meines Sohnes durcheinandergebracht hat.“

„Ich? Ich habe doch nichts getan!“, sagte Adele verwundert, gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass Sebastian seiner Mutter von ihnen erzählt haben musste. Mehr als nur, wo sie arbeitete. Sofort fuhren ihre Gedanken Achterbahn. War das nun ein gutes Zeichen? War es ein gutes durcheinanderbringen oder war es ihm zu viel? Adele stellte sich diese Fragen oft. Diese und noch sehr viele andere Fragen. Und besonders dann, wenn sie gerne hätte, dass Sebastian mal einen Schritt vorwärts wagte.

„Ja, ich bin Adele. Aber wir sind uns schon mal begegnet. Ich wollte Sie ohnehin auch um ein Treffen bitten, da ich gern mit Ihnen reden würde.“

„Reden, worüber?“, fragte Inka interessiert.

„Naja, das ist mir etwas peinlich, aber…“, stammelte die junge Frau und Inka verstand noch gar nichts. „Ich weiß einfach nicht, was ich... wie ich...“ Sie verstummte. „Okay, mein Kind. Wir treffen uns morgen um 15:00 Uhr, im Café Marta, in der Kramgasse 8.“

Adele nickte, da sie wusste, wo das Café war.

“Ja, ich werde da sein.“ Mit einer gehobenen Hand zum Gruß und einem: „So, ich muss jetzt los, wir sehen uns dann morgen.“, rauschte Inka schon wieder aus dem kleinen Laden.

Am nächsten Tag ging Adele mit einem mulmigen Gefühl in den Laden. Sie hatte nun doch etwas Angst vor dem Treffen mit Sebastians Mutter und vor allem davor, dass Sebastian sauer werden würde, wenn er erfuhr, dass sie sich hinter seinem Rücken mit seiner Mutter traf. Sie versuchte sich noch zu wappnen, denn er müsste gleich ... zu spät. Die Glocke über der Tür klingelte und da stand er schon

„Guten Morgen“, sagte er mit einem süßen Lächeln zu Adele. Ach, wie sehr sie dieses Lächeln liebte. Sie konnte nicht anders, als es zu erwidern und automatisch schlug ihr Herz einen schnelleren Takt an.

„Guten Morgen. Na, du hast aber gute Laune.“

„Ja, wenn ich dich sehe, ist das doch ein guter Grund oder nicht?“

„Ja doch, definitiv“, grinste Adele. „Hast du die Semesterarbeit schon abgeben können?“ Vielleicht lag seine gute Laune ja auch mit daran. Immerhin war ein großer Druck damit weg.

„Ja, habe ich. Und du wirst es nicht glauben...“, setzte er aufgeregt hinterher, „der Professor wird sie mitnehmen zu einem Kongress und ich soll auch mit, aber...“ Er verstummte und warf einen Blick auf seine Uhr. „Ich habe jetzt keine Zeit mehr, wir sehen uns heute Nachmittag, dann kann ich dir alles erzählen“

„Heute geht nicht, ich bin verabredet!“ rief Adele noch hinter her.

„Ja ich weiß und ich freu mich!“, hörte sie beim Schließen der Tür, er winkte ihr zu und fuhr los.

Es war bereits kurz nach halb drei als Adele aus ihrem Zimmer stürmte, an ihrem Dad vorbei und die Haustür hinter sich zu schlug.

„Wo willst du denn hin?“, rief er aus der Haustür hinter ihr her.

„Keine Zeit, Paps. Ich muss die Bahn erwischen. Wenn ich wieder da bin, erzähl ich es dir!“

„Okay, aber komm nicht wieder so spät!“

„Nein, werde ich nicht!“ Und weg war sie. Es fiel nur noch die Gartenpforte laut ins Schloss, dann war von der jungen Frau nichts mehr zu sehen.

Die Bahn 7 stand schon an der Haltestelle und sie schaffte es gerade noch hineinzuspringen.

„Eine einfache Fahrt, bitte“, keuchte sie.

„Zwei Franke Achtzig“, sagte der Bahnbeamte. „Und wenn’s geht passend, bitte!“

Adele gab ihm das Geld passend, verstaute ihre Geldbörse wieder in ihrer Tasche und setzt sich auf einen freien Platz. Die Bahn brauchte ca. 25 lange Minuten, in denen Adeles Gedanken sich um das Treffen drehten. Was wollte die Mutter von Sebastian ihr erzählen? Hatte sie etwas falsch gemacht? Ist er deshalb immer so entfernt von ihr? In diese Gedanken vertieft, klingelte ihr Handy und sie sah, dass es Sahra war. Mit einem Lächeln drückte sie die Annahme-Taste.

„Hallo Sahra“, Adele freute sich von ihrer Freundin zu hören. Wenigstens ein paar Augenblicke, konnte sie für Ablenkung sorgen.

„Was machst du? Wo bist du? Hast du Zeit?“

Ein Lachen war am anderen Ende des Telefons zu hören. Sahra amüsierte sich köstliche darüber, Adele mit diesen Fragen zu bombardieren und ihr keine Pause zum Antworten zu geben.

„Nein, ich bin unterwegs. Ich treffe mich mit Inka.“

„Inka? Wer ist das?“ Es war kurz still am Telefon. „Aaach, ja, Sebastians Mutter!“

„Ja, genau“, seufzte Adele. Nun, wo das Thema wieder auf Sebastians Mutter lag, wurde sie wieder nervöser.

„Na, dann will ich nicht stören. Viel Spaß und melde dich, wenn du wieder zuhause bist, okay? Ich will alles wissen.“ Sie versprach Sahra, dass sie sich melden würde und beendete anschließend das Telefonat.

„Nächster Halt: Zytglogge“, ertönte es über die Lautsprecher. An der Haltestelle muss ich raus und dann noch zehn Minuten zu Fuß, dachte sie. Die Bahn hielt und sie stieg aus. Es waren tatsächlich nur noch acht Minuten, die schnell vergingen und dann stand sie vor dem Café Marta. Sie sah Inka schon von weitem durch die Menge auf sie zukommen. Sie trug ein freundliches, aber doch angespanntes Lächeln im Gesicht und Adele dachte sich für einen Moment, dass sie sich genauso fühlte, wie die Frau vor ihr.

„Hallo, Adele. Wollen wir hineingehen?“, fragte sie mit erwartungsvoll erhobenen Augenbrauen.

„Ja bitte, nach Ihnen“, sagte Adele.

Sie gingen hinein und suchten sich einen Tisch in einer ruhigen Ecke aus.

“Hier?“, fragte Adele.

„Ja, der ist gut.“

Die Jacken legten sie über die Armlehnen und kaum, dass sie sich gesetzt hatten, stand auch schon eine Kellnerin neben ihnen.

„Hallo, was wollt ihr haben?“, fragte sie in ihrer lockeren Art, wie es in dem Café üblich war.“.

Inka bestellte für sich und Adele je einen Kaffee und einen Cranberry Scone aus dem Tagesangebot.

Oh ja, dachte Adele, die schmecken hier besonders locker und leicht.

Es dauerte nicht lang und die nette Bedienung kam mit der Bestellung um die Ecke, stellte alles vorsichtig auf den Tisch und ließ sie wieder al