Das geheime Vermächtnis des Milliardärs - 8-teilige Serie - Kate Hewitt - E-Book

Das geheime Vermächtnis des Milliardärs - 8-teilige Serie E-Book

Kate Hewitt

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Beschreibung

DIE VERBOTENEN KÜSSE DES PLAYBOYS

Playboy Matteo Di Sione liebt das wilde Leben! Da wird er auch die widerspenstige Abby zähmen! Das verlangt ihr Vater von ihm im Tausch gegen eine prachtvolle Smaragdkette, die für Matteo von unschätzbarem Wert ist. Und die eigenwillige Unternehmertochter davon zu überzeugen, ihn auf einen Ball zu begleiten, reizt Matteo besonders! Denn Abby ist nicht nur faszinierend anders, neu für ihn ist auch, dass sein Charme sie kalt lässt ...

EIN WÜSTENPRINZ FÜR EINE NACHT?

Allegra Di Sione will nur eins: Die Fabergé-Schatulle für ihren Großvater finden! Als die Suche sie in den Palast von Scheich Rahim führt, glaubt sie sich am Ziel ihrer Reise. Doch Rahim weigert sich, ihr das Schmuckstück zu geben. Verzweifelt stiehlt Allegra sich in die Privatgemächer des Prinzen und wird von ihm auf frischer Tat ertappt. Atemlos ergibt sie sich seiner Leidenschaft. Um am nächsten Morgen etwas viel Kostbareres unter dem Herzen zu tragen: Rahims Erben!

DER TYCOON UND DIE SCHÖNE RIVALIN

Rache am Imperium der Familie Di Sione! Das wünscht sich der russische Selfmade-Milliardär Liev Dragunov über alles. Und mit dem kostbaren Armband, das Bianca Di Sione unbedingt in ihren Besitz bekommen will, hat er endlich einen wunden Punkt entdeckt: Natürlich kann die unnahbare Schönheit die Juwelen haben - wenn sie dafür seine Verlobte spielt! So kann er die schillernde PR-Lady am besten für seine Zwecke einsetzen! Doch je näher sie sich kommen, desto gefährlicher wird dem Tycoon seine schöne Rivalin ...

STÜRMISCHE RÜCKKEHR IN DEINE ARME

Eigentlich sollte Dario Di Sione triumphieren - aber alles was er fühlt ist Wut! Denn die schöne Anwältin, die ihm auf Hawaii die kostbaren Ohrringe für seinen Großvater überreicht, ist niemand anders als Anais, seine Frau, die ihn vor Jahren infam betrogen hat! Einst ist Dario in ihren dunklen Mandelaugen vor Verlangen versunken, jetzt fühlt sich ihr Wiedersehen an wie ein böser Traum ...

DER PREIS BRENNENDER SEHNSUCHT

Einmal so verführerisch zu sein wie die Models, die sie täglich trifft! Für die scheue Stylistin Willow ist es ein Wink des Schicksals, als Dante Di Sione am Flughafen heiß mit ihr flirtet. Kein Wunder, dass sie die Chance ergreift und den sexy Erben einer Reeder-Dynastie einfach erpresst: Wenn Dante sie auf die Hochzeit ihrer Schwester begleitet, erhält er die Diamanten seiner Familie zurück ...

HERZEN AUS EIS, KÜSSE WIE FEUER

Ein privater Termin bei dem brillanten Topmanager Angelos Mena? Utopisch! Kein Wunder, dass sich Talia als neue Nanny für seine Tochter ausgibt, um an das Buch zu kommen, nach dem ihr Großvater so verlangt! Doch während Talia im Nu das Herz des Kindes erobert, verschanzt sich der eisige Workaholic hinter Zynismus. Erst als die Vergangenheit Talia einholt und Angelos ihr überraschend Schutz anbietet, entbrennt zwischen ihnen feurige Leidenschaft …

SINNLICHER DEAL MIT DEM MILLIARDÄR

"Heirate mich!" Dieser traumhaft attraktive Fremde will sie vor ihrem brutalen Verlobten retten, indem er sie selbst vor den Altar führt? Und er verlangt dafür nichts als einen alten Ring? Die freiheitsliebende Mina kann ihr Glück kaum fassen, denn an der Seite von Hoteltycoon Nate Brunswick erwarten sie nicht nur Luxusreisen, schon bald will sie auf seine verzehrenden Küsse nicht mehr verzichten ...

DER LEUCHTENDE ZAUBER DER LIEBE

Liebe? Bedeutet für Finanzgenie Alex Di Sione nur Chaos! Was für ihn zählt ist Geld! Doch als er auf der Suche nach einem Gemälde die überirdisch schöne Prinzessin Gabriella trifft, fühlt er plötzlich etwas erschreckend anderes. Sie bei Mondschein auf der Isola D’Oro zu küssen, wirkt auf ihn wie ein sinnlicher Zauber! Doch ein Happy End scheint unmöglich: Als Gabriella ihn bittet, sie zur Frau zu nehmen, weist er sie kalt ab ...

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Seitenzahl: 1557

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Carol Marinelli, Maya Blake, Rachael Thomas, Caitlin Crews, Sharon Kendrick, Kate Hewitt, Jennifer Hayward, Maisey Yates

Das geheime Vermächtnis des Milliardärs - 8-teilige Serie

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Di Sione’s Innocent Conquest“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 142017 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Gudrun Bothe

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733708481

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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PROLOG

Matteo Di Sione kannte seine Defizite und Unzulänglichkeiten nur zu gut. Sie ihm unter die Nase zu reiben, war überflüssig.

Kein Wunder, dass seine Laune zunehmend sank! Herbeizitiert von seinem Großvater Giovanni, fuhr er mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zur Di Sione Residenz, einem prachtvollen Anwesen an der Gold Coast von Long Island.

Nach dem Unfalltod von Matteos Eltern hatte Giovanni sich der sieben Vollwaisen angenommen, die sein Sohn Benito und dessen Frau Anna zurückließen. Für Matteo, damals gerade fünf, wurde die Residenz sein neues Zuhause.

Inzwischen lebte er in einem Penthouse Apartment mit grandiosem Blick auf Manhattans Skyline. Trotzdem blieb das Haus seines Großvaters der Ort, dem er sich am engsten verbunden fühlte.

Hier traf sich die Familie, mehr oder weniger freiwillig, zu verschiedenen Anlässen. Der eine oder andere schaute auch zwischendurch vorbei. Matteo allerdings fuhr heute keinesfalls freiwillig her. Ihm stand eine weitere Gardinenpredigt bevor.

Die Pressefritzen konnten seinen Niedergang offenbar kaum abwarten. Unentwegt waren sie ihm auf den Fersen. Natürlich auch Samstagnacht in Vegas! Und genauso natürlich traten sie seinen Millionen-Dollar-Verlust am Spieltisch genüsslich in ihren Schmierblättern breit. Dass er ebendiesen Verlust bereits vor dem Morgen doppelt wettgemacht hatte, davon stand natürlich nichts in der Zeitung. Aber das war ihm egal.

Matteo beschäftigte etwas ganz anderes. Als er heute Morgen in Manhattan angekommen und von seinem Jet in die wartende Limousine gewechselt war, hatte er sich wie üblich während der Fahrt über die neuesten Nachrichten informiert.

‚Erinnerungen werden wach!‘

Unter der beziehungsvollen Schlagzeile zeigte ein Bild, wie er im Morgengrauen das Casino verließ. Nach der langen Nacht war es kein Wunder, dass er ein wenig heruntergekommen wirkte: blass, unrasiert, das dunkle Haar wild zerzaust, am Arm eine Blondine. Daneben ein zweites Foto, aufgenommen vor dreißig Jahren, in Matteos Geburtsjahr.

Es zeigte Benito Di Sione, unrasiert und mit dem gleichen nachtschwarzen Haar, das ihm in stechend marineblaue Augen fiel, die sein Sohn von ihm geerbt hatte. An seinem Arm eine aufreizende Blondine, die nicht Matteos Mutter war.

Matteo bezweifelte ernsthaft, dass sein Vater sich am Tag danach auch nur an ihren Namen hatte erinnern können, während er immer wusste, wie seine Geliebten hießen. Am Samstagabend beispielsweise war es Lacey gewesen, ein wirklich heißer Feger …

Der Zeitungsartikel unter den Fotos bestand hauptsächlich in einer Auflistung der Ähnlichkeiten zwischen Vater und jüngstem Sohn. Er beschrieb ihre Risikofreudigkeit, den dekadenten, ausschweifenden Lebensstil und endete mit der Warnung, dass Matteo möglicherweise ein ähnlich tragisches Schicksal drohe: tot in seinem Sportwagen, um einen Laternenpfahl gewickelt, mit seiner sterbenden Gattin neben sich.

Nein, Matteo war absolut nicht scharf auf die bevorstehende Begegnung mit seinem Großvater. Er wusste genau, was er sich würde anhören müssen.

Während er in die lange Auffahrt einbog, war er blind für die Schönheiten des luxuriösen Anwesens. Mit grimmiger Miene parkte er den Wagen auf dem Kiesrondell, stieg aus, marschierte hocherhobenen Hauptes in Richtung Haus und fragte sich, wie der Empfang wohl aussehen würde.

Wenn er sonst herkam, dann meist, um seinen Großvater abzuholen und mit Giovanni zum Lunch in dessen Club zu fahren.

„Ich bin’s, Matteo!“, rief er beim Betreten der großzügigen Eingangshalle und lächelte, als er Almas vertraute Gestalt erblickte.

„Master Matteo!“, rief die ältliche Haushälterin sichtlich erleichtert aus.

„Wo ist er?“, erkundigte Matteo sich.

„In seinem Arbeitszimmer. Soll ich Signor Giovanni sagen, dass Sie hier sind?“

„Nicht nötig, ich gehe gleich zu ihm. Ich glaube, er erwartet mich.“ Matteo rollte vielsagend mit den Augen und erntete ein kleines Lächeln von Alma.

„Wie geht es ihm?“, fragte Matteo, wie er es immer tat, wenn er herkam.

„Er möchte selbst mit Ihnen reden“, kam es etwas steif zurück.

Seufzend machte er sich auf den Weg und stoppte vor der schweren Mahagonitür, hinter der das Arbeitszimmer seines Großvaters lag. Er klopfte und trat ein, nachdem er dazu aufgefordert wurde.

„Hey …“, begrüßte er seinen Großvater betont munter, sah dabei aber nicht ihn, sondern die Zeitung auf Giovannis Schreibtisch an. „Ich hab’s schon gelesen. Und wenn ich irgendetwas gar nicht brauchen kann, dann eine Strafpredigt“, trat er die Flucht nach vorn an.

„Wann hat mich eine an dich gerichtete Strafpredigt auch nur einen Schritt weitergebracht, Matteo?“, erwiderte der alte Mann ruhig. „Oder dich?“

Seine Stimme klang matter als gewohnt, und Matteo runzelte die Stirn. Giovanni war erschreckend blass und wirkte gebrechlich. Die sonst so strahlend blauen Augen hatten einen trüben Schimmer.

Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihm aus, und auf einmal hätte er überhaupt nichts mehr gegen eine Gardinenpredigt gehabt. Im Gegenteil, sollte sein Großvater ihm ruhig gehörig den Kopf waschen. Alles erschien ihm besser als das, was möglicherweise kommen würde.

„Ich habe dich hergebeten, um dir zu sagen …“

Matteo wollte es nicht hören. Als Meister der Ausreden und Ablenkung griff er rasch nach der Zeitung und schlug sie geräuschvoll auf. „Bei allen angeblichen Ähnlichkeiten haben sie einen entscheidenden Punkt übersehen“, führte er aus. „Er hatte Verantwortung zu tragen, ich nicht.“

„Ich weiß, die hatte er bei Gott“, bestätigte Giovanni müde. „Aber du auch, Matteo. Und zwar in erster Linie dir selbst gegenüber. Du scheinst ständig auf der Suche nach Ärger und neuen Problemen zu sein. Die Gesellschaft, in der du dich bewegst, die Risiken, die du eingehst …“

„Betreffen nur mich allein“, unterbrach Matteo ihn. „Mein Vater war verheiratet und hatte sieben Kinder, als er starb“, argumentierte er hitzig und tippte mit dem Finger auf das Foto. „Zumindest sieben, zu denen er stand.“

„Matteo …“ Die Unterredung mit seinem Enkel lief nicht so, wie Giovanni sie geplant hatte. „Setz dich.“

„Nein!“ Matteos Wut richtete sich nicht gegen seinen Großvater, sondern den Rest der Welt, und hauptsächlich gegen die ewigen Vergleiche mit seinem toten Vater. „Dass vergessen sie nämlich immer zu erwähnen … Ich schicke niemanden in die Hölle, durch die wir alle seinetwegen gehen mussten!“

Diese Entscheidung hatte er schon vor Jahren für sich getroffen. Er war nicht ohne Grund Single, und so sollte es auch bleiben.

Sorgenvoll betrachtete Giovanni seinen Enkel. Lebenshungrig und charismatisch wie sein Vater, verhielt er sich nicht nur oft wie Benito, sondern glich ihm auch noch äußerlich bis aufs Haar.

Aus ganz privaten Gründen hatte Giovanni nie eine enge Bindung zu seinem Sohn aufbauen können. Gesprochen hatte er darüber mit niemandem. Es war ein Geheimnis, das er mit ins Grab nehmen würde.

Nach Benitos und Annas Tod konnte er den kleinen Matteo, diese frappierende Kopie seines Vaters, kaum in seiner Nähe ertragen. Als sich dann noch herausstellte, dass der Junge die Fehler seines Vaters wiederholte, anstatt aus ihnen zu lernen, zog Giovanni sich von seinem Enkel zurück.

So wuchs Matteo wild und ungezähmt auf. Niemand nahm sich seiner an oder versuchte zumindest, seine ungestüme Persönlichkeit in geordnete Bahnen zu lenken. Nachdem er gleich zu Beginn des zweiten Jahres vom College flog, schien sein Weg vorgezeichnet zu sein. Matteo verkündete großspurig, Schule und Studium würden ihm nichts bringen, da ‚Geld zu machen‘ quasi in seiner DNA verankert sei. Er wolle lieber auf dem Aktienmarkt und an der Börse sein Glück versuchen, statt Schul- oder Unibänke zu drücken.

Und Giovanni hatte sich wieder einmal bemüßigt gefühlt, ihm vorzuhalten, er sei wie sein Vater, und dass er ernsthaft fürchte, Matteo würde enden wie er.

Vorwürfe und Anschuldigungen, die Matteo sich nicht länger anhören wollte, schon gar nicht von seinem Großvater.

Es sei ohnehin zu spät, um ihm noch Vernunft beizubringen, hatte Giovanni ihm ins Gesicht geschrien.

„Als ob du das je versucht hättest!“ Es war das einzige Mal gewesen, dass er seinem Großvater einen Einblick in den Schmerz gewährte, der schon sein Leben lang in ihm wütete. „Du hast mich in diesem Haus wohnen lassen, mich ansonsten aber tunlichst ignoriert. Also tu jetzt nicht so, als würde dir etwas an mir liegen.“

Harsche Worte auf beiden Seiten, die ihr Verhältnis bis heute belasteten.

„Setz dich, Matteo.“

Doch dafür war er viel zu beunruhigt von Giovannis offensichtlicher Gebrechlichkeit. Nervös tigerte er zum Fenster und starrte hinaus in die grüne Weite, die einmal sein Spielplatz gewesen war. Seine Großmutter hatte er nie kennengelernt. Sie war vor seiner Geburt gestorben. Daher hatte seine Schwester Allegra ihre beiden jüngeren Schwestern großgezogen, während seine drei großen Brüder ein Internat besuchten.

Matteo blieb sich selbst überlassen.

„Erinnerst du dich an die Zeit vor dem Tod deiner Eltern, als ihr mich alle zusammen besucht habt?“

„Ich denke nie an früher.“

„Du warst natürlich noch sehr jung. Aber vielleicht kannst du dich erinnern …“

Und ob ich das kann!

Plötzlich erstanden vor Matteos innerem Auge Bilder von wütenden Menschen, lautstarken Auseinandersetzungen und verängstigten Kindern, inklusive er selbst. Mit peinigender Klarheit sah er wieder die ständigen Kämpfe vor sich, und die unsichere familiäre Existenz. Entweder sie lebten in Saus und Braus oder sie standen mit einem Bein auf der Straße. Erst viel später verstand er, dass exzessiver Drogenmissbrauch eines der Hauptprobleme in seiner Chaosfamilie gewesen war.

„Damals erzählte ich euch die Geschichte von meinen ‚Verlorenen Geliebten‘.“

Giovannis unverständliche Andeutungen zerrten an seinen Nerven. Matteo blickte zum See hinunter und auf einen Baum am Ufer, der so hoch war, dass sich sein Magen bei der Erinnerung an den Tag zusammenzog, als er ihn erklommen hatte und heruntergefallen war. Glücklicherweise hatte ein starker Ast seinen Sturz abgebremst. Sonst hätte er ihn wahrscheinlich nicht überlebt.

Niemand hatte es beobachtet, und Matteo behielt es für sich.

Aber der Sturz vom Baum war nicht seine schlimmste Erinnerung. Eine andere, die ihm bis heute kalten Schweiß auf die Stirn trieb, würde er nie mit jemandem teilen können. Die an jene grauenhafte Autofahrt, als er seinen Vater angefleht hatte, langsamer zu fahren und ihn bitte heil nach Hause zu bringen.

Seit jenem Tag hatte er nie wieder offen Angst gezeigt. Es half ohnehin nichts. Wenn überhaupt, stachelte es andere nur an.

„Denk noch einmal nach“, forderte Giovanni hartnäckig. „Die ‚Verlorenen Geliebten‘. So nannte ich sie in Erinnerung an eine andere Liebe, die …“ Seine Stimme brach ab.

„Keine Ahnung.“ Genervt schüttelte Matteo den Kopf.

„Dann helfe ich dir auf die Sprünge.“ Der innere Drang, etwas Wichtiges ins Reine zu bringen, solange er dazu noch in der Lage war, trieb den alten Mann an.

Bitte nicht! dachte Matteo, schwieg aber und ließ seinen Großvater reden.

„Frag mich nicht, wie ich zu ihnen gekommen bin. Ein alter Mann darf seine Geheimnisse für sich behalten …“

Matteo verzog keine Miene, während Giovanni im Geiste in die Vergangenheit eintauchte. „Als ich damals nach Amerika auswanderte, besaß ich nur Plunder – und meine besonderen Schätze. Sie bedeuteten mir mehr, als du dir je wirst vorstellen können. Doch um zu überleben, musste ich sie verkaufen …“ Er brach ab und suchte nach einer Regung in Matteos blassem, angespanntem Gesicht. „Erinnerst du dich jetzt?“

„Nein.“ Langsam hatte Matteo genug von den kryptischen Andeutungen. Er sah keinen Sinn darin, in die Vergangenheit abzutauchen, und heute schon gar nicht. „Wollen wir nicht hier raus?“, schlug er vor. „Wir könnten in deinen Club fahren …“

„Matteo!“ Trotz ihres belasteten Verhältnisses liebte Giovanni seinen Enkel. Ihm war klar, dass er das Thema wechseln wollte, aber das brachte sie nicht weiter. „Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.“

„Komm, lass uns fahren. Wir können doch auch unterwegs reden.“ Matteo hatte das absurde Gefühl, als würde sich eine Schlinge um seinen Hals legen.

„Ich werde sterben.“ Giovanni beobachtete die Reaktion seines Enkels, doch der ließ sich seine wahren Gefühle – wie immer – nicht anmerken.

„Das werden wir alle … irgendwann“, gab er in leichtem Ton zurück, während sein Herz wie ein Vorschlaghammer klopfte und sein Verstand sich weigerte, die niederschmetternde Nachricht zu akzeptieren. Der Gedanke, dass sein Großvater tatsächlich sterben könnte und die Familie sich an seinem Grab wiedersehen würde, verursachte ihm Übelkeit. Bis heute verfolgten ihn die Pressefotos von der Beerdigung seiner Eltern, von der Begräbnisprozession und von den sieben Kindern, die den Särgen ihrer Eltern gefolgt waren.

Nonnodarf nicht sterben!

„Die Leukämie ist zurück“, sagte Giovanni ruhig.

„Was ist denn mit der Behandlung, die du damals bekommen hast?“ Vor siebzehn Jahren hatte ihn nur eine Knochenmarkspende retten können. Alle Enkel wurden getestet, doch niemand kam als Spender infrage. Schließlich hatte sein ältester Bruder Alessandro gestanden, dass er von einem Fehltritt seines Vaters wisse. Von einem weiteren Sohn. Zum Glück war es ihnen damals gelungen, ihn aufzuspüren. „Könnte Nate nicht noch einmal …“

„Eine Transplantation steht in meinem jetzigen Zustand nicht zur Disposition“, unterbrach ihn Giovanni. „Die Ärzte hoffen auf eine Remission. Wenn sie nicht eintritt, ist es nur noch eine Frage der Zeit. In Wahrheit bestenfalls ein Jahr.“

„Verdammt! Du weißt doch, wie ich Wahrheiten hasse“, brummte Matteo.

Sein Großvater lächelte. „Ja, ich weiß.“

Tatsächlich schien Matteo ständig davor zu fliehen: in Casinos, Clubs, waghalsige Eskapaden. Immer bereit, seinem Körper und den Hedgefonds, mit denen er ein Vermögen gemacht hatte, alles abzuverlangen.

Nichts wünschte Giovanni in diesem Moment mehr, als die verletzenden und zerstörerischen Worte gegen Matteo auslöschen zu können, weil er lange nicht zwischen Vater und Sohn hatte unterscheiden können. Bei aller Ähnlichkeit gab es doch gravierende Unterschiede. Als es mit Giovannis Gesundheit bergab gegangen war und seine Leistungskraft nachgelassen hatte, war es Matteo gewesen, der regelmäßig vorbeigekommen war und ihn dazu gebracht hatte, trotz aller Einschränkungen wieder am Leben teilzunehmen. „Ich möchte, dass du etwas für mich tust. Etwas, das mir sehr wichtig ist und das unbedingt erledigt werden muss, damit ich meinem Ende getrost entgegensehen kann.“

Matteo holte tief Luft und wappnete sich innerlich. Jetzt kam die Moralpredigt!

„Ich möchte, dass du mir einen meiner vermissten Schätze wiederbringst.“

Verblüfft wandte Matteo sich um und starrte seinen Großvater an, als habe der den Verstand verloren. „Wovon, um alles in der Welt, redest du da?“

„Von meinen verlorenen Kostbarkeiten!“ Langsam verlor Giovanni die Geduld mit seinem begriffsstutzigen Enkel. Mit steifen Schritten ging er zum Schreibtisch, zog eine Schublade auf und nahm ein Bild heraus.

Verblüfft sah Matteo, wie sich das Gesicht seines Großvaters beim Betrachten des Fotos erhellte und die trüben blauen Augen vor Aufregung glänzten. Giovannis Hand zitterte, als er seinem Enkel das Bild aushändigte. „Diese Halskette ist eine meiner ‚Verlorenen Geliebten‘.“

Misstrauisch begutachtete Matteo das abgebildete Schmuckstück: Eine ungewöhnliche, prachtvolle Smaragdkette, schlicht gearbeitet, aber zweifellos kostbar. „Weißgold?“

Sein Großvater schüttelte den Kopf. „Platin.“

Matteo schaute noch einmal genauer hin. Allein die funkelnden Smaragde, in der Größe von Rotkehlcheneiern, mussten ein Vermögen wert sein. Selbst auf dem Foto wirkten sie so plastisch, dass er das Bedürfnis verspürte, sie zu berühren. „Wir dachten immer, es wären vielleicht alte Münzen …“, murmelte er selbstvergessen.

„Also erinnerst du dich doch!“, triumphierte Giovanni.

„Nur daran, dass du uns dieses Märchen immer wieder erzählt hast.“ Er nahm die Halskette genauer unter die Lupe und stieß einen leisen Pfiff aus. „Die ist doch locker …“ Normalerweise konnte er derartige Dinge gut einschätzen, diesmal war er unsicher. „Millionen?“

„Fast.“

„Wer ist der Designer? Beziehungsweise der Juwelier …“

„Unbekannt“, unterbrach Giovanni ihn so brüsk, dass Matteo irritiert die Brauen zusammenschob. Bei einem derartig außergewöhnlichen Schmuckstück hätte er eine ganz besondere Geschichte vermutet.

„Dann hat diese Kette also mit deinen Anfängen hier zu tun?“ Langsam sah er klarer. Zur Überraschung aller war es Giovanni Di Sione damals gelungen, quasi aus dem Nichts ein Reederei-Imperium aufzubauen. Wenn er für das nötige Grundkapital derart exquisite Stücke veräußert hatte, war es kein Wunder, dass sein Unternehmen so rasant gewachsen war. Blieb die Frage: Wie kam ein junger sizilianischer Auswanderer in den Besitz so kostbarer Schmuckstücke?

Die Erklärungen seines Großvaters klangen ausweichend und verschwommen, so sehr Matteo auch drängte und nachhakte.

„Ich möchte, dass du die Kette findest und sie mir zurückbringst“, beendete Giovanni das unergiebige Frage- und Antwortspiel. „Ich habe sie vor sechzig Jahren an einen Mann namens Roche verkauft. Danach verliert sich ihre Spur.“

Wie sehr dieses Thema ihn bewegte, war nicht zu übersehen. Und Matteo konnte seine Neugier nicht bezwingen. „Und wie bist du zu ihr gekommen?“, versuchte er noch einmal sein Glück.

In Giovannis Mundwinkel stahl sich ein feines Lächeln. „Wie gesagt, ein alter Mann darf seine Geheimnisse …“

„Schon gut.“ Matteo erwiderte das Lächeln. Jetzt ergab dieses fast vergessene Märchen wenigstens mehr Sinn.

„Ich muss diese Kette wiederhaben!“

Beim Blick in die bittenden Augen seines Großvaters wünschte Matteo, über seinen Schatten springen und Giovanni sagen zu können, wie viel er ihm bedeutete. Und ihm außerdem zu sagen, dass er absolut nachvollziehen konnte, wie hart die Anfangsjahre für ihn gewesen sein mussten. Besonders, als er zu allem anderen auch noch die Obhut für sieben verwaiste Enkel hatte übernehmen müssen.

Doch mehr als ein Lächeln brachte Matteo nicht zustande, also nickte er nur.

1. KAPITEL

Matteo mochte Ellison nicht.

Mit stoischer Miene ließ er seinen Blick über die Jagdtrophäen wandern, die alle vier Wände des Arbeitszimmers zierten, bevor er sich wieder dem Mann hinter dem massigen Mahagonischreibtisch zuwandte.

„Sehe ich aus, als würde ich Geld brauchen?“, schnarrte Ellison.

Mit einem lässigen Schulterzucken überspielte Matteo, wie sehr ihn die Reaktion auf sein großzügiges Angebot überraschte. Bisher war es ihm weder gelungen, den Designer der außergewöhnlichen Halskette aufzuspüren, noch den Juwelier, der sie verkauft hatte. Dafür hatte er herausgefunden, dass Roche die Kette vor mehr als zwanzig Jahren an Ellison veräußert hatte.

Er war dem Mann auf verschiedenen Fundraising-Galas begegnet und wusste daher, dass Ellison verrückt nach Macht und Geld war. Darum sollte ihm ein besonders raffinierter Schachzug die Halskette sichern: eine mehr als üppige Spende, um Ellisons politische Ambitionen zu unterstützen.

Gezündet hatte seine grandiose Idee bisher leider noch nicht.

„Die Kette war ein Geschenk für meine verstorbene Frau …“

Dank entsprechender Hintergrundinformationen wusste Matteo, dass Ellison nicht der untröstliche Witwer war, für den er sich ausgab. Trotzdem spielte er das Spiel mit. „Das tut mir sehr leid“, sagte er ruhig und stand auf. „Es war taktlos von mir, überhaupt danach zu fragen. Trotzdem, vielen Dank, dass Sie mich empfangen haben“, schloss er mit einem höflichen Lächeln und streckte die Hand aus.

Ellison ignorierte sie, und Matteo wusste, dass seine Chancen, das Haus mit der Halskette zu verlassen, drastisch stiegen. Es war nur eine Frage der Zeit.

„Allerdings empfinde es ich als wahre Schande, ein so wundervolles Schmuckstück unter Verschluss zu halten“, formulierte Ellison bedächtig. „Setzen Sie sich, Sohn.“

Er hasste es, so genannt zu werden – egal, wie alt sein Gegenüber sein mochte.

Es war nicht mehr als ein Machtspielchen, ein Kräftemessen. Eine Chance, Oberhand zu gewinnen. Aber da Matteo diese momentan innehatte, machte er gute Miene zum bösen Spiel und nahm wieder Platz. Wenn du wüsstest, wie wenig ich dich mag, dachte er und sah grimmig zu, wie Ellison zwei Drinks mixte.

„Wie kommt es, dass Sie sich ausgerechnet für diese Halskette interessieren?“

„Ich habe ein Faible für wahre Schönheit“, behauptete Matteo geschmeidig und erntete dafür ein süffisantes Lächeln.

„Genau wie ich.“ Natürlich wusste Ellison, wer sein Gast war. Jeder kannte die Di Siones. Und ebenso gut kannte jeder Matteos geradezu legendären Ruf als Womanizer. Oh ja, Matteo Di Sione hatte wahrhaftig einen ausgeprägten Sinn für Schönheit.

„Sind Sie und die Prinzessin nicht …“

„Ich habe keine Beziehung“, unterbrach Matteo ihn kühl, und Ellison lachte.

„Gut zu hören.“ Es hätte nur noch gefehlt, dass Ellison sich die Hände rieb. „Wie weit sind Sie bereit zu gehen? Mit Ihrem Angebot, meine ich.“

„Wie viel wollen Sie denn haben?“

„Nicht wie viel, sondern wie weit ist die Frage, Sohn“, korrigierte Ellison ihn, und Matteo wäre fast erneut aufgestanden, um zu gehen „Ich glaube nämlich, Sie lieben nicht nur die Schönheit, sondern auch Herausforderungen.“

„Wohl wahr.“

„Und wenn es stimmt, was ich über Sie gelesen habe, lassen Sie sich auch nicht von extrem hohen Einsätzen schrecken.“

„Nein.“ Im Gegenteil, je höher und riskanter, umso besser. Aber das musste er ja nicht laut sagen.

„Kommen Sie her“, forderte Ellison. „Und sehen Sie sich das an.“ Kurz darauf standen beide Männer vor einem Foto von Ellison, seiner Frau und ihren zwei Töchtern. „Dieses Bild ist vor zwölf Jahren bei einer unserer Charity-Galas aufgenommen worden.“

„Ihre Gattin war eine sehr schöne Frau.“ Und steinreich, fügte Matteo in Gedanken hinzu. Ein Großteil von Ellisons Vermögen stammte aus der Familienschatulle seiner Frau.

„Anette war außerdem eine starke Persönlichkeit mit unnachahmlicher Contenance. Am Tag, bevor dieses Foto aufgenommen wurde, hatten wir einen furchtbaren Streit. Sie war dahintergekommen, dass ich mit meiner Assistentin schlief. Und doch ist ihr auf diesem Bild absolut nichts anzumerken, oder?“

„Nein.“ Gedankenvoll betrachtete Matteo die attraktive Frau, die neben ihrem Gatten stand und zu ihm hochlächelte. „Absolut nicht.“ Ellisons Enthüllung schockiert ihn keineswegs, er fühlte sich einfach nur abgestoßen und wandte seine Aufmerksamkeit den beiden Töchtern zu.

Zwei makellose Produkte einer typischen Vorzeigefamilie der oberen Zehntausend.

Eine gekleidet in dezentem Steingrau, die andere in Beige, beide mit exquisiten Perlenketten um den schlanken Hals. Eine trug ihr Haar hochgesteckt, die andere …

Matteos Mundwinkel hoben sich, als er die jüngere der beiden genauer unter die Lupe nahm. Das dunkle wellige Haar wirkte trotz des violetten Satinbands ungezähmt. Die Augen funkelten ärgerlich. Ihr Lächeln war gezwungen. Und die Hand des Vaters auf ihrer Schulter ähnelte keiner vertraulichen Geste der Zuneigung, sondern sah aus, als wolle er seine Tochter daran hindern, der gestellten Szene zu entfliehen.

„Das ist Abby.“ Ellisons abgrundtiefer Seufzer ließ Matteo vermuten, dass er nicht gerade vor Stolz auf seine jüngste Tochter platzte, sondern sie eher als Nagel zu seinem Sarg betrachtete. „Schauen Sie sich das an“, forderte er Matteo auf und wies auf ein anderes gerahmtes Foto. „Das ist etwa …“ Er runzelte die Stirn. „Da war Abby ungefähr fünf, dann muss es zweiundzwanzig Jahre her sein.“

Abbys Augen waren rot. Nein, eigentlich eher strahlend smaragdgrün, entschied Matteo bei näherer Betrachtung. Aber ganz offensichtlich hatte sie geweint.

„Die einzige Chance, sie in einem Kleid zu fotografieren, war, ihr ein Spielzeugauto in die Hand zu drücken. Schon damals war sie von Autos geradezu besessen.“

Matteo hatte keine Ahnung, wohin das führen sollte, ließ Ellison aber weiterplappern, da er früh gelernt hatte, dass umfassende Informationen die solideste Basis für zukünftige Erfolge waren. Aus den Augenwinkeln betrachtete er dabei die Halskette, die Anette auf dem Familienporträt trug. Es war das spektakuläre Schmuckstück, nach dem sein Großvater sich nahezu verzehrte.

„Abby war völlig aufgelöst, weil wir an dem Tag ihre Nanny entlassen haben. Beide Mädchen hingen wie die Kletten an ihr, aber meine Frau hatte sich trotzdem durchgesetzt.“

Ah, langsam dämmert es mir! Matteo hatte Mühe, seinen Ekel zu verbergen, angesichts der Erkenntnis, dass offenbar nicht nur Ellisons kleine Töchter sich zu der Nanny hingezogen gefühlt hatten.

„Und dies ist das letzte Foto von meiner Tochter in einem Kleid.“ Mit resignierter Geste wies Ellison auf ein weiteres Bild. Es zeigte Abby auf einem roten Teppich, an ihrer Seite ein attraktiver blonder Hüne.

Der Mann kam Matteo irgendwie bekannt vor.

„Hunter Coleman“, sagte Ellison und Matteo nickte, weil er ihn jetzt einordnen konnte. Hunter war ein berühmter Rennfahrer, und seine Reputation, was den Umgang mit Frauen anging, stand der von Matteo in nichts nach.

„Abby und er gingen eine Weile miteinander aus. Wie auch immer, Automobile waren von jeher ihre größte und dauerhafteste Liebe. Wenn ich sie früher finden wollte, musste ich nur in die Garage gehen, wo sie unter dem Bentley lag oder den Motor aus meinem Jaguar ausbaute. Ich habe alles versucht, ihr diese unselige Leidenschaft auszutreiben. Es schickt sich einfach nicht für eine junge Frau ihres Standes.“

Ellison seufzte erneut, und Matteo hätte sich fast vor Widerwillen geschüttelt.

„Als sie aus dem College kam, entschied sie sich für ein Modedesign-Studium und fing an, sich mit Hunter zu verabreden. Ich hoffte, dass sie die jungenhaften Flausen überwunden hätte. Das Problem ist nur, im Gegensatz zu ihrer Mutter war meine jüngere Tochter noch nie bereit, Ratschläge von mir anzunehmen. Nein! Abby musste natürlich die Fahrtechnik eines Weltklasse-Rennfahrers kritisieren, und zwar auf ihre ganz eigene Art.“

Matteo lachte kurz auf und betrachtete das Bild erneut. Hunters Finger lagen fest um Abbys Handgelenk, und ihr Blick erschien ihm diesmal nicht trotzig oder verärgert, sondern … Er kniff die Augen zusammen und sah noch genauer hin.

Wachsam, ja, das traf es. Trotz des breiten Lächelns war es nicht das Gesicht einer glücklichen jungen Frau, in das er gerade schaute.

„Was soll ich sagen, sie hat ihn abgeschossen!“ Offenbar schockierte das Ellison bis heute. „Der Himmel weiß, worauf dieses Mädchen wartet. Auf jeden Fall schmiss sie dann auch noch ihr Modedesign-Studium und wechselte zu Maschinenbau. Jetzt ist sie …“

„Das Boucher Team!“ Endlich konnte Matteo sie unterbringen. Nicht speziell über Abby, aber über das aufstrebende Rennteam hatte er tatsächlich in letzter Zeit einiges läuten hören.

„Boucher war der Mädchenname meiner Frau“, informierte Ellison ihn trocken. „Auf jeden Fall ist es ein ziemlich kostspieliges Hobby.“

„Kann ich mir vorstellen.“

„Das glaube ich kaum“, behauptete Ellison und schüttelte den Kopf. „Besonders, wenn die Rennstallbesitzerin eine genossenschaftliche Unternehmensführung rigoros ablehnt und zahlungswillige Sponsoren brutal vor den Kopf stößt! Erst letzte Woche habe ich Abby nachdrücklich klargemacht, dass sie auf mich nicht zählen kann.“

„Hat sie denn um Ihre Unterstützung gebeten?“

„Noch nicht!“, trumpfte Ellison auf. „Aber der Großteil des Fonds, den ihre Mutter ihr hinterlassen hat, ist bis zu ihrer Hochzeit oder ihrem dreißigsten Geburtstag fest angelegt. Dass Abby sich, von egal wem, vor den Altar zerren lässt, ist vollkommen ausgeschlossen. Was bedeutet, sie steht noch weitere drei Jahre ohne Einkommen da.“

„Warum erzählen Sie mir das alles?“

Schlagartig änderte sich Ellisons Gesichtsausdruck. Aus dem frustrierten Vater wurde im Sekundenbruchteil ein Optimismus versprühender Senatsanwärter. „Wie Sie bestimmt wissen, habe ich mich nach einer angemessenen Trauerzeit dazu entschlossen, in die Politik zurückzukehren. Im Juli beabsichtige ich, auf Drängen vieler treuer Freunde, die erste Spenden- beziehungsweise Benefiz-Gala nach dem Tod meiner Frau abzuhalten. Ich habe Abby versprochen, ihr für den Fall, dass sie auf der Party erscheint und mir zur Seite steht – natürlich nicht in Jeans und ölverschmiert – eine finanzielle Unterstützung für die nächste Zeit zu gewähren.“

„Und? Hat sie zugesagt?“

„Noch nicht.“ Ellisons Miene verfinsterte sich. „Aber ich brauche sie hier. In der Politik ist Image einfach alles. Und ich möchte nicht den Hauch eines Zweifels oder einer vermuteten Missstimmung kolportieren. Meine ältere Tochter Annabel weiß, was sie zu tun hat. Aber ich brauche Abby, um das Bild perfekt zu machen. Mit der Halskette ihrer Mutter und wenigstens einmal als Frau erkenntlich!“

Noch mehr Frau als auf den Fotos? schoss es Matteo durch den Kopf.

„Können Sie sich das vorstellen?“

„Pardon?“

„Sie sagten, dass Sie Herausforderungen lieben. Und Frauen. Das ist der Deal: Wenn Sie es schaffen, dass Abby ladylike hier auftaucht und ihren Part spielt, gehört die Halskette am Ende der Nacht Ihnen.“

„Wie könnte ich sie überzeugen, wenn nicht einmal Sie …“, überlegte Matteo laut und brach ab, als er Ellisons bedeutungsvollem Blick begegnete. „Keine Chance!“

Ellison lachte spröde. „Ich verlange nicht, dass Sie Abby verführen, Sohn! Ich befürchte, so weit würden selbst Sie nicht bei ihr kommen. Gerüchte besagen, dass meine Tochter sich überhaupt nicht für Männer interessiert.“

Dass Matteo den Mann nicht mochte, war absolut untertrieben. Er ekelte sich geradezu vor Ellison.

„Seit Hunter hat es in ihrem Leben keinen Mann mehr gegeben, was in der Öffentlichkeit natürlich nicht unbemerkt geblieben ist.“ Stirnrunzelnd betrachtete Ellison das Foto seiner jüngeren Tochter. „Allein schon, um den Gerüchten entgegenzuwirken, will ich sie hier haben, in elegantem Kleid und kostbarem Schmuck, mit einem attraktiven Mann an ihrer Seite.“ Jetzt nahm er Matteo mit einem bemerkenswert scharfen Blick ins Visier. „Sie könnten Abby gegenüber als potenzieller Sponsor auftreten, der ein erkleckliches Sümmchen in ihr Rennteam investieren will.“

„Wir haben April“, warf Matteo ein. „Ihre Spenden-Party findet, wie ich verstanden habe, im Juli statt. Wie lange soll ich denn den investitionswilligen Sponsor spielen, ohne mich zu ruinieren?“

„Da ich Ihnen die Halskette im Erfolgsfall quasi schenke, dürften die Investitionskosten kaum den Wert des Schmuckstücks übersteigen“, konterte Ellison unbeeindruckt.

„Und wenn sie trotzdem nicht zu Ihrer Party kommt?“

„Dann gibt es keine Kette.“

Matteo war kurz davor, dem alten Widerling einen Kinnhaken zu verpassen, als Ellison sich abwandte, zum Safe ging und kurz darauf mit einer polierten Holzschachtel zurückkehrte, die er ihm aushändigte.

Grundgütiger! schoss es Matteo durch den Kopf, als er die Schatulle aufschnappen ließ. Das Foto, das Giovanni ihm schon wie einen kostbaren Schatz präsentiert hatte, wurde dem Original nicht annähernd gerecht. Wie, zur Hölle, ist Giovanni an ein Schmuckstück gekommen, das als Lösegeld für einen König herhalten könnte? Zumindest verstand Matteo jetzt, warum er die Kette unbedingt wieder in seinen Besitz bringen wollte.

Ihn selbst hatten Juwelen nie besonders interessiert oder beeindruckt. In diesem Fall jedoch war es anders.

Ellison seufzte. „So sehr ich es mir wünsche … ich bezweifle, dass es Ihnen tatsächlich gelingt, Abby in ein Galakleid zu bekommen.“

Matteo warf Ellison einen scharfen Blick zu, sah noch einmal kurz auf die Kette – und natürlich nahm er den väterlichen Seufzer als das an, was er war: ein Fehdehandschuh, eine Herausforderung. Und dazu hatte er noch nie Nein gesagt.

Sein Entschluss stand fest. „Geben Sie mir die Kontaktdaten ihrer Tochter.“

2. KAPITEL

In einem Punkt musste Matteo Abbys Vater widerstrebend recht geben: Was die gängigsten Gepflogenheiten im Wirtschaftsleben betraf, schien Abby ein Versager zu sein.

Oder Verweigerer? Beides war wenig kooperativ, im schlimmsten Fall sogar extrem geschäftsschädigend.

Zwei Wochen wartete er auf eine Antwort-Mail von ihr, die dann auch nicht vor Interesse und Enthusiasmus strotzte, sondern eher kühl klang. Natürlich befasste er sich daraufhin intensiver mit dem Boucher Team.

Wenn er selbst schon ein bekennender Risiko-Junkie war, toppte Abby Ellison ihn um Längen. Es war ihre zweite Saison im internationalen Rennzirkus und das beste Ergebnis ein fünfter Platz im letzten Jahr. Für gewöhnlich belegten sie den letzten oder bestenfalls vorletzten Platz. Aktuell hatte sich das Team für den Henley Cup qualifiziert, ein internationales Prestige-Event, das über drei Rennen ging.

Niemand schien zu erwarten, dass sie dabei eine führende Rolle spielen würden. Die Presse hielt das Boucher Team für kaum erwähnenswert.

Schlussendlich beschloss Matteo, Abby einfach anzurufen. Als überschwänglich konnte man ihre Reaktion wahrlich nicht bezeichnen, als sie ihn knapp informierte, dass sie sich nicht treffen könnten, da sie schon halb auf dem Weg nach Dubai sei.

„Was für ein Zufall! Genau wie ich …“

„Pardon?“

„Dort finden gerade ein paar interessante Pferderennen statt, die ich mir anschauen will. Außerdem plant meine Schwester, die dort lebt, Anfang Mai ein Charity-Event. Warten Sie …“ Matteo checkte seinen Terminkalender. „Ja, es ist erst am kommenden Samstag. Wie wäre es also mit Lunch am Freitag?“

„Mittags habe ich keine Zeit.“

„Dann zum Dinner?“, ließ er nicht locker … und als nichts kam: „Frühstück?“

„Sie könnten kurz auf der Rennstrecke vorbeischauen.“

„Bestens“, sagte Matteo. „Ich freue mich auf unser Treffen …“

Doch das hörte Abby nicht mehr, weil sie längst aufgelegt hatte.

Die Hitze in Dubai war unerträglich. Von der extrem hohen Luftfeuchtigkeit ganz zu schweigen! Unnötig zu erwähnen, dass Matteo seinen Kater lieber in der klimatisierten Hotelsuite auskuriert hätte, anstatt am Rand einer Rennstrecke. Die sengende Sonne schien von allen Seiten zu brennen, während er sich missmutig auf den Weg zum Boucher Rennstall machte.

Matteo war bereits seit drei Tagen in Dubai. Seit drei tollen, aufreibenden Tagen!

Der erste verflog als ausgelassene Willkommensparty auf der Yacht seines Freundes Scheich Kedah. Dieser schien eisern entschlossen, sich für die wilde Woche zu revanchieren, die Matteo in New York City für ihn organisiert hatte. Den zweiten Tag verbrachte Matteo mit seinem Freund am Strand, wo sie in einem privaten, halsbrecherischen Galopprennen gegeneinander antraten, das für Matteo vorzeitig endete, als er sich bei einem Sturz vom Pferd das Schultergelenk auskugelte. Kedah verständigte auf der Stelle seinen Leibarzt, der ihn wieder einrenkte.

Doch mit dem Arm in der Schlinge war Matteo für ihn kein ernstzunehmender Gegner mehr, also verbrachten sie den Rest des Tages mit ein paar Wetten bei einem Kamelrennen. Die drohenden zwei Jahre Gefängnis für illegale Wetten bedeuteten für Matteo nur einen zusätzlichen Anreiz.

Nach diesem äußerst erfreulichen Auftakt hatte es ihn jetzt offensichtlich zurück auf den Boden der harten Realität katapultiert. Der Geruch von Motoröl verursachte ihm Übelkeit, und das Röhren der Motoren brachte seinen malträtierten Schädel fast zum Platzen. Dazu war ihm die Armschlinge noch irgendwo abhandengekommen, weshalb seine verletzte Schulter höllisch schmerzte.

Und Abby Ellison schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

Da es nach sechzehn Uhr war, fragte Matteo sich, ob sie vielleicht schon Feierabend gemacht hatte. Eine Gruppe Männer sah zu, wie Bouchers Fahrer Pedro in seinem Boliden über die Rennstrecke heizte. Dass es Pedro war, wusste Matteo, weil er das dunkle Grün der Boucher Rennwagen erkannte.

Seine Recherche hatte natürlich noch mehr ergeben.

Das Boucher Team nahm am prestigeträchtigen Henley Cup teil, der aus einer Serie von drei Rennen bestand – Dubai, Mailand und Monte Carlo. Das letzte Rennen fand im Juli, eine Woche vor Ellisons Spenden-Gala statt.

Als Newcomer im Rennzirkus wurde das Boucher Team nicht ernst genommen. Umso weniger, da der Rennstallbesitzer auch noch eine Frau war. DaddysGirl: ebenso reich wie gelangweilt und unausgelastet, lautete das allgemeine Urteil.

Bei Pedro Sanchez, ihrem Fahrer, sah das schon anders aus. Es gab genügend Rennexperten, die ihn beobachteten und verschiedene Rennställe, die ernsthaftes Interesse an ihm bekundeten.

Unbeachtet von der Männertruppe an der Rennstrecke, hielt Matteo sich im Hintergrund. Er labte sich an seiner Literflasche eisgekühlter Cola und beobachtete träge das Geschehen auf dem Kurs. Oder besser, anfangs träge …

Da seine Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren, hatte er sich nie besonders fürs Autorennen erwärmen können. Nur einmal hatte sein Vater ihn als Fünfjährigen zu einer vergnüglichen Ausfahrt mitgenommen – ein Horrortrip, an den Matteo keine guten Erinnerungen hatte!

Das hier jedoch war etwas völlig anderes.

Pedro jagte den Wagen so souverän über die Piste, als laufe er auf Schienen. Und jedes Mal, wenn der Bolide mit röhrendem Motor an ihnen vorbeiraste, bekam Matteo eine Gänsehaut, aber eine der angenehmen Sorte.

„Uaah!“, stieß einer der Männer hervor, als der Wagen abzuheben drohte, doch in letzter Sekunde zwang Pedro ihn wieder auf den Boden zurück und war auch schon außer Sicht. In der nächsten Runde näherte er sich ihnen im normalen Tempo, wurde immer langsamer und kam genau vor der Männertruppe zum Stehen.

„Hey …“

Matteo hatte sich bereits abgewandt, drehte sich bei dem Anruf aber wieder um und blinzelte irritiert.

„Pedro?“ Dank ausgiebiger Recherche erkannte er den jungen Rennfahrer sofort und ergriff dessen ausgestreckte Hand. „Sorry, ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich vermutete Sie da draußen auf der Rennstrecke. Ich wusste nicht, dass es zwei Fahrer im Boucher Team gibt.“

„Nein, nein, mich werden Sie gleich noch fahren sehen“, erklärte Pedro grinsend. „Das da ist Abby. Sie wollte nach ein paar technischen Änderungen an ihrem Baby einen kurzen Check machen.“

Matteo schaute zurück zum Rennwagen und hielt den Atem an, als er die schmale Gestalt in Leder sah, die sich aus dem flachen Boliden schälte. Ganz offensichtlich kein Mann, wie er jetzt unschwer erkannte. Und prompt war sie wieder da, die Gänsehaut, diesmal verbunden mit einem verräterischen Ziehen in der Lendengegend.

Bisher hatte er nicht gewusst, wie sexy ein Lederoutfit sein konnte, das vom Hals bis zu den Fingerspitzen und hinunter bis zu den Knöcheln reichte! Der Rennsport hatte offensichtlich mehr zu bieten, als ihm bisher bewusst gewesen war.

Fasziniert beobachtete er, wie die Fahrerin Helm und Feuerschutz abnahm, bevor sie mit einer unglaublich weiblichen Geste das lange glänzende Haar ausschüttelte. Sie war groß, schlank und mit genügend hinreißenden Kurven versehen, um als echte Beauty durchzugehen. Hätte sie jetzt noch ein Lächeln auf den vollen Lippen, würde er es bereitwillig erwidern …

Immerhin bescheinigte man ihm ein Lächeln, das Eisberge zum Schmelzen brachte. Andererseits war er nicht hier, um Miss Ellison zu bezirzen, sondern um ihr ein geschäftliches Angebot zu unterbreiten.

„Ich habe gehört, Sie haben ein Meeting mit Abby?“

„So ist es.“

„Gut“, meinte Pedro, und Matteo hörte einen leisen, aber deutlich vernehmbaren Misston in seine Stimme. „Dann wird es Zeit, Ihnen einen kleinen Eindruck von meinem Fahrstil zu vermitteln.“ Er schaute zu Abby hinüber und fragte: „Und, wie ist sie?“

„Jetzt läuft sie perfekt und schnurrt wie ein Kätzchen.“

Sie sprachen von dem Rennwagen wie von einem Menschen!

„Ich habe sie ein bisschen für dich aufgewärmt“, sagte Abby, als Pedro an ihr vorbei auf den Wagen zusteuerte. Sie schien Matteo erst jetzt zu bemerken. „Di Sione?“

„Ja.“ Er lächelte. „Aber Sie können mich Matteo nennen.“

Sein Lächeln wurde nicht erwidert. Stattdessen wandte Abby sich Pedro zu, der gerade in den Rennwagen kletterte. Wenn sie mit potenziellen Sponsoren immer so umsprang, wunderte er sich nicht über den Engpass beim Boucher Team.

„Wie lange hat Pedro hier schon unter diesen Bedingungen trainieren können?“, fragte Matteo und wollte eigentlich wissen, wie lange er wohl brauchen würde, um sich an dieses Klima zu gewöhnen.

„Lange genug.“ Immer noch war ihre volle Aufmerksamkeit auf Pedro gerichtet, der in Startposition ging, um ein paar Runden zu drehen.

„Warum gehen wir nicht …“ Matteo brach ab, weil der Motorenlärm seine Stimme übertönte. Er versuchte es noch einmal, als von Pedro nur noch eine Staubwolke zu sehen war. „Warum gehen wir nicht irgendwo hin, wo wir in Ruhe reden können?“

Diesmal antwortete sie erst, nachdem Pedro die ersten Runden gedreht hatte. „Ich glaube nicht …“

„Wie bitte?“

„Dass ich einen Investor brauche, der mich von meiner Arbeit ablenken will.“

„Aber Pedro ist fertig.“

„Ich will noch die Konkurrenz sehen.“

„Aber Sie brauchen einen Investor“, versuchte Matteo einen erneuten, etwas energischeren Vorstoß.

Nicht diesen! dachte Abby.

Natürlich war ihr der Name Di Sione ein Begriff, und ebenso selbstverständlich hatte auch sie Hintergrundrecherchen betrieben. Rücksichtslos, wild und ausschweifend waren die herausragenden Attribute, die die Regenbogenpresse Matteo Di Sione bescheinigte. Nachdem sie außerdem etliche Fotos ihres potenziellen Sponsors angeschaut und ein bisschen mehr über ihn gelesen hatte, kam Abby zu dem Schluss, dass er darüber hinaus extrem sexy und gefährlich war. Genau die Sorte Mann, mit der sie rein gar nichts anfangen konnte.

Um es auf den Punkt zu bringen: Matteo Di Sione machte ihr Angst.

Sie hatte ihn bereits im Visier gehabt, als sie noch im Rennwagen gesessen hatte. In Fleisch und Blut war er noch besser als auf Fotos, was ihr verräterischer Puls ihr bestätigte. Abby war auch nicht entgangen, wie er mit seinen unverschämt blauen Augen ihren Körper gescannt hatte, als sie auf ihn zugegangen war. Dass ihre Wangen nun wie Feuer brannten, verdankte sie allein diesem Blick.

„Kann ich vielleicht Ohrstöpsel bekommen?“ Ein anderes Team testete nun seinen Boliden, was Matteos Kater ihm ernsthaft übel nahm. „Wir können uns ja mit Zeichensprache verständigen, wenn Sie unbedingt hier bleiben wollen. Oder wir unterhalten uns irgendwo anders gepflegt.“

„Gepflegt?“ Abby runzelte die Stirn. Der will ein ernstzunehmender Sponsor fürs Boucher Team sein? fragte sie sich gereizt. Weiß er denn nicht, dass statt Blut Motoröl durch meine Adern fließt?

Angespannt verfolgte sie, wie Evan seinen Wagen über die Bahn lenkte. Diesem Moment hatte sie den ganzen Tag entgegengefiebert. Evan Lewis, Fahrer vom Carter Team, war einer von Bouchers gefährlichsten Konkurrenten. Ihre Freundin Belle, mit der Abby Maschinenbau studiert hatte, arbeitete für sein Team und hatte ihr anvertraut, dass der Rennwagen in Kombination mit diesem Fahrer nur ein Attribut verdiente: Poetry in Motion … Poesie in Bewegung.

Jetzt bekam sie endlich Gelegenheit, das live in Augenschein zu nehmen, und schaffte es nicht, sich auf Evan zu konzentrieren. Neben ihr trank Matteo ständig aus seiner Colaflasche, was sie daran erinnerte, wie durstig sie war. Und als sie sich unbewusst mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen fuhr, bot er ihr die Flasche an, als wären sie seit Ewigkeiten beste Kumpel.

Sie schüttelte nur knapp den Kopf, worauf er nach vorn an die Bande ging, um sich mit den Ellenbogen abzustützen.

Verdammt! Sie brachte es einfach nicht fertig, den Blick von seinem breiten Kreuz und den langen Beinen zu lösen. Das weiße, leicht knitterige Leinenhemd ließ seine Haut noch dunkler erscheinen, aber er wirkte trotz der Hitze nicht verschwitzt. Eben war ihr eine frische Narbe über seiner linken Braue aufgefallen, und Abby fragte sich, wie er wohl zu ihr gekommen war. Und jetzt stellte er zu allem Überfluss auch noch die Colaflasche neben sich auf dem Boden ab und knöpfte sich das Hemd auf.

Was, zur Hölle …

Matteo drehte sich um, schnitt eine kleine Grimasse und bedachte sie mit einem schiefen Lächeln, während er aus dem Leinenhemd eine Schlinge knotete, sie umlegte und seinen Arm reinhängte. „Hab mir die Schulter verletzt“, erklärte er.

Weder gab Abby einen Kommentar dazu ab, noch erwiderte sie sein Lächeln, stattdessen marschierte sie einfach davon. Langsam reichte es Matteo. Er würde einen anderen Weg finden müssen, um an Giovannis Kette zu kommen. Denn wenn Abby einen zukünftigen Sponsor schon so begrüßte, konnte er sich lebhaft vorstellen, wie sie reagierte, wenn er ihr eröffnete, dass sie auf ihres Vaters Fundraising-Party erwartet wurde. Und erst recht, wenn sie erfuhr, welches Outfit sie dabei tragen sollte.

„Nur zu Ihrer Information …“, sagte Matteo grimmig, sobald er sie eingeholt hatte. „In diesem Moment verlieren Sie einen Sponsor, der weder den Drang verspürt, sich über Gebühr einzumischen, noch Ihnen Zeit zu stehlen, die Ihnen offenbar kostbarer ist als Geld. Ich ziehe mein Angebot zurück, da ich mit Ihnen nicht geschäftlich verbunden sein will, Miss Ellison. Leider sind Sie ebenso rüde wie unprofessionell.“ In diesem Moment sah er so etwas wie ein Lächeln in den grünen Katzenaugen aufblitzen.

„Und nicht besonders umgänglich“, fügte er hinzu.

„Stimmt, das bin ich alles nicht“, gab sie zu und entwaffnete ihn damit.

Jetzt trafen sich ihre Blicke, und zum ersten Mal spürte Matteo einen Kontakt zwischen ihnen. Vielleicht konnten sie doch zusammenarbeiten.

„Okay, ein Normalmaß an Höflichkeit würde mir schon genügen“, lenkte er ein.

Abby maß ihn mit einem langen abschätzenden Blick. Es gefiel ihr, wie offen er seinen Ärger geäußert hatte und dass er sich nicht übermäßig einmischen wollte. Das war nämlich der ausschlaggebende Grund für die Trennung von ihrem bisherigen Sponsor gewesen.

„Höflich kriege ich hin.“

„Gut.“ Matteo trank seinen letzten Schluck Cola. „Ich muss langsam etwas essen.“

Was Abby darauf sagte, ging im Motorenlärm unter. Er sah nur, wie sich ihr Mund bewegte.

Hilflos hob er die Schultern und zuckte prompt vor Schmerz zusammen. „Ich kann Sie nicht hören.“

Jetzt war es Abby, die auf Matteos Mund starrte.

„Dinner?“, schlug er vor, und da keine Reaktion erfolgte, noch einmal lauter in eine kurze Lärmpause hinein. „Dinner?“

„Hier?“

Irritiert sah Matteo sich um. Da das Rennen erst nächste Woche stattfand, waren noch keine Catering-Unternehmen vor Ort. „Tja, ich würde zwar ein nettes Dinner in meinem Sterne-Hotel vorziehen, aber wenn Sie darauf bestehen, können wir auch hier dinieren. Gibt’s in Dubai Hotdogs?“

„Hotdogs vielleicht nicht gerade …“ Sie brach ab und krauste die Stirn. Der Mann wollte mit ihr übers Big Business sprechen, da war Fast Food wahrscheinlich nicht angemessen. Doch bevor sie seinem Vorschlag zustimmte, wollte sie etwas klarstellen. „Wenn Sie davon sprechen, in Ihrem Hotel zu essen, meinen Sie das Restaurant, oder?“

„Natürlich, was denn sonst?“ Matteo grinste bei ihrer immer noch skeptischen Miene. „Sie sollten nicht alles glauben, was Sie über mich lesen, Abby. Ich mag ja schnell sein, aber so schnell dann doch nicht.“

Da lachte sie.

Matteo hatte nicht gewusst, was für ein seltenes Geräusch das war.

„Wollen wir uns dort treffen?“

„Sicher.“

Er nannte ihr den Namen seines Hotels.

„Ich ziehe mich nur noch schnell um.“

„Bitte …“ Bitte nicht, hatte er sagen wollen. Sie sah einfach hinreißend aus. Von Kopf bis Fuß in enges Boucher-grünes Leder gehüllt. Doch etwas riet ihm, sich zurückzuhalten. „Okay, wir treffen uns in einer Stunde. Ist es in Ordnung, wenn ich mich hier noch ein wenig umsehe, bevor ich fahre?“

„Natürlich.“

Einer der Mechaniker bot Matteo an, ihn durchs Trainingslager zu führen. Allein der logistische Aufwand, der hier betrieben wurde, faszinierte ihn. Eine komplette Wand rund um den Kurs, errichtet aus Stapeln von Autoreifen. Und das für ein einziges Rennen.

Abby stand mit gerunzelter Stirn vor ihrem Spind. Sie wusste nicht, was sie anziehen sollte und war unglaublich nervös. Natürlich bekam sie häufiger Einladungen zum Dinner oder Lunch, nur nicht von jemandem, der so attraktiv war und sie auch noch zum Lachen brachte.

Sie wusste, dass sie sich nicht gerade damenhaft benahm und manchmal etwas kratzbürstig rüberkam, aber so barsch wie heute gab sie sich nur selten. Allerdings hatte das einen triftigen Grund, den Matteo natürlich nicht kannte.

Also, was trägt man nun zum Dinner in einem Sterne-Hotel in Begleitung eines Womanizers, wenn man nichts weiter zur Auswahl hat als abgerissene Jeans, ein simples schwarzes T-Shirt und flache Sandalen?

Bestens! Mangels Masse: Problem gelöst! machte Abby sich über sich selbst lustig.

Sie setzte ihre Sonnenbrille auf, fuhr sich kurz mit einer Bürste durchs Haar und schnitt ihrem Spiegelbild eine kleine Grimasse. Im Vorraum stieß sie auf Matteo, der den Absprung von der Rennbahn immer noch nicht geschafft hatte.

„Sorry, ich dachte, Sie wären mit dem eigenen Wagen da“, entschuldigte er sich. „Warum haben Sie denn nichts gesagt?“

„Weil …“ Sie brach ab und zuckte mit den Schultern.

„Kommen Sie.“ Auch Matteo setzte eine Sonnenbrille auf, bevor sie nach draußen, ins gleißende Licht traten.

Was ist nur mit dieser Frau los? überlegte Matteo auf dem Weg zu seinem Wagen. Es war, als scheue Abby keine Anstrengung, um möglichst unattraktiv auszusehen. Die Jeans waren viel zu warm, und was das unförmige T-Shirt betraf …

Plötzlich erschienen ihm Hotdogs als doch keine so schlechte Idee.

Matteo schaute nach unten – und stutzte. Was er da sah, war eine echte Premiere: unlackierte Fußnägel an einer Frau! Um sich so fertigzumachen hat sie eine halbe Stunde gebraucht?

„Glauben Sie, dass man in Ihrem Hotel etwas gegen Jeans einzuwenden hat?“, fragte Abby während der Fahrt.

„Nicht, wenn man sie trägt wie Sie…“, erwiderte Matteo charmant, wandte den Kopf und lächelte ihr zu. „Sie sehen einfach großartig aus.“

Abby konnte nicht anders als laut loszulachen. „Was für eine dreiste Lüge!“ Sie schüttelte den Kopf. „Als Entschuldigung muss gelten, dass ich nicht erwartet hatte, heute zum Dinner ausgeführt zu werden. Ich weiß sehr wohl, dass ich schlecht angezogen bin.“

„Für wen?“

Er schaffte es tatsächlich, sie zu entspannen. „Wie ist das mit Ihrem Auge passiert?“, fragte sie spontan.

„Ich bin vom Pferd gefallen. Dabei habe ich mir auch die Schulter ausgekugelt. Eigentlich müsste ich den Arm in einer Schlinge tragen.“

„Und warum tun Sie es dann nicht?“

„Ich habe sie irgendwo verloren.“

„Oh.“ Trotz Verletzung wirkte er umwerfend attraktiv. Sie fühlte sich neben ihm schrecklich farblos und langweilig. „Wir könnten kurz zu meinem Hotel fahren, damit ich mich noch schnell umziehe.“

„Nicht nötig.“ Obwohl … das Restaurant, in das sie fuhren, war ziemlich schick. Genaugenommen sogar sehr elegant und exklusiv. Glücklicherweise hatte er dort in Begleitung von Scheich Kedah innerhalb der letzten drei Tage extrem großzügige Trinkgelder verteilt, was ihm auch heute unter Garantie einen herzlichen Empfang bescheren würde.

„Ein Tisch für zwei“, orderte er daher nach einer überaus herzlichen Begrüßung durch den Empfangschef.

Ohne das geringste Anzeichen von Irritation führte dieser sie zu ihrem Tisch. Ohne die riesige Sonnenbrille und mit der Jeans außerhalb seines Sichtfeld gab Abby Ellison ein mehr als reizendes Bild ab. Tatsächlich war sie eine sehr schöne Frau.

Ihre Augen schimmerten in einem tiefen geheimnisvollen Grün und waren umrahmt von langen, dichten Wimpern. Und sie war die erste Frau, die ihm völlig ungeschminkt in einem Restaurant gegenübersaß.

So würde sie also am Morgen aussehen, nachdem sie …

Matteo rief sich streng zur Ordnung und richtete den Blick auf den arabischen Golf, heute besser bekannt als persischer Golf, wie er sich automatisch verbesserte.

„Ich liebe es, hier zu sein“, bekannte er zu seiner eigenen Überraschung. „Das hätte ich nicht gedacht. Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht genau, was mich hier erwartet.“

„Ich habe noch nicht viel von der Umgebung gesehen“, gestand Abby. „Wir sind erst gestern gelandet.“

Geschickt nutzte Matteo die Chance zum Themenwechsel. „Wie kommt Pedro eigentlich mit der extremen Hitze zurecht?“

Seine Frage bewies Verständnis und eine Kompetenz, die sie nicht erwartet hätte. „Ein paar Tage mehr zum Akklimatisieren wären in jedem Fall von Vorteil gewesen.“

„Ist er wirklich so ein Temperamentsbündel, wie die Presse behauptet?“

„Schlimmer!“ Abby seufzte. „Gleichzeitig ist genau das seine Stärke. Er hat wirklich bemerkenswertes Talent.“

„Sie setzen ihn ziemlich früh den Anforderungen im großen Rennzirkus aus.“ Matteo erinnerte sich, gelesen zu haben, dass Pedro gerade mal einundzwanzig war, und Abby ihn bereits als Neunzehnjährigen ihrem Rennstall verpflichtet hatte. „Sollte er sich nicht lieber noch eine Weile auf der Gokart-Bahn austoben?“

Abby lächelte, aber ihr Blick war wachsam. „Er wird sich im Rennzirkus bestens schlagen“, prophezeite sie. „Er tut es jetzt schon.“

Er sah die Anspannung in ihren Augen und wusste sofort, was ihr durch den Kopf ging. Wenn sie recht behielt, würde bald jemand mit einer dickeren Geldbörse versuchen, sich ihren Fahrer unter den Nagel zu reißen.

„Wenn Sie ihn für einen Star halten, dann behandeln Sie ihn auch so“, riet Matteo. „Sorgen Sie dafür, dass Pedro nie von Ihnen wegwill.“ Er sah, wie ihre Lippen schmal wurden. „Raus damit, worum ging es bei seiner letzten Beschwerde oder Forderung?“

Da war es wieder, ihr leises Lachen, das sich jedes Mal ein bisschen wärmer anhörte. „Nun, einige der anderen Fahrer geben ziemlich an mit ihrem eigenen Fitness-Studio … natürlich inklusive Whirlpool!“, ging sie auf seinen leichten Ton ein. „Und diese Jungs sind tatsächlich unglaublich durchtrainiert und fit. Ich weiß selbst, wie anstrengend es ist, auch nur ein paar nette Trainingsrunden in diesen Geschossen zu absolvieren.“

„Nett sah für mich dabei gar nichts aus“, erwiderte Matteo. „Wie ist es? Ich meine, einen Rennwagen zu fahren?“

Das war der Moment, in dem Abby abwägen musste, was sie als Nächstes sagte. Sonst könnte sie schnell in einen heißen Flirt verstrickt sein. „Es ist fantastisch“, behauptete sie, wo jeder Kerl gesagt hätte, es sei besser als Sex.

Was in ihrem Fall keine Kunst war! Denn ihr einziges Erlebnis auf diesem Sektor war die reine Hölle gewesen.

„Pedro hat eine tief verwurzelte Abneigung gegen Hotel-Gyms und Pools“, fuhr sie rasch fort, um ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. „Und ich kann das sogar nachvollziehen, allerdings …“ Wie sie es hasste, über Geld reden zu müssen! Aber saßen sie nicht genau deshalb in diesem Nobel-Restaurant? „Unser Budget lässt eben keine Extravaganzen zu“, endete sie spröde.

„Was Pedro bestimmt nicht gefällt“, mutmaßte Matteo.

„Er ist wirklich ein Schatz“, verteidigte Abby den ungestümen jungen Fahrer. „Wie das gesamte Team. Es ist nicht leicht, die anderen in angesagte Restaurants und Bars gehen zu sehen, während wir uns in Burger-Buden herumdrücken. Wir wollen alle höher hinaus und wissen, dass wir dafür hart arbeiten müssen. Ich will gar nicht abstreiten, dass es ein schwieriger Balanceakt ist. Und ich weiß auch, dass Pedro recht hat. Mit der richtigen Unterstützung und Förderung könnte er sein Potenzial noch effektiver nutzen und wäre damit noch besser und erfolgreicher als ohnehin schon. Und mir wäre viel wohler, wenn ich mehr Zeit hätte, mich auf den Wagen und die Konkurrenz zu konzentrieren.“

„Anstatt den Buchhalter zu spielen?“, fragte Matteo.

„Und meine eigene PA, Reiseagentin, Personalbetreuerin …“

„Schon gut, ich habe verstanden.“

Was Abby stark bezweifelte. Wie sollte er das, bei seinem Status? „Warum wollen Sie ausgerechnet in meinen Rennstall investieren?“

„Nun, ich traue Ihnen Einiges zu. Und ich will unbedingt mit im Boot sein, wenn Sie auf Erfolgskurs gehen. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Außenseiter …“ Matteo griff zur Weinkarte. „Was wollen wir trinken?“

„Für mich Wasser.“

„Was für ein preiswertes Date …“

„Das ist kein Date, Matteo.“

„Stimmt, das ist es nicht.“ Wenigstens sprach sie ihn mit seinem Namen an. Ein erster Erfolg. Zu seiner eigenen Überraschung lag Matteo plötzlich ernsthaft daran, Abby und ihr Team zu unterstützen. Er war schon immer eine Spielernatur gewesen, und hier bot sich ihm eine außerordentliche Herausforderung.

In diesem Moment verschwendete Matteo nicht einen Gedanken an die Kette seines Großvaters.

Aber wenn er als Sponsor für das Team Boucher antrat, dann nur unter bestimmten Bedingungen. Und die würde er festlegen, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. „Apropos Date. Was meinen eher zweifelhaften Ruf betrifft, gebe ich offen zu, dass meine Beziehungen zum anderen Geschlecht eher Stunden als Tage dauern. Sie wollen unter Garantie nicht wissen …“

„Ich weiß bereits mehr, als mir lieb ist!“, unterbrach sie ihn brüsk.

„Ich meine, wenn wir zusammenarbeiten, heißt das: keine privaten Kontakte.“

„Das kommt mir sehr entgegen.“

„Umso besser. Ich gehe also nicht mit Ihnen aus.“

„Und ich trinke keinen Alkohol.“

Matteo hob die Brauen. „Gar nicht?“

„Nein.“

„Nie?“

„Nein, nie.“ Sein fast entsetzter Blick brachte sie zum Schmunzeln. „Ich habe es probiert, und es hat mir nicht gefallen.“

„Okay, also Wasser für zwei.“

„Sie können sich ruhig etwas anderes bestellen.“

„Ich weiß, aber ein klarer Verstand kann mir in Ihrer Gesellschaft nicht schaden“, murmelte er, griff nach der Menükarte, schaute hinein und stöhnte begehrlich. „Hmm, ich weiß, was ich nehme: Jakobsmuscheln an Champagnerschaum mit schwarzen Trüffeln.“

Der Laut ließ Abby schaudern, auf eine seltsam angenehme Art. Und als Matteo hochblickt, leuchteten seine Augen im tiefsten Marineblau. Ohne sich dessen bewusst zu sein, erwiderte sie sein breites Lächeln.

„Schon besser“, sagte er zufrieden. „Sie sehen fast entspannt aus.“

Warum bringt er mich nur immer wieder zum Lachen? Matteo Di Sione war nett, das konnte Abby nicht länger leugnen. Nett, mehr aber auch nicht …

Das Essen war hervorragend, die Gesellschaft überaus anregend, und Matteo erwies sich als guter Zuhörer, der ihre Probleme und Besorgnisse absolut ernst zu nehmen schien. Abby wusste nicht, wann sie sich das letzte Mal so wohlgefühlt hatte.

„Im letzten Jahr hatten wir einen Sponsor, wenn auch keinen besonders großzügigen“, vertraute sie Matteo an. „Dafür war er rund um die Uhr am Telefon, wollte ständig neue Erfolgsprognosen auf seinem Schreibtisch haben, und die Renntage waren die reine Hölle. Schon früh morgens hing er einem auf der Pelle, bestand darauf, dass ich ihm und seinen Buddies beim Champagner-Lunch Gesellschaft leiste und wollte Pedro auf sämtlichen öffentlichen Events sehen, die …“

„Hören Sie, Abby“, unterbrach Matteo sie sanft. „Mir ist völlig klar, dass Sie niemand wollen, der seine Nase ungefragt in Dinge steckt, die ihn nichts angehen. Ich nehme meinen Lunch gern allein und bevorzugt ohne Champagner zu mir und habe nicht vor, einen wie immer gearteten Druck auf Sie und Ihr Team auszuüben. Ich schraube meine Erwartungen in diesem Jahr auch nicht allzu hoch und …“

„Oh, nein!“, platzte Abby lebhaft heraus. „Wir können den Henley Cup gewinnen.“

Matteo ließ sie nicht aus den Augen. „Wie gesagt, ich bin geduldig …“

„Ich werde Pedro nicht viel länger halten können. Er ist ein aufstrebender Stern am Rennfahrerhimmel. Früher oder später wird ihm jemand ein Angebot machen, das ich unmöglich toppen kann.“

Matteo nickte. „Durchaus möglich. Wie ich gehört habe, will Hunter zum Jahresende abtreten“, dachte er laut nach und wandte sich abrupt Abby zu. „Hey, waren Hunter und Sie nicht …“

„Wir können in diesem Jahr gewinnen“, beharrte Abby und ignorierte seine Anspielung. „Ich will den Henley Cup unbedingt, erst Dubai, dann Italien und zum Schluss Monte Carlo.“

Matteo musterte ihr leuchtendes Gesicht, schließlich nickte er. „Dann sollten wir uns beeilen, Pedro glücklich zu machen. Wie knapp sind Sie bei Kasse?“

Das wusste niemand außer ihr. Abby empfand es als extrem unangenehm, sich Matteo anvertrauen zu müssen.

Ihr innerer Kampf blieb ihm nicht verborgen. „Das Einzige, worauf ich in unserer Geschäftsbeziehung bestehe, ist Aufrichtigkeit“, stellte er klar und schmunzelte selbstironisch. „Dann kann ich mich vielleicht auch gleich daran gewöhnen.“

Damit brachte er Abby zum Lachen, und der Bann war gebrochen.

„Okay, halten wir das fest“, resümierte Matteo. „Zwischen uns beiden herrscht unbedingte Aufrichtigkeit. Was immer Sie mir anvertrauen, bleibt auch bei mir, egal, was wir danach entscheiden zu tun. Einverstanden?“

Seltsam, sie kannte ihn kaum, trotzdem glaubte sie Matteo. Und sie vertraute ihm. Vielleicht wäre es tatsächlich entlastend, endlich jemandem zu gestehen, wie schlecht es tatsächlich um sie stand. Ihr Team wusste zwar, dass sie knapp bei Kasse war, aber nicht, wie viele durchwachte Nächte und innere Kämpfe es sie kostete, stark zu bleiben.

Und nicht zu Kreuze zu kriechen, indem sie sich von ihrem Vater erpressen ließ und im Gegenzug für die dringend benötigte Finanzspritze auf seiner Spenden-Gala erschien. Allein der Gedanke machte sie krank.

Ob das Foto von mir und Hunter noch immer in seinem Arbeitszimmer hängt? Abby schloss für einen Moment die Augen, um nicht von aufsteigender Panik überwältigt zu werden. Oh nein!Ich werde nicht wie erwartet als verlorene Tochter ins Haus meines Vaters zurückkehren!

Sie hob die Lider, begegnete Matteos gelassenem Blick und entschied spontan, ihm die Wahrheit zu sagen. „So, wie es momentan um uns steht, wird es für Italien nicht mehr reichen.“

Matteo schwieg und wartete ruhig ab.

„Mit dem Wagen und Equipment ist alles klar, aber ich kann das Team nicht dort hinschaffen.“

„Liegt es nur am fehlenden Geld?“

Abby nickte und hielt für einen Moment den Atem an. Aber Matteo stand weder auf und ging, noch begann er zu diskutieren. Er saß einfach nur abwartend da und dachte nach.

Zwischendurch schob er das Wasserglas von sich und bestellte einen doppelten Cognac. Anschließend verfiel er wieder in Schweigen, offensichtlich tief in Gedanken versunken.

Und die kreisten nicht um die Smaragdkette, wegen der er eigentlich in Dubai war. Stattdessen dachte er über einen Rennstall nach, rasante Boliden, ein engagiertes Team mit einem jungen Heißsporn als Fahrer. All das bescherte ihm einen größeren Kick, als er ihn je in einem Casino oder an der Börse verspürt hatte.

Dabei hatte er sich bisher nie mit Motorsport befasst. Rennwagen gehörten zu den wenigen Lastern, denen er nicht verfallen war. An ihnen hingen einfach zu viele schmerzliche Erinnerungen.

Aber jetzt wendete sich das Blatt.

Erst Abby und dann Pedro auf der Rennstrecke zu sehen, das Gespräch mit den Mechanikern, die Proberunden des Konkurrenz-Teams …

Ganz und gar unerwartet übte das alles eine Faszination auf ihn aus, der Matteo sich unmöglich entziehen konnte. Und auch gar nicht wollte! Wann hatte er sich das letzte Mal derart belebt und animiert gefühlt?

Mit dem Cognacglas in der Hand forderte er konkrete Zahlen von Abby, die sie ihm mit hochroten Wangen zögernd preisgab und dann angespannt wartete, während Matteo sie in einen Taschenrechner eingab und eine Weile stumm auf der Tastatur herumtippte.

Nicht auf seinem Handy, nicht auf einem Zwei-Dollar-Taschenrechner, sondern einem separaten Kalkulator, wie Abby fasziniert feststellte.

Matteo erkannte schnell, dass er ihr Geschäftsmeeting an dieser Stelle abbrechen müsste, wenn er noch bei Verstand war. Die Summe, die Abby zur Lösung der akuten Probleme brauchte, überstieg bei Weitem den Wert der Halskette, ohne eine Garantie auf Rückzahlung oder einen zu erwartenden Gewinn.

„Warum glauben Sie, beim Henley Cup eine reelle Chance zu haben?“

„Ich habe den Wagen selbst konstruiert“, lautete die schlichte Antwort. „Und ich habe den furchtlosesten Fahrer in meinem Team, dem ich je begegnet bin. Pedro ist noch ein wenig ungeschliffen, was in diesem Fall von entscheidendem Vorteil sein kann. Er lässt sich von nichts und niemand irritieren oder beeindrucken und ist unberechenbar.“