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David und Christian haben sich ihre Ferien in Irland anders vorgestellt. Anstatt zum Surfen an die Westküste zu fahren, müssen sie in Dublin bleiben, denn der goldene Salamander ist verschwunden. Wissen die vier rätselhaften Männer im Keller des Museums, was mit dem antiken Kleinod geschehen ist? Als sogar die Mutter der beiden Jungen verdächtigt wird, für den Raub verantwortlich zu sein, machen sie sich zusammen mit Grainne, ihrer irischen Freundin, auf eine Suche, die sie quer über die ›Grüne Insel‹ und tief in deren mythische und sagenumwobene Vergangenheit führt.
Mut, Scharfsinn und Glück helfen ihnen, so manche Gefahren, denen sie begegnen, zu überstehen. Aber nicht nur sie sind auf den Spuren des sagenumwitterten Salamanders, der vor 500 Jahren mit dem letzten Schiff der Armada versunken sein soll.
Können David und Christian herausfinden, was damals wirklich geschehen ist, und reicht das, um dem Fluch der geheimnisvollen Meerfrau zu entkommen?
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Gabrielle Alioth
Das Geheimnis der vier Meister
Irland-Roman
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Claudia Westphal nach Motiven, 2024
Korrektorat: Stephanie Burmeister
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
www.baerenklauexklusiv.de
Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Das Geheimnis der vier Meister
Willkommen in Irland
Vom Regen in die Traufe
Im Museum
Der Salamander
Go, go, go
Nachforschungen
Der Verdacht
Donegal
Das Kloster
Übergänge
Am Strand
Die Burg
Die Liste
Die Rubine
Fish and Chips
Der Spanier
Das Geschenk
Die Frau mit dem weißen Haar
Im Moor
Zufall
Als wäre nichts geschehen
Geschichte gelesen
Glossar
David und Christian haben sich ihre Ferien in Irland anders vorgestellt. Anstatt zum Surfen an die Westküste zu fahren, müssen sie in Dublin bleiben, denn der goldene Salamander ist verschwunden. Wissen die vier rätselhaften Männer im Keller des Museums, was mit dem antiken Kleinod geschehen ist? Als sogar die Mutter der beiden Jungen verdächtigt wird, für den Raub verantwortlich zu sein, machen sie sich zusammen mit Grainne, ihrer irischen Freundin, auf eine Suche, die sie quer über die ›Grüne Insel‹ und tief in deren mythische und sagenumwobene Vergangenheit führt.
Mut, Scharfsinn und Glück helfen ihnen, so manche Gefahren, denen sie begegnen, zu überstehen. Aber nicht nur sie sind auf den Spuren des sagenumwitterten Salamanders, der vor 500 Jahren mit dem letzten Schiff der Armada versunken sein soll.
Können David und Christian herausfinden, was damals wirklich geschehen ist, und reicht das, um dem Fluch der geheimnisvollen Meerfrau zu entkommen?
***
- Ein Irland-Roman -
Von Gabrielle Alioth
Die Glastür, die ins Flughafengebäude führt, ist bereits geschlossen. Ratlos steht David davor, dann entdeckt er einen Schalter neben der Tür und drückt darauf. Im selben Moment heult eine Sirene auf. David fährt zusammen. Über ihm blinken blaue Lichter, weitere Sirenen erklingen, Autoreifen quietschen hinter ihm. Er erstarrt – gleich wird man ihn verhaftet!
»Du musst länger drücken.« Sarah, die Flugbegleiterin, steht neben ihm und presst ihre Hand auf den Schalter; die Glastür öffnet sich. David dreht sich um. Zwei Feuerwehrwagen und eine Ambulanz verschwinden in der Lagerhalle nebenan.
»Ich dachte …«
»Ach, hier geht ständig irgendwo ein Alarm los. Vermutlich hat jemand am falschen Ort geraucht.« Als sie im Gebäude sind, verstummt die Sirene endlich. »Die Gepäckausgabe ist da vorn.«
Mit weichen Knien folgt David der Flugbegleiterin.
»Hier durch«, sagt Sarah, als sie vor den Zollschaltern stehen, und deutet auf den Durchgang, der den Angestellten der Fluglinien vorbehalten ist.
David zögert. »Aber – ich gehöre nicht zur Crew …«
»Die Iren nehmen das nicht so genau«, meint Sarah und schiebt ihn in die Warteschlange.
Vor ihnen ist die Besatzung einer spanischen Maschine. Die Flugbegleiterinnen tragen rote Uniformen und rote Hütchen. Ein Herr in einem dunklen Anzug begleitet sie. David sucht nach den gelben Pilotenstreifen auf seinen Ärmeln, aber er kann keine sehen. Der Schreck sitzt ihm noch in den Knochen. Als er an der Reihe ist, schaut der Zollbeamte nur kurz in seinen Pass. Dann lächelt er und sagt: »Welcome to Ireland« – Willkommen in Irland.
Bei der Gepäckabfertigung wimmelt es von Leuten. Neben einem der Gepäckbänder steht ein Trupp deutscher Pfadfinder. Einer von ihnen hat seinen Schlafsack ausgerollt und wischt etwas Rotes, Klebriges darauf zusammen. Davids Vater möchte schon lange, dass er den Pfadfindern beitritt.
»Da.« Sarah deutet auf einen Bildschirm, »das ist unsere Maschine.« Das Rollband darunter ist bereits voller Gepäck. Zwischen den Koffern und Rucksäcken liegen lange Taschen. »Golfschläger«, erklärt Sarah und zeigt auf ein Plakat an der Wand, auf dem David Panter Forester erkennt, einen amerikanischen Golfspieler, dem sein Vater stundenlang am Fernseher zuschauen kann.
»Das Turnier findet diese Woche statt.« Sarah beginnt die Namen der berühmten Spieler aufzuzählen, die dafür aus der ganzen Welt nach Irland kommen. David hört nicht zu. Ob das klebrige Zeug in dem Schlafsack Marmelade war?
»Didi!« Eine Hand klatscht auf seine Schulter. Es gibt nur einen Menschen, der ihn so nennt. Christian steht hinter ihm. »Bist du auch schon da.«
»Mein Halbbruder«, erklärt David. Sarah mustert Christian überrascht. Er ist fast so groß wie sie, trägt ein schwarzes T-Shirt mit einer Spinne darauf und ausgebeulte Jeans. David musste ein hellblaues Hemd und seinen dunkelblauen Pullover anziehen, den er sich – sobald Papa ihn durch die Schranken der Sicherheitskontrolle nicht mehr sehen konnte – um den Bauch band, damit seine brave Cordhose nicht so auffiel. Christian ist zwei Jahre älter als er und lebt in Österreich bei seinem Vater. Sie haben die gleiche Mutter, aber verschiedene Väter.
»Dann hast du jetzt ja einen Begleiter«, meint Sarah und lächelt Christian zu.
»Klar.« Christian rüttelt David ein wenig an der Schulter. »Ich pass auf Didi auf.«
»Musst du mich immer Didi nennen?«, murrt David, nachdem Sarah mit einem Winken zwischen den Leuten verschwunden ist.
»So ein Mist.« Christian schaut aus dem Wohnzimmerfenster. Seit sie in Dublin angekommen sind, hat es nicht aufgehört zu regnen.
»Seid ihr soweit?«, ruft Mama vergnügt aus dem Badezimmer.
Als David und Christian am Tag zuvor mit ihren Koffern durch den Zoll kamen, stand Mama winkend in der ersten Reihe der Wartenden. David hatte schon von weitem gesehen, dass sie Tränen in den Augen hatte, so sehr freute sie sich. Während sie mit dem Taxi in die Stadt fuhren, wollte Mama wissen, wie die Reise gewesen war. David sagte nichts von der Sirene. Dann mussten Christian und er berichten, was sie in den letzten Tagen gemacht hatten und wie es in der Schule ging. Sie sahen gar nicht, wo sie entlangfuhren, so viele Fragen hatte Mama, und plötzlich hielt das Taxi an und dann waren sie in der Wohnung. Es roch ganz wunderbar. David wusste sofort, dass es Mais-Fritters mit saurer Sahne gab, sein Lieblingsessen. Beim Essen erzählte Christian vom Fußballspiel, bei dem seine Mannschaft 4:3 gewonnen hatte, weil er zwei Minuten vor Schluss noch ein Tor schoss, und David holte das Programm vom Schulfest aus dem Koffer, und sie redeten über den Auftritt seiner Band. Dann gab es Erdbeeren mit Vanilleeis. Als Mama merkte, dass es beinahe Mitternacht war, mussten sie nicht einmal mehr aufräumen helfen.
Jetzt sitzt David vor dem Computer: »Bingo!«
»Spielst du immer noch diese Kinder-Games?«, will Christian wissen.
»Ich bin der Zweitbeste in meinem Team«, verteidigt sich David, »und Papa sagt …« Er hält inne, denn Christian behauptet, David erzähle ständig von seinem Vater. »Wann kommt der Fahrer?«, fragt er stattdessen. Mama hat beim Frühstück erklärt, sie würden heute zusammen Dublin anschauen, und der Fahrer der deutschen Botschaft, in der Mama arbeitet, werde sie abholen.
Christian schaut auf seine Armbanduhr. »Er hätte vor einer Viertelstunde hier sein sollen. – Ich weiß noch nicht, ob ich mitkomme«, fügt er hinzu und zieht einen Bildband über Irland aus dem Bücherregal.
»Warum denn nicht?«, wundert sich David.
»Ach, Dublin. Was wird es hier schon zu sehen geben? Museen und andere langweilige Sachen.« Christian legt sich aufs Sofa und beginnt in dem Band zu blättern.
»Wir könnten die Musikstudios anschauen.« Als Christian nicht reagiert, wendet David sich wieder dem Bildschirm zu. Soll er Alex schreiben? Sein Freund ist mit den Eltern auf einer Gletschertour und vermutlich Stunden vom nächsten Internetanschluss entfernt.
Das Telefon klingelt, und Mama läuft aus dem Bad in ihr Arbeitszimmer.
»Schau dir das an.« Christian streckt David den Bildband hin: Riesige Wellen fluten an einen weißen Sandstrand.
»Das ist im Nordwesten von Irland, in Donegal. Da werden wir surfen.«
»Surfen?« David hat noch nie auf einem Surfbrett gestanden.
»Ja, Mama hat es mir versprochen.«
Es klingelt an der Tür.
»Da ist der Fahrer!« David springt auf.
»Nicht gerade pünktlich, die Iren«, meint Christian und blättert weiter in dem Bildband.
»Kann einer von euch mal aufmachen?«, ruft Mama aus dem Arbeitszimmer.
David öffnet die Wohnungstür.
»Hallo! Ich bin Gerry.« Der Mann hat einen Bürstenschnitt und trägt ein kariertes Hemd.
»Hallo.« Mama hat gesagt, der Fahrer heiße Mr Ryan.
»Ich komme, um für Sie – euch in die Stadt zu fahren.« Er spricht ein holpriges Deutsch. »Und das ist meine Tochter.« Hinter ihm erscheint ein Mädchen mit pechschwarzem Haar. »Grainne.«
»Hi there«, sagt Grainne, ohne den Mund zu verziehen.
»Hallo.« David bemerkt die vielen kleinen Ringe in ihrem Ohr.
»Grainne ist gehen in Deutsche Schule«, erklärt Mr Ryan und nickt seiner Tochter zu. David überlegt, wie man den Namen des Mädchens wohl schreibt: Groinje?
»Guten Tag«, sagt Grainne ernst.
»Guten Tag«, antwortet Christian, der plötzlich hinter David steht.
»Gehen wir.« Mama kommt aus dem Arbeitszimmer und nimmt ihren Regenmantel von der Garderobe. David sieht ihr an, dass sie sich geärgert hat.
»Gleich.« Christian dreht sich um und rennt zurück ins Gästezimmer.
»Ich dachte, du kommst nicht mit!«, ruft ihm David nach.
»Nur ein Esel ändert seine Meinung nie«, erklärt Christian, als er mit seiner Manchester United-Basecap auf dem Kopf zurückkommt. »Auf geht’s.«
»Gießt es bei euch immer so?«, will Christian von Grainne wissen, während sie hinter Mama und Mr Ryan zum Auto gehen.
Doch Grainne antwortet nicht.
»Ein E250. Nicht schlecht«, meint Christian als die Parklichter eines schwarzen Mercedes aufblinken. »In Istanbul hatten wir ein A5 Cabrio«, erklärt Christian Grainne, »einen Audi. Das Auto gehörte natürlich der Botschaft, aber Mama durfte damit rumfahren.«
Grainne schweigt. David überlegt, ob sie jemals lächelt. Mit einer kleinen Verbeugung hält Mr Ryan Mama die Beifahrertür auf; die beiden Jungen und Grainne steigen hinten ein.
»Mit Navi«, stellt David über Mamas Schulter fest.
»Comand APS«, korrigiert ihn Christian. »DVD, Einparkassistent und Distronic Plus.«
»Was ist denn das?«
»Wenn du zu nahe auffährst, bremst das Auto von allein.«
»Ohne dass du was tust?«
Während Christan die Funktionsweise des Abstandsreglers erklärt, fahren sie durch eine schmale Straße. Plötzlich taucht ein Motorradfahrer auf und Mr Ryan weicht nach links aus. Christian zieht die Luft ein. »Schon komisch, so auf der falschen Seite zu fahren.«
»Ihr müsst vorsichtig sein, wenn ihr hier die Straße überquert«, warnt Mama. »Immer zuerst auf beide Seiten schauen, auch bei Zebrastreifen. Die irischen Autofahrer halten nicht einfach an, wenn jemand am Randstein steht.«
Sie biegen in eine breitere Straße ein.
»Das Meer!«, ruft David. Hinter einer Mauer sieht man den Strand.
»Die Irische See«, bestätigt Mr Ryan.
»Das ist die Bucht von Dublin«, erklärt Mama. »Hier kann man schöne Spaziergänge machen.«
»Kann man auch wellensurfen?«, will Christian wissen.
»Es hat zu wenig swell«, erklärt Grainne. »Die Irische See ist zu klein für einen richtigen fetch.«
»Swell? Fetch?«, fragt David.
»Swell heißt Wellengang«, erklärt Christian, »und der fetch ist die Breite eines Gewässers, über die der Wind wehen kann. Bei uns kann man nur mit Segel surfen, und oft hat es auch dafür zu wenig Wind.« Christian lebt mit seinem Vater und seiner Stiefmutter an einem See in der Nähe von Salzburg. In Mamas Handtasche klingelt das Handy, und sie beginnt leise mit jemandem zu sprechen. David sieht im Rückspiegel, wie ihre Miene sich verdüstert. Irgendetwas ist nicht in Ordnung. Nachdem sie das Gespräch beendet hat, wirft Mr Ryan ihr einen fragenden Blick zu, doch sie schüttelt den Kopf.
»Zuerst machen wir eine Tour durch die Stadt«, verkündet Mr Ryan vergnügt. David entdeckt einen riesigen Containerkran. Darunter sind Masten von Schiffen zu sehen. Das muss der Hafen sein. Grainnes Handy quakt und sie beginnt sofort zu texten. Auf ihren Daumennägeln sind schwarze Flecken; nach einer Weile merkt David, dass es kleine Fledermäuse sind.
Der Regen prasselt gegen die Windschutzscheibe. Mama erklärt, dass Dublin von den Wikingern gegründet wurde, dass die Insel aber schon viel früher – in der Steinzeit – besiedelt war. Damals war sie ganz von Wald bedeckt. Durch eine Klimaveränderung wurde der Wald zu Moor, und in dem Moor findet man heute Jahrtausende alte Dinge.
Dann klingelt Mamas Handy wieder. Diesmal dauert das Gespräch nur ein paar Sekunden.
»Ich muss auf die Botschaft«, erklärt sie.
Mr Ryan bremst ab.
»Ihr müsst die Tour ohne mich machen.« Mama wendet sich um und David sieht die Enttäuschung in ihrem Gesicht. »Ich habe mich so darauf gefreut, euch Dublin zu zeigen …«
»Soll ich zur Botschaft zurückfahren?« Mr Ryan hat angehalten.
»Nein, ich nehme ein Taxi. Ihr schaut euch die Stadt an und ich treffe euch zum Mittagessen wieder.«
Nachdem Mama ausgestiegen ist, fährt Mr Ryan weiter. Ab und zu nennt er den Namen einer Kirche oder eines Platzes. Vor einem der Gebäude stehen auf einem Rasenstück zwei Bronzestatuen. Im Eingang dahinter drängen sich junge Leute, und David versteht »University«. Könnte sein Vater nicht auch hier anstatt an der Universität in Zürich unterrichten? Aus Grainnes Jackentasche quakt es wieder. Christian hat die Kopfhörer in sein Handy gesteckt und hört mit geschlossenen Augen Musik.
David beobachtet, wie die vorbeifahrenden Autos Radfahrer und Passanten vollspritzen. Warum musste Mama so plötzlich auf die Botschaft zurück? Es muss ein Notfall sein. David fällt ein, dass gestern während des Abendessens das Telefon klingelte. Er dachte, es wäre vielleicht Papa, doch dann hörte er Mama in ihrer Bürostimme mit jemandem reden.
»Hunger?«, fragt Mr Ryan in den Rückspiegel.
David stößt seinen Bruder an: »Hast du Hunger?«
Christian schüttelt mit geschlossenen Augen den Kopf. Mama hat ihnen Pfannkuchen zum Frühstück gemacht, und sie haben gegessen, bis sie nicht mehr konnten. Eine Weile unterhalten sich Mr Ryan und Grainne leise, dann scheinen sie sich einig.
»Wir haben ein sehr nettes Museum hier in der Nähe, mit schönen Goldsachen«, beginnt Mr Ryan.
Christian schneidet mit geschlossenen Augen eine Grimasse, und David muss das Lachen verklemmen. Grainne schreibt wieder eine SMS. Kurz darauf hält ihr Vater vor einem hohen Eisengitter, hinter dem ein palastartiges Gebäude zu sehen ist. Zwei Polizisten stehen vor dem Tor.
»Ich sehe euch später«, meint Mr Ryan über die Schulter. Hinter ihnen hupt ein Auto, die Polizisten wenden die Köpfe. Grainne ist bereits ausgestiegen und springt über die Pfützen.
Das Museum befindet sich im rechten Flügel des Palastes. In der Eingangshalle hallt es wie in einer Tonne. Christian schüttelt die Tropfen von seiner Baseballmütze. Schulklassen in Pelerinen und Gummistiefeln toben herum. Grainne schlängelt sich durch die Kinder. Zwischen ihrer Jacke und ihren Jeans ist ein Stück ihres Rückens frei, und David sieht den Teil einer Tätowierung. Ist es die Spitze eines Segels oder eines Speers? Wortlos geht das Mädchen an den Schaltern vorbei.
»Müssen wir nicht zahlen?«, fragt David. Grainne wendet sich nicht um. An der offenen Glastür, die in die Ausstellung führt, lehnt ein junger Mann mit rotem Haar. Er liest in einem zerfledderten Taschenbuch.
»He!«, ruft Christian, »die Eintrittskarten?«
Grainne bleibt stehen.
»Müssen wir nicht bezahlen?«, fragt David auf Englisch.
Grainne schüttelt den Kopf. Nicht nur die Haare, auch ihre Augenbrauen sind pechschwarz. »Free«, sagt sie und geht weiter.
An der Tür redet sie mit dem jungen Mann. David und Christian stehen eine Weile wartend hinter ihr. Die Tätowierung könnte auch eine Klaue sein, denkt David. Dann deutet Grainne auf die Schaukästen im Ausstellungssaal: »Dort ist das Gold. See you.«
»Schmuck«, meint Christian abfällig, als er die Ringe und Spangen in den Schaukästen sieht. »Trixi und Fifi können stundenlang solchen Glitzerkram anschauen.« Trixi und Fifi sind Christians kleine Stiefschwestern. Auf einer Tafel neben der Schmuckvitrine ist die Zeichnung eines Mannes mit einer goldenen Halsspange und runden Ohrringen zu sehen. Sie sind so groß, dass sie ihm bis auf die Schultern reichen.
»Sieht nicht sehr bequem aus«, meint Christian.
»Vielleicht war er ein Priester oder ein Gelehrter«, überlegt David.
»Schau, die haben sie gedörrt.« Christian steht vor einem Glaskasten, der wie ein Sarg aussieht. Darin liegen zwei braune, ledrige Bündel. Erst auf den zweiten Blick erkennt David Arme und Beine. Zweitausend Jahre, steht auf dem Schild in der Vitrine, waren diese Körper im Moor begraben, zwei junge Männer. Dem einen fehlt der Kopf, der des anderen ist langgezogen und flach, als habe man ihn ausgesaugt. Die Augenhöhlen sind leer und die Haare stehen ihm in einem Kamm zu Berg.
»Eine Punkfrisur«, grinst Christian.
David schaudert. Die Art, wie das Moor die Leichen konserviert, liest er weiter, gleicht einem langsamen Kochen. Die Fingernägel der Moorleichen sehen genauso aus wie seine; die Hand des einen scheint nach etwas zu greifen.
Als David wieder aufschaut, ist Christian verschwunden. An den Wänden des Saals stehen Schaukästen mit Töpfen und Scherben. Vor einer Sammlung von Messern bleibt David stehen; sie sind alle ziemlich kaputt. Im nächsten Raum sind Kreuze und Kelche ausgestellt. In einer Vitrine liegt ein kleines goldenes Boot. Es hat einen Mast, eine Reihe von Rudern auf beiden Seiten und ein Hecksteuer. Im Innern des Bootes sind schmale Sitzbänke. David bückt sich, um sie besser zu sehen.
Er könnte das Boot fotografieren und Alex schicken. Das Handy wird er auf der Gletschertour ja wohl dabei haben.
»Das ist kein Spielzeug.« Schuldbewusst tritt David einen Schritt von der Glasscheibe zurück. Der Aufseher, der neben ihm steht, hat einen buschigen, grauen Schnurrbart und erinnert David an einen Seehund. »Es ist ein Totenschiff. Es bringt die Seelen der Toten in eine andere Welt, ins Land des Vergessens. Die Seelen müssen allerdings ziemlich klein gewesen sein.« Erst jetzt merkt David, dass der Aufseher unter dem Schnurrbart schmunzelt.
»Und kommen alle Toten …«
»Da bist du ja!« Atemlos steht Grainne neben ihnen. »Ich hab euch überall gesucht«, erklärt sie vorwurfsvoll. »Wo ist dein Bruder?«
»Ich glaube, der ist bei den Wikingern«, antwortet der Aufseher.
»Bei den Wikingern?«, wundert sich Grainne.
»Im ersten Stock …« Der Aufseher deutet mit dem Finger an die Decke. »… links die Wendeltreppe hoch, dann oben rechts.«
»Komm!«, befiehlt Grainne und stürmt davon.
»Danke«, sagt David und der Aufseher zwinkert ihm zu.
»Könnt ihr nicht wenigstens zusammenbleiben?«, schimpft Grainne, während sie die Treppe hinaufrennen. Sie laufen durch einen Saal mit Ritterrüstungen, im nächsten sind die Vitrinen leer.