Die entwendete Handschrift - Gabrielle Alioth - E-Book

Die entwendete Handschrift E-Book

Gabrielle Alioth

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Beschreibung

Im Konstanzer Inselhotel wird der angesehene Mittelalterhistoriker Richard Merak tot aufgefunden. Er hätte den Hauptvortrag am Kongress zum 600-jährigen Jubiläum des Konzils von Konstanz halten sollen. Seine Beerdigung bringt Laura nach fünf Jahren in ihre Heimatstadt Basel zurück und zwingt sie, sich noch einmal mit ihrem früheren Leben als Meraks Ehefrau und dem selbstbezogenen Basler Patriziat auseinanderzusetzen. Dabei stößt sie auf Widersprüche zwischen der wissenschaftlichen Arbeit ihres Mannes und den Erkenntnissen seines erfolglosen Rivalen Hans Peterson, der einige Monate zuvor im Rhein ertrunken ist. Laura beginnt den Gründen für die unterschiedlichen Einschätzungen nachzuspüren und kommt bald zum Schluss, dass zwischen dem Dissens und dem Tod der beiden Historiker eine Verbindung bestehen muss. Sie verfängt sich in einem Netz von Heimlichkeiten und wird selbst zur Verdächtigen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Die Autorin

Gabrielle Alioth, geboren 1955 in Basel, war als Konjunkturforscherin und Übersetzerin tätig, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. 1990 publizierte sie ihren ersten, preisgekrönten Roman Der Narr. Es folgten zahlreiche weitere Romane, Kurzgeschichten, Essays sowie mehrere Reisebücher und Theaterstücke. Daneben ist sie journalistisch tätig und unterrichtet an der Hochschule Luzern. Seit 1984 lebt Gabrielle Alioth in Irland.

E-Book-Ausgabe 2016

Copyright © 2016 by Lenos Verlag, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Hauptmann & Kompanie, Zürich

Coverfoto: Keystone/Georgios Kefalas

ISBN 978 3 85787 948 7

www.lenos.ch

Die Schriften sind so notwendig für das Leben wie das Licht.

Manuel Chrysoloras

Konstanz, 16.April 2015

Laura steht am Fenster des leeren Speisesaals und schaut auf den See hinaus. Winzige Wellen kräuseln die Wasseroberfläche. Waren sie das Letzte, was Richard sah?

Hinter ihr räuspert sich jemand. »Frau Merak?«

Es ist der nicht sehr grosse, grauhaarige Herr, der mit dem Handy am Ohr in der Eingangshalle des Hotels stand. Ein Journalist? Der dunkle Anzug spricht dagegen. Während der Unbekannte sich vorstellt, erinnert sich Laura an Richards blaue Augen. Sie waren blasser geworden mit den Jahren.

»… oder wenn ich Ihnen in irgendeiner anderen Weise behilflich sein kann?«

Laura verzieht den Mund, um ihr mechanisches Lächeln zu verbergen. »Danke.«

Der Mann ist Beamter, Schweizerischer Generalkonsul in Stuttgart: Franz Lindner.

»Im Moment.« Laura hat keine Ahnung, was nun geschieht. Muss sie Richards Leiche identifizieren? »Wir waren getrennt«, erklärt sie.

Franz Lindner nickt. »Ich weiss.«

»Dreissig Jahre waren wir verheiratet«, sagt Laura mehr zu sich selbst.

»Der Nachtportier hat den Verstorbenen im Fumoir im Bischofszimmer gefunden.«

»Richard rauchte schon, als wir uns kennenlernten.«

»Wenn Sie mit dem Portier reden möchten?«

Laura schüttelt den Kopf.

»Oder wenn Sie irgendetwas brauchen?« Franz Lindner hat braune Augen.

Laura setzt sich auf den Rand des Hotelbetts; auch von hier ist der See zu sehen.

»Wenn Sie irgendetwas brauchen …«

Der Hotelmanager hat sie persönlich in das Zimmer geführt, das man eilig für sie bereitgemacht hat. Die Sonne glitzert auf den Wellenkämmen.

»… dann melden Sie sich bitte.« In seiner Stimme liegt eine fast drohende Dringlichkeit. Fürchtet er, auch sie morgen tot aufzufinden?

»Ich würde gern etwas schlafen.«

»Selbstverständlich, Frau Merak. Ich werde den Zimmermädchen sagen, sie sollen leise sein. Leider müssen sie ihre Arbeit dennoch tun. Wir sind vollkommen ausgebucht wegen dieses Kongresses, Sie verstehen.«

Laura nickt. Das sechshundertjährige Jubiläum des Konzils von Konstanz. Sie hatte verstanden, dass das nicht irgendein Kongress war. Richard mied solche Veranstaltungen gewöhnlich. Er schickte seine Doktoranden hin, die begierig waren, ihr Curriculum Vitae um einen Eintrag zu verlängern. Hierher nach Konstanz war er selbst gereist. Sein Name steht fettgedruckt im Programm, das in ihrer Handtasche steckt. Als sie es herauszieht, rutscht die goldene Pillendose mit dem Saphirverschluss heraus. Laura öffnet sie und betrachtet die Tabletten darin.

Wer wählt die Augenblicke aus, die uns im Gedächtnis bleiben? Der Zufall, das Schicksal? So vieles, was uns erinnerungswürdig scheint, vergessen wir, und manches, das wir zu vergessen wünschen, folgt uns ein Leben lang. Die Sonne glitzerte auf dem Marmarameer an dem Morgen, an dem der Gelehrte seine Heimat verliess, den Brief in der Tasche, auf den er so lange gewartet hatte.

»Sie stammen auch aus Basel«, stellt Franz Lindner fest.

Laura hatte nicht erwartet, den Konsul an diesem Abend in der Hotelbar anzutreffen. Aber er sass im gedämpften Licht an einem der kleinen Tischchen, und als er sie bemerkte, erhob er sich und bot ihr einen Sessel an.

»Ja, aber nach der Trennung von meinem Mann bin ich nach Irland gezogen.«

»Nach Irland?«

»Ich dachte, das sei weit genug weg.« Laura lacht auf. »Ich war früher schon einmal dort, und ich mag Inseln.«

»Sie sind Wirtschaftswissenschaftlerin von Beruf?«

Laura überlegt, was der Konsul sonst noch über sie wissen könnte. »Ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert. Mein Mann und ich haben uns an der Uni kennengelernt.« Ihre Stimme schwankt.

»Dann wissen Sie sicher, was Operationsresearch ist«, sagt der Konsul, ohne das Schwanken zu beachten.

Laura nickt. »Warteschlangentheorien, Simplex-Verfahren, ganzzahlige lineare Optimierung.«

»Ich muss morgen ein Seminar über Operationsresearch eröffnen, an dem zwei Experten von der Universität St. Gallen teilnehmen.«

»Hier in Konstanz?«

»In Stuttgart. Was darf ich Ihnen bestellen?«

Laura überlegt, ob der Konsul in Stuttgart eine Frau hat, Kinder. »Ein Glas Rotwein bitte.«

»Ich selbst bin nie über Dreisätze hinausgekommen«, gesteht Franz Lindner und schaut sich nach einer Bedienung um.

»Ich mochte die Entscheidungsbäume, die Möglichkeit, an jeder Verzweigung wählen zu können.«

»Denken in Alternativen?« Er winkt dem Kellner hinter der Theke, die wie die Steuerung in einem Raumschiff aus den achtziger Jahren in der Mitte des Raums in den Boden eingelassen ist.

»Und wie wird man Konsul?«, erkundigt sich Laura, nachdem der Kellner ihre Bestellung aufgenommen hat.

»Ich habe nach der Schule bei einer Bank gearbeitet; Zinsrechnen konnte ich. Aber auf die Dauer war es langweilig, und ich wollte ins Ausland.«

»Ich auch, aber mein Mann –« Laura verstummt.

»Ich sah eine Ausschreibung des EDA und bewarb mich. Irgendwie habe ich die Aufnahmeprüfung geschafft, der Rest war einfach.«

»Und dann sind Sie ins Ausland gegangen?«

»Bulgarien zuerst, furchtbar, werde ich nie vergessen. Anschliessend Kuba, das war spannend. Mailand, Nairobi, Istanbul, nein, umgekehrt: Istanbul, Nairobi, dann Bern für sechs Jahre, damit unsere beiden Töchter den Schulabschluss in der Schweiz machen konnten, Marseille und jetzt Stuttgart.«

»Und was kommt nach Stuttgart?«

»Die Rente.«

Laura mustert ihn. »Vorzeitig?«

Der Konsul lacht, und die Falten in seinem Gesicht werden tiefer. »Ich bin älter, als Sie denken. Zudem wechseln wir die Posten nicht mehr alle drei Jahre, dafür hat Bern kein Geld mehr.«

»Und wie ist Stuttgart?«

»Interessant. Es leben immerhin 25000 Schweizerinnen und Schweizer in Baden-Württemberg, die Handelsbeziehungen sind wichtig, der kulturelle Austausch –«

Der Kellner bringt Lauras Wein und ein Bier. Vorsichtig trinkt der Konsul den überlaufenden Schaum ab. »Entschuldigung.« Er zieht ein Papiertaschentuch aus seiner Hosentasche, um den Schaumring auf dem Tisch abzuwischen. »Seit die Leute nicht mehr rauchen, gibt es keine Aschenbecher mehr«, sagt er, als er nach einem Ort sucht, wo er das feuchte Tuch entsorgen kann.

»Manche Leute rauchen immer noch«, rutscht es Laura heraus. Einen Augenblick herrscht Schweigen, und sie bemerkt den orchestrierten Sinatra-Song, der leise aus dem Lautsprecher tönt.

»Ihr Mann war Mittelalterhistoriker?«, erkundigt Franz Lindner sich.

»Er hat – er hatte einen Lehrstuhl an der Universität Basel.«

»Sind Sie auch in der Lehre tätig?«

»Ich habe einige Jahre für ein Wirtschaftsforschungsinstitut gearbeitet und dann zu schreiben begonnen.«

»Wirtschaftsjournalismus ist gewiss eine spannende Sache.«

Laura fischt Erdnüsschen aus der Schale, die der Keller ihnen hingestellt hat. »Ich erfinde Dinge.«

»Dinge?«

»Geschichten.«

»Für Kinder?«

»Für Erwachsene.«

»Sie sind Schriftstellerin.« Er streicht sich die Haare aus der Stirn, und die Geste erinnert Laura an etwas.

»Keine bekannte.«

»Und gewöhnlich leben Sie in Irland?«

»Ja.«

»Dann sind Sie zufällig in Konstanz?«

»Ich hatte gestern Abend eine Lesung hier.« Sie leckt das Salz der Erdnüsse von ihren Fingerspitzen. »Die Stadt veranstaltet nicht nur wissenschaftliche Kongresse zum sechshundertjährigen Jubiläum ihres Konzils.«

Der Konsul nickt. »Ich war letztes Jahr an der Eröffnung der grossen Landesausstellung.«

»In diesem Jubiläumsjahr steht Jan Hus im Vordergrund, und ich habe vor einigen Jahren einen Roman geschrieben, in dem er eine Rolle spielt. Heute Morgen wollte ich nach Meersburg fahren. Ich war schon am Hafen, als …«

In der Brusttasche des Konsuls summt es. »Verzeihen Sie.« Er zieht ein altmodisches Handy heraus und betrachtet missmutig das Display. »Ich muss mich leider verabschieden. Es war sehr nett, mit Ihnen zu reden.« Er steht auf und verbeugt sich etwas linkisch. »Und wenn Sie etwas –«

»Ich weiss.« Laura lächelt. »Wenn ich etwas brauche, melde ich mich.«

Laura geht durch den Kreuzgang des Hotels, das zur Zeit des Konzils ein Dominikanerkloster war. Auf ein paar Bartischen steht das Kaffeegeschirr für die morgigen Kongresspausen bereit. Trotz der Veranstaltung macht das Hotel einen verlassenen Eindruck. Lauras Blick bleibt an einer der Wandmalereien hängen: Das gelbe Gesicht eines Toten ragt aus einem Sarg, ringsum knien Mönche, Kerzen brennen. Rechts vom Sarg segnet ein Bischof den Verstorbenen, links steht eine Gruppe von Männern mit Turbanen und Fesen.

Einen Lehrer brauchten sie, stand in dem Brief, damit sie die Schriften der grossen Denker in deren eigener Sprache lesen konnten. Er spürte die Hand der Vorsehung auf seiner Schulter. Er, Manuel Chrysoloras, sollte die Florentiner Griechisch lehren. Nach seiner Ankunft in Italien spazierte er in der Abenddämmerung durch die Gassen von Venedig. Wie ein kunstvoll polierter Opal spiegelte sich die Stadt im Wasser der Kanäle, und sein Herz war voller Dankbarkeit.

Konstanz, 17.April 2015

»Guten Morgen.«

Franz Lindner schaut von seiner Zeitung auf.

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragt Laura. Der Speisesaal ist leer bis auf eine Gruppe Herren zwei Tische weiter.

»Sehr gern.« Der Konsul springt auf, um den Stuhl für sie zurechtzurücken, und dabei segelt ein Teil seiner Zeitung zu Boden. »Entschuldigung«, sagt er und bückt sich danach. Die Herren zwei Tische weiter verstummen. Franz Lindner blickt sich nach der Kellnerin um. »Möchten Sie Kaffee oder Tee?«

Laura greift nach der Kanne, die auf dem Tisch steht, und wirft einen Blick hinein. »Kaffee.« Sie giesst ihre Tasse voll.

Die Herren beobachten sie. »Heisse Milch?« Der Konsul reicht ihr die kleinere Kanne. Er trägt denselben Anzug wie gestern, aber ein hellblaues Hemd, und im offenen Kragen ist der Rand eines weissen T-Shirts zu sehen. Richard trug stets Krawatten, auch zu Hause, oder seidene Halsbinden.

»Danke.«

»Das sind wohl die anderen Referenten?«, erkundigt sich Franz Lindner, als Laura mit einem Teller voll Leberwurst und Käse vom Frühstücksbuffet zurückkommt. Sie schaut zu dem Tisch hinüber und überlegt, welcher von ihnen gestern anstelle von Richard den Hauptvortrag des Kongresses halten durfte. Die Herren grüssen sie mit ehrerbietigen Mienen.

»Wenn Sie sich zu ihnen setzen möchten?«

»Die reden lieber über mich als mit mir.« Laura schneidet ihr Brötchen auf. »Fahren Sie heute Morgen nach Stuttgart zurück?«

»Ja, meine Anwesenheit hier ist nicht länger erforderlich.« Franz Lindner beobachtet, wie Laura die beiden Brötchenhälften mit Leberwurst bestreicht.

»Denken Sie, dass ich …« Sie bemerkt seinen Blick. »Ich habe einen gewöhnlichen Geschmack. Das hat mein Mann immer gesagt.« Sie legt die Käsescheiben auf die Leberwurst und klappt das Brötchen zu. »Denken Sie, dass ich noch hierbleiben sollte?«

Franz Lindners Miene wird förmlich. »Soweit ich informiert bin, geht die Polizei davon aus, dass Professor Merak an einem Herzstillstand gestorben ist. Offenbar war er wegen zu hohen Blutdrucks in Behandlung, und wie Sie ja sagten, war er ein starker Raucher.«

Laura beisst in ihr Leberwurstbrötchen.

»Ich nehme an, man wird auf eine Obduktion verzichten und die Leiche heute für die Bestattung freigeben. Frau Bucher-Merak hat veranlasst, dass sie nach Basel überführt wird.«

Laura lässt ihr Brötchen sinken. Natürlich hat man auch Thérèse, Richards Schwester, von seinem Tod verständigt.

»Ich denke, Sie können jederzeit nach Irland zurückreisen, wenn Sie das möchten.«

»Ich gebe übers Wochenende ein Schreibseminar in Meersburg, und am Dienstag habe ich eine Lesung in Bregenz.« Die Kongressreferenten marschieren mit ernstem Nicken an ihrem Tisch vorbei.

»Sie schreiben historische Romane?«, erkundigt sich Franz Lindner, nachdem die Herren verschwunden sind. »Es ist sicher interessant, sich in eine andere Zeit zu versetzen.«

»Ich glaube nicht, dass man das kann.«

Der Konsul betrachtet sie überrascht.

»Ich meine, wir können nicht ent-wissen, was wir heute wissen.« Laura wischt sich mit der Serviette die Leberwurst von den Fingern, die aus dem Brötchen gequollen ist. »Die Vergangenheit ist stets eine Funktion der Gegenwart.«

Der Applaus wollte nicht enden. Er hatte nicht gedacht, dass seine kleine Antrittsrede auf solche Zustimmung stossen würde. Alles liegt an der Einsicht derer, die etwas verwenden, und auf welche Weise sie es tun, hatte er erklärt, und die Mienen der florentinischen Stadtherren hatten sich in Wohlgefallen verzogen. Jetzt umringten sie ihn in ihren kurzen Mänteln, den bestickten Wämsern, aus denen sich weisse Hemdsärmel bauschten. Er trug noch immer seinen Kaftan, seinen Bart, und die Leute auf den Strassen starrten ihn an. Man fragte ihn nach seiner Herkunft und glaubte ihm nicht, wenn er sagte, er komme aus Konstantinopel.

Laura steht vor der Beerdigungsszene im Kreuzgang. Die meisten der Gemalten betrachten den Toten teilnahmslos. In den Zügen mancher liegt ein Anflug von Neugier, der Junge mit dem blonden Haar lächelt. Nur einer, in einer Kutte ganz hinten, hält die Hand vor die Augen, als weine er.

»Ich möchte mich verabschieden.« Franz Lindner tritt neben Laura.

Mit einer abrupten Bewegung wendet sie sich von dem Wandgemälde ab. »Es ist alles falsch.«

Der Konsul blickt betreten auf seine ausgestreckte Hand.

»Ich meine, auf dem Gemälde«, erklärt Laura entschuldigend. »Er war kein Dominikaner, er gehörte nicht mal dem römischen Glauben an, er hat die orthodoxe Kirche nie verlassen. Kein Bischof hätte die Totenmesse für ihn gelesen.« Sie deutet auf das Schriftband unter dem Gemälde. »Sogar das Datum ist falsch«, fährt sie fort.

»Beisetzung des griechischen Gesandten und Gelehrten Manuel Chrysoloras am 25.April 1415«, liest der Konsul.

Laura senkt den Blick. »Mein Mann hat seine Doktorarbeit über diesen Gelehrten geschrieben, und ich habe sie abgetippt.«

»Ich muss gehen«, stellt Franz Lindner fest, ohne sich von der Stelle zu rühren. »Ich habe mich sehr gefreut, Sie –«

»Ich mich auch«, fällt Laura ihm ins Wort. »Vielleicht sieht man sich bei einer anderen Gelegenheit wieder.« Sie kommt sich plötzlich albern vor.

»Werden Sie bis zur Beerdigung bleiben?«

Laura zögert. »Ich weiss es noch nicht.«

Der Blick des Konsuls wandert zu dem Wandgemälde zurück. »Ich habe noch nie etwas von diesem Manuel Chrysoloras gehört.«

»Mein Mann hielt ihn für einen Wegbereiter der Renaissance.«

»Der Renaissance?«

»Ja, weil er die Florentiner Griechisch lehrte und diese deshalb – aber Sie müssen ja gehen«, unterbricht sich Laura.

»Und wann wurde er tatsächlich bestattet?«

»Am 15.April.«

»Hier in Konstanz?«

»Ja, während des Konzils.«

Der Konsul stutzt. »Der 15.April war vorgestern.«

»Vorgestern vor sechshundert Jahren«, bestätigt Laura.

Basel, 22.April 2015

Als sie den Rhein überqueren, blickt Laura unwillkürlich nach rechts. Die Türme des Basler Münsters sind kleiner als in ihrer Erinnerung. Sie musste dem Taxifahrer am Badischen Bahnhof den Weg erklären; er hat noch nie jemanden zum Wolfgottesacker gebracht. Nun fährt er Richtung Zürich.

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