Das Geheimnis des goldenen Salamanders - Renée Holler - E-Book

Das Geheimnis des goldenen Salamanders E-Book

Renée Holler

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Beschreibung

England im Jahre 1619: Als Junge verkleidet macht sich die zwölfjährige Alyss auf den Weg nach London, um das große Herrenhaus ihres verschollenen Vaters vor ihrem gierigen Onkel zu retten. Nie hätte sie sich träumen lassen, welch Abenteuer sie dort erwarten würden – und welch besondere Freundschaften...

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Vollständige eBook-Ausgabe der Buchausgabe bloomoon, München 2013

© 2013 bloomoon, ein Imprint der arsEdition GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Renée Holler, vertreten durch Agentur Hanauer, München

Covergestaltung und Innenillustrationen: Bernd Lehmann

Lektorat: Kristin Neugebauer

ISBN eBook 978-3-7607-9836-3

ISBN Printausgabe 978-3-7607-9155-5

www.bloomoon-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Inhalt

Alyss

Jack

Der Salamander

Rotschopf

Ankunft in London

Nachforschungen

Feen, Riesen, Menschenfresser

Verzaubert?

Der Dieb

In der Patsche

Aussichtslos

Zufall?

Ratten

Im Zauberhaus

Entkommen

Der Goldschatz der Girona

Zur silbernen Nixe

Verpasst

Gefangen

Eine nächtliche Aktion

Ein neues Versteck

Ein belauschtes Gespräch

Der Häscher

Der Plan

Das Geheimnis des goldenen Salamanders

Allein und verlassen

Schiff ahoi

Alyss

Hatton Hall, Freitag, 6. September 1619

Alyss blieb atemlos stehen. Die Schritte näherten sich, ihre Verfolger würden jeden Augenblick um die Ecke stürzen. Sie musste sich beeilen, denn die Jungen durften sie auf keinen Fall einholen. Sie hatte das Ende des langen Flurs erreicht. Es ging nicht mehr weiter. Rechts führte eine Tür in Vaters Arbeitszimmer, in dem sich Onkel Humphrey eingenistet hatte, links lag die Tür zur Bibliothek. Da die Ratcliffs Bücher verabscheuten, war dies der beste Platz, um sich zu verstecken. Hastig drückte sie die Klinke und schlüpfte in den Raum.

Obwohl es noch Tag war, herrschte hier Dämmerlicht. Die schweren Damastvorhänge waren zugezogen, um die Bücher vor dem Sonnenlicht zu schützen. Nur ein schmaler Lichtstrahl schien durch einen Spalt. Aber Alyss fand sich in der Bibliothek blind zurecht. Vor allem seit ihr Vater in der Neuen Welt verschollen war, hatte sie viele Stunden zwischen den geliebten Büchern verbracht. Sie atmete tief ein. Nichts spendete mehr Trost als der vertraute Geruch nach Leder, Papier und Druckfarbe. Alyss horchte auf. Die Stimmen aus dem Gang klangen bedrohlich nah. Die Zeit war knapp. Sie hastete um den schweren Tisch herum auf das Bücherregal rechts vom offenen Kamin zu. Es reichte vom Boden bis zur Decke. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, schob vorsichtig ihre Hand zwischen zwei Lederbände auf dem fünften Regalbrett und tastete die Wand hinter den Büchern ab. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Vor lauter Aufregung konnte sie den Hebel, der dort verborgen war, nicht gleich finden. Im Flur war es plötzlich still geworden. Doch schon einen Augenblick später konnte man die Jungen flüstern hören. Sie waren vor der Tür zur Bibliothek stehen geblieben. Alyss musste sich beeilen.

Endlich! Der Hebel. Es gelang ihr, ihn zu fassen. Sie drückte ihn nach unten und presste ihr Gewicht gegen das Holzregal. Mit einem dumpfen Klicken gab es nach, und die ganze Wand, mitsamt den Büchern, bewegte sich leise quietschend nach hinten. Wie von Zauberhand klaffte zwischen dem Mauerwerk des Kamins und dem Regal ein dunkler Spalt. Alyss raffte ihre Röcke und zwängte sich durch die Öffnung. Dahinter war gerade genug Platz für eine Person. Sie drückte sich dicht an die Mauer und schob mit einem Ruck das Regal zurück. Danach hielt sie einige Herzschläge lang den Atem an und lauschte. In der Bibliothek regte sich nichts. Vermutlich hatten sich die Jungen entschlossen, zunächst im Arbeitszimmer nach ihr zu suchen.

Seit die drei Brüder vor ein paar Monaten hier eingezogen waren, hatten sie nicht aufgehört, sie zu schikanieren. Wenigstens hatte Alyss ihnen gegenüber einen großen Vorteil: Sie war auf Hatton Hall aufgewachsen und kannte jeden Winkel. Schaudernd dachte Alyss an das letzte Mal, als die Ratcliff-Jungen sie erwischt hatten. Sie hatten sie in den hinteren Teil des Gartens gezerrt, um sie an den Stamm einer Eiche zu fesseln. Danach hatten sie neben ihren Füßen ein Feuer angezündet, sie als Hexe beschimpft und ihr ins Gesicht gespuckt. Wenn der Gärtner nicht im letzten Augenblick aufgetaucht wäre, wer weiß, wie das grausame Spiel geendet hätte. Vor einer Woche hatten sie ihr eine tote Ratte ins Bett gelegt und gestern war sie von ihnen den ganzen Tag lang in den Keller gesperrt worden. Es war nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn die Jungen sie dieses Mal erwischten. Trotz des warmen Tages begann Alyss plötzlich zu frösteln. Sie konnte die klamme Mauer hinter ihrem Rücken durch ihr Mieder spüren. Zumindest war sie hier zunächst sicher.

Alyss hatte den Tag, an dem sie den geheimen Raum zum ersten Mal gesehen hatte, nie vergessen. Der Vater hatte ihr in der Bibliothek von seiner Kindheit erzählt, von jener Zeit, als Königin Elisabeth das Land regierte und es unter Todesstrafe verboten war, die katholische Messe zu lesen. Alyss konnte sich noch gut daran erinnern, wie entsetzt sie darüber gewesen war. In Hatton Hall, hatte ihr Vater sie beruhigt, sei kein Priester zu Schaden gekommen. Dann war Ralph Sinclair zum Bücherregal gegangen, sodass Alyss gemeint hatte, er wollte ihr ein Buch zeigen. Stattdessen hatte er das Regal zur Seite geschoben und den Eingang zum Hohlraum enthüllt. Er hatte ihr erklärt, dass dies ein Priesterloch sei, in dem sich die Geistlichen bei Gefahr hatten verstecken können. Damals ging es um Leben und Tod. Heute ... Alyss lauschte. Die Stimmen der Jungen im Gang waren hinter der Bücherwand nur noch gedämpft zu hören.

Auf Augenhöhe befand sich in dem Versteck ein Guckloch, durch das man bequem in die Bibliothek blicken konnte. Nur kleine Staubpartikel tanzten im schmalen Sonnenstrahl, der durch den Spalt in den Vorhängen fiel. Doch dann wurde die Tür aufgerissen und George, Henry und Toby stürmten in den Raum.

George, der älteste der drei Brüder, stapfte siegessicher Richtung Fenster und riss die Vorhänge auf. Doch außer Spinnweben und Staub konnte er hinter den Stoffbahnen nichts entdecken.

»Vielleicht ist sie in die Truhe rein.« Henry, sein jüngerer Bruder, begann in der Holztruhe, in der Alyss’ Vater Landkarten aufbewahrte, zu wühlen. Es war unerträglich, durchs Guckloch zu beobachten, wie der Junge die kostbaren Karten achtlos auf den Boden warf. Schließlich ließ er enttäuscht den Deckel der Truhe zufallen. »Hier sind überall nur olle Bücher. Vielleicht ist die dumme Gans doch in die andere Richtung gelaufen.«

Doch George, sein Gesicht vor Anstrengung rot angelaufen, schüttelte den Kopf. »Überlegt doch mal. Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Im Zimmer auf der anderen Seite des Flurs war sie nicht, also muss sie hier sein.«

Alyss’ Herz klopfte inzwischen so laut, dass sie überzeugt war, man würde es auf der anderen Seite hören.

»Vielleicht ist sie aus dem Fenster raus.« Toby, der jüngste der drei, kroch unter dem Schreibtisch hervor. Im Gegensatz zu seinen beiden Brüdern war er mager und blass.

»Quatsch. Das ist doch viel zu hoch.« George sah sich im Zimmer um, dann begann er zu grinsen »Henry. Guck doch mal in den Kamin hoch. Wetten, sie hat sich dort versteckt.«

Pflichtgetreu befolgte der Bruder die Anordnung und griff nach dem Schürhaken. Obwohl Alyss ihn vom Guckloch aus nicht sehen konnte, hörte sie, wie er damit im Rauchabzug herumstocherte.

»Nichts«, meinte er schließlich. »Entweder, sie hat sich in Luft aufgelöst, oder ...«

»Ich weiß, was passiert ist«, unterbrach Toby eifrig. »Sie hat sich unsichtbar gemacht.«

»Wie kommst du denn da drauf?«

»Na, Mama sagt doch immer, dass Tante Dolores eine spanische Hexe war. Ist doch logisch, dass Alyss auch eine Hexe ist. Genau wie ihre Mutter. Und Hexen können sich unsichtbar machen.«

Alyss verspürte einen Stich, als der Junge den Namen ihrer Mutter erwähnte. Sie war bei ihrer Geburt gestorben, trotzdem war sie ihr immer sehr nah gewesen, denn ihr Vater hatte viel von ihr erzählt. Ralph Sinclair hatte sich auf einer seiner Reisen in die junge Frau verliebt und sie mit sich zurück nach England gebracht. Tatsächlich war sie Spanierin gewesen, doch eine Hexe gewiss nicht.

»Unsinn!«, meinte auch George. Verärgert, dass Alyss ihnen entwischt war, schlug er mit der Faust krachend auf den Tisch. Dann schritt er zwischen Regal und Tisch hin und her, so nah am Guckloch vorbei, dass Alyss meinte, seinen sauren Schweiß riechen zu können. Plötzlich hielt er an und ließ sich auf den gepolsterten Armstuhl neben dem Tisch fallen. Er faltete seine Hände über seinem beträchtlichen Bauch und streckte die kurzen Beine von sich.

»Schade, die blöde Ziege ist vermutlich in die andere Richtung gerannt.« Er seufzte, doch dann zog sich ein breites Grinsen über sein Gesicht. »Das nächste Mal wird sie nicht so leicht davonkommen.« Er leckte sich genussvoll die Lippen. »Ich kann’s kaum erwarten, bis Papas Häscher sie in die Finger kriegt. Gegen den hat sie nicht die geringste Chance.«

»Welcher Häscher?«, fragte Henry. Auch der kleine Toby, der gerade Ralph Sinclairs Globus entdeckt hatte und mit dem Finger um die Achse drehte, hielt interessiert inne.

Eine Weile konnte man nur hören, wie George mit seinem Stiefelabsatz gleichmäßig auf die Dielen klopfte. Das Pochen wurde immer schneller, bis es jäh aufhörte.

Alyss in ihrem Versteck hielt erregt die Luft an.

»Papa hat sich einen genialen Plan ausgedacht, wie er sich Alyss vom Hals schaffen kann«, verkündete George schließlich, während er selbstgefällig grinste. »Sie wird bald für immer von hier verschwinden.«

Was sollte das bedeuten? Alyss lief ein kalter Schauer über den Rücken. Hatton Hall war ihr Zuhause. Auch wenn sich in den vergangenen Monaten viel geändert hatte, war sie stets davon überzeugt gewesen, dass die Ratcliffs sich nur vorübergehend einquartiert hatten. Nachdem ihr Vater von seiner letzten Seereise nicht zurückgekehrt war, hatte der Staat Onkel Humphrey, einen entfernten Vetter ihres Vaters, als ihren Vormund ernannt. Sie war erst zwölf und konnte sich nicht allein um das Landgut kümmern. Kurz darauf war Onkel Humphrey mit seiner ganzen Familie – Cybill, seiner Frau, und George, Henry und Toby, seinen drei Söhnen – angerückt.

Alyss hatte schon bald gemerkt, dass Humphrey nie das Wohl seines Mündels im Auge hatte, sondern nur seine eigenen Interessen, denn vom ersten Tag an verhielten sich die Ratcliffs, als seien sie die Herren von Hatton Hall, und behandelten Alyss wie eine Küchenmagd. Der Vormund entließ den Gutsverwalter Thomas und seine Frau Beth, die sich stets wie eine Mutter um das Mädchen gekümmert hatte. Selbst der alte Gärtner und der Stallknecht wurden ausgewechselt. An den ewigen Haferbrei, den man ihr neuerdings zu essen gab, hatte sie sich schon fast gewöhnt. Doch dass die Ratcliffs nun vorhatten, Alyss ein für alle Mal aus dem Weg zu schaffen, das hätte sie niemals für möglich gehalten. Sie drückte ihr Auge dichter ans Guckloch.

»Alyss geht fort von hier?«, staunte Henry. »Wieso?«

»Nicht freiwillig, du Dummkopf. Vater wird sie gegen ihren Willen wegschaffen.«

»Erzähl schon.« Einen Augenblick lang konnte man keinen Laut hören.

»Erinnert ihr euch an Vaters neuen Freund, der vor einigen Wochen hier auftauchte?«, begann George schließlich.

»Den Mann aus London mit der großen Nase?« Henry schnippte mit den Fingern.

»Genau der!« George senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern: »Papa hat ihn beauftragt, das Mädchen zu beseitigen.«

Beseitigen? Was hatte der Onkel mit ihr vor? Plötzlich hatte Alyss das Gefühl, dass ihr im Priesterloch die Luft ausging.

»Woher willst du das wissen?«

»Ich habe ihr Gespräch vom Flur aus mitgehört.« Der ältere Bruder blickte die beiden jüngeren triumphierend an, während er sich eine fettige Haarsträhne aus der Stirn strich.

»Und? Was haben sie besprochen?«

»Also, erst mal waren sich beide einig, dass Vater ohne Alyss Herr von Hatton Hall wäre.«

»Aber Vater ist ihr Vormund. Er hat doch ohnehin das Sagen«, erwiderte Henry.

»Nur solange sie noch ein Kind ist. Du Blödmann! Wenn sie volljährig wird, ändert sich das. Sie wird das Landgut erben, und unsere Familie wird wieder so arm wie die Kirchenmäuse sein. Und deswegen soll Alyss von hier weg.« Seine Stimme war so leise geworden, dass Alyss ihn nur noch mit Mühe verstand. »Papas Freund hat dann angeboten, das zu erledigen. Als Gegenleistung soll Papa irgendwas für ihn suchen. Auf jeden Fall wird der Mann bald wiederkommen, um sich Alyss zu holen.«

»Und was hat er mit ihr vor?«

George zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Mama kam den Gang entlang und ich habe den Rest nicht mehr mitbekommen. Ich kann mir da allerdings so einiges vorstellen, wie man ein Mädchen auf Nimmerwiedersehen loswird. Zum Beispiel könnte er sie in einen Sack stecken und wie eine Katze im Fluss ersäufen.«

Alyss schauderte. Das würde sie den Jungen tatsächlich zutrauen.

»Wie wäre es mit Bedlam?« Auch Henry schien es zu gefallen, sich auszumalen, wie man Alyss fortschaffen könnte. Vor Aufregung waren seine abstehenden Ohren rot angelaufen.

»Bedlam?«, unterbrach ihn Toby. »Was ist das?«

»Das ist ’ne Klapsmühle in London, in die sie Irre stecken. Wer dort landet, kommt nicht so schnell wieder raus.«

»Aber Alyss ist doch nicht verrückt.«

»Egal. Das spielt keine Rolle.«

»Und jetzt? Sollen wir weiter nach ihr suchen?« Toby blickte fragend von Henry zu George.

»Nee. Keine Lust mehr.« George erhob sich vom Armstuhl und ging auf die Tür der Bibliothek zu. »Ich habe eine bessere Idee. Wir gehen in die Küche. Dort roch es vorhin nach Mandelpastetchen. Alyss können wir ruhig Papas Freund überlassen.«

Das ließen sich seine beiden Brüder nicht zweimal sagen. Einen Augenblick später schlug die Bibliothekstür zu und die Schritte der Jungen verhallten im Gang.

Alyss dagegen rührte sich nicht von der Stelle. Wie gelähmt stand sie in ihrem Schlupfwinkel hinter dem Regal. Nach einer Weile sank sie zu Boden und schlang ihre Arme um die Knie. Sie begann am ganzen Leib zu zittern. Obwohl sie fest entschlossen war, nicht zu weinen, traten ihr Tränen in die Augen und begannen die Wangen hinabzukullern. Noch nie hatte Alyss sich so alleine und so verlassen gefühlt. Am liebsten hätte sie sich hier im Priesterloch wie in einem Schneckenhaus verkrochen und ihr Versteck nie wieder verlassen. Aber während sie hinter dem Bücherregal langsam verhungerte, würde der Besitz ihres Vaters an Onkel Humphrey gehen. Nein, das durfte sie auf keinen Fall geschehen lassen. Sie musste handeln und Hatton Hall vor den bösen Plänen des Onkels beschützen. Entschlossen schniefte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen. Eines war klar: Sie musste weg von hier, bevor Onkel Humphreys Häscher zurückkam.

Wie sehr sie ihren Vater vermisste! In Gedanken konnte Alyss ihn deutlich an seinem Schreibtisch sehen, über Seekarten gebeugt, die schulterlangen braunen Haare hinter die Ohren geklemmt. Egal wie beschäftigt er gewesen war, für Alyss hatte er immer Zeit gehabt, und früher, als sie klein gewesen war und sich vor allen möglichen Dingen gefürchtet hatte, brauchte sie nur auf seinen Schoß zu klettern. Er hatte sie getröstet, bis alles wieder gut war. Aber ihr Vater war nicht hier. Er würde nicht vom Meeresgrund zurückkehren, um die Ratcliffs aus dem Haus zu verjagen und Thomas und Beth wieder einzustellen.

Ralph Sinclair war nun schon vor mehr als einem Jahr sorglos und zuversichtlich, wie so oft zuvor, in die Neue Welt gesegelt. Alyss wusste, dass er im Auftrag des Königs reiste, um Seine Majestät mit Berichten aus den Kolonien zu versorgen. Sosehr ihr der Vater jedes Mal fehlte, hatte sie nie daran gezweifelt, dass er nach jeder abenteuerlichen Expedition wohlbehalten zu seiner Tochter nach Hatton Hall zurückkehren würde. Die traurige Nachricht, die Alyss genau acht Wochen nach seiner Abreise erhielt, traf sie völlig unvorbereitet. Wie konnte es möglich sein, dass die Aurora mitsamt ihrer Besatzung und ihrem Vater nie in Jamestown angekommen war? Das Schiff, vom Ozean verschluckt, spurlos verschwunden blieb? Trotz aller Vermutungen, dass sie Schiffbruch erlitten hätten und die Mannschaft ertrunken sei, hoffte Alyss noch immer auf die Rückkehr ihres Vaters. Sie glaubte fest daran, ihren Vater eines Tages wiederzusehen, und dann würde alles endlich wieder gut werden. In der Zwischenzeit musste sie etwas unternehmen. Doch was konnte eine Zwölfjährige allein gegen einen erwachsenen Mann ausrichten? Absolut gar nichts. Sie musste Hilfe holen. Aber wen? Außer den Ratcliffs hatte sie keine Verwandten, und sie hatte keine Ahnung, wohin es die treuen Diener Thomas und Beth verschlagen hatte. Plötzlich durchzuckte sie eine Erinnerung. Ja, natürlich ... das war es. Da gab es doch noch jemanden, der ihr helfen könnte. Jetzt brauchte sie nur noch einen Plan.

Jack

London, Freitag, 6. September 1619

Jack hockte mit den anderen Kindern der Bande auf Molls Dachboden. Wie jeden Abend wurden sie dort in der Kunst des Diebstahls unterwiesen. Doch Jack konnte sich nicht konzentrieren. Er musste heute besonders oft an seinen Bruder denken. Ned war seit genau fünf Wochen spurlos verschwunden.

»Ihm ist sicher nichts passiert«, hatten ihn die anderen Bandenmitglieder immer wieder aufgemuntert. »Die haben ihn nur beim Klauen erwischt und ins Heim gesteckt. Die Kinder werden schon nach ’n paar Wochen entlassen. Er taucht sicher bald hier auf. Und vergiss nicht, sie waren zu zweit. Guy ist schon fast vierzehn und gibt sicher auf den Kleinen acht.«

Doch Jack ließ sich nicht trösten. Trotz aller Ermutigungen befürchtete er das Schlimmste. Natürlich hatten seine Freunde recht. Wenn ein Taschendieb Pech hatte und von einem Wachmann auf frischer Tat ertappt wurde, steckte man ihn oft für einige Wochen nach Bridewell. Das ehemalige Schloss, zwischen Themse und Fleet Street gelegen, war kein Gefängnis, sondern nannte sich Besserungsanstalt. Dort sollten Bettler, Landstreicher, Taschendiebe und Verbrecher zu ordentlichen Bürgern umerzogen werden. Doch die Anstalt unterschied sich kaum von den Gefängnissen der Stadt. Jack hatte von einem ehemaligen Insassen erfahren, dass es in Bridewell hart zuging. Man musste von früh bis spät arbeiten und bekam nur Haferschleim zu essen. Wie sollte der achtjährige Ned, der ohnehin schon schwächlich war, das überstehen? Zudem hatte Jack heute herausgefunden, dass die meisten Kinder tatsächlich nach vier Wochen entlassen wurden. Er konnte nicht mehr nur auf den Bruder warten, sondern musste handeln.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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