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In einem halbverfallenen Herzogsschloss in Cornwall werden geheimnisvolle wissenschaftliche Forschungen betrieben. Der Reporter David Knight bekommt Wind davon und freundet sich mit Elizabeth Masefield an, die in dem Institut arbeitet. David kommt dahinter, dass dort ein neues Nervengas entwickelt wurde, mit dem eine Verbrecherbande unmöglich erscheinende Raubzüge unternimmt...
Penelope Wallace (* 30. Mai 1923; † 13. Januar 1997 in Oxford) war eine britische Kriminal-Schriftstellerin und die Tochter von Edgar Wallace, dem Meister der Spannung.
Der Roman Das Geheimnis des schlafwandelnden Affen erschien erstmals im Jahr 1979.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
PENELOPE WALLACE
Das Geheimnis des schlafwandelnden Affen
Roman
Apex Crime, Band 242
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DAS GEHEIMNIS DES SCHLAFWANDELNDEN AFFEN
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
In einem halbverfallenen Herzogsschloss in Cornwall werden geheimnisvolle wissenschaftliche Forschungen betrieben. Der Reporter David Knight bekommt Wind davon und freundet sich mit Elizabeth Masefield an, die in dem Institut arbeitet. David kommt dahinter, dass dort ein neues Nervengas entwickelt wurde, mit dem eine Verbrecherbande unmöglich erscheinende Raubzüge unternimmt...
Penelope Wallace (* 30. Mai 1923; † 13. Januar 1997 in Oxford) war eine britische Kriminal-Schriftstellerin und die Tochter von Edgar Wallace, dem Meister der Spannung.
Der Roman Das Geheimnis des schlafwandelnden Affen erschien erstmals im Jahr 1979.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
Für George!
Alles fing damit an:
»...du und deine ganze Sippschaft...«, sagte die Herzogin.
Und in den folgenden zehn Minuten musste der fünfzehnte Herzog von Darwynt eine wenig schmeichelhafte Charakterisierung seiner Person, seiner Vorfahren und seines Schlosses über sich ergehen lassen.
Der Herzog reagierte zuerst überrascht. Er hatte nie auch nur im Traum daran gedacht, dass seine vierte Frau, immerhin die Witwe eines Bankdirektors aus Putney, derartige Kraftausdrücke überhaupt kannte.
Dann rauschten Ihre Gnaden aus dem Salon und schlugen die Tür heftig hinter sich zu. Der Herzog, der nie ein besonders schneller Denker gewesen war, starrte besorgt zur Decke, von der bei der geringsten Erschütterung bereits der Putz zu rieseln pflegte. Schließlich goss er sich ein Glas Whisky ein, ging zum Fenster und sah auf den verwilderten Garten und die halb eingefallene Parkmauer hinunter, hinter der die Straße von Helston nach Falmouth vorbeiführte und den herzoglichen Park von den Tannack Downs trennte.
»Das habe ich jetzt davon«, murmelte er vor sich hin. »Vier Frauen und keinen Erben. Und ich bin zu alt, um noch mal zu heiraten.«
Plötzlich kam dem Herzog zum ersten Mal in seinem fünfundsechzigjährigen Leben eine Erleuchtung: Wenn seine Frau ihn verließ, dann war er gleichzeitig ihren unangenehmen Sohn Stephen los; und da die Herzogin sich von ihm trennte und nicht umgekehrt er sich von ihr, war er zu keinen Unterhaltszahlungen verpflichtet.
In der Vergangenheit war nämlich meistens er auf Grund seiner Vorliebe für jüngere Frauen der schuldige Teil gewesen. Jetzt war er froh, dass die Herzogin ging. Und dabei kam ihm gleich noch ein Gedanke: Er hatte dieses Leben satt... Es hatte ihm nie besonders viel Spaß gemacht, ein Herzog zu sein. Das Schloss war zum Glück kein unveräußerliches Familiengut. Er nahm sich spontan vor, es zu verkaufen, seinen Titel abzulegen und ein ganz normales Leben zu führen.
Der fünfzehnte Herzog von Darwynt lächelte glücklich.
Nur wenige Wochen später zog der Herzog in ein kleines Haus in Worthing und lebte dort als zufriedener Junggeselle unter dem schlichten Namen Long. Die Leute aus dem Dorf hielten den Herzog für vollkommen übergeschnappt, weil er Cornwall verlassen hatte. Aber da sie die Aristokraten sowieso nicht zu den normalen Menschen rechneten, erstaunte sie diese Handlungsweise nicht besonders. Außerdem sollte Worthing angeblich auch in der Nähe der Küste liegen.
Makler aus London und Truro hatten die ziemlich schwierige Aufgabe übernommen, einen Käufer für das herzogliche Anwesen zu finden. Schlösser lassen sich nun einmal nicht gut verkaufen... schon gar nicht, wenn sie im einsamen Cornwall liegen. Die meisten Interessenten waren von der romantischen, spätherbstlichen Szenerie wenig beeindruckt und registrierten lediglich, dass Garten und Gebäude reichlich vernachlässigt wirkten.
Die Leute im Dorf beobachteten die Vorgänge um das Schloss aufmerksam und überlegten bereits, ob die Ruine als Attraktion für die Sommertouristen verwendbar sei. Die Bewohner Cornwalls sind nämlich außerordentlich praktisch denkende Menschen.
Ende Januar wurde dann plötzlich das große Schild, das das Anwesen zum Kauf anpries, entfernt. Das Schloss hatte einen neuen Besitzer gefunden.
Obwohl sie um ein Geisterschloss betrogen worden waren, nahmen die Dorfbewohner die Handwerkerkolonnen, die die Reparaturarbeiten am Haus und an der Parkmauer durchführten, mit offenen Armen auf, denn sie bedeuteten außerhalb der Touristensaison eine willkommene Einnahmequelle.
Die Parkmauer wurde allerdings so gründlich ausgebessert, dass die Leute aus dem Dorf bald von dem, was sich dahinter abspielte, nichts mehr sehen konnten. Nur ein Schild am Haupttor wies darauf hin, dass dort das Fairfax Foundation Institute eingezogen war. Zu diesem Zeitpunkt waren sie jedoch über die neuen Besitzer schon informiert. Die Handwerker hatten den Dorfbewohnern einiges erzählt, und den Rest erfuhren diese aus einem Artikel in ihrem Lokalblatt, den ein ehemaliger Reporter der London Daily Post namens Martin Bristow geschrieben hatte. Bristow wohnte seit einiger Zeit im Dorf und war dort allgemein als der Fremde bekannt. Und durch ihn wussten die Leute, dass Mr. Douglas Fairfax ein reicher Exzentriker gewesen war, der sein großes Vermögen einer Stiftung zu Verhaltensstudien bei Tieren vermacht hatte.
Bristow hatte seinen Artikel auch an die Daily Post geschickt, doch Macintosh, der Nachrichtenredakteur tat die Meldung als langweilig ab und war von Bristows Idee, den Direktor der Stiftung zu interviewen, nicht sehr begeistert.
Drei Wochen später bekam Macintosh die Grippe. Sein Stellvertreter war verreist, doch Macintoshs Frau erinnerte ihren Mann daran, dass Sauregurkenzeit war, verbot ihm aufzustehen und rief den Arzt an. Obwohl Macintosh sich in diesen Dingen normalerweise nicht von seiner Frau bevormunden ließ, fühlte er sich diesmal viel zu elend, um ihr zu widersprechen. Er griff mit zitternder Hand nach dem Telefon, gab dem diensthabenden Redakteur kurz die routinemäßigen Anweisungen durch und sagte dann: »Da ist noch ein ziemlich langatmiger Artikel von Martin Bristow über die Fairfax...«
Macintosh stöhnte und fühlte, wie sein Fieber stieg.
»Geben Sie ihn David...«, seufzte er.
Auf diese Weise kam David Knight an die Reportage, die sein Leben verändern sollte.
David nahm den Bericht, setzte sich an seinen Schreibtisch und begann zu lesen. Der Artikel beinhaltete eine kurze Übersicht über die Geschichte des Schlosses, eine ausführliche Beschreibung der Restaurierung des Gebäudes und einen Bericht über ein Gespräch mit dem Direktor der Stiftung, einem gewissen Dr. Philip Winter. Er schloss mit einem Zitat der attraktiven vierundzwanzigjährigen Pressesprecherin, Miss Elizabeth Masefield: »Wir konzentrieren uns bei unseren Forschungsarbeiten hauptsächlich auf Verhaltensstörungen bei Haustieren und werden die Tiere daher in dieser Umgebung beobachten. Mr. Fairfax hat sich intensiv mit dem Verhältnis zwischen Haustier und Mensch beschäftigt und war der Meinung, dass darüber noch viel zu wenig bekannt ist.«
Es folgte eine kurze Beschreibung der Tierunterkünfte, deren zukünftige Bewohner allerdings noch nicht eingetroffen zu sein schienen.
David legte den Bericht beiseite. Sein erster Gedanke war der, dass der verstorbene Douglas Fairfax sein Geld hätte sinnvoller anlegen können und dass auch Martin Bristow seine Zeit nützlicher hätte verbringen können. Bristow war dreißig Jahre lang Journalist in der Fleet Street und davon fünfzehn Jahre bei der Daily Post gewesen, bis er aus Gesundheitsgründen gezwungen war, sich zur Ruhe zu setzen. Und jetzt war offenbar seine Phantasie mit ihm durchgegangen.
Der vorliegende Artikel war eigentlich nichts weiter als eine ausführlichere und längere Wiederholung seiner ersten Reportage über die Fairfax-Stiftung. Die Story war für ein Provinzblatt passabel, aber in der überregionalen Daily Post hatte sie nichts zu suchen. Martin war ein guter Freund von David, deshalb hatte David das Gefühl, es ihm persönlich sagen zu müssen, dass Mac daran nicht interessiert war. Armer, alter Martin... Vermutlich hatte sein journalistischer Spürsinn unter der guten Luft in Cornwall gelitten.
David nahm den Telefonhörer ab. »Verbinden Sie mich mit Martin Bristow... Sie müssen die Nummer in der Liste haben... Er wohnt in irgendeinem unaussprechlichen Ort in Cornwall.«
Martin Bristow meldete sich sofort und unterbrach Davids höfliche Fragen nach seinem Befinden ungeduldig: »Hast du meinen Artikel gelesen?«
»Ja... ja das habe ich«, erwiderte David zögernd.
»Was meint der Chef dazu?«
»Mac ist im Augenblick krank. Was soll das eigentlich, Martin? Die Story ist kaum ein paar Zeilen wert, und du hast drei DIN-A4-Seiten draus gemacht. Du weißt doch so gut wie ich, dass der Artikel ein brauchbarer Füller ist, falls wir mal was über eine Katzen- oder Hundeausstellung bringen, und das ist eigentlich nicht dein Fach.«
»Ich hab’ dich offensichtlich gut gezogen. Ich bin noch nicht verkalkt, keine Angst, aber im Schloss dieser Fairfax Foundation stimmt etwas nicht. Genaueres weiß ich nicht, aber ich habe so ein ungutes Gefühl... Warum kommst du nicht einfach nach Cornwall?«
»Das ist unmöglich.«
»Natürlich ist mir klar, dass Er dich nicht schicken würde, aber du hast doch auch mal Ferien, oder? Mach ein paar Tage bei mir Urlaub. Ich biete Villa mit Seeblick, Bade- und Segelgelegenheit. Es wird dir gefallen. Die Leute hier sind prima. Außerdem ist es eine Ewigkeit her, seitdem ich dich... oder andere Kollegen von der Daily Post gesehen habe.«
»Tja, das klingt nicht schlecht«, gab David zu. »Eigentlich hatte ich meiner Schwester so gut wie versprochen, den Urlaub mit ihr und ihrem Mann zu verbringen. Die beiden haben ein Haus in Spanien gemietet...«
»Du meinst Molly?« David war über Martins gutes Gedächtnis erstaunt. »Die wird doch nur versuchen, dich zu verkuppeln. Bei einem eingefleischten Junggesellen wie mir bist du wesentlich sicherer.«
Zwei Tage später kehrte Macintosh, der Nachrichtenredakteur, an seinen Schreibtisch zurück, las den Artikel, schnaubte verächtlich und verlor kein Wort mehr darüber. David behielt daraufhin sein Urlaubsziel für sich.
Zwei Wochen danach fuhr David in seinem kleinen Sportwagen im warmen Julisonnenschein in Richtung Westen.
Martin Bristow wohnte in Church Cove, Landewednack, auf der Lizard Peninsula. Hinter Truro hielt David an und studierte die Karte. Schließlich entschied er sich für die größer eingezeichnete Straße über Helston und Darwynt.
Er bog kurz vor Penryn ab. Falls Darwynt tatsächlich noch eine Story ergeben sollte, wollte er sich die Gegend wenigstens genauer ansehen. Er fuhr an dem Wegweiser nach Burnthouse und unzähligen Hinweisschildern mit der Aufschrift Bed and Breakfast und Cornish Teas, an Kühen, Schweinen, weißgetünchten alten Landhäusern und grauen Bauernhäusern vorbei und kam schließlich nach Darwynt.
Es bestand aus nur wenigen, ander Hauptstraße liegenden Häusern und einem Gasthof, dem Red Lion.
Gleich hinter dem Dorf begann der Schlosspark. Die Straße führte ungefähr einen halben Kilometer weit dicht an einer hohen Mauer entlang, und David erkannte in der Ferne ein mittelalterliches Schloss mit vier Türmen. Das hohe schmiedeeiserne Tor lag etwas zurückgesetzt, so dass der Besucher gezwungen war, sich zuerst am Pförtnerhaus an der Straße zu melden. Aus den Augenwinkeln sah David, dass am Tor eine große, dicht beschriebene Tafel hing, die vermutlich Vorsichtsmaßregeln für den Besucher oder eine Warnung vor unbefugtem Betreten des Grundstücks enthielt.
David fuhr weiter nach Helston. Die Straße führte durch Weizenfelder und mit niederem Buschwerk bewachsene Täler und Hänge. Schließlich gab es rechts und links der Straße nur noch Gestrüpp-Landschaft, und das Licht hatte die für weite Ebenen charakteristische Brillanz und erinnerte David an Teile Spaniens und der Mittelmeerküste.
Dann tauchte auf der linken Seite ein Wegweiser nach Church Cove auf. Dahinter lagen moderne, hübsche Bungalows, und danach wurde es wieder typisch englisch: strohgedeckte Landhäuser, die alte Kirche, eine schmale, kurvenreiche Straße, mehr altenglische Villen, eine immer schlechter werdende Straße und schließlich The Pothole, Martin Bristows Landhaus.
David parkte seinen Wagen am Rand der Steilküste und entdeckte erstaunt, dass die Straße über den Felshang weiter hinunterführte.
Beim Abendessen - kalter Hummer, den Martins Zugehfrau zubereitet hatte - sprachen sie dann von alten Zeiten und den Leuten, die das Geschehen in der Fleet Street einst bestimmt hatten und teilweise noch bestimmten. Sie sagten: »Erinnerst du dich noch, als...« und fragten: »Was ist eigentlich aus dem und dem geworden?«, bis es schließlich dunkel wurde und Martin das Licht anmachte.
»Weißt du, es ist herrlich, mit jemandem über die guten alten Zeiten reden zu können.«
»Kommst du gar nicht mehr nach London?«
»Nein. Der Arzt hat mir die Fleet Street verboten, und ich gehorche ihm. Außerdem wäre es sowieso nicht mehr dasselbe. Ich wäre nur noch ein Besucher... ein alter Besucher, der die anderen mit seinen Erinnerungen langweilt.«
»Bereust du es?«, wollte David wissen.
»Nein, eigentlich nicht. Das Leben hier und die Fleet Street, das sind zwei Seiten derselben Münze... der schönsten Münze der Welt.«
»Es fällt mir schwer, das zu glauben.«
»Natürlich ist hier alles anders als in der lauten, hektischen Welt der Fleet Street. Nimm zum Beispiel das Wetter. In London sind die Sommer zu heiß, und die Winter sind zu kalt... und in der Fleet Street weht oft ein schrecklicher Ostwind. Hier kann es auch verdammt stürmisch werden, aber irgendwie ist es anders... selbst im Winter... es kommt mir eher so vor, als sei es wie der Sommer an einer anderen Küste.«
»Zwei verschiedene Welten?«
»Oberflächlich betrachtet, ja. Die Fleet Street ist eigentlich ein Dorf... natürlich ein größeres als dieses hier, und ohne ländliche Umgebung... aber sie ist ein Dorf. Du hast dein Stammlokal, dein Stammgeschäft, gehörst zum Presseclub und kennst jeden. Wenn du dir ein Bein brichst, nehmen alle daran Anteil... genau wie hier. Vielleicht denken auch einige, du hättest es verdient, und hier mag das ebenfalls so sein. Das Wichtigste ist allerdings, dass es sie überhaupt in irgendeiner Form berührt. Verstehst du, was ich meine?«
»Ich glaube schon.«
»In Städten ist das nicht so. Da kümmert sich keiner um den anderen. Das Leben spielt sich dort nicht in den Gasthöfen ab, in denen man sich trifft, sondern in den durch hohe Hecken streng vom Nachbarn getrennten Vorstadthäusern.«
»Du scheinst darüber ziemlich oft nachgedacht zu haben«, bemerkte David.
»Zum Nachdenken habe ich hier viel Zeit«, erwiderte Martin. »Aber davon abgesehen gibt’s hier ’ne Menge Abwechslung. Ich gehe zum Fischen und zum Segeln, bin Mitglied in einigen Gemeindeausschüssen und der Old Cornwall Society, besuche das Minack Theater und das Kino in Helston und andere Veranstaltungen.«
»Und dorthin gehst du immer allein?«
Martin lächelte.
»Ich bin überzeugter Junggeselle, also was soll die Frage?« entgegnete er. »Aber weil wir gerade von Frauen reden... Dieses Mädchen in Darwynt... ich meine Dr. Elizabeth Masefield, das ist eine tolle Frau. Genau dein Typ, es sei denn, dein Geschmack hätte sich inzwischen geändert. Sehr attraktiv, weiblich und charmant und dazu noch intelligent. Sie hat schon ihren eigenen Kopf und außerdem so etwas Geheimnisvolles...«
»Bitte, fang nicht schon wieder mit Geheimnissen an, Martin.«
»Aber ich bin überzeugt, dass es in Darwynt nicht mit rechten Dingen zugeht. Und da ich annehme, dass du das Mädchen gern kennenlernen möchtest, habe ich für morgen um elf Uhr ein Treffen arrangiert. Wir werden dabei beide auf unsere Kosten kommen.«
Am folgenden Vormittag fuhren sie in Martins Ford nach Darwynt. Die Fahrt dauerte ungefähr eine halbe Stunde.
Sie hielten vor dem großen Tor an, und während Martin dem Wachposten seinen Namen nannte und der Posten die Liste und Autonummer des Ford prüfte, las David den Text der Tafel, die ihm schon am Vorabend beim Vorbeifahren aufgefallen war. Betreten für Unbefugte verboten lautete die Überschrift und darunter stand die Warnung, dass nachts scharfe Hunde das Grundstück bewachten. David überlegte, ob diese dressierten Hunde einen negativen Einfluss auf das Verhalten der Versuchstiere haben könnten. Dann wurde das Tor geöffnet, und der Ford rollte eine breite, von hohen Rhododendronbüschen gesäumte Auffahrt entlang, die an ein Prominentenhotel erinnerte. Durch eine Lücke in der Hecke erkannte David gepflegten grünen Parkrasen und erwartete jeden Augenblick, auf den Bänken ältere Damen, die strickten, oder Sherry trinkende Herren und einen uniformierten Hotelboy zu sehen.
Der Mann, der ihnen dann auf den Eingangsstufen entgegenkam, trug zwar eine Uniform, hatte jedoch eher die Figur eines Preisboxers als die eines Hotelboys und war außerdem geradezu unheimlich groß. Miene und Stimme des Riesen waren jedoch erstaunlich ruhig und gepflegt.
»Mr. Bristow und Mr. Knight? Bitte, wenn Sie mir folgen möchten. Miss Masefield erwartet Sie bereits«, sagte er mit dem leichten Akzent der Leute aus Cornwall.
Martin und David betraten hinter ihm die perfekt - vielleicht zu perfekt - mit schweren Eichenmöbeln ausgestattete und einem großen Rosenstrauß geschmückte Eingangshalle. Der Riese führte sie zu einer Tür auf der rechten Seite, klopfte, öffnete sie und ließ den Besuchern den Vortritt.
Der Raum war als Arbeitszimmer eingerichtet. Eine breite Terrassentür führte ins Freie, und die Wände waren holzgetäfelt. David betrachtete absichtlich zuerst die Einrichtung, bevor sein Blick zu dem Mädchen hinter dem Schreibtisch schweifte. Elizabeth Masefield war eine Frau, die auf Männer sofort wirkte. Sie war nicht nur schön und hatte nicht nur eine gute Figur, sondern strahlte auch das gewisse Etwas aus, das David sofort für sie einnahm.
Ein Mädchen brachte Kaffee, und Dr. Masefield bot ihnen Zigaretten an.
»Sie sind die ersten Reporter... oder sagen wir Journalisten, die nach dem Eintreffen der Versuchstiere zu uns ins Schloss kommen. Die Tiere sind erst seit wenigen Tagen bei uns. Sie werden anfangs draußen in den Stallungen ruhig gehalten, bis sie sich ein wenig eingelebt haben werden. Danach werden sie tagsüber im Schloss sein. Wir möchten die Tiere in normaler häuslicher Umgebung beobachten. Ich glaube, ich habe mit Ihnen bereits darüber gesprochen, Mr. Bristow.«
»Ja, richtig, Miss Masefield. Allerdings begreife ich nicht recht, warum Sie dieses teure Institut eingerichtet haben, wenn die Leute ihre Tiere ganz gut zu Hause beobachten könnten.«
»Der normale Tierhalter ist dafür nicht ausgebildet, Mr. Bristow.«
»Werden Sie hier auch sogenannte Problemfälle behandeln?«, erkundigte sich David. »Ich denke da zum Beispiel an Hunde, die Schafe reißen und so weiter.«
»Nein, das gehört nicht zu unserem Aufgabenbereich«, entgegnete Elizabeth Masefield. »Wir versuchen eigentlich nur Tierhaltern mit leicht verhaltensgestörten Haustieren zu helfen. Ja, Mr. Bristow?«
»Bei unserer letzten Unterhaltung haben Sie mir leider noch nichts über die Mitglieder des hier beschäftigten Forscherteams sagen können. Sind inzwischen alle offenen Stellen besetzt worden?«
»Ja, weitgehend. Es fehlen zwar noch einige wissenschaftliche Assistenten, aber vermutlich interessiert Sie eher das leitende Personal.«
Martin Bristow nickte und zog aus seiner Tasche einen alten Briefumschlag und einen Bleistift. Das Mädchen fuhr fort: »Unseren Direktor kennen Sie ja bereits.« Sie wandte sich an David: »Es tut mir leid, aber heute ist er außer Haus. Von Philip Winter haben Sie sicher schon gehört. Er ist eigentlich Psychologe, hat sich jedoch eingehend mit dem Verhalten von Tieren beschäftigt, und heute ist das praktisch sein Spezialgebiet.«
»Weil Sie gerade von Dr. Winter sprechen«, fiel Martin ihr ins Wort. »Ich habe gehört, dass er seine Professur in Oxford aus Gesundheitsgründen aufgegeben hat. Er soll angeblich kurz vor einem Nervenzusammenbruch gestanden haben.«
Miss Masefield lächelte. »Man hört so vieles«, erwiderte sie, und David fiel ihr kühler Ton auf. Dann fuhr sie wieder freundlicher fort: »Ich will offen sein. Dr. Winter ist in Oxford nicht sehr glücklich gewesen. Die rein theoretische Arbeit hat ihn nicht befriedigt. Hier findet er ideale Bedingungen. Er hat endlich Gelegenheit, seine Theorien praktisch zu erproben. Dann ist noch Dr. Weissman bei uns...«
»Meinen Sie Dr. Karl Weissman?« unterbrach diesmal David sie.
»Ja. Und, Mr. Knight, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie seinen Namen in Ihrem Artikel nicht erwähnen würden. Die Presse hat ihm schon hart zugesetzt und...«
»Soviel ich weiß, war die Presse immer auf seiner Seite.«
»Ich habe mich schlecht ausgedrückt. Dr. Weissman ist der Meinung, dass die Zeitungen alles nur noch schlimmer gemacht haben, indem sie einige Dinge an die Öffentlichkeit gezerrt haben. Er möchte jede weitere Publicity gern vermeiden.«
»Ich finde, Dr. Weissman ist ein bisschen unfair, Miss Masefield. Er ist offiziell von seinem Posten bei einem staatlichen Forschungsinstitut zurückgetreten, weil er befürchtet hat, dass seine Arbeit mit der Entdeckung eines tödlichen Gases enden würde. Wir haben ihn für seine Prinzipientreue alle sehr bewundert.«
Elizabeth Masefield schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Natürlich haben Sie recht, Mr. Knight. Ich vermute nur, dass Dr. Weissman seine guten Taten nicht publik machen möchte. Er ist ein sehr bescheidener Mann.«
Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück, und David fiel auf, wie vorteilhaft das klassisch streng geschnittene grüne Kleid ihre Figur zur Geltung brachte.
Martin brach schließlich das Schweigen: »Und was ist mit Ihnen, Miss Masefield? Warum sind Sie hier?«
Elizabeth Masefield schien erstaunt. »Nun, abgesehen von meinen Aufgaben als Pressesprecherin der Stiftung fungiere ich hier als so eine Art Haushälterin und Aushilfssekretärin.«
»Wohnen sämtliche wissenschaftlichen Angestellten auch hier?«
»Im Augenblick, ja. Es ist die günstigste Lösung, da die meisten nicht aus der Gegend kommen. Einige fahren an Wochenenden nach Hause, aber die meisten gehen vollkommen in ihrer Arbeit auf.«
Martin ließ sich jedoch nicht so leicht ablenken. »Ich bin sicher, dass Sie eine verantwortungsvolle Aufgabe haben, aber vermutlich werden Sie Ihren Kollegen auch fachlich mit Rat und Tat zur Seite stehen... bei Ihrer Ausbildung...«
»Sie scheinen gut informiert zu sein, Mr. Bristow. Natürlich bin ich ausgebildete Medizinerin, aber ich möchte hier nicht praktizieren. Mich interessiert die Forschungsarbeit, und wenn hier erst mal alles glatt läuft, habe ich hoffentlich viel Zeit zum Lesen. Außerdem werde ich fürstlich bezahlt und kann den anderen das Leben erleichtern. Wenn ich mit ihnen zusammen bin, wie zum Beispiel während der Mahlzeiten, müssen sie nicht wie mit anderen Frauen höflich Konversation machen. Haben Sie sonst noch Fragen?«
Der Ton, in dem sie das sagte, ließ keinen Zweifel daran offen, dass Dr. Elizabeth Masefield das Gespräch als beendet betrachtete.
David hatte das Gefühl, zu dem Interview keinen maßgebenden Beitrag geleistet zu haben, und um seine Position zu stärken, drehte er sich an der Tür noch einmal um. »Darf ich mich wieder an Sie wenden, falls ich noch mehr Informationen brauche? Könnten Sie mich vielleicht mal im Schloss herumführen?«
»Natürlich, rufen Sie einfach an. Es würde mich freuen, Ihnen unsere sämtlichen Einrichtungen zeigen zu können. Mr. Bristow hat die Telefonnummer.«
»Dir ist hoffentlich klar, was das heißt«, bemerkte Martin Bristow, als sie in seinem Ford durch das Schlosstor fuhren. »Es bedeutet, dass Sie gegen deine Fragen nichts einzuwenden hat, aber vor den meinen Angst hat.«
»Martin, das ist doch Unsinn. Außerdem sind das keine Fragen, sondern Tatsachen gewesen, die du irgendwo ausgegraben hast und die sie nur bestätigen oder leugnen konnte. Ich hatte keine Ahnung, dass du so gründlich recherchiert hast.«
»Ich habe sie schließlich nicht zum ersten Mal um ein Interview gebeten, und in keinem unserer bisherigen Gespräche hatte sie erwähnt, dass sie den Doktor in Medizin hat. Und von sich aus hätte sie auch kaum zugegeben, dass ihr Chef ziemlich labil ist.«
»Wieso labil?«, wollte David wissen. »Du hast doch behauptet, Winter hätte Oxford aus Gesundheitsgründen verlassen. Nach deinen Worten »stand er kurz vor einem Nervenzusammenbruche«
»Tja, ich habe noch immer meine alten Kontaktleute, David. Nach meinen Informationen hat er seine Arbeit an der Universität mitten im Semester unterbrochen, und obwohl viel von angeschlagener Gesundheit, Überarbeitung und Stress die Rede gewesen ist, hat er weder die Radcliffe- noch die Warnford-Klinik aufgesucht. Die Leiterbeider Kliniken stehen der Universität nahe und wären laut meinem Informanten die einzigen gewesen, die ihm hätten helfen können.«
»Darf ich fragen, wer dieser Informant ist?«
»Erinnerst du dich noch an Annabelle?«
»Die von der Daily Post?«
»Genau die. Rote Haare und schöne Beine. Sie ist jetzt die untreue Frau eines Dozenten in Oxford. Ich habe sie mal ziemlich gut gekannt.«
»So, tatsächlich? Das muss jedoch schon etliche Jahre her sein.«