Das Gemälde des Todes - Peter Watson - E-Book
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Das Gemälde des Todes E-Book

Peter Watson

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Beschreibung

Ein uraltes Gemälde – und ein dunkles Geheimnis: Der fesselnde Kunst-Krimi »Das Gemälde des Todes« von Peter Watson jetzt als eBook bei dotbooks. Welches Mysterium hütet dieses Kunstwerk? Seit Generationen besitzt Isobel Sadlers Familie ein vermeintlich wertloses Gemälde aus der Zeit Heinrichs VIII. Als ein geheimnisvoller Sammler ihr eine unerhört hohe Summe dafür bietet, glaubt sie zunächst an eine Verwechslung – und lehnt ab. Doch dann verschafft sich jemand gewaltsam Zugang zu ihrem Haus. Isobel ist sich sicher, dass der Einbruch mit dem Bild zu tun hat. Auf der Suche nach Antworten wendet sie sich an den Kunstexperten Michael Whiting; gemeinsam kommen die beiden einer längst vergessenen Legende auf die Spur, die Reichtum und Ruhm verheißt und in dessen Zentrum ihr Familienerbstück steht. Doch Isobel und Michael sind nicht die einzigen, die dem Geheimnis des Ölgemäldes auf den Grund gehen wollen – und ihr schattenhafter Verfolger wird vor nichts zurückschrecken, um an sein Ziel zu gelangen … Er erzählt in seinen Krimis aus erster Hand – der renommierte Kunstkenner Peter Watson hat selbst schon bei der Aufklärung spektakulärer Kriminalfälle mitgewirkt: »Watson ist ein Meister des Kunstkrimis!« Publishers Weekly Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der mitreißende Thriller »Das Gemälde des Todes« von Bestsellerautor Peter Watson wird alle Fans von Dan Brown und Ian Caldwell begeistern! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Welches Mysterium hütet dieses Kunstwerk? Seit Generationen besitzt Isobel Sadlers Familie ein vermeintlich wertloses Gemälde aus der Zeit Heinrichs VIII. Als ein geheimnisvoller Sammler ihr eine unerhört hohe Summe dafür bietet, glaubt sie zunächst an eine Verwechslung – und lehnt ab. Doch dann verschafft sich jemand gewaltsam Zugang zu ihrem Haus. Isobel ist sich sicher, dass der Einbruch mit dem Bild zu tun hat. Auf der Suche nach Antworten wendet sie sich an den Kunstexperten Michael Whiting; gemeinsam kommen die beiden einer längst vergessenen Legende auf die Spur, die Reichtum und Ruhm verheißt und in dessen Zentrum ihr Familienerbstück steht. Doch Isobel und Michael sind nicht die einzigen, die dem Geheimnis des Ölgemäldes auf den Grund gehen wollen – und ihr schattenhafter Verfolger wird vor nichts zurückschrecken, um an sein Ziel zu gelangen …

Er erzählt in seinen Krimis aus erster Hand – der renommierte Kunstkenner Peter Watson hat selbst schon bei der Aufklärung spektakulärer Kriminalfälle mitgewirkt: »Watson ist ein Meister des Kunstkrimis!« Publishers Weekly

Über den Autor:

Peter Watson, geboren 1943 in Birmingham, ist der Autor zahlreicher internationaler Bestseller. Er studierte Psychologie und Musik in Durham, London und Rom und war anschließend als Journalist für angesehene Zeitungen wie die »Times« und den »Observer« tätig. Er gilt als einer der besten Kunstspezialisten der Welt und konnte zur Aufklärung zahlreicher Kunstdiebstähle und Fälschungen beitragen.

Bei dotbooks veröffentlichte Peter Watson die Romane »Die sixtinische Auktion«, »Der letzte Verräter« und »Die ehrenwerte Familie«.

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eBook-Neuausgabe Dezember 2021

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1989 unter dem Originaltitel »Landscape of Lies« bei Random House, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1991 unter dem Titel »Lügenlandschaft« bei Econ.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1989 by Peter Watson

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1991 Econ Verlag, Düsseldorf

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Stefan Hilden, hildendesign.de unter Verwendung von © Pexels.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-96655-880-8

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Peter Watson

Das Gemälde des Todes

Roman

Aus dem Englischen von Monika Hahn-Prölss

dotbooks.

Für Katie

Sämtliche Charaktere sowie

einige der Schauplätze

sind Erfindungen des Autors

Peter Watson

Prolog

Es war mitten in der Nacht, als Isobel aufwachte und instinktiv spürte, daß jemand im Haus war. Warum sie sich ihrer Sache so sicher war, wußte sie nicht, hielt aber die Luft an, um besser lauschen zu können. Die Uhr war nicht zu erkennen, doch sie schloß aus dem Winkel des hellen Mondstreifens auf ihrem Schlafzimmerteppich, daß es nach drei Uhr sein mußte. Als sie gerade aus dem Bett schlüpfen wollte, hörte sie eine Tür im Erdgeschoß leise zuklappen. Da Isobel in diesem Haus aufgewachsen war und hier auch einen Großteil ihrer neunundzwanzig Jahre verlebt hatte, verriet ihr dieses Geräusch, wie der Eindringling hereingekommen war – durch ein Fenster im Eßzimmer. Die Tür des angrenzenden Arbeitsraums klapperte jedesmal, wenn Fenster im Eßzimmer geöffnet wurden. Natürlich hatten die niedrigen Erkerfenster immer ein Sicherheitsrisiko dargestellt – um so mehr, seit sie ganz allein das große Anwesen bewohnte, aber sie hatte den Gedanken, Einbrecher könnten sich dies zunutze machen, immer verdrängt. Nun war es zu spät.

Isobel stand auf und zog ihren Morgenrock an. Erstaunlicherweise empfand sie keine Angst, sondern war eigentlich nur neugierig, worauf es der Dieb abgesehen hatte. Sie besaß nichts von wirklichem Wert, nicht einmal ein silbernes Teeservice. Seit Isobel nach dem Tod ihres Vaters die Farm geerbt hatte, mußte sie mit großen finanziellen Schwierigkeiten kämpfen und hatte deshalb notgedrungen nach und nach das chinesische Porzellan, die japanischen Lackarbeiten und die Schnitzereien aus Jade verkauft, die ihr Vater im Fernen Osten gesammelt hatte, wo er vor seiner Pensionierung als Diplomat tätig gewesen war. Es gab also nichts mehr zu stehlen.

Plötzlich überfiel sie Angst. Vielleicht war der Eindringling gar kein Dieb, sondern wollte ihr etwas antun? Es wurde doch immer wieder über Vergewaltigungen berichtet. Vielleicht kannte sie ihn sogar. Vielleicht würde er sie hinterher töten. Hinterher … sie schauderte.

Trotzdem zögerte sie nicht. Sie kannte das Haus bis in den letzten Winkel. Als kleines Mädchen, noch bevor ihr Vater in fremde Länder geschickt wurde, war sie abends oft auf den Treppenabsatz hinausgeschlichen und hatte von dort oben beobachtet, wenn er im Erdgeschoß Gäste empfing. Kein Mensch hatte sie je bemerkt. Seit damals wußte sie noch, daß ihre Tür sich lautlos öffnen ließ, wenn sie dagegen drückte, bevor sie den Knauf drehte. Und im Flur wußte sie, wohin sie nicht treten durfte, wenn sie jedes Dielenknarren vermeiden wollte.

Im Flur war niemand, und sie atmete etwas auf. Sie hatte es wohl doch mit einem Einbrecher zu tun, nicht etwa mit einem Sittlichkeitsverbrecher.

Nachdem sie um eine Ecke gebogen war, hielt sie an. Hier mündete der Flur auf eine Empore, über deren Geländer aus Eichenholz Isobel nun vorsichtig in die Halle hinunterspähte. Da war er! Eine hochgewachsene, schemenhafte Gestalt stand dort unten vor einem Gemälde und reckte sich gerade, um es vom Haken abzunehmen.

Isobel packte der Zorn. Es war, als habe sich die Angst, die sie noch einen Moment zuvor verspürt hatte, in einen anderen Teil ihres Selbst zurückgezogen. Hier in der Gegend wußten die meisten, daß sie allein lebte. Da hielt jemand sie also für so leichte Beute, daß er einfach hereinspazierte und sich nach Belieben etwas holte. Da hatte er sich aber geirrt!

Ihr schoß eine Idee durch den Kopf. Sie wollte den Diebstahl verhindern und dem Mann gleichzeitig demonstrieren, daß sie weder Angst hatte noch hilflos war, obwohl sie allein wohnte.

Sie wandte sich halb um und griff nach einem hohen Zinnkrug, der auf einem Tisch stand. Dieser Krug war seit Ewigkeiten im Besitz der Familie, wie man ihr erzählt hatte. Sein Fuß war von einem geschnitzten Elfenbeinreifen eingefaßt. Vielleicht hatte er früher einmal einen gewissen Wert besessen, doch nun war das Zinn verbeult und das Elfenbein gesprungen, so daß der Krug für ihr Vorhaben geradezu ideal war. Sie nahm den klobigen, aber nicht allzu schweren Gegenstand lautlos vom Tisch.

Mit der rechten Hand hob sie ihn hoch, mit der linken tastete sie nach dem Lichtschalter. Dann überlegte sie kurz. Der Überraschungseffekt war zwar auf ihrer Seite, doch im ersten Moment, wenn das Licht anging, würde sie genauso geblendet sein wie der Eindringling. Sie versuchte, sich genau einzuprägen, wo er stand.

Dann atmete sie tief durch und drehte den Schalter.

Als Licht die Halle überflutete, gab die Gestalt einen unterdrückten Schrei von sich. Der Mann – der Größe nach konnte es keine Frau sein – trug einen Motorradhelm auf dem Kopf. Als er nun zu ihr herumfuhr, glaubte sie, hinter dem getönten Visier zwei erschreckte Augen sehen zu können. Der glatte, glänzende Helm wirkte in seiner Anonymität bedrohlich und war völlig unproportioniert zum Körper, wodurch er dem ganzen Wesen ein überdimensioniertes unheimliches Aussehen verlieh. Isobel zögerte nicht länger.

Sie schleuderte den Krug mit voller Wucht in die Halle, zielte jedoch nicht auf den Kopf des Mannes. Das hielt sie selbst unter den gegebenen Umständen für zu riskant, und sie wußte außerdem, daß die Gesetzgeber einige merkwürdige Ansichten über die Rechte von Kriminellen vertraten. Hinzu kam, daß der Mann den Motorradhelm trug. Deshalb zielte sie lieber auf die Füße.

Der Krug war oben schwerer als unten und ließ sich nicht so präzise werfen, wie Isobel sich gewünscht hätte. Aber die beträchtliche Höhe der Empore kam ihr zugute, und die behelmte Gestalt stand nicht weit von ihr entfernt. Bevor der Mann sich bewegen konnte, war der Zinnkrug schon dicht vor seinen Füßen auf die Steinfliesen der Halle geprallt. Er ließ das Gemälde fallen und machte instinktiv einen Satz zur Seite, was ihm aber nichts half. Als der Krug auf dem Boden auftraf, zersprang der Reif aus Elfenbein in mehrere Stücke. Das Metallgefäß ging jedoch nicht entzwei, sondern schnellte wieder hoch und traf den Eindringling unterhalb seines linken Knies.

Isobel zuckte zusammen, als sie das Knacken des Knochens hörte, und gleich darauf übertönte ein Schrei das Scheppern des Kruges, der über die Fliesen rollte. Obwohl der Mann starke Schmerzen haben mußte, ließ er sich nichts anmerken, sondern bückte sich sofort wieder, um das Bild aufzuheben. Als Isobel dies sah, geriet sie noch mehr in Wut und schaute sich nach anderen Waffen in greifbarer Nähe um. Sie entdeckte jedoch nur eine Schale mit Eiern aus Alabaster, die auch auf jenem Tisch stand, von dem sie den Zinnkrug genommen hatte. Ihre Finger schlossen sich um ein Ei, doch dann überlegte sie es sich anders. Die ganze Ladung würde als Wurfgeschoß weit wirkungsvoller sein als die einzelnen Alabastereier. Schrapnells, die einer Lady würdig sind, dachte sie mit grimmigem Humor.

Sie trug die Schale mit beiden Händen zur Balustrade. Unter ihr hielt die Gestalt im Motorradhelm krampfhaft das Bild an sich gepreßt und richtete sich gerade auf, schien also trotz der Verletzung nicht aufgeben zu wollen.

Isobel ebensowenig. Mit Schwung beugte sie sich über das Geländer und kippte die Schale mit den Alabastereiern direkt über dem Mann aus. Es waren ungefähr fünfzehn Stück, von denen drei Volltreffer landeten. Ein Ei traf ihn an der Schulter, ein zweites – dies tat sicher am meisten weh – direkt am Ellbogen. Wieder schrie er auf und ließ das Bild fallen. Das dritte Ei krachte gegen den Helm. Vermutlich spürte er dies kaum, doch das Visier war geborsten, und ein Splitter fiel zu Boden. Nun bot sich Isobel vielleicht die Chance festzustellen, wie der Einbrecher aussah.

Sie rannte die Empore entlang bis dorthin, wo sich ein weiteres Stück aus der Sammlung befand, die ihr Vater im Fernen Osten zusammengetragen hatte – ein japanisches Schwert. Immer noch wutentbrannt riß sie die Waffe vom Wandhaken und stürmte die Treppe hinunter.

Inzwischen hatte die behelmte Gestalt, halb hüpfend, halb humpelnd, die Flucht ergriffen – in Richtung Eßzimmer und offenes Fenster, durch das sie eingedrungen war.

Kaum hatte Isobel die ersten Schritte auf den kalten Steinfliesen der Halle getan, als sie mit ihrem nackten rechten Fuß in einen der Elfenbeinsplitter trat, die von dem Krug abgesprungen waren. Sie spürte im Ballen einen stechenden Schmerz, doch noch schlimmer war, daß sie ausrutschte und das Gleichgewicht verlor. Instinktiv streckte sie den Arm aus, um ihren Sturz zu bremsen, hatte dabei aber das Schwert vergessen, an dem sie sich prompt beim Hinfallen verletzte. Zum Glück verfehlte die Klinge ihr Auge, schnitt ihr aber in die Wange, so daß sie zu bluten begann. Die Waffe entglitt ihrer Hand, als sie sich etwas benommen wieder aufrichtete, um ins Eßzimmer zu laufen. Der Mann war verschwunden. Die Vorhänge vor dem offenen Fenster hingen schlaff und bewegungslos. Im silbrigen Mondschein, der die Nacht erhellte, war kein verdächtiger Schatten zu sehen. Isobel lauschte einen Moment und schloß dann das Fenster. Barfüßig konnte sie die Verfolgung nicht aufnehmen.

Immer noch sickerte Blut aus der Wunde in ihrer Wange, als sie in die Halle zurückkehrte und das Gemälde betrachtete, das der Eindringling zu stehlen versucht hatte. Bei genauerer Untersuchung stellte Isobel fest, daß der Rahmen an einer Ecke beschädigt und auch etwas Farbe vom Bild abgekratzt war. Während sie sich diese Kratzspuren ansah, die eine Hand auf die blutverschmierte Wange gedrückt, hörte sie, wie in einiger Entfernung ein Motorrad gestartet wurde. Gleich darauf war die Nacht aber wieder so ruhig wie zuvor.

Kapitel 1

»Vielleicht sind Sie reicher, als Sie glauben, Michael. Kommen Sie mal her, dann zeige ich Ihnen, warum.«

Julius Samuels hob lächelnd ein Glas an die Lippen. Leberflecke hüpften an seiner Kehle auf und ab, als der alte Herr einen Schluck Whisky trank. Es war kurz vor 10.00 Uhr. Mr. Samuels saß in einem reichlich ramponierten Drehsessel aus Mahagoni und trug einen farbbeklecksten weißen Malerkittel. In der linken Hand hielt er eine große ovale Palette, auf der bogenförmig ein ganzes Spektrum aus Farbpigmenten angeordnet war. Eine Zigarre, dicker als ein Daumen, qualmte im Aschenbecher auf einem Bord rechts neben ihm.

Michael Whiting bahnte sich einen Weg an Stapeln vergoldeter Rahmen, Ölbüchsen, Flaschen mit Firnis, so braun wie Bier, und unzähligen Gemälden vorbei, die diskret mit dem Gesicht zur Wand standen. Er schlängelte sich an der großen Staffelei vorbei, sorgsam darauf bedacht, mit seinem Cordanzug nicht an dem rissigen Holz hängenzubleiben, und stellte sich schließlich neben die massige Gestalt des angesehensten Restaurators von ganz London. Hinter und unter ihnen brauste bei herrlichem Wetter der Verkehr durch die Dover Street.

Auf der Staffelei vor den beiden Männern thronte ein Gemälde. Eine Frau mit blasser Haut – nur die Wangen zeigten einen Hauch von Röte – war abgebildet. Sie trug eine blaue Kapuze, die allerdings zur Hälfte von dem Restaurator entfernt worden war, und darunter kam eine wahre Flut kastanienbrauner Locken zum Vorschein.

Samuels griff nach seiner Zigarre und zog daran, bis das Ende wie die gezwirbelten feinen Drähte einer altmodischen Glühbirne aufleuchtete. »Ich nahm den Firnis ab und arbeitete dann mit etwas verdünntem Azeton und Spiritus.« Er räusperte sich umständlich, bevor er weiterredete. »Das Blau ging sofort ab, so problemlos wie Naseputzen. Darunter entdeckte ich diese prachtvollen Haare. Dann auch noch den Ohrring … deshalb habe ich Sie gleich angerufen.« Er stopfte sich die Zigarre wieder in den Mund.

Michael begutachtete das kastanienbraune Haar der Lady. Es war wunderbar gemalt, man konnte fast die einzelnen Strähnen zählen. »Verflucht großartig!« sagte er. »Aber warum überschmiert jemand eine solche Pracht mit dieser häßlichen Kapuze?«

»Komische Vögel, diese Viktorianer. Ich bin schon auf ähnliche Sachen gestoßen. Die Leute waren damals frommer als heute, und italienische religiöse Kunst war besonders in Mode, was sie sehr kostspielig machte. Aber es war nicht schwierig, eines jener Familienporträts zu ›frisieren‹, die viel gängiger und deshalb auch billiger waren. Schnapp dir das Bild einer hübschen Frau, vorzugsweise tot, damit sie sich nicht beschweren kann. Überpinsele den Schmuck, das Dekolleté, die modische Frisur, und in Null Komma nichts hast du eine Heilige oder die Jungfrau Maria.« Er kicherte, obwohl es bei ihm eher nach Gurgeln klang. »Das waren damals Spitzbuben.«

Michael lächelte, ließ aber kein Auge von dem Gemälde. »Wer wüßte das besser als Sie.«

Samuels antwortete, ohne die Zigarre aus dem Mund zu nehmen: »Wie wär’s mit einem Whisky, Michael? Sie denken heute morgen nicht logisch. Natürlich ›verschöne‹ auch ich manchmal Bilder. Das tun alle Restauratoren. Weil es die Kunden nämlich wollen – alte Meister sollen so aussehen, als ob sie erst am vergangenen Wochenende gemalt worden wären. Aber ich erfinde nie etwas hinzu.« Er schob Michael die Flasche Bell’s und ein Glas hin. Während Michael sich einschenkte, sprach Samuels weiter: »Ich habe Sie aus folgendem Grund angerufen: Falls Sie mir grünes Licht geben und ich all diesen viktorianischen Mist entferne, können Sie die Lady vielleicht an ihrem Schmuck identifizieren. Mag sein, daß sogar auch noch ein Wappen im Hintergrund verborgen ist. Wenn es Ihnen gelingt festzustellen, wer die rätselhafte Unbekannte ist, dann steigt der Wert des Bildes ganz gewaltig. Und deshalb sind Sie womöglich reicher, als Sie denken.«

Der starke Whisky so früh am Tag trieb Michael die Tränen in die Augen, doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sein Puls beschleunigte sich, was nicht nur auf den Alkohol zurückzuführen war, und er schaute wie gebannt das Bild an. Die Erregung, die er bei einer unerwarteten Entdeckung empfand, war einer der Gründe, warum er Kunsthändler geworden war. Natürlich liebte er es auch, Gemälde einfach nur anzuschauen – ganz besonders englische. Michael war der Meinung, daß die englische Malerei allgemein unterschätzt wurde. Zugegeben, die Amerikaner waren von ihr begeistert, doch Franzosen und Deutsche hatten die englische Kunst nie so hoch geachtet wie ihre eigene. Die wenigen Gelegenheiten, bei denen Michael Gemälde an ausländische Museen verkauft hatte, zählten zu den stolzesten Momenten in seiner Karriere. Die aufregendsten Momente jedoch verdankte er seinen Entdeckungen.

Er beugte sich etwas vor, um das Bild noch genauer zu inspizieren. Haarmähne und Schmuck waren eindeutig besser gemalt als die blaue Kapuze. Wie der alte Jules schon sagte, verbarg sich möglicherweise ein wirklich gutes Gemälde hinter dieser trübseligen viktorianischen Heiligen, die er bei einer Haushaltsauflösung zusammen mit etwas anderem erstanden hatte, an dem er weitaus mehr interessiert gewesen war.

Julius hatte inzwischen ein großes Buch von einem Bord genommen. Wie alle guten Restauratoren schrieb er immer genau auf, was er mit einem Bild anstellte. Da gab es Anmerkungen und kleine Zeichnungen, teils als eine Art Rückversicherung, falls es je zu einem Streit über die Authentizität dessen käme, was er restauriert hatte, teils aber auch als eine Gedächtnishilfe für den Fall, der immer wieder vorkam, daß ein Werk später erneut in seine Hände gelangte. Samuels schlug das Buch auf und zeigte Michael eine winzige Skizze. »Soviel habe ich bisher entfernt. Der Rest dürfte nicht mehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Was meinen Sie?«

Michael legte ihm die Hand auf die Schulter und gab zur Antwort: »Falls diese Lady sich als Glücksgöttin entpuppt, Jules, wird das Ihrer Leber nicht guttun.« Zwischen ihnen bestand die Vereinbarung, daß Michael stets mit Whisky bezahlte, um die Steuer zu umgehen.

Samuels gab ein heiseres Lachen von sich. »Michael, in meinem Alter wird die Leber zum liebsten und wichtigsten Organ.« Er kicherte in sich hinein, und die braunen Flecke vollführten wieder einen kleinen Tanz auf seiner Kehle. Gutgelaunt deutete er auf Michaels Glas: »Trinken Sie aus, und lassen Sie mich weitermachen. Sie müssen ja wohl auch in Ihren Laden, oder?«

Diesmal war es an Michael aufzulachen, bevor er den letzten Schluck Whisky trank. Samuels machte es einen Heidenspaß, Galerien als Läden zu bezeichnen, da er wußte, wie sehr er dadurch die Kunsthändler in ihrer Eitelkeit verletzte.

Draußen im hellen Sonnenschein wandte sich Michael in Richtung Piccadilly. Er hatte seine eiserne Regel gebrochen, nur schottischen Malt-Whisky zu trinken, was ihm eigentlich jedesmal passierte, wenn er Jules besuchte. Aber er lächelte vor sich hin, denn eine Begegnung mit dem alten Restaurator brachte ihn immer in gute Laune.

Er wich dem Verkehrschaos auf dem Piccadilly aus, lief die St. James’s Street entlang, an White’s vorbei, bog in die Jermyn Street ein und dann direkt gegenüber dem Kaufhaus Fortnum and Mason in die Duke Street. Seine eigene Galerie befand sich in Mason’s Yard auf der linken Straßenseite hinter einem Tordurchgang. Die Lage war zwar nicht so gut wie die eigentliche Duke Street und schon gar nicht so gut wie Old Bond Street, aber er war ganz zufrieden. Michael und sein Partner konnten sich hier größere Räumlichkeiten leisten, und jeder, der etwas von englischer Malerei verstand, wußte, wo sie zu finden waren.

Er kam an einigen anderen Galerien vorbei. In einem Schaufenster gab es ein Porträt zu bewundern, und Michael blieb auch prompt stehen. Es handelte sich um eine kleine Kreidezeichnung von Degas; Farbtupfer in puderigem Rosé, zartem Blau und Apricot sprühten zwischen dunklen Umrißlinien hervor. Sie zeigte einen Mann mittleren Alters mit Bart und schütterem Haar. Er trug ein gutgeschnittenes, elegantes Jackett, ein Hemd mit steifem Kragen und ein geblümtes Einstecktuch in der Brusttasche. Ein wohlhabender Mann aus der wohlhabenden Welt des 19. Jahrhunderts, einer Welt der Dienstboten, Fahrräder, Picknicks. Eine Welt, in die viele Leute zurückkehren wollten – wenn schon nicht im wirklichen Leben, dann wenigstens in der Kunst.

Michaels Blick wandte sich von dem Porträt ab und seinem eigenen Spiegelbild in der Fensterscheibe zu. Cordanzüge waren passé, das hatte er sich schon tausendmal anhören müssen. Sie paßten zu Jazz und Espressobars, die seine jüngere Schwester, Robyn, respektlos als alte Hüte des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen pflegte. Doch mit seinen dreiunddreißig Jahren brachte er es einfach nicht über sich, eine liebgewordene Gewohnheit aufzugeben. Außerdem war die Einheitskleidung der Kunsthändler – dunkler Zweireiher, Hemd aus amerikanischer Baumwolle, schwarze Schuhe, die wie ölige Oliven glänzten – auch nicht gerade verführerisch. Da Michael blond war, stand ihm der braune Anzug ausnehmend gut, was sogar Robyn zugeben mußte, die ihn oft um seine dichten, welligen Haare beneidete, obwohl er nie eine ordentliche Frisur zustande brachte. Er schaute versonnen die Zigarre in seiner Hand an. Das Rauchen war eine Schwäche, zugegeben. Zigarren waren teuer, ließen ihn älter wirken, und alle möglichen Leute, vor allem Frauen, haßten den Qualm. Aber Michael war fast süchtig. Er liebte den Duft, das Knistern der Tabakblätter und ihre Farbe. Er genoß das bedächtige Ritual, die Zigarre zu kappen, anzuzünden und im Flämmchen des Zündholzes hin und herzu drehen. Er rollte sie auch jetzt zwischen den Fingern, steckte sie sich dann in den Mund und zog nach einem weiteren prüfenden Blick auf sein Spiegelbild die Krawatte etwas enger.

Dabei seufzte er. Irgendwie sah er immer etwas unordentlich aus, wie sehr er sich auch Mühe gab. Er schaute noch einmal auf die apricotfarbenen Tupfer des Degas, bevor er den Torweg betrat, der zu Mason’s Yard führte. Seine Galerie lag genau am anderen Ende, so daß Passanten von der Duke Street aus das Firmenschild erkennen konnten. In Grün und Gold leuchtete die Inschrift »Whiting & Wood Fine Art«. Michaels Partner, Gregory Wood, war Finanzfachmann und verfügte über gute Kontakte in der City. Alle Galerien mußten Kredite bei Banken aufnehmen, um stets ein vielfältiges Angebot vorrätig zu haben, das sie ihren Kunden präsentieren konnten. Wenn Gregory Wood Geld zu günstigeren Bedingungen leihen konnte als andere Galerien, dann sicherte ihnen das einen nicht unbedeutenden Vorsprung.

Michael und Greg kamen gut miteinander aus, mußten es ja auch, wenn man bedenkt, daß es sich nur um eine kleine Firma handelte und sie sich nicht aus dem Weg gehen konnten. Während Greg Kapital auftrieb und hinter Kunden her war, die nicht bezahlt hatten, war es Michaels Aufgabe, Bilder und potentielle Käufer zu finden. Es gab nur einen einzigen Störfaktor in ihrer Beziehung, und der machte sich bemerkbar, als Michael die Galerie betrat. Michaels Freude über ihren derzeitigen »Star« – ein kleines Ölgemälde von Thomas Gainsborough, das eine Landschaft mit niedrigem, zartgrauem Horizont und ziegelrotem Himmel darstellte – schwand jäh, als Patrick Wood ihn begrüßte.

Wäre Patrick nicht Gregs Sohn, hätte Michael den knapp Zwanzigjährigen nicht einmal in der Nähe der Galerie geduldet. Aufgeblasene Snobs wie er, die sich einbildeten, der Handel mit Bildern erhebe sie über normale Sterbliche, waren in der Kunstwelt nicht selten anzutreffen. Erschwerend kam bei dem jungen Wood noch hinzu, daß er affig eine dünne Goldkette aus dem Knopfloch seines linken Revers baumeln ließ und grell getupfte Fliegen trug. Die heutige war pinkfarben mit dunkelroten Tupfen.

»Guten Morgen, Paddy.« Michael wußte, daß Patrick es haßte, wie ein irischer Maurergeselle angeredet zu werden. »Was hattest du denn im Allerheiligsten zu tun?«

Das »Allerheiligste« war der Vorführraum im hinteren Teil der Galerie, wo bevorzugten Kunden Gemälde gezeigt wurden, die für sie vielleicht in Frage kamen. Dort gab es bequeme Sessel, eine eingebaute Bar und zwei samtbezogene Staffeleien. Der Zugang zum Allerheiligsten sollte den Kunden das Gefühl vermitteln, privilegiert zu sein, was dem Durchschnitt verwehrt blieb. Patrick war gerade herausgekommen und hatte die Tür halb offen gelassen.

»Sie haben Besuch. Ich hoffte, sie ganz für mich behalten zu können, doch sie scheint Sie sprechen zu wollen.«

»Eine Frau?«

»Nicht nur irgendeine Frau, Michael. Sie ist Rita Hayworth, Prinzessin Diana und Zelda Fitzgerald in einer Person. Wie es der Guide Michelin ausdrücken würde: ›Durchaus einen Umweg wert‹ …«

Michael lächelte Patrick zu. Der Junge machte sich, war fast schon menschlich. »Weiter so, und wir lassen dich bald Eintragungen für den Katalog schreiben. Schaffst du’s wohl, Kaffee zu kochen, ohne deine zauberhafte Fliege zu besprenkeln?«

Patrick nickte. Diese Art von Wortgeplänkel war normal, und beide wußten, daß Greg auch damit einverstanden war. Er sagte immer wieder, daß seinem Sohn die Tupfen ausgetrieben werden müßten.

Michael ließ den Blick flüchtig über die Wände der Galerie gleiten. Es war Ende Mai, und die Kunstwelt bereitete sich auf ihre Hauptsaison vor – von Juni bis Mitte Juli. Schon bald würden Michael und Greg ihre Spitzenstücke aufhängen, um die Kunstsammler, die aus dem Ausland nach London zu den großen Auktionen und Antiquitätenmessen strömten, anzulokken. Im Moment zeigte die Galerie allerdings nicht ganz so aufwendige Bilder: ein kleines Porträt von John Hoppner, eine Landschaft von John Robert Cozens und eine wundervolle, fast schon abstrakte Wolkenstudie von John Thistle in Pfirsichfarben, Cremeweiß und Rot. Rasch rückte Michael das Bild zurecht, da es etwas schief hing, und betrat dann das Allerheiligste.

Es befand sich in einem eingeschossigen Anbau, den Michael und Greg mit einem Glasdach hatten decken lassen, damit die Bilder nach Möglichkeit bei Tageslicht betrachtet werden konnten. Im hellen Sonnenschein saß die Frau vor ihm, die Patrick ihm soeben voller Bewunderung beschrieben hatte. Sie war zwar nicht so jung wie Prinzessin Diana, trug ihr Haar aber tatsächlich à la Hayworth in einer glatten schimmernden Welle, die eine Wange fast bedeckte. Tiefdunkle, pflaumenblaue Augen, leicht gebräunte Haut. Doch ihr Gesicht wurde von den Augenbrauen dominiert, die gleichzeitig geschwungen und eckig zu sein schienen. Sie verliehen ihr einen amüsierten, fast schon spöttischen Ausdruck. Ein schmales Pflaster klebte schräg vor dem Ohr. Sie hatte ihren Regenmantel nicht ausgezogen, hatte nicht einmal den Gürtel gelockert, und das war es vermutlich, was ihr ein gewisses Fitzgerald-Flair gab. Irgendwie erweckte sie den Eindruck, ein Cabrio warte draußen auf sie.

»Hallo«, begrüßte er sie und streckte die Hand aus. »Sie wollen mich sprechen? Hoffentlich sind Sie nicht vom Finanzamt.«

Sie stand lächelnd auf und gab ihm die Hand. Mit ihren hochhackigen Schuhen war sie nur zwei, drei Zentimeter kleiner als er – also überragte sie sogar Prinzessin Diana. Ihre Hand fühlte sich erstaunlich rauh an. »Isobel Sadler.«

»Bitte setzen Sie sich«, forderte er sie auf. »Ich komme gerade von einem Bekannten, der es sich nicht nehmen ließ, mir trotz der frühen Stunde einen steifen Whisky anzubieten, und jetzt brauche ich dringend einen Kaffee. Möchten Sie nicht ablegen?« erkundigte er sich dann beiläufig.

Da der Mantel ihre Figur verbarg, war Michael etwas enttäuscht, als sie den Kopf schüttelte und nur den Gürtel öffnete. Darunter trug sie eine weiße Baumwollbluse und einen Kilt. Sie setzte sich wieder und schlug die Beine übereinander.

Bevor sie etwas sagen konnte, läutete das Telephon. Michael nahm den Hörer ab und holte aus der Brusttasche eine neue Zigarre, die er liebevoll zwischen seinen Fingern rollte, während er lauschte. »Ich kann’s kaum glauben«, sagte er dann in die Sprechmuschel. »Schon wieder? Verflucht eindrucksvoll! Wie viele Scheidungen sind’s nun? Vier? Was, sogar schon fünf! Ja, ich bin dabei, versteht sich. Gute Idee. Drei Wochen, würde ich schätzen. Wenn Miß Masson sich scheiden läßt, kann das nur bedeuten, daß die nächste Hochzeit schon vor der Tür steht. Okay? Bis dann, Nick.« Er legte auf, leckte das Endstück der Zigarre und suchte seine Streichhölzer. Dann wandte er sich wieder seiner Besucherin zu: »Entschuldigen Sie die Unterbrechung. Wo waren wir stehengeblieben?«

»Es ist sehr nett von Ihnen, mich gleich zu empfangen. Normalerweise muß man vermutlich vorher einen Termin ausmachen«, entgegnete Isobel Sadler. »Wie beim Arzt.« Eine Augenbraue zog sich ein wenig hoch. Signalisierte dies etwa Spott?

Michael blies die erste blaue Rauchwolke in den Raum. »Sie haben Glück, daß ich gerade hier bin«, erwiderte er. »Ich reise nämlich viel, und dann wäre Ihr Besuch reine Zeitverschwendung gewesen.«

»Ich hoffe, er ist für Sie keine Zeitverschwendung. Edward Ryan schlug mir vor, mich an Sie zu wenden.«

»Ach, tatsächlich? Warum gerade an mich?« Ryan handelte mit orientalischer Kunst. Michael stippte die Asche in eine Lackschale.

Isobel Sadler lächelte. »Er meinte, Sie seien weder zu alt noch zu jung, weder zu reich noch zu hungrig, weder zu ehrlich noch zu verschlagen und … Sie riskierten gern etwas.«

»Hmm. Hoffentlich hat Ryan einen guten Anwalt! Ich werde ihn verklagen.«

»Sparen Sie Ihr Geld. Er sagte nämlich auch, daß Sie wie ein Detektiv denken können und deshalb schon viele Entdeckungen gemacht haben. Nun, ich habe ein geheimnisvolles Rätsel für Sie.«

Bei diesen Worten griff Isobel Sadler nach einem Paket, das neben ihrem Stuhl lehnte. Der Form nach handelte es sich um ein Bild. Sie wickelte es aus. Michael bewunderte ihre anmutigen Bewegungen, bemerkte aber erneut, wie rauh die Haut ihrer Hände war. Im Profil war ihre Nase zu lang, um perfekt zu sein, und nach idealen Maßstäben war ihre Unterlippe etwas zu voll. Doch ihre Augenbrauen, die sich unabhängig vom sonstigen Mienenspiel zu bewegen schienen, gaben ihrem Gesicht Spannung, Charme und Eigenwilligkeit. Isobel Sadler hatte eines jener Gesichter, bei denen keiner der einzelnen Gesichtszüge, für sich betrachtet, außergewöhnlich war, die Summe des Ganzen jedoch einen äußerst starken Eindruck hinterließ. Michael gefiel dieses Gesicht.

Sie stand auf, plazierte das Gemälde auf einer der samtbezogenen Staffeleien und ließ sich dann wieder in ihrem Sessel nieder.

Michael musterte das Bild. Er konnte normalerweise auf Anhieb sagen, wie gut oder schlecht etwas war, doch die Leute mochten generell eine solch rasche Reaktion ganz und gar nicht. Es war für sie schmeichelhafter und auch überzeugender, wenn er sich etwas mehr Zeit nahm. Selbst wenn sein Urteil am Ende dann negativ ausfiel, waren sie merkwürdigerweise nicht ganz so enttäuscht.

Er sah sofort, daß der Rahmen an einer Ecke zerbrochen und dicht daneben etwas Farbe abgeblättert war.

Das Gemälde zeigte eine Landschaft. Im Hintergrund war ein Tal zu erkennen mit einigen Häusern und einer kleinen Baumgruppe. Im Vordergrund einige Gestalten – Michael zählte neun –, die alle männlich zu sein schienen. Jede war unterschiedlich gekleidet: Eine trug eine Art Uniformrock, eine andere eine Mönchskutte, und eine dritte schien ein Skelett mit Bischofsmütze darzustellen. Eine der Figuren ruhte vor einem halbzerfallenen Bogenfenster einer Ruine, durch das man auf die Landschaft hinausschauen konnte. Einige Säulen der Ruine standen noch, eine war von einem mit Figuren verzierten Kapitell gekrönt. Daneben waren die Überreste einer kleinen Kapelle zu erkennen, deren Inneres durch ein rotes Tuch abgeteilt war.

Michael, der sich Isobel Sadlers Blicke durchaus bewußt war, betrachtete die Landschaft eine Weile und rauchte schweigend seine Zigarre. Soso, Edward Ryan glaubte also zu wissen, daß er gern ein riskantes Spiel wagte. Glücksspiel war nur eine von Michaels Sünden. Die meisten anderen Dinge, die ihm Vergnügen bereiteten – Whisky, Zigarren, Steaks –, wurden heutzutage auch schon fast als Verbrechen angesehen. Er sog an der Zigarre, bis der Rauch seinen Mund ganz ausfüllte, und stieß ihn dann langsam aus. Dabei spürte er, wie sich Brust und Schultern wohlig entspannten – und das sollte eine Sünde sein? Michael stand auf und inspizierte das Bild aus der Nähe. Es war in keinem guten Zustand. Der Holzuntergrund wies an mindestens drei Stellen Risse auf, einer davon schien ziemlich neu zu sein. Abgesehen von der abgeblätterten Farbe, die ihm bereits aufgefallen war, störten auch noch Schmutzflecke und verfärbter Firnis. Er drehte das Gemälde um. Manchmal verriet die Rückseite mehr als die Vorderseite: wer es besessen hatte, wann und wo es verkauft worden war und ob man die Halterung ausgewechselt hatte. In diesem Fall gab es jedoch keine Anhaltspunkte. Abgesehen davon, daß zwei der drei Risse in der Holzplatte ganz durchgingen, und abgesehen von mehreren Wurmlöchern bot ihm die Rückseite dieses Gemäldes nichts Neues. Michael stellte es wieder auf die Staffelei, setzte sich und streifte wieder Asche von seiner Zigarre in die Lackschale.

»Steuerliche Probleme gibt’s hier nicht. Ihr Bild hat nur Liebhaberwert, fürchte ich.« Er überlegte, ob Miß – oder Mrs. – Sadler wußte, daß dies seit jeher eine schmeichelhafte Umschreibung war, um etwas als praktisch wertlos zu bezeichnen. »Vielleicht englischen, ganz sicher nordeuropäischen Ursprungs, aber von keinem Maler, den ich kenne … Allerdings bin ich da nicht der beste Experte«, fügte er rasch hinzu. »Zwar steht ›Englische Malerei‹ auf unserer Schaufensterscheibe und unseren Visitenkarten, doch spezialisiert sind wir eigentlich auf das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert. Ihr Bild ist viel älter, schätze ich, 16. Jahrhundert, seinem Aussehen und auch der Holzplatte nach. Abgesehen von dem schlechten Zustand, in dem es sich befindet …« Michael deutete mit seiner Zigarre auf die Sprünge und Farbabblätterungen »… handelt es sich um eine reichlich merkwürdige Bildkomposition. Offen gesagt, es ist einfach nicht gut gemalt.« Er zeigte auf ein Gesicht auf der rechten Seite des Bildes: »Dieser Kopf hier ist eigenartigerweise durchaus gelungen, aber der Rest…« er wedelte mit der Hand vor den anderen Figuren herum »… ist sehr mäßig, geradezu plump. Die Proportionen stimmen nicht, die Köpfe sitzen schief auf den Körpern, und die Gesichtszüge sind zum Teil reichlich grob.« Michael äußerte dies alles so behutsam wie möglich, da er seine Besucherin nicht allzusehr enttäuschen wollte. Doch andererseits durfte er ihr ja auch keine falschen Hoffnungen machen. »Ich muß zugeben, daß ich noch nie eine solche Bildkomposition gesehen habe.« Er tippte nun mit dem Finger auf die Gestalt im Uniformrock, den ein wellenförmiges Muster zierte. »Dieser Mann, der eine Uhr zu tragen scheint, sieht wie eine mythologische Figur aus.« Er zeigte auf weitere Gestalten: »Und hier haben wir ein Skelett mit einem Bischofsstab. Bei dem da drüben scheint aus seiner Körpermitte eine Art Baum zu wachsen … Ich habe keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat. Sehr merkwürdig.«

Er schaute das Bild noch eine Weile an und wandte sich dann Isobel Sadler zu. Die Haare waren ihr inzwischen noch tiefer ins Gesicht gefallen, als wolle sie sich vor der schlechten Nachricht verbergen, die er ihr brachte.

»Kurz und gut«, sagte Michael bedauernd, »es ist zwar ein altes, aber kein gutes Gemälde. Ich kann es nicht exakt taxieren, doch es ist höchstens einige hundert Pfund wert, nicht etwa Tausende. Tut mir leid.«

Er steckte sich wieder die Zigarre in den Mund. Die Leute reagierten im allgemeinen auf eine von drei verschiedenen Weisen auf schlechte Nachrichten, wie er aus Erfahrung wußte. Die einen zeigten unverhohlen ihre Enttäuschung, andere versuchten, sie durch nervöses Lachen zu überspielen. Und dann gab es noch jene, die von Anfang an daran gezweifelt hatten, daß ausgerechnet sie soviel Glück haben könnten, auf etwas wirklich Wertvolles gestoßen zu sein. Bei ihnen wurde aus der Verstimmung dann manchmal Wut, und sie stürmten aus der Galerie.

Isobel Sadler tat nichts dergleichen. Sie zog eine Augenbraue leicht hoch, schnippte mit dem Fingernagel an ihre Zähne, strich sich die Haare zurück und sagte: »Danke. Sie haben mir bestätigt, was ich auch schon vermutete.«

Michael rauchte nicht nur leidenschaftlich gern Zigarren – sogar in der Badewanne oder beim Angeln –, sondern fand sie auch sehr nützlich bei Geschäftsbesprechungen, weil er sich sozusagen dahinter verstecken und Zeit gewinnen konnte. Kein Mensch nahm ihm übel, wenn er bedächtig vor sich hin paffte, ohne etwas zu äußern. Als habe Zigarrenrauch eine einlullende Wirkung, die das Gegenüber dazu bringt, Verzögerungen leichter zu akzeptieren. Er spielte auch jetzt auf Zeit.

Isobel Sadler war eine merkwürdige Person, überlegte er. So merkwürdig wie ihr Bild. Bevor er etwas sagen konnte, tauchte Patrick mit dem Kaffee auf, stellte das Tablett auf einem Tischchen ab und reichte ihnen die Tassen. Michael wartete, bis Patrick den Raum wieder verlassen hatte, bevor er sagte: »Wenn Sie wußten, daß Ihr Bild nichts Besonderes ist, warum machten Sie sich dann die Mühe, zu mir zu kommen? Reine Zeitverschwendung …«

»Das habe ich nicht gesagt!« Isobel Sadler schrie nicht gerade, doch in ihrer Stimme schwang ein scharfer Unterton mit, der Michael beinahe aus der Fassung brachte. Seine Kaffeetasse klapperte.

»Ich stimme mit Ihnen überein, daß dieses Bild auf den ersten Blick kaum einen Wert hat, Mr. Whiting«, fuhr sie fort, und ihre Stimme hatte immer noch einen metallischen Klang. »Ich habe trotzdem eine Schwäche dafür, wohl deshalb, weil es seit Ewigkeiten in meiner Familie ist. Das macht mich jedoch nicht blind für die unbestreitbare Tatsache, daß es, nun, kein Meisterwerk ist. Ich stamme aus einer alten West-Country-Familie, und es wird behauptet, daß Holbein mit einem unserer Vorfahren befreundet war. Aber ich habe natürlich nie geglaubt, daß dieses Bild von ihm gemalt wurde. Wie Sie schon sagten, ist vieles unbeholfen, die Komposition ist … Sie nannten sie merkwürdig, und da würde ich Ihnen nicht widersprechen. Wenn ich nicht diese Schwäche dafür hätte, fände ich es vermutlich schauerlich.« Sie warf Michael einen durchdringenden Blick zu, als ob sie ihm bedeuten wollte, er brauche ihr gegenüber aus seiner professionellen Meinung wirklich keinen Hehl zu machen. »Aber, und das ist der springende Punkt, ich glaube sehr wohl, daß es etwas Besonderes ist. Damit komme ich zu dem angekündigten Rätsel. Nicht etwa, wieviel das Bild wert ist oder wer es malte interessiert mich, sondern warum es vorgestern nacht jemand zu stehlen versuchte.«

Michael stellte seine Kaffeetasse ab. Der fast aggressive Ton, in dem Isobel Sadler sprach, hatte ihm leichte Röte ins Gesicht steigen lassen. Er ließ sich mit der Antwort einen Moment Zeit und entlockte seiner Zigarre neue Rauchwolken. Auch seine Schwester Robyn hatte eine scharfe Zunge, schoß ihm durch den Kopf. Sie würde sein Gegenüber mögen. Schließlich sagte er: »Das sagt wenig. Nicht jeder Einbrecher kennt sich mit Kunst aus. Vielleicht hat er es aus Versehen mitnehmen wollen oder aber geglaubt, es müsse wohl wertvoll sein, da es sich um ›Kunst‹ handelt.«

»Nein«, widersprach sie sofort. »Der Einbrecher ging schnurstracks zu diesem Bild. Ich weiß es, weil er mich beim Eindringen ins Haus weckte und ich ihn störte. Zwar habe ich kein Ming-Porzellan oder Silber im Haus, doch es gibt die übliche Stereoanlage. Diebe haben es immer zuerst auf elektronische Geräte abgesehen, heißt es doch, oder? Noch wichtiger scheint mir aber ein anderer Aspekt: Nachdem ich ihn in seinem Treiben gestört hatte – ich warf einen Krug nach ihm und verletzte ihn am Schienbein –, flüchtete er mit einem Motorrad. Niemals hätte er eine sperrige, schwere Hi-Fi-Anlage damit transportieren können. Nein, nein, er war auf das Bild aus.«

Michael gab vor, die Tabakblätter seiner Zigarre ganz genau zu inspizieren. Die Vorstellung, daß diese Frau mit einem Krug auf einen Einbrecher losgegangen war, faszinierte ihn. Sie war ungewöhnlich mutig, wie es schien, und energisch war sie auch, was sich schon an ihrem Tonfall feststellen ließ. Dann kam ihm ein anderer Gedanke. Wenn sie es allein mit Einbrechern aufnehmen mußte, hieß das ja wohl, daß sie auch allein lebte, oder? Er spürte ihren fragenden Blick und antwortete endlich: »Vielleicht haben Sie recht, vielleicht irren Sie sich. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß auch das größte Interesse eines Einbrechers aus diesem Gemälde nichts Wertvolles macht.«

Isobel Sadler waren die Haare wieder ins Gesicht gefallen, und sie warf sie mit einer ungeduldigen Kopfbewegung zurück. »Ich erzähle Ihnen meine Geschichte von hinten nach vorne, Mr. Whiting, und das muß Sie ja verwirren. Entschuldigen Sie bitte. Bisher habe ich noch nicht über ein merkwürdiges Zusammentreffen von Ereignissen berichtet. Ich wollte zuerst sicher sein, daß es überhaupt etwas zu bedeuten hat, und Ihr negatives Urteil über das Bild hat mich sehr darin bestätigt.«

Michael erwiderte nichts. Ein Rauchschleier schwebte von ihm zu Isobel Sadler hinüber, die ihn demonstrativ wegwedelte.

»Wie schon erwähnt, habe ich ein Rätsel für Sie, doch das Bild ist nur ein Teil davon. Ich werde Ihnen zunächst einmal einiges zu meiner Person sagen, weil es vielleicht weiterhilft. Meine Familie, die Sadlers, kann ihre Vorfahren bis in die Tudorzeit nachweisen. Wir sind nicht mehr reich« – sie hob ihre Hände wie zum Beweis hoch – »und ich muß mich um den Hof meiner Eltern kümmern, seit beide gestorben sind, aber wir haben eine stattliche Ahnentafel.« Ihre Augen musterten ihn prüfend. »Es gibt da einen berühmt-berüchtigten Vorfahren, Sir William Sadler, 1480 bis 1537. Komisch, aber ausgerechnet seine Daten behalte ich immer im Kopf. Er spielte bei der Auflösung der Klöster eine etwas zwielichtige Rolle, da er als sogenannter ›Visitator‹ die Aufgabe hatte, Heinrich VIII. dabei behilflich zu sein, den Besitz der Klöster zu konfiszieren. Das machte ihn natürlich nicht gerade beliebt. Wegen Sir William oder ›Bad Bill‹, wie wir ihn unter uns nannten, habe ich mich seit jeher für Geschichte interessiert, und zwar besonders für lokale Geschichte, für alles, was mit der Familie oder der Gegend zu tun hat, aus der wir stammen – nahe Painswick in Gloucestershire. Deshalb lasse ich mir auch alle Kataloge der Auktionshäuser kommen, die Manuskripte versteigern. Vor einigen Wochen erfuhr ich, daß Schriftstücke, die mit Bad Bill zusammenhingen, bei Sotheby’s zur Auktion kommen sollten. Für die meisten Leute müßten sie wahnsinnig langweilig sein, da es sich hauptsächlich um Bestandslisten der Klöster handelte, bei deren Auflösung Sir William seine Hand im Spiel hatte. Dann waren da noch einige handschriftliche Briefe von ihm, darunter auch ein Brief an einen Verwandten. Genau an diesen Briefen war ich vor allem interessiert. Sie waren nicht hoch angesetzt, 150 bis 350 Pfund für alles zusammen. Ich dachte, ich würde sie problemlos kriegen.« Sie lächelte.

»Und bekamen Sie sie?« fragte Michael, der sich allmählich wunderte, wieso er sich diese Geschichte anhörte, die nichts mit Kunst zu tun hatte.

Isobel Sadler schüttelte den Kopf. »Ich bot zuerst natürlich den niedrigsten Betrag, also 150 Pfund. Doch da gab’s jemanden, der ebenso erpicht darauf war wie ich. Mich packte das Jagdfieber, den anderen auch. Unser Bietgefecht trieb den Preis auf über 500 und dann sogar auf 600 Pfund. Ich war total verblüfft. Bei 700 mußte ich aufgeben, denn der Hof ist zur Zeit eine große finanzielle Belastung für mich.«

Isobel sah aus, als sei sie mit den Gedanken weit weg, und Michael vermutete, daß der Hof ihre Kräfte bis zur Erschöpfung beanspruchte. Sein Blick fiel wieder auf ihre rauhen Hände. Anscheinend mußte sie selbst schwere Feldarbeit leisten.

Isobel Sadler gab sich schließlich einen kleinen Ruck und sprach weiter. »Nachdem der Zuschlag erfolgt war, blieb ich erst einmal wie vom Donner gerührt sitzen. Ich wußte nicht, wer mich überboten hatte, aber das spielte auch keine Rolle mehr. Mir war zwar bekannt, daß der Unterlegene bei einer Auktion manchmal den Gewinner nach der Abwicklung aller Formalitäten dazu bewegen kann, ihm das ersteigerte Objekt mit Profit zu verkaufen. Doch ich hatte sowieso schon mein Limit so weit überschritten, daß dies nicht in Frage kam. Ich konnte einfach nicht mehr bieten. Als ich schließlich aufstand, um zu gehen, kam ein Mann auf mich zu.«

Michael lehnte sich etwas vor. »Ihr Rivale?«

Sie nickte. »Später erfuhr ich, daß er Molyneux heißt. Er war mir behilflich, als ich mich durch die Stuhlreihe zwängte, und sprach mich an. Er fragte mich, ob ich Händlerin sei, denn er hatte bemerkt, daß ich mitgeboten hatte. Ich verneinte und erläuterte ihm mein Interesse an den Dokumenten auf ganz ähnliche Weise wie gerade eben Ihnen, Mr. Whiting. Er entschuldigte sich, daß er die Dokumente statt meiner erworben hatte, und erklärte, er habe sie in Kommission für einen Amerikaner ersteigert.

Dann begleitete er mich hinaus, machte ein wenig Konversation, erkundigte sich, wo ich wohnte, was ich sonst noch sammelte und so weiter. Er war so hochgewachsen, daß er mich weit überragte, und ich bin nicht gerade klein. Besonders auffallend fand ich seine tiefen Falten am Mund. Draußen, auf der Straße, erwähnte er beiläufig, daß er oder sein Partner in den nächsten Tagen in Gloucestershire zu tun hätten, und fragte mich, ob er mich besuchen könne. Er nannte mir seinen Namen und versprach noch, er würde den Amerikaner, in dessen Auftrag er die Dokumente ersteigert hatte, fragen, ob er mir Photokopien schicken dürfe. Das sei schließlich besser als nichts. Vielleicht könne er sie mir sogar schon mitbringen, wenn er mich besuchte.

Dann vergaß ich das Ganze. Ich glaubte keinen Moment daran, daß er kommen würde, das war nur Gerede. Aber er kam tatsächlich. Ohne vorher anzurufen, tauchte er eines Vormittags plötzlich auf. Er erklärte mir, daß er bei einer Haushaltsauflösung in Cirencester gewesen wäre und sich dann extra Zeit genommen hätte, um mich zu besuchen. Ich wunderte mich, war aber auch etwas geschmeichelt. Über die Dokumente gab es nichts Neues zu berichten, da sein Klient im Ausland war und er auf dessen Rückkehr warten mußte, bevor er etwas tun konnte. Aber er wirkte durchaus optimistisch. Ich machte Kaffee, wir plauderten etwas, und dann bat er mich, ihm das Haus zu zeigen. Es wurde eine Blitztour, da ich mich schleunigst wieder an die Arbeit machen mußte.«

»Ist ihm das Bild aufgefallen?«

»O ja. Er lachte sogar, als er es erblickte, und wies mich darauf hin, wie merkwürdig es in vielerlei Hinsicht war, genau wie Sie es eben getan haben. Dann erkundigte er sich, wie lange ich es schon hätte, und ich erzählte ihm, daß es seit Ewigkeiten in der Familie war. Während wir den Rest des Hauses besichtigten, schilderte er mir, welche Kuriositäten er selbst sammelte. Er sagte, er lasse eine alte Tradition des 15. und 16. Jahrhunderts wiederaufleben, als Adelige wie die Habsburger Kuriositätenkabinette einrichteten, in denen es ausgestopfte Tauben, Porträts von Damen mit Bärten und von berüchtigten Mördern, ein Perpetuum mobile oder Gemmen mit angeblich magischen Kräften zu bewundern gab. Er fügte hinzu, daß er mein Gemälde liebend gern in seiner Sammlung hätte, und bot mir 1000 Pfund dafür. Weiter schlug er vor, ich sollte mit diesem Geld dem Mann ein Angebot machen, der die Schriftstücke Bad Bills gekauft hatte. Auf diese Weise würde ich das Bild gegen die Dokumente eintauschen.« Sie strich sich wieder die Haare zurück. »Fast hätte ich ja gesagt. Doch dann überlegte ich, daß der Mann womöglich nicht bereit wäre, mir die Dokumente zu überlassen, und dann hätte ich beides verloren, sie und auch das Bild. Also lehnte ich ab. Molyneux reagierte sehr liebenswürdig und sagte, er verstände mich gut. Kurz darauf verabschiedete er sich. Und nun kommt der seltsame Zufall. Drei Tage später versuchte jemand, dasselbe Bild zu stehlen.«

Sie trank einen Schluck von ihrem Kaffee, der inzwischen sicher kalt war. »Zu stark«, sagte sie gleich darauf stirnrunzelnd. »Geben Sie Ihrem Angestellten den guten Tip, weniger wäre in diesem Fall mehr.« Trotzdem trank sie weiter. Das viele Reden und der Zigarrenrauch hatten sie offenbar durstig gemacht. Nachdem sie wieder ostentativ eine Rauchwolke weggewedelt hatte, sprach sie weiter. »Je mehr ich darüber nachdachte, desto merkwürdiger kam mir Molyneux’ Besuch vor. Ich habe mich deshalb bei allen Immobilienmaklern in Cirencester erkundigt, von denen es zum Glück nicht viele gibt.« Sie stellte ihre Tasse auf das Tablett zurück. »Seit Monaten wurde dort kein Haushalt aufgelöst.«

Michael wollte sie unterbrechen, doch sie winkte mit einer energischen Handbewegung ab.

»Ich glaube, daß Molyneux zu mir kam, um etwas herumzuschnüffeln. Er flunkerte mir etwas über eine Haushaltsauflösung vor, war bereit, mir 1000 Pfund für dieses Bild zu bieten, das gar nicht soviel wert ist, wie Sie sagen, und zu guter Letzt brach auch noch jemand in mein Haus ein, um genau dieses Bild zu stehlen. Noch etwas: Molyneux ist auffallend groß, an die 1,90 Meter. Der Einbrecher ebenfalls.« Isobel Sadler schaute Michael fast starr an. »Es gibt etwas an diesem Bild, irgendein Geheimnis, das es stehlenswert macht. Vielleicht hängt es mit den Schriftstücken zusammen, die ich nicht ersteigern konnte, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls meinte Edward Ryan, der ein Freund meines Vaters war, hier sei ein Geheimnis, das ganz auf Ihrer Linie liegt. Ich weiß nicht, wohin das Ganze führt und ob es Geld einbringt, aber ich bin gewillt, Ihnen die Hälfte von allem abzugeben, was immer Sie dabei herausholen. Edward sagte, so etwas würde Ihren Spieltrieb anregen.« Sie rieb sich mit dem Knöchel über eine Augenbraue. »Ist es so?«

Michael rollte erneut die Havanna zwischen seinen Fingern. Dann probierte er den Kaffee, der tatsächlich eiskalt war. Eine reichlich verrückte Geschichte, die sie ihm da erzählt hatte. Edward Ryan überschätzte seine Fähigkeiten, wenn er annahm, ausgerechnet er könne ein solches Rätsel lösen. Michael hatte nie zuvor mit etwas Vergleichbarem zu tun gehabt.

Sie faßte mit der Hand an ihren Hals, dessen zarte Haut in krassem Gegensatz zu ihren rauhen Händen stand. Ja, sie brauchte sichtlich Geld, aber … das Bild war einfach nicht gut genug, um etwas damit anfangen zu können.

Schließlich meinte er: »Zugegeben, es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen – zuerst Molyneux’ Besuch und dann der Einbruch, aber solche Zufälle gibt es eben. Mehr ist häufig nicht daran. Es sind Zufälle und nichts weiter.«

»Warum hat er mich mit der Haushaltsauflösung in Cirencester belogen?«

»Die Leute lügen ständig. Oft sogar ohne den geringsten Anlaß.«

»Also schön, dann gebe ich Ihnen noch einen anderen Grund, um mir zu helfen. Seit mein Vater vor eineinhalb Jahren starb, lebe ich allein auf der Farm. Ich habe einen Verwalter, aber das ist auch schon alles. Mehr Hilfskräfte kann ich mir nicht leisten, muß also selbst auf dem Feld mitarbeiten. Seit dem Einbruch habe ich panische Angst, was ich vorher gar nicht kannte. Ein Alarmsystem kommt nicht in Frage, da es mir viel zu teuer ist. Also will ich das verdammte Bild aus dem Haus haben, auch wenn es nichts wert ist. Falls doch, kämen mir ein paar tausend Pfund sehr gelegen.«

»Aber es ist nichts wert«, widersprach Michael. »Da bin ich mir ganz sicher.«

»Bah! Irrt ihr Händler euch denn nie?« Sie hustete und schlug förmlich nach einer Rauchwolke, die vor ihr in der Luft hing. »Über Irrtümer habe ich schon gelegentlich in der Zeitung gelesen. Können Sie denn gar keine Nachforschungen anstellen? Vielleicht hat Holbein einen winzigen Teil davon gemalt, oder es gehörte irgendwann einmal einer Berühmtheit. Das würde doch auch seinen Wert steigern, nicht wahr? Bitte sagen Sie nicht nein!« Sie wirkte plötzlich viel weniger selbstsicher. Die Haare waren ihr wieder ins Gesicht gefallen, und diesmal unternahm sie nichts dagegen. »Ich will nicht auf das Bild verzichten, will es jetzt aber auch nicht im Haus haben. Bitte!«

Spielte sie ihm etwas vor? Sie sah eigentlich nicht so aus, als ob sie sich leicht Angst einjagen ließe, aber so ganz allein auf einem großen Bauernhof zu leben, war natürlich auch etwas anderes als Michaels Situation, der ein kleines Haus in Chelsea bewohnte. Ihm fiel auf, daß sie leicht errötet war, und das erinnerte ihn an die Lady auf dem Bild, das der alte Julius restaurierte. Dieser Gedanke half ihm bei seiner Entscheidung. Die Frau in Julius’ Atelier brachte ihm möglicherweise einen unverhofften Gewinn ein. Deshalb konnte er es sich eigentlich leisten, etwas Zeit für die Frau ihm gegenüber aufzubringen, obwohl Greg auf diese zusätzliche Belastung sicher nicht begeistert reagieren würde.

»Tja, Sie spazieren hier so einfach herein, beleidigen mich, kritisieren den Kaffee und zeigen mir durch deutliche Gesten Ihren Abscheu vor meiner Zigarre. Unwiderstehlich. Verflucht bezaubernd.« Doch dann lächelte er. »Also gut, ich nehm’s Ihnen ab, aber das kostet etwas, und ich tue es nur für eine Woche oder so. Wenn ich in der Zeitspanne nichts ausfindig mache, gebe ich’s Ihnen zurück. Ist das ein Angebot?«

»Was meinen Sie damit: ›Das kostet etwas‹?«

»Edward Ryan hatte nicht ganz recht. Ich bin kein richtiger Spieler, sondern jemand, der gern wettet; und das ist für mich und meine Freunde etwas ganz anderes. Ich gehe nicht zu Pferderennen oder spiele Karten, und Roulette kann ich nicht ausstehen, jedenfalls nicht für länger. Vorhin am Telephon habe ich meinem Laster gefrönt, neben dem es natürlich noch andere gibt, das muß ich zugeben – Zigarren, Whisky, Schokolade.« Er lächelte. »Da es eben erst bekannt wurde, können Sie nicht wissen, daß sich die Filmschauspielerin Margaret Masson zum fünftenmal scheiden ließ. Ich gehöre nun zu einem kleinen Wettklub, der aus nur sechs Mitgliedern besteht. Am ersten Januar eines jeden Jahres setzt jeder von uns 2000 Pfund ein, die dann derjenige bekommt, der sich bis zum folgenden Weihnachtsfest die amüsanteste Wette ausgedacht hat. Wir wetten aber nicht regelmäßig, sondern nur dann, wenn in der Presse etwas auftaucht, das uns anregt. Der Einsatz bei den Wetten beträgt jeweils höchstens 100 Pfund, und zum Jahresende stimmen wir darüber ab, wer in den vergangenen zwölf Monaten die beste Idee hatte. Der Glückliche sackt dann 12 000 Pfund ein – ein hübsches Weihnachtsgeschenk. Vorhin rief ein Freund an, der Mitglied unseres Klubs ist. Sein Vorschlag, den ich gut finde, lautet, daß wir wetten sollen, wie rasch Miß Masson ihre nächste Verlobung bekanntgibt. Sie hörten, daß ich auf drei Wochen tippe.«

»Was Sie in Ihrer Freizeit tun, ist Ihre Sache – aber warum erzählen Sie mir das?«

»Weil ich Ihnen eine Wette vorschlagen möchte.«

»Ich wette nicht.«

»Seien Sie doch nicht so humorlos. Außerdem habe ich Ihnen die Wette ja noch gar nicht verraten.«

Isobel Sadler erwiderte nichts.

»Keine Sorge. Ich habe nur harmlose Laster.« Als er bemerkte, daß seine Zigarre auszugehen drohte, zündete er sie mit einem Streichholz wieder an und blies eine kräftige Rauchwolke in den Raum. »Abendessen.«

Sie schaute ihn nur an.

»Wenn ich irgend etwas über Ihr Bild herausfinde, das Sie nicht wußten und das seinen Wert steigert, gehen Sie mit mir an einem der Tage, an denen Sie nach London kommen, zum Abendessen.«

»Laden Sie oft fremde Frauen zum Essen ein?«

»So fremd sind Sie für mich nicht. Zwar hätte Rita Hayworth wohl kaum diesen Kilt getragen, und Sie scheinen kalten Kaffee zu mögen, aber sonst kann ich eigentlich nichts Fremdes feststellen.«

Sie lächelte. »Ich weiß gar nicht, ob ich diese Wette gewinnen oder verlieren will.«

»Sie willigen also ein?«

»Nur unter der Bedingung, daß Sie den ganzen Abend nicht eines von diesen abscheulichen Dingern rauchen.«

»Einverstanden.«

»Vielen Dank.« Sie erhob sich. »Ich fürchtete schon, daß mir das Bild Unglück bringt.« Sie begann an ihrem Gürtel zu nesteln. »Ich komme jede Woche einmal nach London, ich muß einfach ab und zu weg vom Hof, weil ich sonst verrückt werde. Soll ich nächste Woche bei Ihnen vorbeischauen?«

»Nein, lassen Sie mir vierzehn Tage Zeit. Ich habe schließlich auch noch andere Dinge zu tun«, sagte er lächelnd. »Eine Galerie führen, Zigarren kaufen, Wetten gewinnen.« Sie gaben sich die Hand.

»Na schön, dann in zwei Wochen. Sie können mich etwa zur gleichen Zeit wie heute erwarten.«

Er öffnete die Tür und geleitete sie durch die Galerie. Dabei deutete er auf ein Aquarell, auf dem einige Steinhäuser zu sehen waren. »Das ist ganz in der Nähe von Ihrem Bauernhof gemalt worden, in Broadway, Worcestershire. Es stammt von John Singer Sargent, einem amerikanischen Maler, der dort eine Weile lebte. Der Schriftsteller Henry James hat ihn übrigens mehrmals besucht.«

Beide schauten schweigend das Bild an, bevor Michael sie zum Ausgang brachte. Dort sagte sie mit echter Anerkennung in der Stimme: »Mir gefällt Ihre Galerie. Sie ist wirklich schön, Mr. Whiting.«

»Danke sehr.«

»Sie ist… wie soll ich’s bloß ausdrücken?« Sie überlegte und zog die Augenbraue zu dem spitzesten Winkel hoch, den er bisher gesehen hatte. »Durchaus einen Umweg wert?«

Kapitel 2

In den nächsten Tagen hatten Michael und Gregory Wood sehr viel zu tun. In Yorkshire fand eine Haushaltsauflösung statt, auch einige Bilder standen dabei zum Verkauf. Kurz darauf kam ein Angebot aus Irland, bei dem es um mehrere Porträts aus dem 18. Jahrhundert ging, was sie wiederum 48 Stunden kostete, und Michael mußte sich zudem noch um einen australischen Sammler bemühen, der plötzlich in London auftauchte und ernsthaftes Interesse für den Gainsborough bekundete. Das bedeutete drei Frühstücke hintereinander im Hotel »Westbury«.

Am Tag darauf fand die Hochzeit seiner Schwester Robyn statt, die bisher alles andere als ein seßhaftes Leben geführt hatte. Als Zoologin war sie während der ersten Jahre nach dem Studium in die abgelegensten Gegenden der Welt gereist, um Tiere zu beobachten. Inzwischen war sie bei einem Safaripark in der Nähe von Bath angestellt. Ihr Zukünftiger war ein junger Collegeprofessor in Oxford. Da Michaels und Robyns Vater schon tot war, mußte Michael die Rolle des Brautvaters übernehmen. Die Hochzeit fand in der Kirche von Somerset statt, und Robyn war ausnahmsweise zu nervös, um Michael aufzuziehen, was sie sonst nur zu gern tat. Sie war entzückt über sein Geschenk, ein kleines Ölbild von dem Niederländer Roelant Savery, das den Einzug der Tiere in die Arche Noah zeigte. Michaels Mutter wirkte so entspannt, wie er sie seit dem Tod seines Vaters nicht erlebt hatte, und er fuhr äußerst zufrieden nach London zurück. Nun war er endlich bereit, für Isobel Sadler einige Nachforschungen anzustellen.

Als sie zwei Wochen nach ihrem ersten Besuch in die Galerie kam, empfing Michael sie nicht im Allerheiligsten, sondern in seinem Büro im ersten Stock. Elizabeth Allsopp, seine Sekretärin, führte Isobel Sadler hinauf. Diesmal hatte sie ihren Regenmantel schon im Erdgeschoß ausgezogen, um ihn trocknen zu lassen, doch Michael fand ihr grünes Kleid eher häßlich. Seiner Meinung nach stand ihr die Farbe nicht. Das kleine Pflaster auf ihrer Wange fehlte, wie ihm gleich auffiel. An diesem Tag sah sie Rita Hayworth noch ähnlicher …

»Keine weiteren Einbrüche, hoffe ich«, begann er die Unterhaltung, nachdem sie sich gesetzt hatte.

»Gott sei Dank nicht. Das hätte noch gefehlt. Durch den Dauerregen der letzten zwei Wochen sind wir mit der Ernte schon viel zu spät dran.« Sie strich sich die Haare mit der anmutigen Bewegung zurück, die Michael so gut gefiel. »Gibt’s was Neues?«

Michael deutete auf eine Stelle hinter ihrem Kopf. Sie drehte sich um. Das kleine Büro mit seinen zwei hohen Fenstern, die auf Mason’s Yard hinausgingen, war förmlich gepflastert mit deckenhohen Regalen voller Kunstbücher und Auktionskataloge. Nur eine Stelle gegenüber dem Schreibtisch hatte Michael freigelassen, um dort sein jeweiliges Lieblingsbild oder ein anderes aufzuhängen, über das er gerade Nachforschungen anstellte. Dort hing nun Isobel Sadlers Gemälde.

»Bei unserem Abendessen …« begann er lächelnd und hob beschwichtigend die Hand, als sie sich schnell umdrehte. »Es gibt gute und schlechte Nachrichten. Einerseits glaube ich, Ihr Geheimnis aufgeklärt zu haben, andererseits fürchte ich aber, daß sich dahinter etwas viel Komplizierteres verbirgt.«

»Ryan hatte also recht«, sagte sie anerkennend. »Sie sind tatsächlich ein guter Detektiv.«

Michael schüttelte den Kopf. »Halt, nicht so voreilig. Bisher war’s nicht schwierig, aber wenn ich mich nicht irre, dann beginnen jetzt erst die wahren Probleme.«

Fast geistesabwesend nahm er seine Zigarre vom Rand des Aschenbechers und machte zwei Züge. Er hatte sein Jackett ausgezogen, hakte nun den Daumen hinter einen seiner knallroten Hosenträger und rutschte mit dem Stuhl zurück.

»Kommen wir zuerst zur Holbein-Frage. Ich zeigte Ihr Bild Frank Cobbold von der National Gallery, der im Moment in England der größte Holbein-Kenner ist, und er versicherte mir, daß auch nicht ein Hauch des Meisters in Ihrem Bild zu entdecken sei. Das können Sie also vergessen.«

Sie biß sich auf die Lippe und machte eine unwillkürlich abwehrende Bewegung mit der Hand. Dann erkundigte sie sich gespannt: »Was sonst noch?«

»Ich möchte nichts überstürzen. Wenn ich’s Ihnen nicht in der richtigen Reihenfolge erzähle, ist es zu verwirrend.« Er schaute auf den Hof hinaus. Schreckliches Wetter! Strömender Regen, der genau zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt hatte, um die geliehenen Cuts und phantasievollen Hutgebilde beim Rennen in Ascot durchzuweichen. Er zog an der Zigarre. »Cobbold wies mich auf noch etwas hin, woran ich selbst hätte denken können. Es gibt fast keine englischen Landschaftsmaler im 16. Jahrhundert. Ihr Bild mag in England gemalt worden sein, doch der Künstler war vermutlich Flame. Es ist mir noch nicht gelungen herauszufinden, wie er hieß, aber das spielt vermutlich gar keine Rolle, wie Sie gleich merken werden. Jetzt vergessen wir mal das Bild und konzentrieren uns statt dessen auf die Schriftstücke, die Sie gern ersteigert hätten. Ich weiß, daß Sie mich darum gar nicht baten, doch nach der kurzen Besprechung mit Cobbold war mein erstes Ziel Sotheby’s. Ich dachte mir, ich nehme die betreffenden Dokumente einmal unter die Lupe. Es ist Ihnen vielleicht nicht aufgefallen, doch laut Katalog gehörten diese Dokumente einem gewissen Matthew Hope. Sagt Ihnen der Name etwas?«

Isobel Sadler schüttelte den Kopf.