Das Haus in den Dünen - Robert Louis Stevenson - E-Book

Das Haus in den Dünen E-Book

Robert Louis Stevenson

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Beschreibung

Der abenteuerliche Kampf um eine Frau an der Küste Schottlands In einem einsamen Landhaus an der stürmischen Küste Schottlands treffen zufällig vier Menschen zusammen: Frank Cassilis, ehemaliger Student und Vagabund, sein alter Studienfreund Northmour, ein geheimnisvoller Bankier und dessen Tochter Clara. Während Cassilis und Northmour um Clara werben, gerät die Gruppe in Lebensgefahr. Eine psychologisch meisterhaft erzählte Abenteuergeschichte.

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Seitenzahl: 119

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Robert Louis Stevenson

Das Haus in den Dünen

Aus dem Englischen übersetzt von Heinrich Conrad

Reclam

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist ausgeschlossen.

 

RECLAMSUNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 962366

2025 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH

Coverabbildung: © Gutentag-Hamburg

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2025

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMSUNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962366-5

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014691-0

reclam.de | [email protected]

Inhalt

Das Haus in den Dünen

Ich schlage in dem Strandwald bei Graden mein Lager auf und entdecke ein Licht im Pavillon

Die nächtliche Landung der Jacht

Ich mache die Bekanntschaft meiner späteren Frau

Ich erfahre auf eine über-raschende Weise, dass ich im Strandwald von Graden nicht allein bin

Ein Gespräch zwischen Northmour, Clara und mir

Ich werde dem »Langen« vorgestellt

Ein Wort wird zum Fenster hineingerufen

Huddlestones Ende

Wie Northmour seine Drohung ausführte

Zu dieser Ausgabe

Anmerkungen

Nachbemerkung

Das Haus in den Dünen

Erstes Kapitel

Ich schlage in dem Strandwald bei Graden mein Lager auf und entdecke ein Licht im Pavillon

Ich war in meinen jungen Jahren ein großer Einsiedler. Es war mein Stolz, mich aus eigener Kraft durchzubringen und selbst für meinen Unterhalt zu sorgen; und ich kann sagen, dass ich weder Freunde noch Bekannte hatte, bis ich jene Freundin traf, die meine Frau und die Mutter meiner Kinder wurde. Nur mit einem einzigen Mann hatte ich eine Zeitlang einen engeren Umgang; dies war R. Northmour, der Besitzer von Graden Easter in Schottland. Wir hatten uns im College kennengelernt; und obwohl wir uns nicht besonders gern mochten oder auch nur näher miteinander zu tun hatten, so stimmte unsere Gemütsanlage doch so sehr überein, dass wir uns ganz gut vertrugen. Wir hielten uns für Menschenfeinde; doch bin ich später zu der Auffassung gelangt, dass wir ganz einfach nichts weiter als mürrische Burschen waren.

Unser Verhältnis war eigentlich keine Kameradschaft, sondern ein Nebeneinanderleben in Ungeselligkeit. Northmours überaus heftiges Temperament machte es ihm nicht leicht, mit irgendeinem Menschen in Frieden zu leben, außer mit mir. Und da er mich in meinem stillen Wesen akzeptierte und ich kommen und gehen konnte, wie ich wollte, war es mir möglich, das Zusammensein mit ihm ohne Widerwillen zu ertragen. Ich denke, wir nannten einander Freunde.

Als Northmour sein Examen machte und ich mich dafür entschied, von der Hochschule ohne ein solches abzugehen, lud er mich zu einem Dauerbesuch nach Graden Easter ein; und so lernte ich erstmals den Schauplatz meiner Abenteuer kennen.

Das Herrenhaus von Graden stand in einer öden Heidelandschaft, etwa drei Meilen von der Küste der Nordsee entfernt. Es war so groß wie eine Kaserne; und da es aus weichem Stein erbaut war, der in der scharfen Seeluft leicht verwitterte, war es innen feucht und zugig, von außen aber halb zur Ruine verfallen. Ein behaglicher Aufenthalt für zwei junge Leute konnte ein solcher alter Kasten nicht sein. Aber im nördlichen Teil des Besitzes, in einer Wildnis von Dünen und beweglichen Sandhügeln, zwischen einer Baumpflanzung und der See stand ein kleiner Pavillon, eine Art Belvedere, eine moderne Anlage, die ganz und gar unseren Bedürfnissen entsprach.

In dieser Einsiedelei verbrachten Northmour und ich vier stürmische Wintermonate. Wir sprachen wenig, lasen viel und verbrachten außerhalb der Mahlzeiten kaum Zeit miteinander. Ich wäre vielleicht länger geblieben; aber in einer Märznacht kam plötzlich ein Streit zwischen uns auf, der mich zur Abreise nötigte. Ich erinnere mich, dass Northmour zornige Worte gebrauchte, und ich habe ihm vermutlich eine scharfe Antwort darauf gegeben. Er sprang von seinem Stuhl auf und packte mich. Ich musste um mein Leben kämpfen – das ist keine Übertreibung –, und nur mit großer Anstrengung wurde ich seiner Herr; denn er war beinahe ebenso stark wie ich und schien den Teufel im Leib zu haben. Am nächsten Morgen benahmen wir uns, wie wenn nichts vorgefallen wäre; aber mein Feingefühl ließ es mir besser erscheinen, sein Haus zu verlassen, und er machte auch keinen Versuch, mich von diesem Vorsatz abzubringen.

Es dauerte neun Jahre, bis ich wieder in diese Gegend kam. Ich wanderte damals mit einem Planwagen, einem Zelt und einem kleinen, tragbaren Kochherd. Den ganzen Tag ging ich zu Fuß neben dem Wagen her, und nachts schlug ich mein Lager, wenn es möglich war, in einer Talmulde oder am Rand eines Waldes auf. Ich glaube, ich durchzog auf diese Weise die meisten wilden und öden Gegenden, sowohl in England als auch in Schottland. Da ich weder Freunde noch Verwandte hatte, plagte mich kein Briefwechsel, und ich hatte kein Hauptquartier, es sei denn, man zählte das Büro meiner Anwälte dazu, von denen ich zweimal im Jahr mein Einkommen bezog. Mich entzückte ein solches Leben, und ich war fest überzeugt, dass ich als ein solcher Landstreicher alt werden und schließlich in einem Straßengraben sterben würde. Die einzige Aufgabe für mich bestand darin, abgelegene Winkel zu finden, wo ich ohne Furcht vor Spionen mein Lager aufschlagen konnte. Als ich mich in einem anderen Teil dieser Grafschaft befand, fiel mir plötzlich das Haus in den Dünen ein. Keine große Landstraße führte im Umkreis von drei Meilen an ihm vorüber. Die nächste Stadt – und auch diese war eigentlich nur ein Fischerdorf – lag sechs bis sieben Meilen entfernt. In einer Länge von zehn Meilen und in einer Breite von einer halben bis zu drei Meilen erstreckte sich diese Einöde am Meer entlang. Der Strand, der den natürlichen Zugang bildete, war voll von Treibsandstellen. Ich darf wohl sagen, es gibt im ganzen Vereinigten Königreich kaum einen besseren Ort, um sich vor der Welt zu verbergen. Ich beschloss, eine Woche im Strandwald bei Graden Easter zuzubringen, machte einen langen Tagesmarsch und traf an einem stürmischen Septembertag gegen Abend dort ein.

Die Gegend bestand, wie ich schon sagte, aus Sandhügeln und den sogenannten links. Links ist ein schottischer Begriff für Dünen, also Sand, der nicht mehr wandert und mehr oder weniger fest mit Gras bewachsen ist.

Der Pavillon stand auf einer ebenen Fläche; dicht dahinter begann der Wald mit einer von den Winden zerzausten Holunderhecke; auf der Vorderseite befanden sich ein paar zackige Sandhügel zwischen dem Haus und dem Meer. Felsgestein, das an dieser Stelle zum Vorschein kam, hatte eine Schutzwehr für den Sand gebildet, so dass hier ein Vorgebirge zwischen zwei seichten Buchten ins Meer vorsprang. Unmittelbar vor der Flutlinie tauchte der Fels wieder auf und bildete eine zwar kleine, aber sich deutlich abgrenzende Insel. Die Treibsandstellen waren bei niedrigem Wasserstand groß und in der ganzen Gegend wegen ihrer Gefährlichkeit berüchtigt. Man sagte, dicht am Strand, zwischen der Insel und dem Vorgebirge, werde ein Mensch in viereinhalb Minuten von ihnen verschluckt; es kann aber gut sein, dass diese genaue Zeitbestimmung wenig begründet war.

Der ganze Ort wimmelte von Kaninchen, und unzählige Möwen flatterten und kreischten ständig um das Haus herum.

An Sommertagen hatte man eine schöne Aussicht, ja die Gegend machte dann einen geradezu fröhlichen Eindruck; aber an einem Septemberabend mit starkem Wind und einer schweren Brandung, die unmittelbar an den Dünen schäumte, konnte man an diesem Ort nur an ertrunkene Seeleute und Schiffbrüche denken. Ein Segelschiff, das sich am Horizont mühsam gegen den Wind vorankämpfte, und ein im Treibsand dicht unter mir halbvergessenes großes Wrack vervollständigten das Bild.

Dem Haus war noch nicht viel von seinem Alter anzumerken, auch wenn es schon vom vorigen Besitzer, Northmours Onkel, einem einfältigen und verschwenderischen Kunstliebhaber, erbaut worden war. Es war zwei Stockwerke hoch, in italienischem Stil errichtet; ein kleiner Garten umgab es, worin nur einige Herbstblumen wuchsen. Mit seinen geschlossenen Fensterläden sah es nicht wie ein verlassenes Haus aus, sondern als ob es überhaupt noch niemals von Menschen bewohnt gewesen wäre.

Northmour war offenbar nicht zu Hause; ob er nach seiner Gewohnheit verdrossen in der Kajüte seiner Segeljacht hockte oder einen seiner phantastischen Ausflüge in die Welt und Gesellschaft machte, wozu ihn ab und zu ein plötzlicher Einfall trieb – das konnte ich natürlich nicht wissen. Über dem Ort lag eine Einsamkeit, die selbst für einen Einsiedler wie mich etwas Beängstigendes hatte; der Wind heulte mit seltsam klagenden Tönen in den Schornsteinen; und mit einem Gefühl der Erleichterung, als ob ich heimkäme, wandte ich mich ab und betrat hinter meinem Karren den Saum des Waldes.

Der Strandwald bei Graden war angepflanzt worden, um die Äcker dahinter zu beschützen und dem landwärts vordringenden Dünensand Einhalt zu gebieten. Wenn man ihn von der Küste her betrat, sah man hinter den Holundersträuchern andere anspruchslose Bäume; sie waren aber allesamt verkrüppelt und eigentlich nur Gebüsch. Sie hatten einen harten Kampf um ihr Dasein zu führen: In wilden Winterstürmen bogen sie sich ganze Nächte lang; schon im Frühsommer wirbelten die fallenden Blätter und begann der Herbst. Zum Land hin stieg der Boden zu einem kleinen Hügel an, der mit der Insel zusammen den Schiffern als Landmarke diente. Wenn der Hügel Richtung Norden neben der Insel hervortrat, mussten die Schiffe gut Richtung Osten halten, um an Graden Ness und Graden Bullers vorbeizukommen.

Wo der Hügel sich senkte, floss ein Bächlein zwischen den Bäumen durch; das von ihm mitgeführte Erdreich und das tote Laub hatten hier und da Dämme gebildet, und der Bach war an vielen Stellen übergetreten, so dass stehende Wasserlachen entstanden waren. Ein paar zerfallene Hütten lagen in diesem Wald; wie Northmour mir erzählt hatte, waren es geistliche Niederlassungen gewesen, die früher fromme Eremiten beherbergt hatten.

Ich fand eine Höhle oder kleine Bodeneinsenkung mit einer Quelle frischen Wassers. Dort rodete ich die Brombeerstauden aus, schlug mein Zelt auf und machte ein Feuer an, um mir mein Abendessen zu kochen. Mein Pferd pflockte ich etwas tiefer in den Wald hinein an, wo ein Rasenfleck war. Die Ränder der Höhle verbargen nicht nur den Schein meines Feuers, sondern schützten mich auch gegen den starken und kalten Wind.

Meine Lebensweise war zu jener Zeit abhärtend und mäßig. Ich trank niemals etwas anderes als Wasser und aß selten eine bessere Speise als Hafermehl; und ich brauchte so wenig Schlaf, dass ich oftmals, obwohl ich schon mit der Morgendämmerung aufstand, lange Stunden im Dunkeln wach lag oder die Sterne am Nachthimmel betrachtete.

So ging es mir auch jetzt im Strandwald bei Graden; obwohl ich bereits um acht Uhr mit dankbarem Herzen einschlief, war ich schon vor elf Uhr wieder vollkommen wach, ohne die geringste Schläfrigkeit oder Übermüdung zu spüren. Ich stand auf und setzte mich ans Feuer, sah, wie sich die Bäume im Sturm bogen und die Wolken oben am Himmel entlangjagten, und horchte auf den Wind und auf das Brausen der Wogen am Strand, bis ich schließlich genug von der Untätigkeit hatte, meine Talmulde verließ und zum Waldrand schlenderte. Ein junger Mond, in Nebel vergraben, schenkte meinen Schritten ein schwaches Licht, aber das Licht wurde heller, als ich in die Dünen hinausging. In demselben Augenblick traf mich der Wind, der vom Seewasser salzig schmeckte und Sandkörner mit sich führte, mit voller Gewalt ins Gesicht, so dass ich meinen Kopf senken musste.

Als ich ihn wieder erhob, um mich umzusehen, bemerkte ich im Pavillon ein Licht. Es blieb nicht auf einer Stelle, sondern wanderte von einem Fenster zum anderen, als ob jemand die verschiedenen Räume mit einer Lampe oder Kerze untersuchte. Sehr überrascht, beobachtete ich dieses Licht einige Sekunden lang. Als ich am Nachmittag gekommen war, war das Haus offenbar verlassen gewesen; jetzt wurde es ebenso offenbar bewohnt. Es war mein erster Gedanke, dass vielleicht eine Diebesbande eingebrochen wäre und jetzt Northmours Schränke plünderte; dieser Schränke waren viele, und sie waren nicht übel ausgestattet. Aber was konnte Diebe nach Graden Easter verlocken? Und dann – alle Fensterläden waren geöffnet worden; dem Charakter solcher Leute hätte es eher entsprochen, sie zu schließen. Ich verwarf also diese Annahme und entschied mich für eine andere: Northmour selber musste eingetroffen sein und war jetzt dabei, das Haus zu lüften und zu mustern.

Ich habe bereits gesagt, dass zwischen ihm und mir keine wirkliche Zuneigung sei; aber hätte ich ihn sogar wie einen Bruder geliebt, damals war ich so viel mehr in Einsamkeit verliebt, dass ich trotzdem seiner Gesellschaft ausgewichen wäre. So machte ich also kehrt und lief davon, so schnell ich konnte, und ich empfand eine aufrichtige Befriedigung, als ich wieder ruhig bei meinem Feuer saß. Ich war der Begegnung mit einem Bekannten entgangen: also hatte ich noch eine behagliche Nacht vor mir. Am Morgen konnte ich mich entweder drücken, bevor Northmour auf den Beinen war, oder ich konnte ihm einen Besuch machen, der so kurz oder so lang war, wie es mir passte.

Als es aber Morgen wurde, kam mir die ganze Lage so lustig vor, dass ich meine Menschenscheu vergaß. Northmour war mir ausgeliefert; ich traf meine Vorbereitungen zu einem guten derben Scherz, obwohl ich sehr gut wusste, dass mein Nachbar nicht der Mann war, mit dem man ohne weiteres seinen Spaß treiben konnte. Ich kicherte schon im Voraus bei dem Gedanken an meinen Erfolg und versteckte mich hinter den Holundersträuchern am Waldrand, von wo aus ich die Tür des Hauses stets im Auge hatte. Die Fensterläden waren alle wieder geschlossen, und das kam mir, wie ich mich noch erinnere, sonderbar vor; das Haus mit seinen weißen Mauern und grünen Fensterläden sah im Morgenlicht adrett und wohnlich aus.

Stunde um Stunde verging, und noch immer war von Northmour keine Spur zu sehen. Ich wusste, dass er ein Langschläfer war; als es aber beinahe Mittag geworden war, da verlor ich die Geduld. Um die Wahrheit zu sagen, hatte ich mir vorgenommen, in dem Pavillon zu frühstücken, und der Hunger begann an meinen Eingeweiden zu nagen. Es war jammerschade, die Gelegenheit zu einem lustigen Streich ungenutzt vorübergehen zu lassen; aber der derbere Hunger nach Speise war stärker – ich verzichtete mit Bedauern auf meinen Spaß und verließ den Wald.