Das Haus Zamis 114 - Rüdiger Silber - E-Book

Das Haus Zamis 114 E-Book

Rüdiger Silber

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Beschreibung

Oberflächlich gesehen genoss ich die Luxushaft. Immerhin war ich in Rebeccas Appartement im Dakota Building gefangen. Die Zimmer waren riesig, die Zimmerdecken fast vier Meter hoch. Die Gesellschaftsräume waren gemäß dem französischen Stil durch hohe Türen miteinander verbunden, und jeder besaß einen weiteren Zugang zum Wohnungsflur. Die Räume waren feudal und kultiviert eingerichtet - im Wohnzimmer stand sogar ein Bechstein-Flügel. Die Zimmer boten alle erdenklichen Bequemlichkeiten. Die riesige Küche war voller Hightech. Und die Aussicht war phänomenal. In Wahrheit aber saß ich im Folterknast. Denn meine Gefangenenwärterin hieß Amelia Vanderbuild ...


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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

... KOMMT DER TOD

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt.

Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. Während eines Schwarzen Sabbats wird Asmodi von Thekla Zamis vorgeführt. Aus Angst vor seiner Rache flüchten die Zamis vorübergehend aus Wien, kehren schließlich jedoch dorthin zurück. Asmodi verlangt von Coco, seinen missratenen Sohn Dorian Hunter zu töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch anstatt den Auftrag sofort auszuführen, verliebt sie sich in ihn. Zur Strafe verwandelt Asmodi Dorian Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet.

In Wien übernimmt Coco ein geheimnisvolles Café. Sie beschließt, es als neutralen Ort zu etablieren, in dem Menschen und Dämonen gleichermaßen einkehren. Zugleich stellt Coco fest, dass sie von Dorian Hunter schwanger ist. Coco, Michael und Toth bitten Asmodi um Hilfe gegen die Todesboten, müssen dafür jedoch das für sie jeweils Wertvollste als Pfand hinterlegen. So wird Coco ihr Ungeborenes genommen.

Mit Hilfe von Cocos Bruder Volkart gelingt es, die Todesboten zu besiegen. Doch Asmodi gibt den Fötus zunächst nicht wieder her. Mit Hilfe ihres neuen Liebhabers Damon Chacal gelingt es Coco schließlich, das Kind zu finden und es im Totenreich zu verstecken. Danach trennt sie sich wieder von Chacal, wird jedoch bald von Albträumen heimgesucht – als sie einen Anruf von ihrer Freundin Rebecca erhält. Diese lädt Coco nach New York ein ... Doch die schwangere Rebecca steht unter dem Einfluss der dämonischen Vanderbuilds. Als Coco bei der Voodoo-Priesterin Mama Wédo um Hilfe ersucht, fährt diese in Rebecca ... Coco kann nicht verhindern, dass das Kind im Dakota Building zur Welt kommt. Es entpuppt sich als missgestalteter Dämon mit gewaltigen Kräften. Immerhin gelingt es Coco, mit Mama Wédo aus dem Dakota zu flüchten. Die will sich an den Vanderbuilds rächen und erpresst Coco: Wenn sie ihr dabei hilft, gibt sie Rebeccas Körper wieder frei ...

... KOMMT DER TOD

von Rüdiger Silber

ENDE

Carson Lardner blickte auf die vier Buchstaben, die er mit dem Zeigefinger Taste für Taste feierlich auf den Papierbogen getippt hatte: das ›E‹, dem aufgrund der stärkeren Abnutzung der Schreibmaschinentype ein Stück fehlte; das leicht nach oben verrutschte ›N‹, das tief in die Textur des Papiers geprägte ›D‹. Es hieß, jedes Ende bedeute einen Anfang. Für ihn aber bedeutete ENDE das Ende. Das Ende eines neuen Romans. Das Ende von elf Monaten harter Arbeit.

Lardner lenkte den Blick auf den dicken Stoß einseitig betippten Papiers, der neben der Schreibmaschine lag. Der Stapel war so hoch wie die Maschine, fast tausend Seiten, das ergab im Druck mehr als siebenhundert Buchseiten.

Viel zu viel, fand Lardner. Noch in den fünfziger und sechziger Jahren waren Erfolgsautoren wie Ian Fleming, Mickey Spillane oder Ira Levin mit zweihundert Seiten ausgekommen. Heute verlangten die Leser und somit die Verleger Bücher wie Hackklötze.

1. Kapitel

Egal. Irgendwann war auch ein Siebenhundert-Seiten-Wälzer zu Ende geschrieben. Lardner griff nach der Flasche mit dem Whiskey, die neben der Schreibmaschine bereitstand, und öffnete sie. Seit zwanzig Jahren feierte er die Fertigstellung eines jeden neuen Romans mit einer Flasche Kentucky Straight Bourbon. Am Anfang war es mittelpreisige Plörre gewesen. Inzwischen gönnte er sich zu dieser besonderen Gelegenheit sechzehn Jahre alten ›A. H. Hirsch Reserve‹, die Flasche zu tausendvierhundert Dollar.

Er schenkte sich ein.

In den alten Tagen, fand Lardner, hatten Manuskripte noch Charakter besessen, denn sie waren mit der Hand geschrieben. Aber auch ein Schreibmaschinenskript hatte Charakter. Typen waren abgenutzt, und die Buchstaben beschädigt. Typenhebel waren ausgeleiert, die Buchstaben blass. Buchstaben standen ober- oder unterhalb der Zeile, Punkte waren wie Löcher ins Papier gestanzt.

Ein Typoskript mit Seele besaß sogar noch mehr: Knicke, Farbband-Schlieren, von Whiskeygläsern hinterlassene hellbraune Ringe, Spuren von Zigarettenasche ...

Er hob das Glas, inhalierte das Bukett und nahm den ersten Schluck. Schloss genießerisch die Augen. Dann stellte er das Glas auf dem obersten Blatt des Papierstapels ab, der vorletzten Seite seines Romans. Er nahm eine Zigarre aus dem Humidor und brannte sie an.

Nur erfolgreiche Autoren konnten sich heute noch leisten, ihre Werke in die Schreibmaschine zu hämmern. Denn kein Verlag nahm noch Typoskripte an. Die Verleger verlangten digitale Textdateien, die ihnen per E-Mail zugesandt wurden. Man musste also eine Schreibkraft bezahlen, die den Roman vom Typoskript in den Computer übertrug.

Die meisten von Lardners Kollegen benutzten heutzutage PCs oder Macs. Beim Schreiben hörten sie Musik. Klassik, Filmscores oder Jazz.

Lardners Hintergrundmusik war das Klappern der Tasten seiner Schreibmaschine, das Klacken der Typen beim Aufschlag gegen die Walze. Das Tippstakkato stärkte seine Konzentration, statt sie zu stören, wie es Musik getan hätte. Und der physische Krafteinsatz beim Hacken in die Tastatur übertrug sich als erzählerische Energie auf das Werk.

Lardner hatte schon früh Erfolg mit seinen Geschichten gehabt. Aber in die Oberliga ... in die Bestsellerliste der New York Times, in eine Reihe mit Autoren wie David Baldacci, Lee Child oder James Patterson ... war er erst mit der Erfindung eines eigenen Serienhelden aufgestiegen: Jonah Holt, Privatdetektiv. Ein Mann, der genauso altmodisch war wie Lardner selbst. Während heute alle Welt mit Pistolen ballerte, die zu achtzig Prozent aus Kunststoff bestanden, benutzte Holt die Dienstwaffe, die sein Vater, ein einfacher Streifenpolizist des NYPD, in den siebziger Jahren getragen hatte.

Lardner hatte seine alte Olivetti Lettera 32. Holt verließ sich auf seinen alten Revolver Smith & Wesson Model 10.

Danke, Holt, dachte er. Ohne dich könnte ich mir keinen Bourbon leisten, der pro Flasche mehr kostet, als du in manch kargem Monat verdienst. Ohne dich hätte ich mir nicht die beste Scheidungsanwältin von New York leisten können. Ohne dich hätte ich auch nicht ins Dakota umziehen können, Wand an Wand mit Größen aus dem Reich des Films, der Kunst und der Finanzen.

Er nahm das Glas vom Papierstoß – es hinterließ einen hellbraunen Ring auf den Zeilen. Lardner lächelte und strich die Zigarre auf dem obersten Blatt des Stapels ab.

Dann betätigte er den Papierlösehebel der Olivetti und klappte den Papierhalter nach oben, um die letzte Romanseite aus der Maschine zu ziehen.

Im selben Moment hörte er das Klacken einer Taste. Ein Typenhebel schnellte nach oben. Lardner spürte einen kurzen Schmerz, als die stählerne Type seinen Daumen streifte und eine rote Schramme auf der Haut hinterließ.

Er riss die Hand zurück. Dann fiel die Zigarre auf die Schreibunterlage, denn seine Kinnlade war nach unten geklappt, und ihm stand der Mund offen.

Unsichtbare Finger hämmerten auf die Tasten ein. Die Tasten fuhren wuchtig hinab und schleuderten die Typenhebel nach oben, die im Stakkato auf das Papier schlugen. Das Geräusch glich rasendem metallischem Zähneklappern, die Schreibmaschine bebte unter der Gewalt der Anschläge.

Die Walze bewegte sich nach links, und auf dem Papier erschienen Buchstaben, Worte.

Am Ende der Zeile stoppte die Walze. Die immer noch wie rasend emporschnellenden Typenhebel verhakten sich ineinander, aber die Geisterfinger hämmerten weiterhin gewaltsam auf die Tasten ein, bis die Kappen von den Tastenhebeln brachen.

Endlich kam die Tastatur zum Stillstand. Sie grinste Lardner an wie ein von Faustschlägen gelichtetes Gebiss.

Die aufs Papier gehämmerte Zeile lautete:

DAS ENDE AUF ERDEN IST DER ANFANG IN DER HÖLLE. DAS ENDE AUF ER

Lardner sprang so hastig vom Stuhl auf, dass das Möbel umkippte und er beim Zurückweichen darüber stolperte. Er rappelte sich wieder hoch, ohne die Schreibmaschine aus den Augen zu lassen.

Die Wohnungsklingel schrillte.

Das Geräusch war für Lardner das Signal zur Flucht. Ohne die verhexte Olivetti aus den Augen zu lassen, stolperte er rückwärts zum Zimmer hinaus. Wie ferngelenkt stelzte er durch den Flur. Im Zustand des Schocks vergaß er, durch den Türspion zu spähen. Er löste die Riegel und zog die Tür auf.

Ein Mann stand auf der Schwelle. Lardner erkannte ihn sofort. Zweihundert Pfund Muskel- und Narbengewebe in Straßenkleidung. Ein Kinn wie der Kuhfänger einer Dampflokomotive. Die Augen waren grau, fast schwarz – wie die Köpfe von Sargnägeln, hatte Lardner sie einmal beschrieben.

Noch ein drittes Auge starrte ihn ebenso einschüchternd an. Die Mündung des Smith & Wesson Model 10, den der Mann auf ihn gerichtet hielt.

Wie erwartet, war die Stimme leise, aber bezwingend.

»Komm mit«, sagte Jonah Holt. »Wir gehen zusammen in den Keller.«

Dakota Building, 7. Stock

Oberflächlich gesehen genoss ich Luxushaft.

Immerhin war ich in Rebeccas Appartement im Dakota Building gefangen. Die Zimmer waren riesig, die Zimmerdecken fast vier Meter hoch. Die Gesellschaftsräume waren gemäß dem französischen Stil durch hohe Türen miteinander verbunden, und jeder besaß einen weiteren Zugang zum Wohnungsflur. Die Räume waren feudal und kultiviert eingerichtet – im Wohnzimmer stand sogar ein Bechstein-Flügel. Sie boten alle erdenklichen Bequemlichkeiten. Die riesige Küche war voller Hightech. Und die Aussicht war phänomenal.

In Wahrheit saß ich im Folterknast.

Denn meine Gefangenenwärterin war Amelia Vanderbuild. Sie wohnte direkt nebenan und hatte Rebeccas Wohnung mit einem mächtigen magischen Bann belegt. Türen und Fenster und alle sonstigen denkbaren Wege hinaus waren für mich versperrt. Innerhalb der Räume wirkte nur Amelias Magie. Meine eigenen Hexenkräfte hingegen waren blockiert. Noch nicht einmal ein Irrlicht konnte ich beschwören, wenn Amelia willkürlich die Lampen zum Erlöschen brachte und die Fenster magisch verspiegelte, sodass eine Finsternis herrschte, in der meine Augen fast blind waren.

Was die Hightech-Küche betraf, so waren die Vorratsfächer und der Kühlschrank natürlich leer, denn Rebecca lebte von vampirischer Speise. Und Amelia ließ mich hungern. Sie gewährte mir gerade so viel Nahrung, dass ich kräftig genug blieb, um eine Schwangerschaft zu überstehen.

Ich fühlte mich wie eine hilflose Puppe in einer lebensgroßen Puppenwohnung, die einer Sadistin zum Spiel dienten.

Manchmal bekam ich Besuch. Dann stand urplötzlich Ernest Vanderbuild im Zimmer, als hätte er sich aus der leeren Luft heraus materialisiert. Wahrscheinlich hatte aber Amelias Magie nur meine Sinne getäuscht.

Meiner magischen Fähigkeiten und meiner Dämonenmacht beraubt, hatte ich Ernest an diesem Ort nichts entgegenzusetzen. Mit einem magischen Befehl zwang er mich, mich auszuziehen. Er fesselte mich mittels unsichtbarer, aber nur umso festerer magischer Bande in erniedrigender Pose aufs Bett oder an irgendein Möbelstück, je nachdem, in welchem Raum wir uns gerade befanden. Dann begann er sein widerwärtiges Schnüffelspiel. Dabei malte er mir mit seiner rauen, grunzenden Stimme in abstoßender Weise unsere bevorstehende »Hochzeitsnacht« aus und wie er mir seinen Dämonenbalg einpflanzen würde.

Wenn er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder verschwand, blieb ich noch lange in verrenkter Haltung angebunden, nackt und mit Gliedern, die immer mehr schmerzten, bis es Amelia irgendwann gefiel, die Fesseln mittels eines magischen Befehls aus der Ferne zu lösen.

Dakota Building, 5. Stock

Pia Caplinger lag in ihrem Kinderbett und weinte.

Seit heute war sie fünf Jahre alt. Als ihr Daddy abends von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte sie Geschenke erhalten. Sofort danach hatte es Essen gegeben. Dann hatten ihre Eltern sich umgezogen und waren ins Theater gefahren.

Die große Party mit Pias Freunden war erst am Wochenende. Warum hatten Pias Daddy und ihre Mom heute nicht zusammen mit ihr Geburtstag gefeiert? Warum hatte Daddy nicht die Geschenke zusammen mit ihr ausgepackt? Weil sie Karten für die Premiere hatten! Pia wusste nicht, was eine Premiere war. Wie konnte etwas, dass sie noch nicht einmal kannte, wichtiger sein als ihr Geburtstag?

Pias Eltern hatten den Babysitter kommen lassen. Schon das Wort Babysitter war eine Beleidigung für ein Mädchen, das fünf Jahre alt geworden war. Außerdem konnte Pia den Babysitter nicht mehr leiden.

Der Babysitter hieß Lisa. Schon seit Pia ganz klein war, passte Lisa immer auf sie auf, wenn Pias Dad und Mom abends weggingen. Anfangs war Lisa lieb zu Pia gewesen. Aber mit der Zeit hatte Lisa sich immer weniger für Pia und das Vorlesen interessiert. Und immer mehr dafür, auf dem großen Fernsehapparat der Caplingers Filme zu sehen, die sie zu Hause nicht gucken durfte.

So war es auch heute gewesen. Anstatt mit Pia Geburtstag zu feiern und die Geschenke auszuprobieren, hatte Lisa Pia ins Bett gebracht. Dann war Lisa ins Wohnzimmer verschwunden, wo der Fernseher stand. Sie hatte sogar die Tür hinter sich zugezogen. Pias Eltern machten das nie. Sie ließen immer das Licht im Flur an und die Tür von Pias Kinderzimmer einen Spaltbreit offen.

Nur der Kindermond in der Steckdose neben dem Nachtschrank verbreitete sein schwaches, grünliches Licht in Pias Zimmer. Sonst war es dunkel.

Pia schniefte und wischte sich die Nase an der Bettdecke ab. Sie sah zu den Geschenken hinüber, die auf dem Kinderschreibtisch aufgebaut waren: die Ponymania-Figuren, das Kinder-Schminkset, die Barbie-Zauberfee samt Märchenkutsche ... Neben dem Schreibtisch stand das Little-Princess-Bike mit den Stützrädern. Weil es so dunkel war, konnte Pia alles nur undeutlich erkennen.

Dennoch sah Pia es:

Ein unausgepacktes Geschenk.

Pia knipste die Lampe auf ihrem Nachttisch an.

Da stand es, in buntes Papier eingewickelt. Zwischen den Ponys und der Zauberfee, aber fast doppelt so hoch. Pia erinnerte sich nicht, es vorhin beim Auspacken der Geschenke gesehen zu haben. Hatte Lisa es ihr heimlich hingestellt?

Pia schlüpfte unter der Decke hervor, stellte die nackten Füße auf den Boden, tappte zu dem Geschenk hinüber.

Sie hob es hoch. Es war gar nicht so leicht. Sie stellte es auf den Boden, setzte sich daneben und begann das Einpackpapier abzureißen.

Pia konnte die Schrift auf dem Karton noch nicht lesen. Aber der Karton war vorne durchsichtig. Er enthielt die ›Howdy-Moggy‹-Figur, die Pia sich gewünscht hatte.

Die man fernlenken konnte.

Sie versuchte den Karton aufzumachen. Es war schwierig, aber sie schaffte es. Vor ihr lag die Figur. Moggy mit dem großen, runden, weißen Katzenkopf. Mit den beiden schwarzen Punkten als Augen und dem rosa Punkt als Nase. Aber ohne Mund. Moggy trug einen blauen Faltenrock. Unten an Moggys Puschen sah man kleine Räder.

Moggys Kleid hatte eine Brusttasche, in der sie ein Eulenküken trug. Pia kannte den Trick aus der Werbung. Sie drückte auf die Eule, und Moggy machte Geräusche und Musik.

Pia stellte Moggy aufrecht hin. Sie nahm die Fernlenkung in die Hände. Die hatte zwei Knöpfe. Auf einen drückte Pia. Sofort zappelten die großen Puschen, die unter Moggys Rock hervorlugten, flink rauf und runter, und Moggy lief mit lauten Tönen über den Boden. Pia drückte auch den anderen Knopf. Jetzt drehte Moggy sich.

Von der Tür her fiel Licht ins Zimmer.

Pia wandte sich um.

Lisa guckte herein. Sie sah, dass Pia nicht mehr im Bett lag, und begann zu schimpfen. Alles Weinen half nichts. Pia musste sich schlafen legen. Lisa zog Pia die Decke bis ans Kinn, knipste die Lampe aus und verbot ihr, noch einmal aufzustehen oder das Licht anzumachen.

Die Fernlenkung legte Lisa absichtlich oben auf den Kleiderschrank. Zu hoch für ein Kind, das noch so klein war wie Pia. Dann ging Lisa hinaus und machte die Tür hinter sich zu.

Pia weinte wieder. Aber nur, weil sie so böse auf Lisa war. Noch böser als auf ihre Eltern.

Viel, viel böser ...

Daher hörte Pia das Geräusch nicht gleich.

Es war leise.

Erst nach einer kleinen Weile stellte Pia das Schniefen ein und lauschte.

Da: ein Schaben ... Es kam oben vom Schrank her.

Beim Glimmen des Kindermondes beobachtete Pia, wie die Fernlenkung an der Kante des Schrankdaches auftauchte und ganz langsam weiter nach vorn rutschte. Es war, als würde ein unsichtbares Mäuschen die Fernlenkung mühsam von hinten über die Kante schieben. Bald ragte die Fernlenkung so weit vor, dass sie herunterfiel.

Pia hörte das Geräusch, als die Fernlenkung unten auftraf.

Sie dachte an Lisas Verbot. Sie kämpfte mit sich. Dann knipste sie die Nachttischlampe an.

Die Fernlenkung war heil geblieben.