Das Haus Zamis 124 - Simon Borner - E-Book

Das Haus Zamis 124 E-Book

Simon Borner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ich hatte meinen Eltern alles berichtet, was Adalmar und ich über die Ramholdin und ihren Hexenkult zusammentragen konnten und als relevant erachteten. Zu meiner eigenen Überraschung hatte mich niemand mit Zwischenfragen oder spöttischem Schnauben unterbrochen. Nein, meine Familie hing geradezu an meinen Lippen. Das Gefühl war befriedigend und irritierend zugleich. »Ein Zauber«, murmelte mein Vater nun, »der Dinge ... umwandelt. Physische wie Nicht-Physische.« Ich hatte erwartet, dass er mich ob dieser so vagen Formulierung schelten würde. Doch er nickte anerkennend. »Ich muss euch beiden zustimmen, Adalmar und Coco. Das klingt auch für meine Ohren nach einer Spur, der wir zumindest nachgehen sollten. Um Lydias Willen. Falls der Zauber der Ramholdin unserer Lydia ihr menschliches Leben wiedergeben kann, dann dürfen wir die kommende Sonnenwende nicht ungenutzt verstreichen lassen ... Ob es diesmal gelingen wird, Lydia zu erlösen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Inhalt

Was bisher geschah

DER ALCHEMIST

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Hat Ihnen diese Ausgabe gefallen?

Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt.

Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

In den folgenden Jahren lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So verlangt Asmodi von Coco, einen gewissen Dorian Hunter für ihn töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch anstatt den Auftrag sofort auszuführen, verliebt sie sich in ihn. Zur Strafe verwandelt Asmodi Dorian Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet.

In Wien übernimmt Coco ein geheimnisvolles Café. Sie beschließt, es als neutralen Ort für Menschen und Dämonen zu etablieren. Zugleich stellt sie fest, dass sie von Dorian Hunter schwanger ist. Coco, Michael und Toth bitten Asmodi um Hilfe gegen die Todesboten, müssen dafür jedoch jeweils ein wertvolles Pfand hinterlegen. So wird Coco ihr Ungeborenes genommen.

Schließlich gelingt es ihr, das Kind zu finden und es im Totenreich zu verstecken. Sie folgt einer Einladung ihrer Freundin Rebecca nach New York ... doch die schwangere Rebecca steht unter dem Einfluss der dämonischen Vanderbuilds. Coco kann nicht verhindern, dass das Kind im Dakota Building zur Welt kommt. Es entpuppt sich als missgestalteter Dämon. Coco kann das Dämonenkind jedoch töten.

Unterdessen erscheint in Wien eine junge Frau, die sich als Dorian Hunters Schwester Irene ausgibt und Coco eine seltsame Uhr hinterlässt. Unter dem Einfluss der Uhr werden Coco und die anderen Zamis immer jünger. Dahinter steckt die Hexe Mother Goose. Als ihr Haus in Flammen aufgeht, erlischt der Fluch. Außer bei Lydia, die zusehends altert. Hilfe erhofft sie sich von dem sogenannten Blutbaron. Doch als sie sich mit dessen Blut einreibt, wird sie zwar zunächst wieder jung, doch verwandelt sie sich im nächsten Moment in eine Goldstatue. Fast gleichzeitig erwacht im Café Zamis aus dem Gemälde der sieben Todsünden Ira, der Zorn. Nur mit Mühe gelingt es den Zamis, den Dämon und seine Kreaturen zu bannen ...

DER ALCHEMIST

von Simon Borner

Coburg, 1628

Der Raum war winzig und nahezu vollkommen finster. Er roch nach Erde, nach Moder und nach absoluter Verdammnis. Margarethe Ramhold stand auf seiner Schwelle und spürte, wie der letzte Rest Hoffnung sie verließ. Wobei: Sie stand nicht wirklich. Sie konnte längst nicht mehr stehen. Zwei Wachen – grobschlächtige Gesellen mit tumben Mienen und einem Vokabular, das ausschließlich aus Grunzen und Gebrumm zu bestehen schien – stützten sie an beiden Seiten, denn die langen Tage unmenschlicher Folter hatten ihr fast die letzte Kraft geraubt. Ihr Körper ... er existierte eigentlich schon nicht mehr. Er war wund geworden, eine einzige, ewig schmerzende Wunde. Und morgen früh würde der Schmerz aufhören. Ein für alle Mal. Morgen früh, wenn sie starb.

»Irgendwelche letzten Worte?«, fragte der Vorgesetzte der tumben Mienen. An seinen Namen konnte sich Margarethe nicht erinnern, doch das sadistische Funkeln in seinem Blick würde sie nie vergessen. Nicht einmal im Tod. »Irgendwelche Bittgesuche, bevor wir Euch Eurer letzten Nacht auf Erden überlassen?«

1. Kapitel

Es waren rhetorische Fragen. Niemand scherte sich darum, ob sie sie beantwortete. Und Margarethe hatte nicht die Absicht – Schmerz hin, Schmerz her –, ihren Peinigern die Genugtuung zu geben. All die Tage hatte sie nicht ein einziges Mal um Gnade gefleht. Sie würde es auch nun nicht tun.

»Dann also nicht«, sagte der Vorgesetzte. Beinahe klang er enttäuscht. Dann nickte er seinen zwei Gehilfen zu.

Prompt beendeten sie ihre Aufgabe: Sie ließen Margarethe los und gaben ihr, just als ihr schon die Knie einzuknicken drohten, einen kräftigen Schubs. Hilflos und wehrlos taumelte die alte, in schmutzige Fetzen gewandete Frau ins Dunkel der modrigen Kerkerzelle. Zwei Schritte, drei, dann kapitulierten ihre Beine vor der Schwäche, die jede Faser ihres Seins übernommen hatte. Margarethe sackte nach unten weg und fiel wie ein nasser Sack zu Boden.

Sie hörte die Männer noch lachen, als sie die schwere Zellentür schon geschlossen hatten.

Margarethe war allein.

Sie schloss die Augen vor der Welt und atmete tief durch. Der Schmerz war gewaltig, das schon – nach all den Schnitten und Stichen, Hieben und Schrauben der vergangenen Tage gab es kaum eine Stelle an ihrem Leib, die nicht höllisch wehtat –, doch er kümmerte sie nicht groß. Nicht mehr. Der Schmerz war ihr zur Normalität geworden, so bitter das auch klang. Er war allgegenwärtig und immerdar. Unvermeidlich. Und genau deswegen war er auch keinen weiteren Gedanken wert.

Stattdessen ... dachte sie an den Raum, in dem sie gelandet war. Den Ort ihrer letzten Nacht auf Erden. Sie spürte die kalten Steine unter sich, roch den Dreck in den Kerkerecken, hörte das leise Rascheln von Nagetierfüßen drüben im Stroh.

So ist es also gekommen, dachte sie, und beinahe musste sie lachen. Die Situation war einfach vollkommen absurd. Und so wird es also enden.

Bereute sie? Jeder einzelne Folterknecht hatte ihr diese Frage gestellt; jeder Pfaffe und jeder Ankläger, der zu ihr vorgelassen worden war. Sie hatte stets verneint und behauptet, es gebe nichts zu bereuen. Aber stimmte das auch? Stimmte es noch immer – nun, da ihr Schicksal besiegelt und ihr nahender Flammentod so unvermeidlich war wie der Schmerz und die Finsternis?

»Nein«, flüsterte sie ins Dunkel ihres Kerkers – so fest und so entschieden, als wollte sie die Nacht, den Stein und, ja, auch die Ratte dort hinten im Stroh davon überzeugen. »Ich bereue nichts. Ich würde es wieder tun, hört ihr? Immer und immer wieder.«

Mit jeder Silbe war ihr Ton schärfer geworden, ätzender, giftiger. Margarethe wusste und akzeptierte zwar, dass sie sterben würde, doch gefallen musste es ihr deswegen noch lange nicht. Der Centgraf, dem sie ihr Los verdankte, war genauso kleingeistig und verblendet, wie sie es ihm vorgeworfen hatte. Und obwohl er die inzwischen Monate zurückliegende Beleidigung als willkommenen Anlass genommen hatte, sich seiner Nachbarin Ramhold zu entledigen und sie als Hexe zu denunzieren, obwohl er sie foltern, verhören und verurteilen ließ, wusste Margarethe Ramhold, dass sie nichts an ihrem Leben ändern würde, gäbe man ihr die Chance dazu.

»Im Gegenteil«, flüsterte sie, und trotz der Schmerzen schlich sich ein leises Lächeln auf ihre Züge. »Ich würde den jämmerlichen Wurm heute noch lauter und überzeugter beleidigen als damals. Viel lauter.«

Was hatte sie schon zu verlieren? Nichts mehr, darauf lief es doch hinaus. Wer am Ende angelangt war, hatte keine Zukunft und keine Konsequenzen mehr zu fürchten. Am Ende von allem wurde Angst zu einem Wort ohne Bedeutung.

Margarethe öffnete die Augen wieder. Die Welt jenseits ihrer Lider war genauso schwarz geworden wie die in ihrem Kopf. Die ewige Nacht des Todes ... Sie war nah. Nur noch Stunden entfernt. Draußen auf dem Galgenplatz stapelten sie gewiss schon das Holz.

Nun musste sie lachen. Die Vorstellung, realistisch oder nicht, war einfach zu bizarr.

Und überhaupt: Der Tod war nichts, was ihr etwas anhaben konnte. Ihrem Leib, ja. Ihrem Leben. Aber nicht dem Teil von ihr, der wirklich zählte.

Die Bewegung war schnell und instinktiv, wenig mehr als der Hauch eines Gedankens. Ihr Arm zuckte nach links, ihre Finger packten die Ratte – und noch bevor das Tier wissen konnte, wie ihm geschah, knackte auch schon seine Wirbelsäule. Margarethe riss den kleinen, pelzigen Körper entzwei. Dann zog sie ihm die Gedärme heraus, bettete sie vor sich auf dem steinigen Zellenboden und badete sie in Blut und einer gesunden Portion ihrer eigenen Spucke.

Wieder schloss sie die Augen. Sie atmete ein, hielt den Atem an und konzentrierte sich. Suchte. Rief.

»Hörst du mich?«

Ein Wispern, sanft wie ihr ausweichender Atem.

»Siehst du mich?«

Ein Zucken, hart wie der Zug um ihren Mund.

»Liebst du mich?«

Bei der letzten Frage ließ sie die Faust auf das Bett aus Blut, Spucke und Innereien hinabfahren, fest und unerbittlich. Und sie begann. Worte, die kaum ein Sterblicher kannte, drangen über ihre Lippen. Laute, die nur mehr wenig mit menschlicher Sprache und menschlichem Denken zu tun hatten. Alte Laute, älter als die Zeit.

Und danach: »Bist du da, Geliebter? Bist du noch bei mir?«

»Ja.«

Die Stimme war tief wie die Ewigkeit und, oh, so herrlich vertraut. Margarethe brauchte die Augen nicht zu öffnen. Sie wusste auch so, dass er gekommen war. Dass er tatsächlich wieder an ihrer Seite war, selbst hier am Ende von allem.

»Ich bin hier, Margarethe. Wie ich es allzeit war. Und allzeit sein werde.«

Die Worte waren wie warmer Sommerregen auf ihrem Haupt und wie eine heilende Salbung auf ihren Wunden. Margarethe spürte sie eher, als sie zu hören, und das ließ sie noch bedeutsamer wirken, intimer und echter.

Die alte Frau lächelte wieder. Sie war dankbar, oh, so unendlich dankbar. Das Feuer, der Hass und die fehlende Zukunft konnten ihr nichts mehr anhaben. Nicht wenn er an ihrer Seite war. Nicht wenn er sie auffing.

Asmodi. Ihr dunkler Bettgeselle. Ihr starker Begleiter in Dunkelheit und Licht. Was sollte sie die Finsternis fürchten, wenn doch der Fürst eben dieser Finsternis gleich hinter ihr stand?

»Bleib bei mir«, flüsterte sie. Und nun war es tatsächlich ein Flehen, nun zum ersten Mal. »Sei da, wenn die Flammen kommen. Steh mir bei.«

Asmodi strich ihr über die Wange. Oder bildete sie sich das nur ein? Sie wusste es nicht, und doch war ihr, als spüre sie seine Berührung so deutlich wie das Schlagen ihres Herzens.

»Ich werde da sein«, versprach er. »Jedoch nicht im Tod, Liebste. Nicht im Feuer. Das ist nicht meine Art. Ich werde dich aber jenseits der Flammen erwarten – mit offenen Armen und lächelndem Herzen. Hab also keine Furcht. Die Nacht kann uns nichts anhaben. Wir sind ewiglich, und du gehörst zu uns. Für immer.«

Dann war er fort, so plötzlich und unauffällig, wie er gekommen war. Margarethe Ramhold, die alte Hexe von Coburg, öffnete die Augen wieder und sah doch nichts als die Schwärze ihres engen Verlieses.

Asmodi. War er auch wirklich hier gewesen? Hatte sie sich seine Anwesenheit nicht bloß eingebildet, weil die Furcht doch größer war als die Vernunft?

Nein, dachte sie fest, und es war beinahe wie ein Schwur. Er war hier. Und er wird da sein, wenn ich die andere Seite erreiche. Er erwartet mich ... Mein Fürst empfängt mich morgen in der ewigen Nacht.

Mit diesem wärmenden Gedanken schlief sie ein, und nichts und niemand konnte ihr mehr schaden.

Wien, Gegenwart

Das Café Zamis war ein Lokal für Menschen und Dämonen. Somit war es auch und vor allem ein zum Haus gewordener Widerspruch aus Stein, Glas und Dachschindeln. Ein Oxymoron mit Mauern und Böden, das sich wie selbstverständlich ins Stadtbild der österreichischen Metropole hineingeschmuggelt hatte, obwohl es nach vorherrschender Meinung der meisten Dämonen eigentlich gar nicht existieren durfte.

Vielleicht war das der wahre Grund, aus dem es nun – immerhin schon Mitte März – noch immer geschlossen hatte. Und vielleicht erklärte sich auf diese Weise auch, weshalb ich gerade – wie schon oft in den vergangenen Tagen – so ratlos in seinem geräumigen Inneren stand.

Oder ... nicht.

»Okay«, murmelte ich. Ich saß an einem Ecktisch im ansonsten von allen guten und auch allen übrigen Geistern verlassenen Schankraum und hing nicht gerade erbaulichen Gedanken nach. »Das ist eine Herausforderung.«

»Ach ja?«

Die unerwartete Stimme in meinem Rücken ließ mich zusammenfahren. Ebenso prompt wie unsanft wurde ich aus meinen Grübeleien gerissen. Erschrocken, noch mehr aber überrascht drehte ich mich um. »Was ...«

Tatsächlich. Das vollbärtige Gesicht, das dort auf der Schwelle des Schankraums erschienen war, kannte ich sehr gut. Und in diesem Augenblick hatte ich nicht übel Lust, ihm eine Backpfeife zu verpassen, die sich gewaschen hatte.

»Musst du mich so erschrecken?«

Adalmar Zamis schüttelte den Kopf. »Müssen nicht«, antwortete er mit einem sardonischen Lächeln, das ihn noch finsterer wirken ließ, als sein Äußeres es ohnehin tat. »Aber ich kann es. Und ich mag es. Also tue ich es. Was dagegen, Schwesterchen?«

Fast so viel wie gegen die alberne Anrede, dachte ich. Doch dann ballte ich die Fäuste nur zum Spaß, stand auf und ging meinem Bruder entgegen. Adalmar war der älteste Sohn von Michael und Thekla Zamis, und dass er sich in Wien blicken ließ, war inzwischen durchaus eine Besonderheit geworden.

»Was willst du? Und vor allen Dingen: Wo warst du, als wir dich brauchten?«

Adalmar trat an mir vorbei ins Café. Sein Blick wanderte über die »Andenken«, die die Selkies hinterlassen hatten. Dann stieß Adalmar einen leisen Pfiff aus.

»Ich bin erst heute aus den Abruzzen eingetroffen. Und gleich hierhergestürmt, um mich mit eigenen Augen zu überzeugen«, antwortete er schließlich. »Du hast ganze Arbeit geleistet, Schwesterherz. Das muss man dir wirklich lassen.«

»Ich?« Wütend schnaubte ich. Wütend schloss ich die Tür des Cafés wieder, und wütend drehte ich mich zu meinem ungebetenen Gast um. »Pass bloß auf, was du sagst. Wenn ich nicht gewesen wäre, sähe es hier noch viel übler aus. Die Selkies ...«

Adalmar winkte ab. »Erspar uns beiden die Details. Ich weiß ohnehin schon, was ich wissen muss.« Er nickte in Richtung des Chaos aus zerstörten Einrichtungsgegenständen und anderen Kampfspuren.

»Das hier sagt mehr als tausend Worte, findest du nicht auch?«

»Vor allem sagt es mir eines nicht«, knurrte ich. Drohend ging ich auf meinen großen Bruder zu. »Was. Willst. Du.«

Er schmunzelte gelassen. »Dich dasselbe fragen.«

Verdutzt musste ich blinzeln. »Hm?«

»Das will ich: wissen, was du als Nächstes vorhast. Wie du mit dem hier«, wieder wanderte sein Blick über die Zerstörung, »zu verfahren gedenkst. Du tust doch sonst immer so, als hättest du auf alles eine Antwort und für alles einen Plan. Also, wie lautet er diesmal?«

Inzwischen wusste ich nicht mehr, was mich eigentlich am meisten erzürnte: sein Spott oder die Tatsache, dass er genau ins Schwarze traf. Denn genau das fehlte mir, seit die Selkies gekommen waren. Seit Lydia zur Statue geworden war und das elende Gemälde der sieben Todsünden begonnen hatte, mir ein Rätsel nach dem anderen aufzugeben. Mir fehlte ein Plan! Immerhin hatte Asmodi das Gemälde versiegelt. Aber wusste ich, wie lange es wirken würde? Immerhin hatte ich Frieden mit den Selkies geschlossen. Oder sie mit mir, wie man's sehen wollte. Dennoch fühlte ich mich alles in allem ziemlich fertig. Würde das Café für mich je wieder das werden, was es mir bedeutet hatte? Mein Café ... Allein der Gedanke war ein Hohn und verursachte mir Schmerzen, denn Asmodi gehörten ja nun fünfundzwanzig Prozent davon. Ich hoffte, dass er sich zurückhalten würde.

»Ich habe keinen blassen Schimmer«, gestand ich wütend, und es klang fast wie eine Anklage. »Die ... Die Situation ist nicht gerade einfach, okay? Wenn ich wüsste, was zu tun ist, hätte ich's längst getan! Und das Letzte, was ich aktuell brauchen kann, sind deine spöttischen Sticheleien. Du störst mich, Adalmar. Beim Nachdenken ... und überhaupt!«

Das älteste der Zamis-Kinder lachte leise.