Das helle Kind - Band 3: Königreich Gramarye - Katharina von Pannwitz - E-Book

Das helle Kind - Band 3: Königreich Gramarye E-Book

Katharina von Pannwitz

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Beschreibung

Ein finsterer Plan- Eine letzte Schlacht. Ein Schicksal, das sich zu erfüllen beginnt. Gewappnet mit den Gaben der alten Völker und begleitet vom schönen Prinz Emrys bricht Niam auf, die Prophezeiung zu erfüllen. Sie wird den grausamen Lord Balzôrc stellen und zum letzten Kampf fordern. Doch sie ahnt nicht, dass sie dem dunklen Herrn damit in die Hände spielt … Das grandiose Fantasy-Epos, das die sagenhafte Welt der keltischen Mythologie lebendig werden lässt! "Dieser Roman wird jeden Freund der klassischen Fantasy begeistern." www.bibliotheka-fantastika.de Jetzt als eBook: „Das helle Kind III - Königreich Gramarye“ von Katharina von Pannwitz. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

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Seitenzahl: 270

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Über dieses Buch:

Gewappnet mit den Gaben der alten Völker und begleitet vom schönen Prinz Emrys bricht Niam auf, die Prophezeiung zu erfüllen. Sie wird den grausamen Lord Balzôrc stellen und zum letzten Kampf fordern. Doch sie ahnt nicht, dass sie dem dunklen Herrn damit in die Hände spielt …

Das grandiose Fantasy-Epos, das die sagenhafte Welt der keltischen Mythologie lebendig werden lässt!

„Dieser Roman wird jeden Freund der klassischen Fantasy begeistern.“ www.bibliotheka-fantastika.de

Über die Autorin:

Katharina v. Pannwitz wurde 1964 geboren. Nach einer Ausbildung zur Industrie- und Verlagskauffrau studierte sie Kommunikations- und Theaterwissenschaften. Später entschied sie sich, in der Filmindustrie zu arbeiten. Heute lebt Katharina von Pannwitz gemeinsam mit ihrem Mann in München und ist dort als Autorin tätig. »Das helle Kind« ist ihre erste Fantasy-Trilogie.

***

eBook-Neuausgabe April 2016

Dieses Buch erschien bereits 2004 als Teil eines Romans unter dem Titel Die Macht der magischen Steine bei Beltz & Gelberg

Copyright © der Originalausgabe 2004 Beltz & Gelberg

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München

ISBN 978-3-96053-160-9

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Katharina von Pannwitz

Das helle Kind III

Königreich Gramarye

jumpbooks

Drittes Buch

Königreich Gramarye

Aus der Prophezeiung vom Hellen Kind

Ring

Der Weg beginnt zur rechten Zeit, die Richtigen sind nun bereit. Das Dreigestirn mit vereintem Sinn: Samildánach, König, Königin.

Der Samildánach ward wiedergeboren, der Prinz zum König auserkoren. Gemeinsam mit dem hellen Kind sind sie zum siegen vorbestimmt.

Der Elemente Macht und Magie werden von nun ab schützen sie, Samildánach, König und Oberhoheit durch welche dereinst die Welt wird befreit.

Das Lied der Element-Magie, die Macht erweckt alleine sie. Damit das Gute dann gewinne singt ›Gutuamer‹, die Herrin der Stimme.

Mitte

Das Herrscherpaar der ganzen Welt alleinig vor die Wahl gestellt. Aus Tod kommt Leben, dem Chaos folgt Glück, entscheidend für das Weltengeschick.

Es donnern vereint der Steine vier zu finden den Allerhöchsten hier. Das Zentrum alter, heiliger Macht wird durch diesen letzten wiedergebracht.

Der rechte König nur allein kann Träger der Hoffnungskrone sein. Und dann bricht an für lange Zeit Gramaryens Zukunft in Herrlichkeit.

1. Kapitel: Das Dreigestirn

Über allem lag die Stimme der Herrin Aífe:

»Dies ist das Dreigestirn der Prophezeiung. Zuerst Gwydón, der Samildánach der Welt. Ihm stehen die guten, weißen Mächte zur Seite, und er wird über die schwarze Magie siegen. Er ist der göttliche Beistand, den das Dreigestirn braucht, um zu bestehen. Gwydón, du bist der geistige Kopf, der die Reisegefährten durch seine Weisheit führt und leitet. Deine spirituelle Ebene ist höher als die jedes anderen Menschen. Du bist der Mittler zwischen den Göttern und den Menschen, dir offenbart sich der göttliche Plan.«

Als nächstes wandte sich die Herrin Aífe an Emrys: »Neben dem Samildánach steht Prinz Emrys, der einstige und zukünftige König. Er ist es, dessen Ankunft in der alten Überlieferung prophezeit wird. Auch er verbindet alt und neu: geboren in der Welt der Menschen, doch aufgewachsen im Lande des Lichts. Er ist der Krieger, das Schwert der Zukunft. Er ist der König, der ein neues Königreich gründen wird und die Menschen in eine goldene Zukunft führt.« Sie lächelte Emrys zu. »Emrys, nun erhebst du dich, strahlend und mächtig. Zum Zeitpunkt der höchsten Not kehrst du zu den Menschen zurück, um dein Volk zu befreien. Du bist der Krieger, der die Welt verändern wird. Mit Caliburn, dem mächtigen Schwert deiner Vorfahren, bist du stark und unbesiegbar. Du wirst deine Reisegefährten beschützen und verteidigen.«

Zuletzt wandte sich die Herrin Aífe an Niam: »Und dort ist Niam, das helle Kind der Götter und die Abgesandte des alten Volkes. Sie stellt die höchste Vereinigung von alt und neu dar. Ihr Blut ist das edelste von altem Wasser und jungem Licht, ihr Gesang ist der Wind der Ewigkeit. Sie ist die irdene Oberhoheit und besitzt flaith, das Recht zu herrschen. Als Königin repräsentiert sie die ganze Welt.« Warm sah die große Mutter Niam an: »Niam, du bist der zentrale Mittelpunkt. Du bist nicht nur die Oberhoheit, sondern auch Gutuamer, die Herrin der Stimme. Dadurch bist du Trägerin der Elementemacht. Deine Macht wird letztlich über die Zukunft entscheiden.«

Dann trat die große Mutter zurück und maß Gwydón, Emrys und Niam mit einem Blick: »Ihr seid das Dreigestirn der Prophezeiung vom hellen Kind. Gemeinsam werdet ihr euch auf den Weg nach Rath Dubh machen. Im Schloß des Fürsten der Finsternis wird die große, alles entscheidende Schlacht stattfinden. Dort müsst ihr euch Lord Balzôrc zum letzten Kampf entgegenstellen.«

Einem plötzlichen Impuls folgend trat Loégian vor und sank vor Emrys in die Knie. Inständig bat er darum, seinen König begleiten zu dürfen. Die übrigen Krieger taten es ihm gleich. Alle waren bereit, ihr eigenes Leben für diese drei Menschen zu lassen.

Doch die Herrin Aífe schüttelte den Kopf: »Keinem Menschen ist es gestattet, diese drei zu begleiten. Diesen letzten Weg müssen Gwydón, Emrys und Niam alleine gehen. So ist es überliefert.«

Wie die Herrin Aífe es festgesetzt hatte, traf sich die Versammlung vor Sonnenaufgang erneut. Der Mond war bereits untergegangen. Bald würde die Sonne aufgehen. Emrys war in eine goldene Rüstung gekleidet. Sein Wappen war der Anker, seit jeher Zeichen des Heimatvertriebenen. An seiner Seite hing Caliburn, das mächtige Schwert der Herren von Brigant. Stark sah Emrys aus, mächtig und königlich. Im Vergleich dazu war Gwydón schlicht gekleidet, doch er trug die Zeichen des Samildánach. Sein weißes Gewand war aus edlem Leinen, geschmückt mit den heiligen Symbolen der Macht. Ein prächtiger Gürtel hielt das fließende Tuch. Um seinen Hals hing das alte Pentagramm, das königliche Zeichen der Bendriden.

Niam kam als Letzte. Im Thronsaal wurde sie stürmisch von Shidrén, Brânwi und Cu begrüßt. Voller Freude kraulte Niam Cus weiches Fell und streichelte Brânwis schwarze Federn und nahm Shidrén auf den Arm. Dennoch verbot Niam ihnen strikt, sie zu begleiten. So sehr Shidrén auch bettelte, Niam ließ sich nicht erweichen. Unerbittlich beharrte sie auf ihrem Wunsch, ihre Freunde mögen im Schutz von Inis Wytrin zurückbleiben. Nur ungern versprachen sie es. Beim Abschied versank Niam in Cus nassen Küssen, Brânwis weichen Flügeln und Shidréns hellem Licht.

Dann eröffnete die Herrin Aífe die Sitzung. »Dieses Treffen ist unsere letzte Zusammenkunft vor der Reise von Niam, Emrys und Gwydón nach Ynis Mâcha.« Die Herrin breitete eine große Landkarte aus und winkte die drei zu sich. »Dies ist die neue Welt, so wie wir sie kannten. Ihr seht hier die vier Königreiche der Menschen sowie die Wohnstätte des alten Volkes. Allerdings wissen wir nicht, was aus der Welt geworden ist, seit Balzôrc sie besetzt hält. Obwohl diese Karte vielleicht schon überholt ist, zeigt sie doch Ynis Mâcha, die schwarze Insel.« Damit deutete sie auf einen dunklen Fleck auf der Landkarte. Er war hoch oben im Norden, tief in den Weiten des schwarzen Meeres gelegen. »Das ist Ynis Mâcha, die Heimat des Bösen. In ihrer Mitte, tief in den Bergen, liegt Rath Dubh, das Zentrum von Lord Balzôrcs Macht. Dort müsst ihr den Fürsten der Finsternis bekämpfen und die geraubten Krönungssteine zurückholen.«

Gwydón, Emrys und Niam beugten ihre Köpfe über die Karte und prägten sich die Landmarken und Hindernisse ein.

Darüber lag die Stimme der großen Mutter: »Für eure Reise stehen euch Hilfsmittel zur Verfügung. Zum einen sind dies eure persönlichen Fähigkeiten: Emrys‘ Schwert, Gwydóns Geist und Niams Stimme. Daneben gibt es die Gaben des alten Volkes.« Damit deutete die Herrin auf die Geschenke der Anderswelt.

Auf dem großen Tisch lagen sie nebeneinander: der Cauldron von Morgâ, der Mantel von Mananan, das Medaillon mit den Beeren des Trefuilngid sowie der Gae Bolg.

Niam ließ ihre Augen über den Tisch gleiten, dann wandte sie sich an die Herrin Aífe und äußerte eine Bitte: »Ich finde es ungerecht, all diese mächtigen Gaben für mich alleine zu behalten. Gestattet die große Mutter, daß ich die Gaben des alten Volkes teile?«

Die Herrin nickte zufrieden. Es sprach für Niams guten Charakter, daß sie den ihr gewährten Schutz nicht für sich alleine beanspruchte. Insgeheim dankte die Herrin der Vorsehung, daß sie gerade Niam zur Gutuamer ausersehen hatte. Dieses Menschenkind hatte wirklich eine edle Gesinnung und ein gutes Herz. Nur zu gerne gewährte sie Niam ihre Bitte.

»Danke. Dann teile ich zuerst die Beeren des Trefuilngid zwischen uns. Da es drei Samen sind, kann jeder von uns einen bekommen.« Damit übergab sie je ein Korn an Emrys und Gwydón.

Diese nahmen sie sorgsam und verwahrten sie sicher unter ihrem Gewand.

Als nächstes wandte sich Niam an Gwydón: »Außerdem möchte ich, daß du dieses hier bekommst.« Damit reichte sie ihm den Mantel von Mananan, den Tarnmantel der Erde. »Dieser Umhang ist schon immer für dich bestimmt, denn er soll den Naddred schützen. Deshalb solltest du diesen Mantel auch tragen, Gwydón.«

Gwydón nickte stumm und nahm den Umhang voller Ehrfurcht.

Dann wandte sich Niam an Emrys: »Und diesen hier solltest du bekommen.« Mit diesen Worten übergab sie ihm den Gae Bolg, den Lichtstrahl des Feuers.

Doch Emrys schüttelte den Kopf: »Nein, behalte ihn. Ich danke dir für das Angebot, aber ich brauche den Gae Bolg nicht. Denn ich habe Caliburn. Das ist alles, was ich benötige.« Damit zog er stolz sein Schwert und zeigte es Niam und der Versammlung.

Unwiderruflich nahte die Zeit des Abschieds. Für die Menschen trat Caldur vor. »Die Gebete der Menschen und ihre Segenswünsche begleiten euch. Mögen die Götter euch Erfolg bescheren.«

Nun trat die große Mutter in die Mitte der großen Thronhalle von Caer Wydr. In diesem Augenblick ging die Sonne auf. Funkelnd begrüßte Caer Wydr, das gläserne Schloß, den neuen Morgen. Die ersten Sonnenstrahlen trafen die Kuppel und erhellten das Kristallschloß und mit ihm das gesamte Land. Da hob die Herrin die Arme in den Himmel. Ihre mächtige Stimme hallte über das lichte Reich Inis Wytrin:

»Das Dreigestirn muß also gehen, muß viele schwere Gefahren bestehen.

Der Menschen.Glück in ihren Händen, sie werden das Schicksal zum Guten wenden.

Die magische Reise bringt manch Geschenke, vereinigt die heiligen vier Elemente. Die Urkraft wird die Basis sein, doch siegen müssen sie allein.

Das Ziel soll Ynis Mâcha sein, der schwarze Tempel, des Bösen Schrein. Den dunklen Feind müsst ihr dort stellen, und damit der Welten Schicksal fällen.

Die Reise begleitet der Mutter Segen, soll leiten euch auf all euren Wegen. Der Menschen Hoffnung mit euch gehen, bis wir uns dereinst wiedersehen.«

Aífes Gebet eröffnete die angekündigte Abreise des Dreigestirns. Gwydón, Emrys und Niam sahen sich kurz an und nickten still. Dann drehten sie sich um und gingen, ohne sich noch einmal umzuschauen. Im Jahr 242 verließ das Dreigestirn das helle Reich Inis Wytrin und trat die letzte Reise an. Das Ziel war Ynis Mâcha, die schwarze Insel im schwarzen Meer des Nordens.

2. Kapitel: Die dunkle Welt - Wüste und Sumpf

Voller Tatendrang betraten Niam, Gwydón und Emrys die Erde. Was sie dort sahen, schockierte sie zutiefst. Die Landschaft hatte sich vollkommen verändert. Bis zum Horizont gab es nichts als Wüste. Das Steppengras, die vereinzelten Baumgruppen, die grünen Hügel und die Flüsse - alles war dem ewigen Sand gewichen.

Gwydón fasste sich als Erster. »Das hat die Herrin Aífe gemeint, als sie von Veränderungen sprach.« Damit deutete er auf die wüste Umgebung. »Was wir hier sehen, ist Lord Balzôrcs Einfluss. Nach dem Scheitern der Menschen hat er das Land in Besitz genommen. Seine schwarze Magie hat alles erstickt. Seht, was er aus dem blühenden Land Dumnón gemacht hat. Ich wage nicht daran zu denken, was uns noch bevorsteht. Sicher wird es noch schlimmer werden. Balzôrcs Macht ist stärker als erwartet. Uns werden noch viele unheimliche Dinge passieren auf der Reise nach Norden.«

»Egal!« Emrys sah seine Begleiter ernst an und sprach mit fester Stimme: »Wir alle wussten, daß es gefährlich werden kann. Diese Wüste verstärkt nur meinen Wunsch, es Balzôrc heimzuzahlen. Lasst uns aufbrechen.«

»Aber wir müssen vorsichtig sein«, bremste Gwydón den Tatendrang des Freundes. »Die Wüste ist gefährlich. Achtet auf eure Schritte. Niam, kommst du? Niam!«

Niam schrak hoch. Sie hatte nicht zugehört. Die Trockenheit überrollte sie schmerzhaft. Benommen sank sie auf die Knie und Schloß die Augen. Ihre Hände berührten den heißen Sandboden und gruben sich tief hinein. Da hörte Niam eine beruhigende Stimme. Es war das Wasser in ihrem Inneren, welches zu ihr sprach. Deutlich spürte Niam das Grundwasser, das tief unter dem Sand immer noch floss. Der ewige Fluss machte ihr Mut. Erneut erkannte sie die Verbindung, die zwischen ihr und dem nassen Element herrschte. Unwillkürlich fand Niam den Cauldron von Morgâ, den Kelch der Meere. Warm lag er in ihrer Hand. Da beruhigte sie sich. Denn sie wusste, daß Morgâ sie begleitete. Mit dem Cauldron würde Niam überall das lebensspendende Nass finden.

In diesem Moment trat Gwydón mit besorgter Miene zu ihr: »Niam, bist du in Ordnung?«

Niam öffnete die Augen und nickte: »Ja. Ich musste mich nur kurz setzen.« Sie ergriff seine dargebotene Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. Noch etwas abwesend klopfte sie sich den Wüstenstaub von der Kleidung

Gwydón lächelte. »Das war die andere Seite. Die Kehrseite der Verbindung.«

Niam sah ihn ernst an und nickte.

»Das war zu erwarten.« fuhr Gwydón leise fort. »Auch das bedeutet es, Gutuamer zu sein. Du bist Trägerin der Elementmagie. Durch deine Verbindung mit den Urmächten hast du die Kraft der Elemente erlangt, aber auch deren Sensibilität. Du leidest ebenso wie dein Element.«

»Ja. Doch bei all dem Schmerz war da auch Zuversicht. Die Elemente sind meine Verbündeten. Ich spüre den alten Fluss, der tief unter uns fließt. Der Cauldron der Meere und ich werden seine Wasserstellen finden.«

Je höher die Sonne stieg, desto heißer wurde es. Bald war die Hitze unerträglich. Die Wanderer kamen nur mühsam voran. Erschöpft schleppten sie sich über den glühenden Boden. Sie bedeckten Nase und Mund gegen den Sand und hüteten das Wasser, welches sie aus Inis Wytrin mitgenommen hatten. Schnell verstummte jegliches Gespräch. Kein Baum oder Strauch bot ihnen Schutz vor der gnadenlosen Sonne. Gegen Mittag suchten sie eine hohe Düne. An ihrer Flanke rammte Niam den Gae Bolg tief in den lockeren Boden. Darüber hängte Gwydón seinen Umhang. Darunter fanden die Freunde zumindest ein wenig Schatten. Ein jeder gönnte sich einen Schluck Wasser. Dann legten sie sich hin. Sie waren müde, doch keiner fand Ruhe. Jeden beschäftigte, was er gesehen hatte.

Besonders Emrys war deprimiert: »Wo sind all die blühenden Wiesen, die Wälder, Äcker und Felder? Nichts ist mehr da. Ich kannte Dumnón sehr gut. Seit meiner Kindheit in Caer Wydr bin ich oft hier gewesen, viele glückliche Momente habe ich hier verbracht. Dieses Vernichtungswerk Balzôrcs zu sehen, stimmt mich sehr traurig.« Er wandte sich ab, um seinen aufkommenden Schmerz zu verbergen, doch für einen kurzen Augenblick traf ihn Niams Blick.

Das war das erste Mal, daß Emrys in Niams Gegenwart etwas Persönliches von sich erzählt hatte. Sie sah ihn an und spürte einen Anflug von Mitleid und sogar ein wenig Zuneigung für ihn. Sie wollte ihm zeigen, daß sie seine Trauer verstand und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Doch Emrys erwiderte es mit einem Stirnrunzeln. Er wollte nicht, daß jemand seine Schwäche erkannte und schon gar nicht Niam.

Als die erbarmungslose Mittagssonne den Zenit überschritten hatte, machten sie sich wieder auf den Weg. Stetig gingen sie nach Norden. Der feine Sand setzte sich in jede Pore und brannte in Augen und Nasen. Als die Sonne unterzugehen begann, suchten sie einen geeigneten Platz für die Nacht. Mit Hilfe des Cauldron führte Niam ihre Reisebegleiter zu einer kleinen Oase. Im Schutz zweier hoher Sanddünen hatte das Grundwasser einen Weg an die Oberfläche gefunden und eine kleine Quelle sprudelte frisch und klar. Wie eine grüne Insel wuchsen hier Dattelpalmen und köstliche Früchte. Die Oase lag so versteckt, daß Niam, Emrys und Gwydón vermutlich die ersten Menschen waren, die sie fanden. Voller Dankbarkeit betraten sie den unberührten Platz und ließen sich erschöpft im Schutz der grünen Blätter nieder. Das frische Quellwasser war kühl und schmeckte wunderbar. Genüsslich wuschen sie sich den Staub aus Kehle und Gesicht.

Bald brach die schwarze Nacht über sie herein. Sie war bitterkalt. Nach dem Sonnenuntergang fielen die Temperaturen rapide. Schnell entzündete Niam mit dem Gae Bolg ein kleines Feuer. Es wärmte nur notdürftig. Eng betteten sich die drei Freunde um die Flammen.

Am nächsten Morgen brachen Gwydón, Emrys und Niam schon früh auf. Sie wollten die Kühle des Morgens nutzen. Die Wasserbeutel waren prall gefüllt und die zahlreichen Datteln würden sie eine Weile ernähren. Fünf Tage durchwanderten sie die unwegsame Gegend ohne Baum und Strauch. Der Cauldron führte sie zu den geheimen Wasserstellen, oft nicht größer als eine Pfütze und unter einer dicken Sandkruste verborgen. Gegen den Wind, der ihnen beständig ins Gesicht wehte, benutzten sie feuchte Tücher gegen den feinen Sand. Während der Wanderschaft versank Niam wieder in ihren Gedanken.

Es waren Stimmen, die zu ihrem Inneren sprachen. Sie wiesen Niam auf die Besonderheit ihrer Umgebung hin und allmählich lernte sie die Eigenheiten der Wüste kennen. Langsam verinnerlichte Niam das Wesen der Wüste, verstand sie das Wesen dieser sandigen Landschaft. Zum ersten Mal spürte sie, was es hieß, die Verbündete der Elemente zu sein.

Am Abend des sechsten Tages sahen die drei dunkle Ruinen am fernen Horizont in den Himmel ragen. Dies war die einst mächtige Stadt Brádon oder besser das, was nach dem Krieg von ihr übriggeblieben war. Zerstörte Mauern und abgebrannte Häuser zeugten von den furchtbaren Schlachten, die hier stattgefunden hatten. Nun aber deckte feiner Sand, vom Wind beständig in die Ruine geweht, die alten Steine und Wege wie ein helles Tuch ab. Bald würde Brádon von hohen Dünen vollends verschluckt sein. Es war ein trauriger Anblick, den die zerstörte Stadt bot.

Unermüdlich strebten die Gefährten weiter. Während sie durch die eintönige Landschaft gingen, entdeckte Emrys ein merkwürdiges Gebilde im Sand. Es hatte eine feste, blättrig-rosettenartige Form, gebildet aus Millionen von feinen Sandkristallen. Dies war eine Sandrose, selten, edel und kostbar wie seine makellose Form. Neugierig streckte Emrys die Hand aus und hob das zarte Gebilde auf. Es war hart wie Stein. Ohne zu wissen warum, steckte Emrys die Wüstenrose ein und nahm sie mit.

Nach Tagen der Einsamkeit entdeckte Emrys Spuren im Sand. Tiefe Kuhlen lagen im weichen Untergrund vor ihm. Nur ein riesenhaftes Wesen konnte solche Abdrücke hinterlassen. Nun waren die Gefährten gewarnt und bewegten sich noch vorsichtiger. Dennoch liefen sie dem Feind hinter einer hohen Düne direkt in die Arme. Es waren tatsächlich Pilosi, die sie am lichten Tag mitten in der Wüste angriffen. Anders als ihre Artgenossen störten sich diese nicht am hellen Glanz der Sonne. Im Gegenteil, sie waren der trockenen Umgebung perfekt angepasst. Balzôrc hatte seine Diener entsprechend verändert. Nun kämpften sie bevorzugt in der Sonne und mieden die Nacht. Angeführt wurden sie von gewaltigen Wesen aus Sand, Sandriesen, grauenvoll anzusehen und übermenschlich stark. Unbarmherzig zogen sie einen Ring um die Gefährten und verstärkten den Angriff der Pilosi. In dieser Situation waren Gwydón, Emrys und Niam aufeinander angewiesen. Instinktiv vertrauten sie den Fähigkeiten der anderen. Sie ergänzten sich perfekt. Emrys kämpfte heldenhaft. Sein Schwert Caliburn wütete unbarmherzig in den Reihen der Pilosi. Währenddessen sandte Gwydón mächtige Zaubersprüche gegen den Feind. Über dem Kampfgetümmel hallte Niams Stimme. Inzwischen handhabte sie die entscheidenden Töne perfekt. Ihr magischer Gesang raubte den Feinden die Beweglichkeit. Es war ein ungleicher Kampf. Einzig die Sandriesen konnten länger widerstehen. Gegen sie war Emrys‘ Schwert machtlos. Wann immer das scharfe Eisen den Sand berührte, rieselte dieser nur auseinander und fand sich augenblicklich wieder zusammen. Da besann sich Niam ihrer Rolle als Verbündete der Elemente und rief einen großen Sturm, stark genug, die Sandriesen zu besiegen. Schließlich waren sie aus nichts als Sand. Und was hielt den Sand ständig in Bewegung? Der Wind! Also vertiefte sich Niam in das luftige Element und berief einen mächtigen Wind. Sie sang sein heiliges Lied und beschwor den gefürchteten Sandsturm.

Sofort geriet die Luft in Bewegung und erhob sich zirkulierend. Der Wind bildete Wirbel, Staub-, und Windhosen über dem trockenen Boden. Berghoch türmte sich der feine Sand und durchschnitt die Wüste wie eine undurchdringliche Wand. In rasender Geschwindigkeit kam er auf die Riesen zu. Niam, Emrys und Gwydón blieben verschont, doch die Feinde spürten seine ganze Wucht. Durch die Bewegung rieben sich die Sandkörner heftig aneinander. In zahlreichen Explosionen entluden sie ihre elektrische Spannung. Diese erschütterten die Sandriesen in ihrer Struktur. Der Kampf war bitter, aber kurz. Dann siegte der Wind über die Kraft des Bösen, und die Sandriesen lösten sich auf. Der Wüstensturm wehte sie davon, aufgelöst in Milliarden kleine Quarzkörner. Mit den Riesen verschwanden auch die Pilosi. Die Wüste verschluckte sie, und sie waren nie mehr gesehen.

Als der Wind sich legte, hinterließ er die Landschaft glattgewaschen von jeglichem Sand. Der Sturm hatte ihn davongetragen. Zurück blieben große Becken, zwischen denen Rippen aus härterem Gestein standen. Der Boden war blank poliert und glänzte in der Sonne. Emrys, Gwydón und Niam sahen sich erleichtert an.

Emrys betrachtete Niam. Er sah ihre blonden Locken, ihre vollen Lippen, ihren langen Hals und ihr schönes Gesicht. An ihren Augen blieb er hängen und verlor sich in dem grenzenlosen Blau. Niam erwiderte seinen Blick. Ihr Lächeln traf ihn bis ins Mark. Sein Herz schlug plötzlich bis zum Hals, und er musste heftig schlucken.

Impulsiv griff er unter sein Gewand und holte die Wüstenrose hervor: »Das ist für dich.«

»Wie herrlich.« Niam streckte die Hand nach der steinernen Blume aus. Staunend betrachtete sie die feinen Formen und festen Strukturen. Doch dann stockte sie. Warum schenkte ihr Emrys etwas? Niams Herz klopfte. Schmerzlich spürte sie ihre Unerfahrenheit im Umgang mit Männern. Sicher bedeutete es etwas Bestimmtes, wenn ein Mann einer Frau eine Rose schenkte, sei sie auch aus Sand. Niam schluckte und sah Emrys unsicher an. »Aber warum schenkst du sie mir?«

»Mir war einfach danach. Damit zeige ich dir meine Achtung. Aber wenn du nicht willst …«

»Bitte verstehe mich nicht falsch. Ich freue mich sehr über dein Geschenk. Vielen Dank.« Damit lächelte sie Emrys entwaffnend an.

Niam verstaute das rosenartige Gebilde aus Sand sorgsam unter ihrem Gewand und nahm es mit auf den langen Weg nach Norden.

Unermüdlich strebten die Weggefährten weiter. Die Begegnung mit den Sandriesen hatte sie vorsichtiger werden lassen.

Plötzlich sagte Gwydón leise: »Freunde, ich habe so ein merkwürdiges Gefühl. Irgendetwas ist da…«

In diesem Moment brach der Boden unter Niam, Emrys und Gwydón ihnen zusammen. Über ihren Köpfen schloß sich der Felsen. Der Stein, auf dem sie gestanden hatten, entpuppte sich als riesenhafte Hand aus Geröll und Staub, vermischt mit Stein und Erde. Während die Steinklaue sich unerbittlich schloß, erfüllte ein schauriges Lachen die Luft.

»Endlich habe ich euch!« Damit erhob sich ein gigantischer Steinriese, hühnenhaft und mächtig. Alles an ihm war hart wie fester Stein. Wie Spielzeug wirkten die drei Freunde in seiner Hand. Der Riese wirbelte sie durch die Luft, während er brüllte: »Ich bin Ysbadadden, der oberste der Hrungnir. Und ihr seid meine Gefangenen.«

»Ysbadadden?« Mit letzter Anstrengung sammelte Gwydón seine Kräfte und sagte mit lauter Stimme: »Seid wann bist denn zurück auf dieser Welt? Hat der Rat der Thuata de Dannan dich nicht auf ewig verbannt?«

»Pah, die Thuata de Dannan!« Der Riese lachte laut auf. »Deine Götter sind besiegt und haben keine Macht mehr über die Welt. Mein Herr hat gesiegt. Balzôrcs Herrschaft ist ewig. Er war es, der mich aus meiner Verbannung zurückholte. Nun kann ich mich endlich an den Menschen rächen.« Damit schloß er seine Steinfinger nur noch fester um die Gefangenen.

Mühsam rangen Gwydón, Niam und Emrys nach Luft. Ysbadadden hob sie hoch und trug sie fort in seine Höhle. Dort kettete er sie an die steinernen Mauern, festgebunden für seine spätere Rache. Dann verließ er polternd seinen Unterschlupf. Niam, Emrys und Gwydón blieben allein im Dunkel zurück.

»Gwydón, wer ist das?«, fragte Niam leise.

»Ysbadadden ist der stärkste und gefährlichste der Steinriesen Hrungnir. Seit Ewigzeiten sind diese Riesen dem Bösen verbunden. Früher brachten sie viel Leid über die Welt. Nachdem die Thuata de Dannan in den Götterkriegen den dunklen Dämon Crom Dubh besiegt hatten, wurden die Hrungnir und mit ihnen all die bösen Gesellen vom hohen Götterrat verbannt. Die Tatsache, daß Ysbadadden hier ist, läßt Schlimmes befürchten. Vermutlich hat Balzôrc viele der einst verbannten Unholde befreit. Das wird unsere Weiterreise erschweren.«

»Falls wir überhaupt weiterreisen werden.« Emrys sprach mit dem klaren Sinn des Kriegers. »Wenn wir uns nur befreien könnten.« Doch so sehr er sich auch bemühte, gegen die starken Ketten konnte die menschliche Kraft nichts ausrichten.

Auch Gwydóns Zauberkraft scheiterte. Ysbadadden war ein starker Gegner und sein Zauber nur schwer zu brechen. Es bedurfte der ganzen Kraft des Samildánach, um einen Schutzzauber über sich und seine Freunde zu legen. So konnte er ihnen zumindest ein wenig Sicherheit verschaffen. Doch gegen die verzauberten Ketten war auch Gwydón machtlos.

Da hatte Niam eine Idee: »Gwydón«, fragte sie leise, »aus was bestehen Steinriesen?«

»In erster Linie aus Steinen, Schutt und Geröll.«

»Und eben diese Konstellation aus Erde und Stein wird sie vernichten. Die menschliche Kraft mag gegen Ysbadadden nichts ausrichten, wohl aber die Macht der Elemente.« Damit versenkte sich Niam tief in ihr Inneres und beschwor die in ihr ruhenden Kräfte.

Zuerst gebot Niam dem Eisen und Stahl der Ketten, sich in ihre Bestandteile aufzulösen und befreite die Freunde. Dann berief sie Antarr und mobilisierte die Kraft der Erde. Als Ysbadadden in die Höhle zurückkehrte, erwartete ihn ein nicht zu besiegender Gegner. Niam schleuderte ihm ihre ganze Macht entgegen. Auf ihr Gebot lockerte sich das Geröll und floh Ysbadaddens massigen Körper. Anfangs wußte der Steinriese nicht, wie ihm geschah. Als er es endlich begriff, war es zu spät. Immer wackeliger stand er auf seinen steinernen Beinen, bis er schließlich mit einem letzten Aufschrei zusammenbrach. Nichts blieb von Ysbadadden zurück als ein staubiger Haufen aus Stein.

So schnell sie konnten, verließen die drei Freunde diese unwirtliche Gegend. Unermüdlich strebten sie weiter nach Süden. Um der glühenden Sonne zu entgehen, liefen sie weiterhin nur vormittags und abends. Den Rest der Wüste durchquerten sie ohne weitere Zwischenfälle. Der Cauldron der Meere führte sie weiter von Wasserstelle zu Wasserstelle.

Nach insgesamt zwanzig Tagen war es endlich so weit. Eine breite Dornensavanne kündete vom Ende des ewigen Sandes. Froh, endlich gebraucht zu werden, begann Emrys sofort, das undurchdringliche Dornengestrüpp mit seinem Schwert zu bearbeiten. Schnell zeigte der kleine Spalt im dichten Pflanzengewirr das Ergebnis seiner Bemühungen. Schweißgebadet, aber zufrieden präsentierte er den Ausweg aus der Wüste. Doch das Dornengestrüpp war tief. Bald ging die Sonne unter. In dem unwegsamen Gelände gab es keinen geeigneten Ort für die Nacht. Die einzige Lichtung, die sie fanden, machte keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Ein riesiger Holunder stand in ihrer Mitte, fest umklammert von zwei gewaltigen Dornenbüschen. Diese Kombination galt als unheilbringend. Doch dies war der einzige Platz, der für eine Übernachtung in Frage kam. Also begann Gwydón, die Lichtung zu sichern. Um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, wählte er einen einfachen, aber wirkungsvollen Zauber. Er band einen roten Faden um einen Eichenstab, zusammen mit je einem Ast der zwei Dornenbüsche. Mit diesem Gebinde zog er einen Kreis um das Holundergewächs als Abwehrmittel gegen den bösen Zauber. Zusätzlich platzierte er Jakobs- und Johanniskraut in je einer Himmelsrichtung, vermischt mit einigen Spänen Eisen, die er bei sich trug. Damit war der innere Kreis gesichert. In stockfinsterer Nacht legten sie sich unter den dornenumrankten Holunder und bemühten sich, zumindest ein wenig Ruhe zu finden.

Am nächsten Morgen verließen sie die Wüste endgültig. An ihrem Rande drehte sich Niam noch einmal um. Gedankenverloren betrachtete sie das trockene Land. Unwillkürlich nahm sie einen kleinen Stein und steckte ihn in ihren Beutel als letzte Erinnerung an das, was einst Dumnón war. Dann machte sie dem Land im Süden ein letztes Geschenk und berief das Wasser. Schon bald zogen Wolken auf, und dann kam ein großer Regen. Dicke Tropfen berührten den trockenen Boden. Wolkenbruchartig ergoss sich das kostbare Nass über das staubige Land. Da geschah ein kleines Wunder. Augenblicklich veränderte sich die Wüste. Wie von Zauberhand fanden unzählige kleine Blüten den Weg zur Oberfläche. Sie hatten im Erdinneren auf einen Wassertropfen gewartet, der sie zum Blühen bringen würde. Nun entfalteten sie ihre Schönheit tausendfach. Für diesen kurzen Moment verwandelte sich der Staub in ein grünes Meer, und die Wüste blühte. Der Sandboden war bedeckt mit einem dichten Teppich aus bunten, leuchtenden Pflanzen. Ein leichter Wind ging über das frische Grün. Die Blüten neigten sanft ihre Köpfe und zollten Niam ihren Dank.

Mit diesem Bild im Kopf verabschiedeten sich die drei Freunde von der Wüste. Unermüdlich schlug Emrys ihren Weg durch die dichten Dornen. Schließlich erreichten sie den Severíno, die Grenze nach Sîl. Er war kaum wiederzuerkennen. Einst war er reißend gewesen, doch nun floss er nur noch träge. Schwerfällig fand er seinen angestammten Weg. Ein modriger Geruch lag über ihm. Tote Fische schwammen bäuchlings an der Wasseroberfläche. Emrys, Gwydón und Niam sahen sich stumm an. Es ekelte sie vor diesem stinkenden Wasser. Doch sie mussten ihn überqueren. Mit angehaltenem Atem schritten sie durch den toten Fluss und betraten das benachbarte Königreich Sîl.

Was sie dort erwartete, war nicht besser als das Vergangene. Auch Sîl hatte sich verändert. Wo früher blühende Wiesen und Felder gestanden hatten, war nun nichts als träger, graugrüner Sumpf. Die zahlreichen Flüsse Sîls waren zum Stehen gekommen. Die eben noch so sehr vermisste Feuchtigkeit war hier im Übermaß vorhanden. Der Boden war wie ein mit Wasser durchtränkter, gigantischer Schwamm. Er war so weich, daß die drei Wanderer deutliche Fußabdrücke im trägen Untergrund hinterließen. Ein fauliger Geruch durchzog die Luft. Dichter Nebel lag über dem Moor. Kein Lüftchen bewegte sich, ihn zu vertreiben. Über allem war eine Atmosphäre des Bedrohlichen und Unheimlichen. Auch die Vegetation hatte sich verändert. Zahlreiche Sumpfpflanzen waren hier gewachsen und säumten die Moorwiesen. Unter ihnen waren Rohrkolbengewächse und vor allem die gelb leuchtende Sumpfdotterblume. Daneben gab es Torfmoose und das lila Moosheidekraut.

Nach der Eintönigkeit der Wüste war dieses vielfache Grün eine Wohltat für die Augen. Doch es war eine trügerische Schönheit. Die drei Freunde mussten jeden ihrer Schritte mit Bedacht wählen, um nicht in sumpfigen Boden zu versinken. So kamen sie auch hier nur langsam voran. Schon bald kündete das Zwielicht vom bevorstehenden Sonnenuntergang. Also suchten sie einen geeigneten Platz für die Nacht und fanden ihn in einem Wall aus Torf. Der Boden war fest und das Moos weich - ein idealer Schlafplatz.

Je tiefer die Gefährten in das Moor gingen, desto unheimlicher wurde es. Der Nebel machte eine exakte Orientierung schwierig. Emrys, sonst ein fähiger Führer, fand keine Landschaftsmarken, nach denen er sich hätte richten können. Auch Niams Augen waren unbrauchbar angesichts des dichten Nebels. Aber Gwydón konnte helfen. Als Samildánach verfügte er über Sinne, die empfindlicher waren als die anderer Menschen. Wie eine Fledermaus sandte er Schallsignale in die neblige Umgebung und analysierte die zurückgeworfenen Schwingungen. Er wusste, daß alles ein ganz spezielles Echo hatte. Auf diese Weise ortete er Richtung und Weg und führte seine Freunde sicher durch den undurchdringlichen Nebel. Unterwegs trafen sie auf zahlreiche Pilositruppen, die sie aber im Schutz des Nebels umgehen konnten. Sie hofften schon, sie könnten dem Bösen ewig entgehen, da schlug es unerwartet zu.

Im Zwielicht der Dämmerung sahen sie plötzlich kleine Lichter über dem dunklen Moor tanzen. Rhythmisch hüpften sie auf und ab und zeichneten helle Figuren in den nächtlichen Himmel. Mit heller Stimme riefen sie die Wanderer in den Sumpf. Niam hörte deutlich Aéds kleines Stimmchen. Wäre Gwydón nicht gewesen, Niam wäre sicher dem Licht gefolgt.

Doch er hielt sie zurück. »Niam, höre nicht auf die Stimmen. Das ist nur ein Irrlicht.«

»Ein was?«

»Ein Irrlicht. Das ist der Zauber des Sumpfes. Es sind die Geister des Moores. Einige sagen, es seien die Seelen verlorener Kinder. Denjenigen, der ihnen folgt, führen sie stets in die Irre. Sie dringen in dein Herz und suchen deine Schwachstelle. Sei also gewarnt. Denn dein Herz ist oft stärker als dein Verstand.«