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Es führt über den Main... Doch auf der anderen Seite der Nebelverhangenen Steinbrücke erwartet sie nicht das jenseitige Ufer, sondern ein Land, in dem die Nacht niemals endet. Alles Leben wird von Dunkelheit beherrscht - und von der Fee in ihrem Schloss hoch über dem großen Wald. Es heißt, sie habe ein Herz aus Eis, und ihre Pläne drohen das ganze Land in den Untergang zu stürzen. Auch unsere Welt ist in Gefahr, von ewiger Finsternis überrollt zu werden. Doch was können zwei Kinder schon ausrichten gegen die Königin der Nacht? Um in diesem Kampf zu bestehen, müssen sie nicht nur eine gehörige Portion Mut aufbringen, sondern vor allem eines gewinnen: Die Herzen aller Bewohner des Nachtlandes. Das Schicksal ganzer Welten hängt von Vertrauen ab - in sich selbst, in andere, besonders aber in die Tochter der dunklen Fee. Auf welcher Seite steht die Prinzessin wirklich? Und ist die Königin tatsächlich so kaltherzig, wie alle behaupten? Ein fantastisches Abenteuer für junge und junggebliebene Leser....
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Seitenzahl: 525
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Für Timo,
der das Nachtland mit der Genauigkeit
des Wissenschaftlers bereiste
Danke!
Es führt über den Main, eine Brücke von Stein,
wer darüber will geh’n, muss im Tanze sich dreh’n.
Fa-la-la-la-la, fa-la-la-la
Kommt ein Fuhrmann daher, hat geladen gar schwer,
seiner Rösser sind drei, und sie tanzen vorbei.
Fa-la-la-la-la, fa-la-la-la
Kommt ein Mädchen allein, auf die Brücke von Stein,
fasst ihr Röckchen geschwind, und sie tanzt wie der Wind.
Fa-la-la-la-la, fa-la-la-la …
(Mittelalterliche Weise)
Die Aussprache einiger Namen mag manchem Leser Schwierigkeiten bereiten, deshalb hier ein paar Hinweise:
Schazhun wird wie »Schasun« ausgesprochen, allerdings in Richtung scharfes S.
Lorjyn: Das y liegt irgendwo zwischen i und ü.
Ceridwen wird als »Keridwen« gelesen.
Vinja: Das V ist ein gedachtes W.
Jahsirkaa: spricht man »Ja-sir-ka-a«
Übrigens: Am Ende dieses Buches findest du eine Karte des Nachtlandes – soweit man es überhaupt kartographieren kann…
Prolog
Tänze und Fackelschein
Mehlbestäubte Träume
Schwarzer Morgen
Vergessen
Bevor der Tag erwacht
Der Wille der Königin
Ein Mädchen mit
Visionen
Gerüchte
So müde
Im höchsten Turm
Die andere Seite
Ein Führer
Geflüsterte Worte
Helfer in der Nacht
Eine Audienz
Der Schweigende Wald
Gewebte Träume
Zweifel
Gefangene
Mäuse in der Falle
Auf dem Dunkelpfad
Eine kleine Expedition
Mondscheinrebellen
Einen Schuldigen
Über den Sternenfluss
Das Herz der Nacht
Herren der Berge
Schicksal
Überraschungen
Schlafendes Feuer
Gespräche im Dunkeln
Weil ihr Kinder seid
So viel Blut
Jäger ohne Worte
Für das Licht des
Eine andere Art
Langsam wirkendes Gift
Blutige Federn
Gestohlene Minuten
Draußen
Nichts als ein Spiel
Stern des Nachtlandes
Zurück
In Zukunft
Epilog
Der graue Dunst legte sich schwer auf ihren nachtschwarzen Mantel, doch sie spürte die Kälte nicht, die ihren Atem zu einer weißen Wolke werden ließ. Ein kleiner Fetzen Weiß, der sogleich von dem Nebel verschluckt wurde, der die Dunkelheit um sie her durchwebte. Hell schimmernde Fäden auf dem Webstuhl der Nacht.
Eines der Pferde schnaubte unruhig, aber sie wandte nicht einmal den Kopf. Wie eine Statue aus Turmalin stand sie im Nebel, reglos, und ebenso stumm und kalt.
Sie wartete.
Und dann geschah endlich, wonach ihre goldgesprenkelten Augen schon seit geraumer Zeit Ausschau gehalten hatten.
Der Nebel lichtete sich und gab den Blick frei auf das steinerne Ende einer Brücke. Weißgraue Schleier lagen über dem Pflaster, wanden sich zwischen den Figuren, die die Mauern bevölkerten. Steinerne Abbilder der Toten, die die Menschen in ihren Liedern besangen. Die gegenüberliegende Seite lag noch immer in dichtem Dunst, verschwamm vor ihren scharfen Augen zu einem Gemisch aus hellgrauen Schwaden.
Als der erste Schemen sich aus dem Nebel löste und sich ihrer Seite der Brücke näherte, huschte ein kaum merkliches Lächeln über ihr blasses Gesicht. Es hatte begonnen! Endlich.
Ohne den Kopf zu drehen, erteilte sie ihre Befehle. Nicht einmal die Stimme brauchte sie zu heben. Selbst geflüsterte Worte trugen weit in dieser einsamen Landschaft.
»Die Karaffe!«
Einer ihrer schattenhaften Diener trat vor und reichte ihr schweigend ein Gefäß aus schimmerndem Kristall. Sobald sie die Worte sprach, wurde das Material unter ihren Fingern warm.
Die Gestalt hatte nun das Ende der Brücke erreicht. Ein junger Mann mit verwirrtem Gesicht. Im selben Moment, in dem sein löchriger Stiefel die Erde berührte, wurden seine Umrisse undeutlich, verschwommen und farblos. Kein Laut war zu hören, während der Schemen sich im Nebel verlor.
Doch sie hatte keinen Blick für den schwindenden Schatten. Ihre Aufmerksamkeit galt allein der Karaffe in ihren Händen, auf deren Boden sich eine winzige Pfütze einer klaren, pulsierenden Flüssigkeit zu bilden begann.
»Nun ist die Zeit gekommen, süße Nacht«, wisperte sie kaum hörbar, raunte die Worte in die Schatten wie ins Ohr eines guten Freundes. »Bald wird dein Reich keine Grenzen mehr kennen und der Mond wird scheinen über allen Welten...«
Sie lächelte noch immer, als sie sich umwandte und der Brücke den Rücken zukehrte.
Nebelfetzen verfingen sich in ihrem hochgesteckten Haar, während sie in die Kutsche stieg. Ein weiterer ihrer Diener schloss die schmale Tür und die stille Gefolgschaft wurde unsichtbar für die müden Augen des älteren Mannes auf dem Kutschbock. Er schob sich den breitkrempigen Hut in die Stirn, rieb fröstelnd seine Hände und griff nach den Zügeln.
Die silbernen Hufe der Pferde verursachten keinen Laut in der stillen Landschaft, als sich die Räder in Bewegung setzten. Mondlicht brach sich an den Rosen, die sich filigran um das Gefährt rankten wie dunkle Schlangen.
Es war ein trostloser Landstrich, doch keiner der Anwesenden bemerkte den stillen Zeugen, der beobachtete, wie die schwarze Kutsche sich in den Nebeln verlor.
Der Rabe sah ihr vom Ast einer kümmerlichen Tanne aus nach. In dem kargen Hügelland ragte der Baum in die Höhe wie der Schiffsmast einer untergegangenen Barke. Ein vortrefflicher Platz, um mit glänzenden Augen die Nebellande zu überblicken.
Mit leisem Rascheln schüttelte der Rabe sein Federkleid, stieß einen lauten Ruf aus und schwang sich in die nebelschwere Luft davon.
Heiliges Römisches Reich nahe Würzburg, Ende 15. Jahrhundert
Der Duft von Feuern und verschwitzten Leibern hing in der Luft und mischte sich mit den Klängen der Flöten und Lauten der Musikanten. Inmitten der vielen Menschen jeglichen Alters, die sich zwischen den Wagen drängten, beachtete kaum jemand das schmächtige Mädchen in dem blassgrünen Kleid.
Klarissa sah nicht auf die Gesichter um sich herum. Ihre Konzentration galt einzig dem Seil unter ihren nackten Füßen. Ruhig und bedächtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, entschlossen, sich durch nichts in der Welt ablenken zu lassen.
Sie wusste, dass man sie genau beobachtete. Robertos strenger Blick verfolgte jede ihrer Bewegungen. Die Striemen auf ihrem Rücken schmerzten noch immer und erinnerten sie daran, was sie erwartete, wenn sie sich erlaubte, auch nur den geringsten Fehler zu machen.
Mit zusammengebissenen Zähnen vollführte sie eine Drehung, schwang ihr Bein hoch in die Luft und kam sicher wieder auf dem Seil auf. Der Wind blies ihr die dunklen Locken ins Gesicht und wirbelte die Tücher umher, die sie in den Händen hielt.
Ein letztes Mal hob sie die Arme anmutig in den Himmel, bevor sie geschmeidig auf die Erde sprang. Ein grimmiger Blick streifte sie. Klarissa setzte rasch ein Lächeln auf und versank vor den Zuschauern in einen tiefen Knicks, während ihr Herz wild pochte. Diesmal konnte doch niemand etwas auszusetzen haben, oder? Aber Roberto würde nie mit ihr zufrieden sein, dessen war sie sich leider nur allzu bewusst.
Als sie schließlich mit der Blechdose hinter die Wagen zurückkehrte, saß Magda auf den Stufen ihres fahrenden Heims und sah ihr aufmunternd entgegen. Klarissa erwiderte das Lächeln der jungen Frau, die gerade dabei war, ein Kostüm auszubessern. Zuvor hatte sie es auf den Lippen getragen wie die anderen Schauspieler ihre Masken, doch jetzt war es wirkliche Freude, die ihre Mundwinkel in die Höhe zog.
Das Lächeln erlosch, sobald Roberto um die Ecke bog. Ihm folgte seine Ehefrau Ruth, wie immer mit einem wütenden Ausdruck im fleischigen Gesicht.
»Gib schon her.«
Der großgewachsene Mann riss ihr unsanft die Dose aus den Händen und schüttelte sie. Das schwache Klingen sprach Bände über die heutigen Einnahmen.
»Du musst mehr lächeln, wie oft soll ich das noch sagen? Wenn du so unwillig guckst, kannst du noch so niedlich aussehen und niemand interessiert sich für die Vorstellung. Streng dich heute Abend mehr an!«, raunzte er zu Klarissa gewandt, während er die paar Kupfermünzen in seine Hände klimpern ließ.
Magda sah von ihrer Arbeit auf und rief: »Du weißt genau, dass sie sich alle Mühe gibt, Roberto! Sei nicht immer so streng mit der Kleinen.«
Er schnaubte jedoch nur abschätzig, warf dem Mädchen einen düsteren Blick zu und folgte seiner Frau ins Innere des nächstgelegenen Wagens.
Klarissa atmete erleichtert auf und ging zu Magda hinüber, um sich neben sie zu setzen.
»Danke.«
»Ich weiß, wie schwer er es dir macht. Dabei bist du wirklich gut und Roberto weiß das auch. Wir hatten noch selten eine so begabte Seiltänzerin in der Truppe. Er hatte nur schon damals etwas dagegen, einen Findling aufzunehmen, und zusammen mit seinem jähzornigen Temperament… Nun, dir brauche ich das wohl nicht zu sagen.«
Sie beugte sich wieder über den Stoff auf ihren Knien und Klarissa sah zu, wie sie das Garn mit der Nadel durch das Leinen fädelte.
Als das Mädchen nach einer Weile noch immer nachdenklich neben ihr saß, hob Magda den Kopf und befahl freundlich, aber bestimmt: »Nun komm, die Pferde brauchen Wasser und ich bin sicher, Helene freut sich, wenn du ihr für eine Stunde die Kleinen abnimmst.«
Klarissa stand auf, strich sich das Kleid glatt und machte sich folgsam auf den Weg. Sie war hier im Lager noch immer die Außenseiterin und nicht selten wurde sie herumgescheucht wie die Dienstmädchen der reichen Leute in den Häusern der Stadt. Doch sie beschwerte sich nicht über die Berge an Arbeit. Wenn sie Magda nicht hätte, würde sie jetzt vermutlich zu den bettelnden Kindern gehören, die mancherorts durch die Straßen zogen. Vielleicht wäre sie auch gar nicht mehr am Leben.
Der Abend war erleuchtet von Fackeln und den allgegenwärtigen Lagerfeuern. Es herrschte ein buntes Treiben im Lager der Spielleute, der Vogelfreien, wie sie vor Gericht genannt wurden. Anders als am Vormittag waren es nicht nur ärmliche Gestalten, die sich zwischen den Zelten und Planwagen tummelten. Klarissa erkannte mehrere Herren mit edlen Pferden, die mit ihrer prachtvollen Gewandung aus der Menge hervorstachen wie Farbkleckse auf weißem Stoff.
Später hatte sie zunächst keine Gelegenheit mehr, die Zuschauer näher zu betrachten. Mit den anderen der Truppe erfüllte sie pflichtgemäß ihre Rolle in dem Theaterstück, das alle ihre Darbietungen in einer Geschichte vereinte.
Während sie sich mit den Mädchen der Gruppe im Tanz drehte und akrobatische Übungen vollführte, beobachtete sie allerdings aus den Augenwinkeln, wie die adeligen Herrschaften sich in die erste Reihe drängten. Es waren fünf, allesamt hoch gewachsen und mit einem arroganten Gesichtsausdruck unter den Krempen ihrer samtenen Hüte. Sie schienen eher gelangweilt von der Aufführung und sie sah, wie einer von ihnen sich angewidert einen Schmutzstreifen von der Weste wischte. Hochwohlgeborene Herren.
In der Schlussszene, einer Hochzeitsgesellschaft, wirbelte sie als Blumenmädchen um die als Braut zurechtgemachte Magda herum und ihre klare Stimme webte sich in den Wind und die Funken, wurde fortgetragen über die Menge der Zuschauer.
Als sich die Truppe unter höflichem Applaus verbeugt hatte und Klarissa sich wieder aufrichtete, spürte sie auf einmal den Blick eines der adeligen Herren auf sich ruhen. Sie fröstelte und war froh, sobald sie sich hinter die provisorische Bühne zurückziehen konnte und die Besucher sich zu zerstreuen begannen.
Später, als sie sich zu den anderen ans Feuer setzen wollte, hielt sie inne. Sie hörte Robertos unverwechselbare Stimme von der anderen Seite der Wagen. Er sprach mit jemandem, einem Fremden. Nach kurzem Zögern trat sie vorsichtig näher heran und lauschte neugierig.
»Wo hat das Kind gelernt, so zu singen? Ist es Ihre Tochter?«
Klarissa starrte angestrengt in die Dunkelheit, vermochte jedoch nur Umrisse auszumachen. Dennoch glaubte sie, in dem Fremden einen der reichen Herren zu erkennen. Was er wohl wollte?
»Die hat schon so gesungen, seit sie bei uns ist. Wir haben die Kleine von der Straße aufgelesen und meine Frau hat das Kind liebevoll aufgezogen«, antwortete Robertos Stimme.
Liebevoll? Darunter stellte sie sich etwas anderes vor als das Leben in Robertos Familie. Ruth war zu niemandem liebevoll. Klarissa überlegte, warum sich irgendjemand außerhalb der Truppe für diese Geschichte interessieren sollte.
»Ich will das Mädchen sehen.«
Die Stimme des Fremden hatte einen befehlenden Ton angenommen.
Unter Klarissas Fuß knackte ein Zweig. Rasch wollte sie zurückweichen, doch Robertos scharfer Blick hatte sie schon erspäht. Unwirsch winkte er sie zu sich.
»Komm her! Dieser Herr möchte dich sehen.«
Der Klang seiner Stimme duldete keinen Widerspruch und so kam sie vorsichtig näher, bis sie neben ihm stehenblieb.
Jetzt, aus der Nähe betrachtet, fiel das Licht der Fackeln auf das Gesicht des Fremden und sie erkannte, dass er noch recht jung sein musste. Irgendetwas Vertrautes war in seinen Zügen, das sie jedoch nicht recht einzuordnen wusste.
»Das ist das Kind«, sagte Roberto und schob sie nach vorne, sodass auch ihr blasses Gesicht in flackernden Feuerschein getaucht wurde.
Klarissa schwieg. Sie hätte nur zu gerne gewusst, was der junge Mann von ihr wollte, denn offensichtlich hatten die beiden zuvor über sie gesprochen. Sie, das Findelkind der Gruppe.
Der Fremde beugte sich vor und musterte sie eindringlich mit seinen dunklen Augen. Fast schwarz waren sie und irgendwie kamen sie ihr bekannt vor, aber vielleicht lag das auch nur an den tanzenden Flammen, die sich in seinen Augen brachen.
Als der Mann eine Strähne ihrer dunklen Locken anhob, wollte sie unwillkürlich zurückweichen, doch Roberto hielt sie eisern fest.
»Lasst das Mädchen los«, sagte der Fremde leise, und sie war erstaunt über den plötzlichen Ton der Fürsorge, der aus seiner Stimme klang.
Überrascht gehorchte Roberto und Klarissa atmete auf. Der Fremde musterte sie eine Weile nachdenklich, bevor er sich zu ihr hinabbeugte.
»Nun, Kind, du warst sehr beeindruckend heute. Ich will dir einen Vorschlag machen: Komm mit mir zum Landsitz meines Vaters. Tanze und singe für ihn und du darfst dafür an unserem Hof leben und musst keinen Hunger leiden. Ich würde nicht jedes Mädchen bitten, weißt du. Mein Vater trauert seit Jahren um den Verlust seiner geliebten Schwester. In unserer Galerie hängt ein Bild von ihnen beiden als Kinder und als ich dich heute sah, da glaubte ich für einen Moment, eine jüngere Version meiner Tante vor mir zu sehen. Du gleichst ihr bis aufs Haar und sie war berühmt für ihren schönen Gesang. Wenn du nun mit mir kommst, so hoffe ich, dass es meinen Vater aus seiner Trauer wecken kann. Und ein Leben bei Hofe ist sicherlich besser als hier unter diesen Leuten.«
Bei den letzten Worten warf er einen abwertenden Blick auf die geflickten Zelte und die bunte Gesellschaft am Lagerfeuer. Klarissa merkte, wie Roberto sich unwillig anspannte ob dieser Beleidigung, doch seine Miene blieb gleichgültig.
»Ihr bietet mir also Unterkunft und Verpflegung dafür, dass ich vor euch hohen Herren tanze, als Dienerin bei Hofe«, meinte Klarissa langsam und trat einen Schritt auf den jungen Mann zu.
»Genau das«, erwiderte dieser und sah sie überrascht an, als sie noch einen weiteren Schritt auf ihn zuging.
Sie kümmerte sich nicht um Robertos mahnendes Zischen. Was fiel diesem Fremden ein? Nur, weil er Geld hatte und feine Kleider trug, glaubte er wohl alles fordern zu können.
Erinnerungen überkamen sie. An kostbare Teppiche, weiche Betten und den Schein von verzierten Kerzenleuchtern. Aber das war lange her. Jetzt gehörte sie zum Fahrenden Volk, die geflickten Zelte und schäbigen Planwagen waren ihr Zuhause geworden und die Gaukler ihre Familie. Trotz Robertos Grausamkeit. Sie würde nicht zulassen, dass man diese Leute von oben herab behandelte!
»Ich weiß genau, wie unseresgleichen auf den Schlössern der hohen Herren angesehen wird«, sagte sie ruhig, während sie dem Fremden in die Augen blickte. »Wenn Ihr Eurem Vater helfen wollt, so müsst IHR ihm darüber hinweg helfen. Niemand kann den Verlust seiner Schwester ersetzen und es würde ihn nur noch tiefer in die Trauer ziehen. Danke für Euer Angebot, doch meine Antwort lautet: Nein. Ich werde mich niemals bei Hofe verspotten lassen. Lieber friere ich im Winter, als vor Euch den Nacken zu beugen!«
Der junge Mann starrte sie an, und für einen Moment verlor sich die Maske des eiskalten Adligen und machte echter Verblüffung Platz, die sich jedoch rasch in Zorn wandelte.
»Was fällt dir ein...«, hörte sie seine empörte Stimme, aber sie hatte sich schon umgedreht und war davon gestürmt. Hinter sich hörte sie Hufschlag, als der Fremde sich auf sein Pferd schwang und das Lager verließ.
Obwohl sie schnell rannte, holte Roberto sie ein. Er schnaubte vor Zorn und schüttelte sie grob, sobald er sie zu fassen bekam.
»Du undankbares Miststück!«, schrie er ihr ins Gesicht, während sie vergeblich versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Ich habe nur die Wahrheit gesagt!«, verteidigte sie sich mit Tränen in den Augen.
Seine Hände packten sie noch kräftiger und er beugte sich ganz nahe zu ihr herab. »Du hast den Grafen schwer beleidigt. Ist dir klar, was das bedeutet?«
Er schüttelte sie erneut.
»Es bedeutet, dass er jedem seiner Freunde davon berichten wird, unseren Tross zu meiden. Und du weißt ganz genau, dass die Aufträge der hohen Herren uns mehr einbringen als die gesamten übrigen Vorstellungen des Jahres!«
Seine Stimme war nun in ein mühsam beherrschtes Zischen übergegangen. »Wir haben dich hier durchgefüttert wie unsere eigenen Kinder. Das hast du allein Magdas Bettelei zu verdanken, als sie mich anflehte, dich aufzunehmen.«
Er stieß sie so plötzlich von sich, dass sie stolperte.
»Aber das ist jetzt vorbei. Du wirst uns verlassen, noch heute Abend! Und komm mir ja nie, niemals wieder unter die Augen, hast du mich verstanden?«
Sprachlos sah Klarissa ihm hinterher, sah seine Gestalt in Richtung des Feuers verschwinden, wo die anderen saßen. Magda und Helene, und der Rest der Truppe. Sie zweifelte nicht einen Augenblick daran, dass er es ernst meinte. Roberto machte keine Scherze.
Nach einigen Sekunden löste sie sich aus der Erstarrung und schlich leise zu den Wagen hinüber. Wie ein Dieb schob sie sich hinein und suchte ihre Sachen zusammen.
Es war nicht viel. Ihr ganzer Besitz bestand aus einem Lederriemen, einem löchrigen Wollumhang und einem roten Haarband. Sie steckte das Band in die Tasche ihres Kleides, band sich den Riemen um die Hüfte und legte den Mantel um ihre Schultern.
Bevor sie zur Tür hinausging, zögerte sie einen Augenblick. Kurz kam ihr der Gedanke, sich ein Stück Brot mitzunehmen, aber es wäre ihr falsch vorgekommen, Magda zu bestehlen.
Nun kamen die Tränen doch. Klarissa wischte sie energisch fort. Weinen hatte noch nie etwas verändert, nicht in all den Jahren. Sie hatte es oft genug getan, als kleines Kind hatte sie sich fast jede Nacht in den Schlaf geweint. Aber sie war trotzdem nicht aufgewacht aus diesem düsteren Traum.
Einige Sekunden lang stand sie reglos in der Türöffnung. Dann huschte sie rasch zu Magdas Schlafstelle hinüber, nahm eines der bunten Tücher und drapierte es in Form eines Herzens auf der dünnen Leinendecke. Sie würde wissen, was diese Botschaft bedeutete. Erst danach verließ sie den Wagen.
Vom Feuer drangen Stimmen zu ihr herüber, Gelächter und Gesang, aber sie blieb nicht stehen.
Sobald sie die letzten Zelte hinter sich gelassen hatte, begann sie zu laufen. Die Nacht verbarg die kleine Gestalt vor neugierigen Augen, als Klarissa sich davonstahl wie eine Diebin. Und die Dunkelheit verschluckte sie wie ein hungriges Tier.
Der Staub blieb an seinen Fingerspitzen kleben wie flockiger Schnee, während er konzentriert einen weiteren Strich vollendete. Jetzt eine bauchige Form hinzufügen und… Martin betrachtete sein Werk und fand, dass es gar nicht schlecht aussah. Zufrieden beugte er sich wieder vor und begann, den Buchstaben erneut in den Mehlstaub zu zeichnen, der die alten Holzbohlen bedeckte.
Er blickte nur kurz auf, als er das Geräusch winziger Füßchen hörte. Die Tasthaare der Maus zitterten und die kleine Nase befand sich in stetiger Bewegung. Sie betrachtete ihn so neugierig, als frage sie sich, was der Junge hier oben zwischen den Mehlsäcken verloren hatte.
Da bist du leider nicht die Einzige, dachte er seufzend.
Die Maus beobachtete ihn noch immer. Wusste sie nicht, dass sie und ihre Verwandten sich lieber verborgen halten sollten, wenn ihnen etwas an ihrem Mäuseleben lag?
»Hör zu«, flüsterte er leise. »Du solltest dich besser verstecken. Ich habe das Grauchen heute schon hier oben gesehen.«
Grauchen war die Hofkatze. Offenbar schien die Maus das zu verstehen, denn sie zuckte noch einmal mit dem Näschen und verschwand dann in einem Haufen leerer Säcke.
Kopfschüttelnd widmete Martin sich wieder den Buchstaben auf dem Fußboden. G wie Grauchen. Er versuchte, ein G mit dem Finger zu schreiben, doch es gelang ihm nur leidlich.
Seufzend richtete er sich auf und lehnte sich an einen der Mehlsäcke hinter seinem Rücken. Wenn er doch nur lernen dürfte! Er wollte die Welt verstehen, wissen, was in den dicken Büchern stand, die er manchmal ansehen durfte, wenn er sich nach dem Sonntagsgottesdienst zum Pater in den Raum hinter der Kapelle stahl. Wie er die reichen Adelssöhne beneidete, die sich ganz dem Studium wichtiger Schriften hingeben konnten, die Zugang hatten zum Geheimnis der Zeichen, die ganze Bücher füllten. Aber er, Martin, würde es auch lernen! Ein paar Buchstaben konnte er schließlich bereits. Und wenn er sich zu etwas entschlossen hatte, dann funktionierte es auch!
Draußen riss der Wind am Dachgebälk und unter sich hörte er das Rattern der Mühle. Vertraute Geräusche, seit er sich erinnern konnte. Zu vertraut.
Für einen Moment gab er sich der Tagträumerei hin. Das Geräusch der Mühle wurde zum Geräusch einer astronomischen Maschine und er stand mit vielen anderen weisen Männern daneben und fachsimpelte über eine wissenschaftliches Problem…
»Martin! Wo steckst du nur wieder?«
So viel zum Thema Träume. Die Stimme seines Bruders drang durch die Bohlen und er vernahm schwere Schritte im unteren Stockwerk.
Rasch verwischte er mit dem Handballen die Buchstaben und zurück blieb nichts als weißer Staub. Seufzend stand Martin auf, klopfte sich die Kleidung ab und schlich zur Leiter.
»Hast du mal wieder dagesessen und geträumt?«, fragte Friedrich mit gerunzelter Stirn, als Martin unauffällig neben ihm auftauchte. Ohne zu antworten, half dieser dem älteren Bruder beim Befüllen des Mahltrichters.
»Lass ihn doch träumen!«, meinte sein anderer Bruder, Wolfgang, mit gutmütigem Spott. »Solange er nicht einer Adelstochter hinterher schmachtet...«
Friedrich warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.
»Du weißt so gut wie ich, dass er begreifen muss, dass Träume in einer Mühle nichts zu suchen haben. Träume gibt es nur bei feinen Herrschaften, nicht bei uns.«
Martin schwieg und ließ die Brüder streiten. Friedrich hatte ja eigentlich recht. Und doch versetzte es ihm jedes Mal einen Stich, wenn sie so sprachen. Er, der jüngste der Müllerssöhne, war eine reine Enttäuschung. Ein Taugenichts und Träumer. Das ließ man ihn oft genug spüren, auch wenn der Vater ihn nicht so hart anfasste, wie andere es getan hätten. Manchmal lag ein fast trauriger, ja verständnisvoller Ausdruck in den Augen des Müllers, wenn er seinen Jüngsten beobachtete.
Schließlich rieb sich Friedrich mit einem Lappen den Schweiß von der Stirn und leerte den letzten Sack Getreide in den Trichter. Das blonde Haar hing dem kräftigen jungen Mann ins Gesicht und seine braungebrannten Arme waren verklebt von Staub.
»Du begleitest Vater später zum Markt«, wies er Martin noch an, bevor er die Mahlstube verließ. Wolfgang folgte ihm schweigend.
Martin sah seinen Brüdern, nicht unglücklich, hinterher. Mit dem Wagen zum Markt zu fahren, um Mehl gegen andere Lebensmittel einzutauschen… Nun, es gab Schlimmeres.
Als sie schließlich aufbrachen, hatte er bereits die Stube gefegt, die Hühner gefüttert und seiner Mutter beim Waschen geholfen. Die Fahrt zum Markt erschien ihm als durchaus willkommene Abwechslung.
Das Arbeitspferd kaute gelassen auf dem Gebiss der Trense, während Martin seinem Vater half, den Wagen anzuschirren. Dann wuchteten sie mit Hilfe der Brüder einige Mehlsäcke auf die Ladefläche, bevor sie endlich die Mühle verließen.
Wie immer fühlte sich die Stille seltsam an, sobald sie die Geräusche des Mühlrades hinter sich ließen. Einzig das leise Rauschen von Wasser blieb noch eine Weile erhalten, da der Weg am Bach entlangführte.
Sein Vater verlor den ersten Teil der Strecke kein Wort, doch Martin störte das nicht. Andreas Fuchs war ein schweigsamer Mann.
Erst als der Main sich zu ihrer Rechten zeigte, wandte er sich an seinen Sohn. Fragend deutete er auf den Papierfetzen in Martins Schoß, den dieser konzentriert mit einem Stück Kohle bearbeitete: »Was zeichnest du da, Junge?«
Martin zeigte es ihm. Die Striche hatten sich trotz der ruckeligen Fahrt zur Skizze einer aufwändigen Apparatur zusammengefügt.
Der Müller betrachtete die Zeichnung ein paar Sekunden schweigend. Dann sah er wieder nach vorne, murmelte dabei jedoch: »So würde es nicht funktionieren. Die Übertragung mit den Rädern muss auch in den Größenverhältnissen genau abgestimmt sein.«
Martin schaute seinen Vater verblüfft an. Keine Schelte? Der Vater hatte sein Hirngespinst tatsächlich rational betrachtet?
Doch sogleich schüttelte Andreas Fuchs den Kopf und Martins Hoffnung versickerte im nahe gelegenen Fluss.
»Du solltest es dir aus dem Kopf schlagen, Junge. Wenn du dich in deinen Träumen verlierst, wirst du nie ein geschickter Handwerker werden.«
Martin erzählte ihm wohl besser nicht, dass er versuchte, sich selbst das Schreiben beizubringen. Sonst hätte er wahrscheinlich nie wieder die Bücher des Paters zu Gesicht bekommen.
Wenig später näherten sie sich der schmalen Steinbrücke, deren Bögen sich über dem dahinströmenden Fluss wölbten. Die Hufe klapperten auf dem holprigen Pflaster und der Wagen schwankte leicht, als sie auf die Brücke fuhren.
Martin liebte die Überquerung des Mains. Der Anblick war einfach zu malerisch mit dem ruhig fließenden Wasser, den Birken am gegenüberliegenden Ufer und der Brücke. Schon mehrmals war er (soweit er genügend Zeit dazu fand) hier an den Main gewandert, nur um die Szenerie mit seiner Zeichenkohle festzuhalten. Oft genug hatte er dafür ziemlichen Ärger kassiert.
Als sie heute über die Brücke fuhren, kam ihm etwas in den Sinn, das der Pater ihm vor ein paar Wochen gesagt hatte.
»Brücken sind schon seltsame Bauwerke. Sie stehen für so vieles: sie verbinden Getrenntes, sie führen auf die andere Seite, sie überwinden Grenzen...«
Sein Vater warf ihm einen Seitenblick zu. »Eine Brücke wird von Menschen zu einem bestimmten Zweck gebaut, zur Überquerung eines Flusses oder eines Tals. Da steht keine andere Bedeutung dahinter, auch wenn abergläubische Seelen sogar behaupten, beim Übergang vom Leben in den Tod müsse jeder die Brücke vom Diesseits ins Jenseits überschreiten. Das ist nichts als Spinnerei. Wer hat dir so etwas überhaupt erzählt?«
»Ach, ich hab das mal irgendwo aufgeschnappt«, murmelte Martin ausweichend.
Während sie das andere Ende der Brücke erreichten und den Main hinter sich ließen, dachte er über die Faszination nach, die ein jedes dieser Bauwerke in ihm erweckte. Und er war sich sicher, dass das nicht nur mit der sensationellen Konstruktionstechnik zu erklären war.
Nebel, so viel Nebel. Und dann eine Mauer aus Dunkelheit. Drohend wie eine Gewitterwolke schob sich die Schwärze vorwärts, strömte wie ein Ozean über die Grenzen der Nebellande. Tränen fielen vom Himmel wie Regen, während Ascheflocken umhersegelten und alles unter sich begruben. Sie wollte fortlaufen, sich in vertraute Gefilde retten, doch als sie sich umdrehte, erloschen die Sterne, einer nach dem anderen, und sie blickte hinunter in einen Fluss ohne Licht, einen schwarzen Abgrund. Und der Schweigende Wald erhob seine Stimme und sein Schrei hallte wie ein Donnerschlag in ihren Ohren...
Schazhun fuhr mit einem Keuchen aus dem Schlaf hoch. Wieder dieser Traum! Sie atmete tief durch, schwang die Beine aus dem Bett und trat zum Fenster.
Ihre Gemächer lagen in einem der zahlreichen Türme des Schlosses und durch das klare Kristallglas der Scheibe konnte sie sogar die äußersten Ausläufer der Mondscheinebene hinter dem Wald ausmachen.
Der Himmel war wolkenlos an diesem Tag. Dunkel wölbte er sich über dem Schloss, übersät von unzähligen funkelnden Sternen. Es war noch früh, aber der Morgen war bereits hereingebrochen, wie ihr der Stand des Mondes verriet.
Schazhun schlüpfte rasch in ihre Kleider und öffnete vorsichtig die Tür. Sie machte sich nicht die Mühe, ihre langen pechschwarzen Haare mit dem Kamm zu bearbeiten. Ohne ihr Zutun fielen sie ihr stets glatt und geschmeidig über den zierlichen Rücken. Ein Erbe ihrer Mutter.
Ihre Füße verursachten kaum ein Geräusch, als sie die schmale Wendeltreppe hinunter huschte. Obwohl sie keine Schuhe trug, fror sie nicht. Die Kälte war ein Teil von ihr, immer schon.
Das Schloss beherbergte nicht viele Bewohner, aber doch so viele, dass sie ihre Achtsamkeit für keinen Moment ablegte. Einmal begegnete sie einem der Dunkelgeister, dem sie jedoch nicht die geringste Beachtung zollte. Dass die Prinzessin die hohe Halle durchquerte, kam vor.
Erst als sie den Weg in Richtung Schlossgarten einschlug, achtete sie darauf, von niemandem mehr gesehen zu werden. Einem der Diener hätte der Vorsatz, verborgen zu bleiben, wenig genützt in diesem Schloss, doch schließlich musste es Vorteile haben, zur Hälfte Feenblut in sich zu tragen. Zum Beispiel, dass die Mutter ihre Tochter nicht aufspüren konnte gegen deren Willen.
Der Garten war nicht groß, eigentlich eher ein verwilderter Innenhof. Einige hohe Bäume und Rosensträucher boten Schutz vor unliebsamen Blicken. Es gab viel Getier in dem Dickicht und die Königin scherte sich nicht um diesen Teil ihres Schlosses. In den Ästen der Bäume hauste eine Kolonie von Nachtraben, die mit ihren Schreien schon manch einen der menschlichen Diener in Angst und Schrecken versetzt hatten, und die Dornen der schwarzen Rosen bohrten sich allzu gern in hellen Stoff, rissen blutige Kratzer in weiche Haut.
Schazhun brauchte ihn nicht zu rufen. Kaum war sie unter die Zweige getreten, löste sich eine dunkle Silhouette aus dem Blattwerk und landete mit dem leisen Rascheln von Federn auf ihrem ausgestreckten Arm. Die schwarzen Augen glänzten im Mondlicht, als der Rabe das Mädchen mit durchdringendem Blick musterte.
Lorjyn. Sie strich vorsichtig über seine Gefieder.
Du hast es wieder geträumt. Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Schazhun nickte.
Ich weiß, dass großes Unheil über uns kommen wird und nicht nur über das Nachtreich. Und ich sehe, dass es die Dunkelheit unseres Landes ist, die der Grund dafür sein wird. Ich verstehe nur nicht, was es zu bedeuten hat. Meinst du, es hängt mit dem zusammen, was du beobachtet hast?
Der Nachtrabe wiegte den Kopf hin und her.
Das Herz der Königin wird kälter mit jeder Stunde.
Schazhun seufzte. Eine andere Antwort würde sie von ihrem gefiederten Freund wohl nicht erhalten.
Die Diener neigten das Haupt, als sie ihren gewohnten Morgenrundgang machte. Die Menschen des Schlosses fürchteten sie fast ebenso sehr wie ihre Mutter. Sie war unnatürlich, etwas, das es noch nie gegeben hatte in der Geschichte des Nachtlandes. Fee und Mensch in einem Körper vereint. Schazhun fühlte den Widerspruch nur zu oft selbst in Herz und Seele. Den Menschen jedoch machte ihre Andersartigkeit Angst. Sie sahen ein Kind, das doch keines war, nicht in ihrem Sinne. Manchmal gefiel ihr das Gefühl, das sich in ihr breitmachte, wenn sie hoch erhobenen Hauptes an ihren demütig gesenkten Gesichtern vorbeischritt. Aber im Grunde verachtete sie die Diener für ihre Angst und die Bereitschaft, sich vor einem elfjährigen Mädchen zu ducken. Und sich selbst dafür, es zu genießen.
Auf dem Gang, der an der gesamten Schlossmauer entlangführte, wehte ein kühler Wind und sie zog den nachtblauen Mantel enger um ihre Schultern, auch wenn es nicht die Kälte war, die sie frösteln ließ. Es war die Vorahnung.
Ewige Nacht. Ihre scharfen Augen schweiften über die Umrisse des Waldes, dessen Baumspitzen ein endloses Meer aus dunklen Leibern bildeten. Kein Laut drang aus dieser Richtung an ihre gespitzten Ohren.
Sie war noch nie dort gewesen, im Schweigenden Wald. Ihre Mutter, die Königin, hatte ihr bislang jede Reise durch das weitläufige Land untersagt. Sie wusste ja nicht, dass Schazhun all die Landstriche schon oft gesehen hatte. Nicht mit den eigenen Augen, wohl aber im Traum, oder wenn sie durch Lorjyns Augen sah, während der Rabe unter dem Sternenzelt dahinflog, ein Schatten in der Nacht.
Ein Dunkelgeist näherte sich ihr und seine wispernde Stimme zuckte durch die Luft zu ihr wie der flatterhafte Flug einer Fledermaus.
»Man erwartet Euch im Speisesaal, Ehreen.«
Ehreen, Prinzessin. Die Menschen nannten sie anders. Bei ihnen hieß sie Ranua, Tochter der Nacht. Schazhun wusste nicht, welchen Namen sie bevorzugte.
Sie gab dem Diener mit einem kühlen Nicken zu verstehen, dass er sich entfernen durfte. Mit einer Verbeugung zog sich der Dunkelgeist zurück und verschmolz mit den Schatten der steinernen Mauer zu ihrer Linken.
Noch ein paar Sekunden lang ruhte ihr Blick auf dem schwarzen Wasser des Grabens, der den Fuß des Felsens umgab, auf dem das Schloss thronte wie ein Drache auf seinem Schatz. Man erzählte sich, es sei einmal klar gewesen und der Quell einer lebendigen Stadt. Schazhun kannte nur den scheinbar bodenlosen Abgrund, der sich, einer Schlange gleich, als breiter Streifen vollkommener Schwärze um den Schlossberg schlängelte. Eine Zugbrücke gab es nicht. Wenn die Fee in eine ihrer nachtblauen Kutschen stieg, zogen die Pferde das Gefährt über einen Streifen des silbernen Mondlichts.
Er zitterte in der Kälte, die von den schwarzen Mauern ausging. Dunkles Eis, das ihn lähmte wie ein zähflüssiges Gift.
Mit der Zunge fing er Wassertropfen auf, die in einem winzigen Rinnsal von der felsigen Decke rannen. Man hatte ihn schon seit langer Zeit vergessen.
Aber er lebte.
Sein Körper ernährte sich von Träumen und auch wenn es nicht viele waren – es gab dort Wesen, die träumten. Weit über ihm, sehr weit, durch viele Schichten von Fels und Gestein von ihm getrennt.
Er war müde und seine Knochen schmerzten bei jeder Bewegung und doch zwang er sich dazu, alle paar Tage aufzustehen und sein Heim einmal zu umrunden. Im Fels zeigte sich bereits ein leichter Pfad, wo seine Füße Jahr für Jahr über den Stein schlurften.
So viele Jahre.
Irgendwann hatte er aufgehört, sie zu zählen.
Er wusste, dass sie eines Tages zu ihm kommen würde.
Dann würde er noch einmal die Sterne sehen.
In der Ferne erhellten die Lichter eines Dorfes die Nacht, und für einen Moment überlegte sie, ob man dort wohl eine Scheibe Brot und vielleicht einen Platz zum Schlafen für eine kleine Landstreicherin übrig haben könnte. Aber dann verwarf Klarissa den Gedanken sogleich wieder. Das Fahrende Volk wurde zwar gerne für Vergnügungen aufgesucht – die Menschen verschlossen jedoch Tür und Tor vor ihnen. Sie wurden gleichermaßen geliebt wie gefürchtet. Vogelfrei.
Sie stellte sich vor, was andere sehen würden. Ein Mädchen in schmutzigen Kleidern, dürr und heimatlos. Beinahe hätte sie aufgelacht. Heimatlos. War sie das nicht schon lange? Die Wagen der Spielleute waren ihr nie ein echtes Zuhause geworden, nicht wirklich. Klarissa erinnerte sich daran, einmal das Gefühl einer Heimat gekannt zu haben, aber das war schon lange her. Damals hatte sie Eltern gehabt. Und sie war glücklich gewesen. Oder?
Nur Bruchstücke dieses lange zurückliegenden Lebens schwirrten in ihrem Kopf umher. Zu wenige, um sich ein klares Bild davon zu machen. Seit die Spielleute ein verängstigtes fünfjähriges Mädchen vom Straßenrand aufgelesen hatten, waren sechs Jahre vergangen.
Sie tastete mit den Fingern nach dem Anhänger, den sie an einer dünnen Kette um den Hals trug. Ein filigran gearbeitetes Schmuckstück aus schimmerndem Metall, beinahe spiegelnd, weil sie so oft über die feinen Linien strich. Der einzige Gegenstand, der sie mit dem Leben vor den Spielleuten verband. Sie trug es immer bei sich, verborgen unter dem Stoff ihres Kleides. Ganz nah an ihrem Herzen, als könnte das warme Metall an ihrer Haut sie beschützen vor allen Schrecken dieser Welt. Eine ferne Vergangenheit. Vergessen im Laufe der Jahre. Verloren.
Doch Klarissa erinnerte sich an das Lächeln ihrer Eltern, an die warme Hand ihrer Mutter und an das Trappeln der Pferdehufe auf dem Waldweg. Und an die Männer mit den Säbeln. O ja, das viele Blut verdrängte die anderen Bilder, war übermächtig, wenn sie an diesen Tag zurückdachte. Seltsam, wie sehr manche Ereignisse den Rest der Erinnerung zu trüben vermochten.
Es war eine kühle Nacht. Klarissa fröstelte, während sie zu dem Dorf hinübersah. Nein, hier würde sie keine Bleibe finden. Sie wandte sich um und spähte in die Dunkelheit, in deren lauernden Fängen der Feldweg verschwand. Die Nacht schien ihre Tentakel auch nach dem Mädchen auszustrecken und ein Raunen ging durch die Baumkronen der Ulmen am Wegesrand. Wartende Finsternis.
Ein kurzes Zögern, bevor Klarissa ihren Füßen befahl, sich in Bewegung zu setzen. Schritt für Schritt. Sie straffte die Schultern, ehe sie sich endgültig umdrehte und die flackernden Lichter der Fackeln auf dem Dorfplatz hinter ihr zurückblieben.
Als sie am nächsten Tag erwachte, wusste sie zunächst nicht, was sie geweckt hatte. Um sie her war es noch dunkel, auch wenn der Himmel schon erste Anzeichen der baldigen Dämmerung auf den Wangen trug. Für ein paar Sekunden blickte sie nur hinauf in das Schwarzblau der vergehenden Nacht. So schön. Für den Moment ließ es sie sogar den nagenden Hunger vergessen, der sie am Vorabend kaum hatte einschlafen lassen.
Dann bemerkte sie den Nebel.
Wie ein weißgraues Tuch schob er sich zwischen sie und den Himmel, legte sich wie Samt auf ihre Augenlider. Eine Decke aus feuchten Schleiern, die die Welt in eine Geisterlandschaft verwandelten.
Erschrocken setzte Klarissa sich auf und rieb sich die Augen. Sie sah sich um und ein merkwürdiges Gefühl überkam sie. Es war, als ob sich um sie her ein See ausgebreitet hätte, ein See aus Nebelschwaden.
Vielleicht war sie auch überhaupt nicht aufgewacht. Dies konnte nichts anderes sein als ein Traum. Sicher, sie erinnerte sich daran, sich nahe des Flussufers hingelegt zu haben. Aber solch einen Nebel hatte sie noch nie erlebt, auch nicht am Wasser.
Klarissa kam langsam auf die Beine. Unwillkürlich fasste sie nach dem Anhänger, der an einer Kette um ihren Hals hing. Nur ein Traum. Angst hatte sie trotzdem, als sie sich nach allen Seiten umsah und der Nebel sich wie Spinnweben um ihren Körper wand.
In einiger Entfernung konnte sie den Fluss ausmachen. Die Bäume am Ufer verschwammen im Dunst. Kein Laut drang an ihre Ohren, als sie lauschte. Es war, als hätte der Nebel alle Geräusche unter sich begraben. Ihre Schritte klangen verräterisch laut in der Stille, während sie sich voran tastete. Als sie den Kopf wandte, sah sie die breite Holzbrücke, die sich über den Fluss spannte. Ja, daran erinnerte sie sich noch. Am Abend war sie, taumelnd vor Erschöpfung, über die hölzernen Planken gewankt. Doch etwas hatte sich verändert.
In all den Dunstschleiern um sie herum fiel Klarissa erst nach genauerer Betrachtung auf, was es war. Sie konnte die andere Seite nicht mehr sehen! Das Flussufer, an dem sie stand, war schon neblig, doch die Brücke schien in nichts als dichten Nebel zu führen. Wäre sie nicht erst am Vortag darüber gegangen, hätte Klarissa gesagt, diese Brücke führe nicht zum anderen Flussufer, sondern in ein Nichts aus Nebel und Dunkelheit.
Das Geräusch sich nähernder Pferdehufe riss sie aus ihren Gedanken und sie wich zurück, bis die Zweige der Sträucher sie verbargen. Klarissa wusste selbst nicht, weshalb sie sich versteckte, doch aus irgendeinem Grund ahnte sie, dass es kein harmloser Bauer war, der sich auf dem Wagen näherte.
Die Kutsche tauchte aus dem Nebel auf wie ein Schauspieler, der sich durch den Vorhang auf die Bühne stiehlt. Pferde trabten voran, so anmutig, als spürten sie nicht den schlammigen Weg unter den Hufen. Tatsächlich schien dieses Gefährt weniger zu fahren als vielmehr zu schweben.
Die Kutsche an sich war das Schönste, das Klarissa je gesehen hatte, und doch ließ der Anblick sie frösteln. Schwarz war sie, aber nicht so wie Kohle oder die Umhänge der gräflichen Reiter. Nein, dieses Schwarz erschien wie ein Abbild der Nacht selbst. Flüssiges Blau bewegte sich über das Dach und die Seitenwände, die schimmerten wie von unzähligen Sternen übersät. Um die Kutsche rankten sich dunkle Rosen in filigranen Mustern. Klarissa hätte schwören können, dass die Blätter und Ranken hin und wieder die Position veränderten.
Auf dem Kutschbock saß ein gleichgültig blickender Mann, der sich die Mütze tief ins Gesicht gezogen hatte, sodass seine Züge im Schatten lagen. Das geschwungene Fenster der Kutsche war von dunklen Vorhängen verdeckt, die das Innere vor neugierigen Blicken abschirmten, obwohl Klarissa zu gern gewusst hätte, wer darin saß.
Als das Gefährt dicht an ihrem Versteck vorüberfuhr, drückte sie sich noch enger ins Gebüsch, konnte jedoch die Augen nicht abwenden.
Die Kutsche fuhr, oder vielmehr glitt, in fließender Eleganz an ihr vorbei. Ein Ast streifte das Kutschendach und Klarissa vernahm ein leises Krachen, so, als bräche jemand eine Blume auf einem Feld. Ohne innezuhalten, fuhr die Kutsche auf die Brücke. Die Pferde zögerten nicht einen Moment, als sie eintauchten in den Nebel und die Dunkelheit.
Und dann war der Spuk vorbei. Ein Spuk. Ja, es schien Klarissa, als hätte sie eine Geistererscheinung gesehen. Ein seltsamer Traum, nichts weiter.
Sie fror immer noch. Zitternd zog sie den Umhang fester um die schmalen Schultern. Nach einer Weile trat sie hinaus auf den Weg. Keine Spuren von Hufen, keine Abdrücke der Kutschenräder. Klarissa schüttelte den Kopf. Nichts als Einbildung. Oder doch nur ein Traumgespinst?
Die Brücke zog ihren Blick an, wie unter einem Bann musste sie immer wieder zu den Umrissen ihrer Bögen hinübersehen. Wie verlockend die andere Seite auf einmal schien. Unbewusst machte sie einen Schritt auf die Brücke zu. Dann noch einen.
Plötzlich stieß sie mit dem Fuß an einen kleinen Gegenstand, der mit einem leisen Geräusch zur Seite rollte. Klarissa senkte den Blick, bückte sich erstaunt, um ihn aufzuheben, und betrachtete die Blüte in ihren Fingern.
Es war eine Rose. So schwarz wie die Nacht.
Als sie aufschaute, fühlte sie auf einmal nur noch Grauen beim Anblick der Nebel am anderen Ende der Brücke. Während sie sich umdrehte, ließ sie die Rosenblüte in eine Tasche ihres Kleides gleiten. Und dann rannte sie, hinein in die Dämmerung eines anbrechenden Tages.
Erst später sollte ihr bewusst werden, dass sie nicht nur vor einem bösen Traum davonlief. Später, als die Rosenblüte im Sonnenlicht auf ihrer Handfläche lag wie ein gestohlener Schatten. Eine Schönheit, fast noch schwärzer als die Nacht.
Die Menschen verschwanden so rasch durch Türen und in Hinterhöfe, als wäre es ein Monster und nicht die Kutsche ihrer Königin, die sich dem Dorf näherte. Menschen. Früher hatte sie sie bewundert für die Wärme ihrer Haut, ihr Lachen und ihren Zusammenhalt.
Vorbei.
Einer von ihnen hatte ihr Herz zerbrochen wie ein Stück Kristall. Er war schon lange fort, so lange. Und doch sah sie seine Augen täglich im Gesicht ihrer Tochter.
Die Fee lächelte. Zumindest hatte er ihr ein Geschenk dagelassen, bevor er ihr Reich für immer verließ. Keine Fee zuvor hatte jemals ihre Tochter kennengelernt. Feen bekamen keine Kinder. Wenn sie vergingen, entstieg daraus ihre Nachfolgerin, ohne diese seltsame Phase des menschlichen Lebens. Wenn überhaupt, dann waren sie Kinder der Nacht. Sie jedoch konnte einer Tochter übers Haar streichen.
Damals hatte sie seine Stimme geliebt, sein Gelächter. Er hatte sie bei ihrem Namen genannt, ihrem wahren Namen. »Irakona«, hatte er geflüstert. So sanft, so zärtlich.
Vorbei. Energisch schob sie die Erinnerungen von sich und blickte aus dem Kutschenfenster.
Verfallene Hütten, schwelende Feuer. Wie armselig sie lebten, und ihre Kleidung erst… Hemden und Kleider aus den Fasern der silbernen Binsen, die an den Ufern des Flusses wuchsen.
Sie fuhr mit den langen Fingern über ihr eigenes Gewand, spürte den fließenden Stoff, den die Nacht selbst ihr auf den Leib spann, wenn sie es wünschte. Oh, wie sie es liebte, ihr Land! Aber noch mehr liebte sie die Nacht, die hier alle Tage füllte, ihren Duft, ihre Dunkelheit und ihre Schönheit.
Die Kutsche näherte sich dem Versammlungsplatz der Siedlung und die Fee befahl ihrem Diener, die Pferde zum Stehen zu bringen.
Als einer ihrer Dunkelgeister die Kutschentür aufhielt, stieg sie hinaus ins Mondlicht, das in dieser Gegend nur schwachen Schein spendete. Schmutz blieb an ihren Stiefeln haften, doch das kümmerte sie nicht.
Eine kleine Abordnung der Dorfbewohner erwartete sie mit demütig geneigten Häuptern. Demütig? Nein. Sie zitterten vor Furcht, wenn ihre Königin vor ihnen stand. Glaubten sie, dass die Fee ihnen die Kinder stehlen würde oder die Barken, die sie mit so viel Stolz den Fluss hinuntersegelten? Verlockend, aber was wäre ihr Nutzen davon gewesen? Die Königin benötigte die Dienste ihres Volkes mehr, als diese Männer je auch nur ahnen würden.
Kalt ließ sie den Blick über die gesenkten Köpfe gleiten und befahl: »Führt mich zum Fluss! Ich will sehen, wie die Arbeit voranschreitet.«
Sie gehorchten so hastig, als hätte sie gedroht, jeden von ihnen eigenhändig in eine der vielen silberweißen Möwen zu verwandeln, die über dem Dorf ihre Kreise zogen.
Am Ufer des Sternenflusses herrschte eifrige Betriebsamkeit. Männer standen bis zu den Knien im nachtblauen Wasser, während andere ihnen Deckelkörbe von den prachtvollen Barken herunterreichten, die hier vor Anker lagen. Eine weitere Gruppe von Arbeitern war dabei, die kostbare Fracht auf Wagen zu laden. Zwischen dem verwaschen erscheinenden Gewebe der Körbe blitzte und funkelte es, wenn sie durch die Luft gereicht wurden.
O ja, der Sternenfluss war ein wichtiger Bestandteil ihrer Pläne. Ebenso wie die Fischer, deren Lieferungen sie streng überwachte. Ein Trupp an Dunkelgeistern begleitete in ihrem Auftrag die Wagen, wenn die Menschen die Ware durch den Schweigenden Wald transportierten, zum Schwarzen Schloss, wo die Königin den Inhalt der Körbe sehnlichst erwartete. Natürlich sahen die Menschen nichts von den Schatten, die die Lieferung vor den Gefahren des Reiches beschützen sollten.
Die Fee lächelte zufrieden, während sie das Treiben am Ufer eine Weile lang schweigend beobachtete. Die Männer standen noch immer neben ihr. Dummköpfe. Glaubten sie, sie könne den Weg zur Kutsche nicht eigenständig wiederfinden?
Auch die Arbeiter hatten ihre Anwesenheit bemerkt, doch sie hielten nicht in ihrem Tun inne, beeilten sich nur mit jedem Handgriff unter dem funkelnden Blick ihrer Augen.
Sie wollte sich eben abwenden, als ein junger Mann den Kopf hob und ihr direkt ins Gesicht sah. Seine bernsteinfarbenen Augen glühten vor Zorn.
»Sagt uns, wozu benötigt Ihr unsere Dienste, Majestät?«, rief er zu ihr herauf. »Der Fluss gibt uns Leben, seit wir denken können. Doch all unsere Zeit müssen wir nun damit verbringen, Euch mit den Lichtern des Flusses zu versorgen! Während sie auf den Feldern der Mondscheinebene gebraucht werden, denn das Mondlicht ist schwach in diesem Jahr!«
Er wollte noch etwas hinzufügen, aber andere Männer zogen ihn fort. Sein hasserfüllter Blick galt der Königin, die schweigend beobachtete, wie man ihn rasch wegbrachte.
»Wie ist sein Name?«, fragte Irakona, ohne eine Miene zu verziehen.
»Dareen, Majestät«, antwortete schließlich einer der Anwesenden mit leiser Stimme.
Treuloses Pack. Wie sollte sie den Menschen je vertrauen, wenn sie schon einander ohne jegliches Zögern verrieten?
Bevor sie erneut in die schwarze Kutsche stieg, erteilte sie einem ihrer unsichtbaren Begleiter einen stummen Befehl. Der Dunkelgeist verschwand zwischen den Hütten, als wäre er nichts als ein Schatten, den das Mondlicht warf.
Dummer Junge. Seine Stimme würde nie wieder laut dem Willen der Königin Widerspruch leisten. Menschen, die Dinge hinterfragten, waren gefährlich.
Das Dorf verlor sich in der Nacht, als die Kutsche sich in Bewegung setzte und unter den Baumkronen verschwand. Alle Geräusche der Arbeiten blieben hinter ihr zurück, das Kreischen der Möwen und das Rauschen des Flusses. Selbst der Hufschlag der Pferde wurde von der Stille zwischen den Stämmen geschluckt, die sich über dem Kutschendach in den Himmel erhoben. Der Schweigende Wald machte seinem Namen alle Ehre.
Schazhun stand in einem der Turmfenster und blickte der Kutsche entgegen, als diese das Schlosstor passierte. Irakona erkannte ihre schmale Gestalt hinter den Kristallglasscheiben. Die goldenen Augen funkelten dunkel. Es versetzte Irakona jedes Mal einen kleinen Stich, wenn sie ihre Tochter anblickte. Und dennoch. Hätte er ihr ein schöneres Geschenk machen können?
Der hohe Speisesaal war bereits von Fackeln erleuchtet und die Diener, die das silberne Geschirr verteilt hatten, huschten eilig aus dem Raum, sobald die Königin auf der Schwelle erschien.
Wenig später trat auch die Prinzessin des Schlosses durch die breite Flügeltür. Mit einem kühlen Nicken nahm sie am anderen Ende des Tisches Platz. Irakona erwiderte es in der gleichen Weise, ohne das Wort an das Mädchen zu richten. Ja, das war ihre Tochter! Es freute sie, dass die Kleine ihr immer mehr ähnelte.
»Wie wehten die Winde auf Eurer Fahrt, Mutter?«, fragte Schazhun höflich, als der erste Gang abgetragen wurde.
»Die Winde wehten zu unseren Gunsten, mein Kind. Stärker, als es je zuvor geschah.«
Irakona ließ den Blick wohlgefällig über das dunkle Haar ihrer Tochter gleiten, über das zierliche, ebenmäßige Gesicht. Solch ein wohlerzogenes Kind! Sie sprach schon seit Jahren so ernsthaft wie eine Erwachsene.
»Saht Ihr den Fluss und hörtet Ihr die Stille des Waldes, Mutter? Ich sehe sie in meinen Gedanken und ich erwarte den Tag, an dem Ihr mir gestattet, Euch zu begleiten.«
»Der Fluss fließt stolz und ruhig dahin. Eines Tages werde ich dich mitnehmen, meine Tochter, doch habe Geduld. Es lauern viele Gefahren in unserem Reich. Ein Jahr noch, Schazhun, und ich werde mit dir auf Reisen gehen, damit du jeden Winkel der Nacht kennenlernen kannst.«
Das Mädchen nickte schweigend und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den silbernen Teller, der vor ihm auf dem Tisch stand.
Zufrieden lehnte sich Irakona zurück und blickte aus einem der hohen Fenster des Saales. Vor allen musste sie sich in Acht nehmen. Die Menschen waren misstrauisch, die Diener munkelten. Nur ihre Tochter stellte niemals zu viele Fragen.
In diesem Jahr führte der Mühlbach reichlich Wasser und das hölzerne Rad drehte sich unaufhörlich in der Strömung. Martin biss sich vor Konzentration auf die Unterlippe, während er versuchte, jedes Detail auf dem alten Lederstück abzubilden, das er auf den Knien hielt.
Wenn es doch nur einen Moment stillstehen würde! Aber eigentlich war es ja gerade die Bewegung, die ihn faszinierte, seit er denken konnte. Schon als Kleinkind hatte er sich oft zum Bach hinuntergeschlichen, um dem Mühlrad dabei zuzusehen, wie es vom Wasser angetrieben wurde. Damals war es ihm vorgekommen wie Zauberei, dass dieses Schaufelrad für das Mahlen des Getreides verantwortlich sein sollte. Mittlerweile wusste er natürlich um den Mechanismus, der die mechanische Drehung des Rades, ausgelöst durch den Wasserstrom, auf die Bewegung des Mühlsteins übertrug. An Faszination hatte es trotzdem nichts eingebüßt.
Konzentriert achtete er besonders genau auf die Stelle, an der die Achse durch das Rad angetrieben wurde, bannte Schatten und Sonnenflecken mit feinster Präzision mit einem Kohlestück auf seine Zeichnung.
Als er seinen Bruder rufen hörte, wäre ihm vor Schreck beinahe das Lederstück samt Kohle ins Wasser geglitten. Ob etwas geschehen war? Unfälle waren nichts Seltenes im Müllerhandwerk. Rasch sprang er auf die Füße und lief zum Haus hinüber.
Zuerst sah er seine Mutter, die ihm den Rücken zuwandte und aufgeregt auf Wolfgang einredete. Sein Bruder schien etwas in den Armen zu halten, doch er konnte aus der Entfernung nicht erkennen, was es war. Beim Näherkommen hörte er seine Mutter sprechen.
»Was wird Andreas sagen? Aber, guter Gott, das arme Kind...«
»Ich konnte die Kleine nicht einfach liegen lassen. Sie sieht aus, als würde sie in der nächsten Nacht erfrieren – oder verhungern. Ich weiß, dass wir nicht allen Bettlern helfen können, aber...«
Das war Wolfgang. Er klang ein wenig erschöpft, vielleicht wegen der Last, die er noch immer trug. Mit seinen fünfzehn Jahren war er zwar von der Arbeit kräftig gebaut, aber noch nicht so breitschultrig wie Friedrich und sein Vater.
Neugierig blieb Martin neben den beiden stehen.
»Was ist los?«, fragte er, während er das Bündel in den Armen seines Bruders betrachtete. Dann erkannte er, dass es tatsächlich ein Mädchen war, blass und dünn, eingehüllt in einen zerschlissenen Wollmantel.
Weder Wolfgang noch seine Mutter beachteten ihn. Leonore Fuchs war eine resolute Frau, und wenn sie sich erst einmal zu einer Entscheidung durchgerungen hatte, hielt sie sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Nun befahl sie Wolfgang, das Mädchen in die Scheune zu bringen.
»Bereite ihr ein Lager im Stroh«, trug sie ihrem Jüngsten auf, bevor sie ins Haus zurückkehrte. Martin folgte seinem Bruder auf dem Fuße.
»Was ist denn mit ihr passiert?«, erkundigte er sich leise, während er aus Stroh und Heu eine gemütliche Schlafstätte herrichtete. Wolfgang bettete das Mädchen vorsichtig darauf, bevor er antwortete.
»Ich glaube, sie ist vollkommen erschöpft. Siehst du, wie sie den Kopf bewegt? Vielleicht hat sie Fieber, aber ich denke, ihr sind einfach die Kräfte ausgegangen. Wenn man sich ihre Kleidung ansieht, scheint es mir gut möglich, dass sie seit Tagen nichts zu essen hatte.«
Sie schauten beide auf das fremde Mädchen hinunter. Dunkles Haar lockte sich um das blasse Gesicht und Martin sah nun auch das ausgeblichene grüne Kleid, das sie am Leib trug. Der Saum war voll von Schlamm und Staub und an vielen Stellen war der feine Stoff zerrissen.
»Ich habe sie am Wegrand liegen sehen«, fuhr Wolfgang fort. »Zusammengekringelt wie eine Katze lag die Kleine unter einem Busch. Als ich sie ansprach, hat sie nicht reagiert und nun, du siehst ja, in welchem Zustand sie ist. Ich konnte sie nicht einfach liegenlassen.«
»Nein, das konntest du nicht.«
Fasziniert beobachtete Martin die Augenlider des Mädchens, die immer wieder leicht flatterten. Welche Geschichte sie wohl zu erzählen hatte, wenn sie aufwachte?
Eine Weile hockten sie schweigend neben ihr im Stroh. Dann kam ihre Mutter mit einer rasch angerührten heißen Brühe, die sie nun dem Mädchen einzuflößen versuchte. Als es endlich gelang, seufzte Leonore zufrieden und stellte die Schale neben sich auf den Boden.
Die Augen des Mädchens waren für ein paar Minuten ganz offen gewesen, doch der Blick schien völlig verwirrt und jetzt, mit einigen Löffeln Suppe im Bauch, war sie erneut in einen unruhigen Schlaf hinübergeglitten.
Weil der Rest der Familie wieder an die Arbeit musste, erklärte Martin sich bereit, bei dem Mädchen zu bleiben. Außerdem, dachte er bei sich, wäre er sonst vor lauter Neugier wohl ohnehin nicht von Nutzen gewesen.
So setzte er sich im Stroh zurecht, warf hin und wieder einen Blick auf das blasse Gesicht und widmete sich dem Feinschliff der Zeichnung, die er zuvor am Mühlbach angefertigt hatte.
Der Abend kam rasch in diesen Tagen. Martin fühlte ihn wie ein schweres Tuch, das sich mit bleierner Dunkelheit über die Mühle senkte. In der Scheune herrschte nur noch ein schwaches Dämmerlicht und die Pferde standen längst in ihrem Verschlag. Er hörte ihr Schnauben und die Geräusche ihrer weichen Nasen, die im Heu stöberten.
Sein Vater hatte kurz vorbeigeschaut, begleitet von seiner Mutter, die sich Sorgen um den Findling machte. Andreas Fuchs war zwar nicht besonders begeistert gewesen, angesichts eines weiteren hungrigen Mauls, doch er war kein hartherziger Mann. Das Mädchen sollte bleiben dürfen, bis es ihm besser ging. Danach werde man sehen.
Wolfgang hätte ihn mit der Krankenwache abgelöst, aber Martin hatte das Angebot ausgeschlagen und sich selbst ein weiteres Strohlager gebaut, aus irgendeinem Grund entschlossen, das Mädchen nicht mehr aus den Augen zu lassen. Sie sah so klein und hilflos aus, dass es in ihm einen Beschützerinstinkt wachgerufen haben musste.
Es wurde immer dunkler draußen. Nacht. So kühl, so ahnungsvoll. Manchmal stand er nachts auf, wenn er nicht schlafen konnte, kletterte lautlos die Leiter zum Dachboden hinab und schlich sich auf leisen Sohlen hinunter an den Bach, um den Mondschein zu beobachten.
Auch heute tauchte der Mond die Mühle in sein blasses Licht, doch durch den Spalt im hölzernen Scheunentor drang nur ein schwacher Schein. Er malte Muster auf die Strohballen, tanzte über die Balken und verlieh den Spinnweben in den Ecken ein beinahe mystisches Aussehen.
Martin streckte sich auf seinem Lager aus. Kratzige Strohhalme piksten ihn in den Rücken, doch das störte ihn nicht sonderlich. Schließlich war es dasselbe Stroh, das den Leinensack füllte, auf dem er normalerweise schlief.
Der Ruf einer Schleiereule durchbrach die Stille, und er stellte sich vor, wie die große Gestalt sich mit einem leisen Rascheln ihrer Federn durch die offene Luke in die Nacht stürzte, die unter dem Giebel der Mühle klaffte. Nur für die nächtliche Mäusejägerin hatte sein Vater die Läden abmontiert.
Martin dachte darüber nach, wohin die Eule heute wohl flog. Vielleicht trugen sie ihre weichen Schwingen zu dem kleinen Wäldchen hinüber, nahe des alten Weihers. Oder sie blieb auf dem Hof und widmete sich zusammen mit Grauchen den Mäusen, die seinen Vater manchmal zur Weißglut trieben. Eigentlich taten ihm die kleinen Wesen leid. Wenn sie doch nur dem Getreide fernbleiben würden…
Martin spürte kaum, wie ihm die müden Augen endgültig zufielen und der Schlaf ihn schließlich doch überwältigte.
Was ihn mitten in der Nacht weckte, war ein leiser Schrei.
Sofort saß er aufrecht, brauchte jedoch einen Moment, bis er begriff, dass er von dem Mädchen stammte. Als er zu ihr hinübersah, waren die Augen geschlossen, aber sie warf sich unruhig hin und her und murmelte im Schlaf vor sich hin.
Vorsichtig kroch Martin zu ihr hinüber und rüttelte sie sacht, bis sie die Augen aufschlug und ihn erschrocken ansah. Er wich hastig zurück, während das Mädchen ihn anstarrte wie einen wahr gewordenen Albtraum.
»Alles in Ordnung?«, fragte er leise.
Langsam wich die Panik aus ihren Augen und sie sah sich um. »Nur ein Traum... Wo bin ich?«
Ihre Stimme war leise und klar, wenn auch ziemlich ratlos.
Martin schenkte ihr ein freundliches Lächeln: »Du bist in der Fuchsmühle.«
Und er erzählte, wie sein Bruder sie gefunden hatte.
Das Mädchen hörte ihm still zu. Jetzt, wo sie ihm gegenüber saß, merkte Martin, dass sie nicht viel jünger zu sein schien als er, vielleicht zehn oder elf, trotz der zierlichen Gestalt. Ihre dunkelbraunen Augen blickten viel zu ernst aus dem blassen Gesicht.
»Danke«, sagte sie schüchtern, während sie auf sein Drängen hin ein wenig von der kalt gewordenen Suppe löffelte. »Das ist sehr freundlich von deinen Eltern.«
Martin zuckte nur die Achseln. Er war oft froh darüber, keine allzu strengen Eltern zu haben und in seiner Familie war ein zu großes Herz, was sein ältester Bruder manchmal scherzhaft als die ´Fuchs´sche Nächstenliebe´ bezeichnete.
»Wie heißt du?«, fragte er das Mädchen. »Und woher kommst du?«
Sie zögerte mit der Antwort.
»Klarissa. Ich heiße Klarissa. Und ich war viele Jahre beim Fahrenden Volk.«
Sie erzählte ihm ihre Geschichte. Von der Verbannung durch den Anführer der Schauspieltruppe, den Tagen des ziellosen Umherirrens. Nur darüber, wie sie zu den Vogelfreien gekommen war, verlor sie kein Wort.
Als sie geendet hatte, sah Martin sie fast neidisch an.
»Das muss spannend gewesen sein, immer unterwegs, von Ort zu Ort. Ich war noch nie weg von der Mühle.«
»Aber du hast etwas, das du ein Zuhause nennen kannst. Unterschätze das nicht. Und du siehst doch, wie es geendet hat: Es ist nicht schön, alleine auf den Straßen. Und manchmal… Manchmal geschehen seltsame Dinge dort draußen.«
Klarissa fröstelte und zog sich den zerrissenen Mantel enger um den Körper. Doch näher erläuterte sie diese rätselhafte Bemerkung nicht und er beschloss, sie nicht zu drängen.
Kurz erstarrte sie, als sie eine Hand in die Tasche ihres Kleides gleiten ließ und dort irgendetwas mit den Fingern ertastete. Sie zog den Gegenstand nicht heraus.
Martin erzählte ihr noch ein bisschen von der Mühle und seinen Brüdern, aber dann legten sie sich wieder ins Stroh. Bis zum Morgen waren es sicher noch einige Stunden und Schlaf konnten sie beide noch gebrauchen.
Leises Raunen begleitete ihre Schritte, als sie unter den gewölbten Streben über den spiegelnden Steinboden ging. Das Gewölbe des Langganges bestand aus dem gleichen Fels wie alle anderen Mauern des Schlosses. Kühl und schwarz schluckte er die Geräusche ihrer Stiefel auf den dunkelblauen Fliesen.
Schazhun hatte es nicht eilig an diesem Tag. Ruhig wanderte sie durch das Schloss, tief versunken in ihre Gedanken. Unzählige Blicke folgten ihr, als sie vorüberging, Köpfe drehten sich in ihren Gemälden. In Goldrahmen gefasst fanden sich Abbilder der unterschiedlichsten Geschöpfe, und sie alle waren stille Beobachter im Auftrag der Königin. Ja, ihre Mutter hatte es nicht nötig, weitere Wachen aufzustellen.
An einer der hohen Fensteröffnungen, die in den Schlosshof blickten, blieb Schazhun stehen. Sie lehnte sich an eine Säule und betrachtete nachdenklich den Brunnen, dessen silbriges Wasser sich nur zur Zeit des vollen Mondes in das kreisrunde Becken ergoss. Es war ein hohes Gebilde mit mehreren Plateaus und kleineren Becken, bevölkert von einer Vielzahl fein gearbeiteter Skulpturen. Sie hatte schon immer stundenlang dem Wasser auf seinem Weg zusehen können.
Ihre Mutter würde erst gegen Abend zurück sein. Es war nicht ungewöhnlich, dass Schazhun ganze Tage nur sich selbst überlassen war, und im Grunde genoss sie die Einsamkeit. Doch in letzter Zeit blieb die Königin oft lange fort. Wenn sie im Schloss war, spürte man kaum etwas von ihrer Anwesenheit, denn sie zog sich häufig in die geheimen Gemächer zurück, deren Zutritt allein der Fee vorbehalten war. In dieser Hinsicht hatte die Prinzessin sich den selben Regeln zu fügen wie die menschlichen Diener. Und niemals zuvor hatte es im Schloss mehr als ein Feenwesen zugleich gegeben.