Das Herz der Falknerin - Rena Monte - E-Book
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Das Herz der Falknerin E-Book

Rena Monte

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Beschreibung

Eine junge Frau mit einer außergewöhnlichen Gabe: „Das Herz der Falknerin“ jetzt als eBook bei dotbooks. Die junge Sophia macht sich auf, für ihren Glauben zu kämpfen: Sie schließt sich einem Kinderkreuzzug ins Heilige Land an. Doch die Überfahrt verläuft anders als gedacht, denn der geldgierige Kapitän verkauft die Kinder auf dem sizilianischen Sklavenmarkt. Sophia gelingt die halsbrecherische Flucht. Um zu überleben, wird sie, als Junge verkleidet, Mitglied einer Diebesbande. Als sie auf dem Markt dem Falkner des Königs in die Tasche greifen will, nimmt ihr Schicksal eine entscheidende Wende: In der Annahme, Sophia sei ein Junge, holte er sie als Hilfsfalkner auf den Königshof. Sie zeigt sich ungewöhnlich talentiert und beeindruckt ihren Lebensretter bald nicht nur mit ihrer Gabe … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Das Herz der Falknerin“ von Rena Monte. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 441

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Über dieses Buch:

Die junge Sophia macht sich auf, für ihren Glauben zu kämpfen: Sie schließt sich einem Kinderkreuzzug ins Heilige Land an. Doch die Überfahrt verläuft anders als gedacht, denn der geldgierige Kapitän verkauft die Kinder auf dem sizilianischen Sklavenmarkt. Sophia gelingt die halsbrecherische Flucht. Um zu überleben, wird sie, als Junge verkleidet, Mitglied einer Diebesbande. Als sie auf dem Markt dem Falkner des Königs in die Tasche greifen will, nimmt ihr Schicksal eine entscheidende Wende: In der Annahme, Sophia sei ein Junge, holte er sie als Hilfsfalkner auf den Königshof. Sie zeigt sich ungewöhnlich talentiert und beeindruckt ihren Lebensretter bald nicht nur mit ihrer Gabe …

Über die Autorin:

Rena Monte studierte Geschichte und Rechtswissenschaft und veröffentlichte unter verschiedenen Pseudonymen zahlreiche historische Romane. Bei dotbooks erscheinen die Romane Die schöne Verräterin, Die Kurierreiterin und Die Zauberin von Toledo. Außerdem schrieb sie für die Tempelritter-Saga die folgenden Bände:

Die Tempelritter-Saga – Band 1: Der Fluch der Templer

Die Tempelritter-Saga – Band 3: Der Emir von Al-Qudz

Rena Monte lebte als freie Autorin in der Nähe von München und zeitweise in der Toskana. Sie verstarb 2014.

***

Neuausgabe April 2015

Dieses Buch erschien bereits 2006 unter dem Titel Die Falknerin bei Moments in der area verlag gmbh, Erftstadt.

Copyright © der Originalausgabe 2006 Moments in der area verlag gmbh, Erftstadt

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von thinkstock/istock/Petr Malyshev

ISBN 978-3-95824-077-3

***

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Rena Monte

Das Herz der Falknerin

Roman

dotbooks.

Personenverzeichnis

Friedrich II. von Hohenstaufen, König von Sizilien und römisch-deutscher Kaiser, der als fähiger Staatsmann und sieggewohnter Feldherr anerkannt, aber auch als begabter Wissenschaftler und unübertroffener Falkenjäger gelobt wird

Sophia, Tochter eines rheinischen Winzers, die an einem misslungenen Kinderkreuzzug teilnimmt, dennoch alle Schwierigkeiten unverzagt meistert, aber durch ihre Leidenschaft für die Falkenjagd in eine verhängnisvolle Lage gerät

Konstantin von Hereberg, königlicher Falkner, der Sophia bei einem folgenreichen Diebstahl ertappt, in seine Dienste nimmt, aber erst nach vielen verwirrenden Umwegen seiner Liebe zu Sophia nachgeben darf

Ramos, betrügerischer Kapitän, der die Kreuzfahrerkinder auf dem Sklavenmarkt verkauft, aber statt des verlangten Lohns die gebührende Strafe erhält

Nikolaus, Medium himmlischer Botschaften, der an die Erscheinung eines Engels und dessen Aufruf zu einem Kinderkreuzzug glaubt

Ibn Aschar, herrschsüchtiger Araber, der Sophia schlecht behandelt und sie unter Drohungen zu seiner Konkubine machen will

Pierre de Lusignan, leichtfertiger Spross eines zypriotischen Adelsgeschlechts, der Sophia nicht nur die Schönheiten der Insel zeigen, sondern sie auch zu Liebesspielen verführen möchte

Roger de Flor, berühmter Seefahrer in Diensten der Tempelritter, den weder Stürme noch Piraten schrecken können

Adelgunde, falsche Freundin, die im Kloster ehrgeizige Zukunftspläne verfolgt und darum Sophia bei den Nonnen verleumdet

Lorenzo, Anführer einer Bande diebischer Straßenkinder, der seine eigene Auffassung von Recht und Gerechtigkeit hat

Konrad, ehemaliger Trossbube und begabter Trommler, der aus der Sklaverei entflieht und als Straßenkind sich und anderen zu helfen weiß

Leander, unternehmungslustiger Page, der keine Langeweile aufkommen lässt

El-Dschamil, angesehener Gelehrter, der Sophia in der arabischen Sprache unterweist und sich unnachsichtig an strenge Regeln hält

Sebastiano, altgedienter Knecht, der mit klugen Ratschlägen an Sophia Großvaterstelle vertritt und bedingungslos zu ihr hält

Sarin, Aufseher im Garten sarazenischer Frauen, der sich als Freund und Helfer erweist

Bustân, mitleidiges Mädchen, das Sophia durch ihre Geschicklichkeit vor dem Zorn des Königs bewahrt

Zwei Sarazenen, die ihrem Herrn treu ergeben sind, aus anfänglichen Gegnern zu Bewunderern werden und Sophia als Herrin anerkennen

Betrogene Kinder

»Land in Sicht!«

Dieser Ruf, hoch oben aus dem Mastkorb des Segelschiffes, löste auf Deck einen vielstimmigen Jubel aus. Die Kinder drängten zur Reling, und es fehlte nicht viel, und einige von ihnen hätten sich in die Wellen gestürzt, um schwimmend die Küste zu erreichen.

Nikolaus verließ mit kühnem Sprung den geflochtenen Korb und glitt am Mast entlang in die Tiefe. Auf Deck schob er einige der tanzenden Kinder beiseite und umarmte Sophia. »Wir haben es geschafft!«, rief er triumphierend. »Dort drüben liegt das Heilige Land.«

Sophia reichte ihm beide Hände. »Ich bitte dich um Vergebung, weil ich an dir gezweifelt habe. Als wir die Alpen überquerten, gegen Schneesturm und Frost kämpften und viele von uns krank und elend zurückbleiben mussten, hielt ich deine Vision für eine Ausgeburt wirrer Träume.«

Nikolaus entzog sich ihrer Umarmung. Einen Atemzug lang schien er beleidigt zu sein. Er klopfte auf sein zerschlissenes Gewand, auf das er mit groben Stichen ein Kreuz aufgenäht hatte.

»Hast du vergessen, dass mir unter diesem Zeichen fünfundzwanzigtausend Kinder gefolgt sind? Kein einziges von ihnen hat Zweifel daran geäußert, dass ein Engel mir befohlen hatte, zu diesem Kinderkreuzzug aufzubrechen. Unser unerschütterlicher Glaube wird uns helfen, das Heilige Grab gewaltlos aus den Händen der Ungläubigen zu befreien.«

Sophia schwieg beschämt und beobachtete die nahe vor ihnen liegende Küste. Nicht nur sie hatte an dem Erfolg dieses Unternehmens gezweifelt. Auch ihre Eltern, der Pfarrer ihrer rheinischen Heimatgemeinde und sogar der Heilige Vater in Rom hatten ernste Bedenken geäußert. Einige Geistliche hatten in Nikolaus sogar ein Werkzeug des Teufels gesehen. Aber in allen Städten, durch die sie gezogen waren, hatte man die Kinder mit Getränken und Nahrung versorgt. Und nirgendwo hatte man versucht, sie mit Gewalt zurückzuhalten. Nikolaus hatte Recht behalten. Denn nun lag, nach all den überstandenen Strapazen eines langen Marsches, das Heilige Land vor ihnen. Unter dem Zeichen des Kreuzes würden sie in Jerusalem einziehen.

***

Nach dem unbequemen Aufenthalt im Mastkorb dehnte Nikolaus seine steifen Glieder. »Wie freue ich mich darauf, mich bald wieder frei bewegen zu können!« Er wies zu dem wolkenlosen Himmel. »Strahlende Sonne wird unseren Marsch begleiten.«

Sophia nickte. »Die Wärme wird uns allen gut tun. Aber als Erstes werden wir ein Bad in der sanften Dünung nehmen. Sieh nur, wie gleichmäßig die Wellen sich über den Strand ergießen!«

Nur kurz dachte sie an den Rhein, der in der Nähe ihres Elternhauses vorbeifloss. Zumeist legten sich am Ende des Jahres dunkle Nebel über das Wasser, und im Frühjahr zur Kirschblütenzeit trat der Rhein nicht selten über die Ufer, und die starke Strömung entwurzelte die jungen Bäume.

Jäh wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Der Kapitän der »Albatros« stolperte aus dem Niedergang herauf. Er war wie immer betrunken, und seine heisere Stimme klang noch bedrohlicher als sonst. »Ab mit euch, ihr unnützes Gewürm! Ihr behindert die Mannschaft beim Einholen der Segel! Wer nicht sofort unter Deck verschwindet, den werde ich eigenhändig ins Meer werfen.«

Sophia legte um die beiden Kleinsten schützend ihre Arme. »Kommt mit und weint nicht! Wir werden bald dieses Schiff und den schrecklichen Kapitän Ramos verlassen können.«

In dem dunklen und engen Raum, wo sich die Kinder zwischen Fässern, Brettern und alten Tauen zusammenkauern mussten, war es heiß und stickig. Der Kapitän hatte ihnen täglich nur sehr wenig Wasser zugestanden und dazu einige Trockenerbsen auf die Bohlen geworfen. Anfangs hatten sie noch fromme Kreuzfahrerlieder gesungen, aber die rissigen Lippen ließen das nach und nach kaum mehr zu.

Über sich hörten sie die rauen Befehle des Kapitäns. Die Besatzung beeilte sich, seinen Anordnungen zu gehorchen und eilig in die Wanten zu klettern, um aus der Reichweite seines Stocks zu gelangen. Anscheinend waren die Segel ohne Zwischenfälle eingezogen worden, denn das Gebrüll des Kapitäns verstummte.

Nikolaus hatte in den morschen Außenwänden des Schiffes einen Spalt ausfindig gemacht und berichtete den anderen, was draußen zu beobachten war. Neugierig umringten ihn die Kinder und zupften an seinem Gewand.

»Kannst du die goldenen Türme von Jerusalem erkennen?«

»Von hier aus noch nicht«, antwortete Nikolaus. »Vor mir breitet sich nur schmutzig gelber Sand aus. Mehrere Reiter galoppieren den Strand entlang und nähern sich dem Landungssteg.«

Beinahe wäre er von der Kiste gefallen, auf die er geklettert war, um von seinem Guckloch aus besser sehen zu können. Denn das Fallreep wurde mit Getöse herabgelassen.

»Die Besatzung geht von Bord«, teilte Nikolaus mit. »Macht euch bereit! Denn auch wir werden dann endlich das Schiff verlassen dürfen.«

Ungeduldig drängten alle zur hölzernen Treppe, die nach oben führte. Nikolaus übernahm, wie immer während des gesamten Marsches, die Führung. Oben an der Einstiegsluke erschien der Kapitän und schwang seinen Stock. »Du, komm her!«, herrschte er Nikolaus an. »Halte deine Bande im Zaum! Bei mir herrscht Disziplin. Paarweise werdet ihr das Schiff verlassen. Lasst euch nicht einfallen, wie eine wilde Horde auf und davon zu stürmen!«

Die Kinder, die eben noch jubelnd die Stiege zum Deck emporklettern wollten, verstummten ängstlich. Was hatte das zu bedeuten? Wohl kaum, argwöhnte Sophia, dient diese Maßnahme der Vorsicht, damit keines der Kinder von dem schmalen Landungssteg in das Meer stürzt. Sie stellte sich neben Nikolaus.

Der Kapitän grinste hämisch. »Warte nur ab! Du wirst noch früh genug an die Reihe kommen, wahrscheinlich sogar sehr bald.«

»Das will mir alles nicht gefallen«, flüsterte Nikolaus. Aber seine Worte wurden von einem dröhnenden Gepolter verschluckt. Schwere Männerschritte brachten die Planken auf dem Deck in eine derart starke Schwingung, dass von oben Dreck und Geröll auf die Kinder herabrieselte.

»Wir steigen jetzt an Deck«, entschied Nikolaus. Kapitän Ramos hatte die Luke verlassen. Ein winziges Stück des blauen Himmels war erkennbar, und niemand schien sie aufhalten zu wollen.

Nikolaus betrat als Erster die Stiege, gefolgt von Sophia. Aber er hatte noch nicht die letzte Stufe erklommen, als er von rechts und links nach oben auf das Deck gezerrt wurde. Er sah sich zwei vierschrötigen Männern mit finsteren Grimassen gegenüber. Beide schwangen drohend geflochtene Lederpeitschen und ließen sie zischend über dem Kopf des Jungen kreisen. »Ialla! Ialla!«, brüllten sie in einer Sprache, die Nikolaus nicht verstand, und stießen ihn zum Fallreep.

»Geht zurück!«, schrie Nikolaus.

Aber diese Warnung kam zu spät. Sophia, die sich heftig wehrte, wurde an ihren langen Haaren nach oben gezogen und von einem der Männer den schmalen Landungssteg entlanggezerrt. Der andere war zwischen die laut weinenden Kinder gesprungen und trieb sie paarweise über die Deckplanken zum Fallreep.

Wie ein verängstigter Hühnerhaufen, über dem ein Habicht kreist, kauerten die Kinder auf dem sandigen Ufer. Nikolaus betrachtete sie mit Tränen in den Augen. Nicht die einschneidenden Fesseln, die man ihm angelegt hatte, bedrückten ihn, sondern seine Verantwortung, die er für diese Kinder trug. Er fühlte sich schuldig.

Auch den Bewachern war der armselige Zustand ihrer Gefangenen nicht entgangen. Sie begnügten sich damit, ab und zu im Trab auf ihren ungesattelten Pferden den Kreis der Kinder zu umrunden.

Sophia sah sich nach allen Seiten um. »Diese öde Sandwüste kann nicht Jerusalem sein. Wo sind denn die goldenen Türme?«

Nikolaus schüttelte stumm den Kopf und wies zum Schiff. Der Kapitän kam vom Fallreep herabgetorkelt und lallte unverständliche Worte vor sich hin. Wenn ihn nicht zwei Seeleute rechts und links untergehakt und gestützt hätten, wäre er von dem schmalen Steg hinab ins Meer gestürzt. Mit glasigen Augen sah er sich nach allen Seiten um, näherte sich einem stattlich gekleideten Araber, der kerzengerade im prächtigen Sattel eines edlen Hengstes saß. Seine hellblaue Burda, deren Saum mit kunstvollen Stickereien geschmückt war, wurde durch eine goldene Spange zusammengehalten, und sein roter Turban war über und über mit Edelsteinen bedeckt, die in der Sonne glitzerten. Dieser Reiter, der einem Standbild glich, hatte offensichtlich das hohe Amt eines Sultans inne. Er blieb im Sattel sitzen und sah angewidert auf den betrunkenen Kapitän der »Albatros«.

»Ich will mein Geld!«, brachte der Kapitän lallend hervor und hielt sich am Steigbügel fest. Der Araber winkte einen seiner Leute herbei und gab ihm leise eine Anweisung. Aus seinem Umhang holte dieser ein schmales Säckchen hervor und hielt es dem betrunkenen Kapitän am ausgestreckten Arm entgegen.

»Hier ist dein Lohn für die Überfahrt und Auslieferung der Kinder.«

Gierig öffnete Kapitän Ramos den kleinen Sack und versuchte, die Münzen zu zählen. »Ist das alles?«, brabbelte er.

»Immer noch zu viel«, erhielt er zur Antwort. »Die Kinder sind ja halb verhungert. Niemand wird uns diese erbärmlichen Wesen abkaufen.«

Der Kapitän schien plötzlich nüchtern zu werden. »Mistkerle! Betrüger!«, brüllte er außer sich vor Wut und ballte die Fäuste. Er machte Anstalten, tätlich zu werden. Aber einer der Bewacher näherte sich ihm mit der Lederpeitsche. »Wenn du dich nicht in wenigen Augenblicken auf dein Schiff trollst, werde ich dir mit der Neunschwänzigen Beine machen.«

Nach dieser demütigenden Drohung verlor der Kapitän vollends seine Beherrschung. Wütend spuckte er dem Anführer auf die perlengeschmückten Schuhe. Der so Beleidigte zeigte sich jedoch äußerst beherrscht. Mit versteinertem Gesichtsausdruck zog er ein fein gewebtes Tüchlein aus seinem Umhang und befahl einem der Kinder, sich vor ihm hinzuknien und die Schuhe trocken zu reiben. Erst als diese wieder makellos glänzten, gab er mit einer knappen Handbewegung dem Mann mit der Lederpeitsche einen kaum merkbaren Wink. Die neun geflochtenen Riemen zischten durch die Luft und fuhren mit einem scharfen Hieb dem Kapitän durch das Gesicht. Die Haut platzte auf, und Blut quoll hervor. Der Geschlagene stieß ein tierisches Geschrei aus und taumelte dem Fallreep zu.

***

Ohne Mitleid zu empfinden, hatten die Kinder das Schauspiel verfolgt. Sophia verspürte sogar eine tiefe Genugtuung. Nikolaus war blass geworden. »Es ist wohl ratsam, wenn wir alle diesem arabischen Anführer gehorchen, der vielleicht sogar ein Sultan ist. Wir sind ihm ausgeliefert.«

Aber Sophia wurde plötzlich von einer eiskalten Wut erfasst. »Hast du nicht gehört, dass wir verkauft werden sollen? Was sagt denn dein Engel dazu, dem wir dieses schreckliche Schicksal verdanken?«

Nikolaus starrte sie traurig an. »Der himmlische Engel hat uns hierher geführt und wird uns auch weiter begleiten. Warum hast du deinen Glauben verloren?«

Sophia lachte fast höhnisch. »Statt an irgendwelche Visionen zu glauben, werde ich meinen eigenen Kräften vertrauen. Jedenfalls werde ich die erste Gelegenheit zur Flucht benutzen, die sich bietet.«

Nikolaus trat an sie heran, so nahe es seine Fesseln erlaubten. »Ich habe Angst um dich«, sagte er leise.

***

»Ialla! Ialla!«, tönte es von der Spitze des Zuges. Mit schleppendem Gang setzten sich die Kinder in Bewegung. Der Anführer ritt voran, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzuschauen. Vereinzelt tauchten neben der sandigen Straße jetzt kleine Häuser auf. Ihre Vorderfront zeigte jeweils nur ein kleines vergittertes Fenster. Aber Sophia entdeckte durch ein geöffnetes Tor einen schattigen Innenhof, in dem ein Springbrunnen leise plätscherte. Sie zog in Erwägung, durch dieses Tor zu schlüpfen und die Bewohner um Hilfe zu bitten. Aber kein Mensch war zu sehen. Es machte den Eindruck, als ob die Bevölkerung vor dem Anblick des traurigen Zuges Augen und Ohren verschlösse. Sicherlich befürchteten die Bewohner auch eine harte Strafe, falls sie einem der Kinder Unterschlupf gewähren würden. Und wie sollte sie sich überhaupt in der fremden Sprache verständlich machen?

»Ialla! Ialla!«, tönten die rauen Stimmen der Antreiber.

Müde trotteten die Kinder weiter. Aber plötzlich erhob sich lautes Geschrei der Bewacher. Sie rissen ihre Pferde zurück, ließen die Peitschen über den Köpfen der Kinder kreisen und verteilten wahllos einige Schläge. Ein unbeschreiblicher Tumult brach los.

»Was ist passiert?«, rief Nikolaus und warf sich schützend vor Sophia, die ihren Jubel kaum unterdrücken konnte.

»Konrad ist entkommen!«, rief sie frohlockend. Da war einer, der es gewagt hatte, was sie selbst nur erwogen und als undurchführbar erkannt hatte.

»Sie werden ihn erwischen und fürchterlich bestrafen«, meinte Nikolaus hoffnungslos. »Er läuft dort nicht weit von hier am Ende der Straße und hat wohl den Verstand verloren. Denn hinten auf dem Rücken baumelt seine kleine Trommel, die ihn nun beim Laufen behindert.«

Sophia schickte ein Stoßgebet zum Himmel: »Beschütze ihn, o mein Gott!«

Konrad hatte sich stets von den anderen fern gehalten, niemals gejammert, sondern über Stunden hinweg seine kleine Trommel gerührt. Man behauptete von ihm, er sei früher als Trossbube bei den Soldaten gewesen und darum an alle Strapazen gewöhnt.

»Ich bin sicher, dass ihm die Flucht gelingen wird«, behauptete Sophia. Aber ihre Stimme klang brüchig.

Einige Reiter wendeten ihre Pferde mit einer Volte und schickten sich an, im Galopp den flüchtigen Jungen zu verfolgen. Ein scharfer Befehl ihres Anführers brachte sie jedoch zum Stehen. »Lasst ihn laufen! Der Junge hat Mut. Das gefällt mir. Wenn er sich aber erwischen lässt, gebt ihm eine Tracht Prügel, die er so schnell nicht vergessen soll!«

Seine Leute waren gewohnt zu gehorchen, obwohl ihnen so manche Entscheidung nicht gefiel. »Ialla! Ialla!«, riefen sie noch lauter als zuvor und beschleunigten ihre Schritte.

***

Die schmalen Gassen erweiterten sich zu einem weiträumigen Platz. In der östlichen Kurve erhob sich eine hölzerne Tribüne, auf der sich in der Mitte ein Pfahl befand. Unter strenger Bewachung durften die Kinder sich niederlassen. Sophia betrachtete die Männer, die sich auf dem Platz versammelt hatten. Die meisten schienen dörfliche Einwohner zu sein. Aber im Hintergrund hielten sich auch einige Beduinen auf. Nicht weit entfernt hatten sie ihre Kamele unter der Aufsicht laut lärmender Burschen zurückgelassen.

»Wenn man mich an so einen Beduinen verkauft, werde ich das ertragen können«, meinte Nikolaus. »Denn in der Wüste sollen angeblich die Sterne heller am Himmel leuchten als bei uns daheim, und so könnte ich mich Gott näher fühlen.«

Aber für einen größeren Jungen erhoffte man sich wohl mehr Geld, als es die einfachen Beduinen zahlen konnten. Die Wachen trieben zunächst die kleineren Kinder auf die Tribüne, die dort von zumeist ärmlich aussehenden Besuchern des Sklavenmarktes für wenige Münzen erworben wurden.

Sophia musste nun doch ihre Tränen hinunterschlucken. »Man wird ihnen Arbeit aufbürden, die sie gar nicht leisten können.«

Sie hatte diesen Satz noch nicht ausgesprochen, als Nikolaus von ihrer Seite gerissen wurde. Man fesselte ihn an den hölzernen Pfahl. Mit dröhnender Stimme wurden offenbar seine Vorzüge ausgerufen. Mehrmals deutete der Ausrufer auf den stämmigen Körper und die starken Muskeln des Jungen. Unter den Käufern entstand ein heftiges Gerangel und ein lautes Feilschen, das Nikolaus regungslos mit erhobenem Kopf ertrug. Er betet, dachte Sophia. Ich beneide ihn um seinen festen Glauben.

Ein selbstbewusst auftretender Beduine, vielleicht ein begüterter Karawanenführer, warf dem Verkäufer einen prall gefüllten Geldsack zu. Anscheinend war er als vermögend bekannt, denn unverzüglich erhielt er den Zuschlag. Nikolaus wurde von dem Pfahl gelöst und von seinen Fesseln befreit. An einem Strick führte ihn sein Herr zu den Kamelen.

Sophia folgte ihm mit den Blicken, bis er nicht mehr zu sehen war. »Ich wünsche ihm, dass er sich in den Wüstennächten dem Firmament und Gott näher fühlt«, flüsterte sie leise vor sich hin.

Nicht, wie der Kapitän gedacht hatte, als Erste, sondern als Letzte war sie an der Reihe. Als sie sich gegen den festen Zugriff des Verkäufers wehrte, band man sie an den Pfahl. Man löste ihr die blonden Haare, die sie als Zöpfe um den Kopf geschlungen hatte. Ein Raunen ging durch die Männerwelt, als sich ihre Lockenfülle über die Schultern ergoss. Es blieb ihr nicht die Demütigung erspart, dass man ihr die Bluse öffnete, um die noch kindliche Festigkeit ihrer Brust anzupreisen. Aber der arabische Anführer, den sie nach ihrer geringen Kenntnis für einen Sultan hielt, trat vor und verbot den Männern streng, dieses offensichtliche Wertobjekt mit den Fingern zu betasten.

Ein Mann betrat die Tribüne und wurde von dem Sultan freundschaftlich begrüßt. Die anderen wichen ehrfürchtig zurück. Viel Geld wechselte den Besitzer, und ohne weitere Diskussionen war die Sklavenauktion beendet. Sophia wurde von dem Verkäufer zu dem Pferd ihres Herrn gebracht und in den Sattel gehoben. Er schwang sich hinter sie, ohne die Steigbügel zu benutzen, packte Sophia mit festem Griff um die Taille und gab dem Pferd die Sporen.

Sie durchquerten die Stadt, und Sophia erkannte, dass dies zwar nicht Jerusalem, aber eine große Niederlassung war. Vielleicht Alexandria, dachte sie. Dort muss es einen Hafen und sicher auch Kreuzritterschiffe geben, die mich in die Heimat mitnehmen.

Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, packte sie der Reiter unsanft fester, und die folgenden Drohungen nahmen ihr fast jede Hoffnung. Er zügelte das Pferd und drehte sie zu sich herum. »Du kannst in deiner Sprache mit mir reden, denn ich war lange Zeit in der Gefangenschaft der Kreuzritter. Ich will dir nicht alle Grausamkeiten schildern, die man mir zufügte. Aber wenn du je versuchen solltest zu fliehen, wirst du dasselbe erdulden, was diese Barbaren aus dem Frankenland mir angetan haben. Das wird dir ein für alle Mal jeden Fluchtversuch verleiden.«

Bittere Sklavendienste

Sie verließen den sandigen Küstenstreifen und näherten sich dem Gebirge, dessen helles Grau mit dem Blau des Himmels zu verschmelzen schien. Fleischige Kakteen, von denen einige rot oder blassgelb blühten, erhoben sich auf dem sandigen Untergrund und gaben der eintönigen nahen Wüste einen tröstlichen Anblick.

Unerwartet erschien hinter einer welligen Düne ein Haus, das auf den ersten Blick wenig einladend wirkte. Die Vorderfront wies nur kleine vergitterte Fenster auf, und Sophia fürchtete schon, dass ihr grausamer Gebieter sie in ein Gefangenenlager bringen wollte. Aber dann entdeckte sie einen hohen gewölbten Portikus, der mit grünem Marmor verkleidet war. Als sie in den dahinter liegenden Hof einritten, bot sich ihr ein Bild, das keinerlei Ähnlichkeit mit einem Gefängnis hatte.

Ein leise plätschernder Springbrunnen verbreitete nach dem heißen Ritt eine angenehme Kühle. Die weiß gekalkten Mauern des Hauses waren mit Kletterpflanzen bedeckt, die in allen Farben blühten und einen Duft nach Jasmin verströmten. Im Schatten unter dem vorgebauten Dach standen gepolsterte Liegen, die mit üppigen Brokatkissen ausgestattet waren.

Von der Dachterrasse erklang lautes Geschrei. Anscheinend hatten die Kinder von dort die Ankunft ihres Vaters erwartet und kamen jetzt mit schrillen Rufen nach unten in den Hof gelaufen. Zwei Jungen stürzten sich in die ausgebreiteten Arme ihres Vaters, der aus dem Sattel gesprungen war. Zärtlich begrüßte er seine Söhne.

So schrecklich kann dieser Mensch wohl nicht sein, dachte Sophia. Aber sogleich wurde sie eines Besseren belehrt. »Was sitzt du noch da oben?«, herrschte er sie an, packte sie an den Handgelenken und wollte sie zu Boden werfen. Aber Sophia hatte seine Absicht erkannt und entging durch einen geschickten Sprung aus dem Sattel einem Sturz auf das harte Steinpflaster des Hofes. An den funkelnden Augen ihres Gebieters konnte sie erkennen, dass er sie nur zu gern mit einem Sturz gedemütigt hätte. Wütend schrie er nach dem Stallknecht und empfing ihn mit Drohgebärden, weil das magere Bürschlein nur zögerlich herangekommen war. Seine beiden Söhne klatschten in die Hände und lachten schadenfroh.

Der Herr warf sich auf eines der Sofas und streckte seine Füße aus. Er gab einen Befehl in arabischer Sprache, dem Sophia entnahm, dass der kleine Stallknecht ihm die Stiefel ausziehen sollte. Obwohl der Junge sich redliche Mühe gab, langten offenbar seine Kräfte nicht. Sein Gebieter gab ihm einen kräftigen Tritt und scheuchte ihn fluchend davon.

»Komm her!«, herrschte er Sophia an. »Deine Arme sind kräftig genug, um diese Aufgabe zu übernehmen.« Die beiden Söhne grinsten und freuten sich auf eine Darbietung, die diesem Mädchen mit Sicherheit eine Tracht Prügel eintragen würde.

Sophia dachte dankbar an ihren Vater, dem sie seit ihrem zwölften Lebensjahr bei der Arbeit im Weinberg geholfen hatte. Sie hatte nicht nur täglich die vielen Stufen bis zur obersten Reihe hoch über dem Rhein erklommen, sondern auch die mit Trauben gefüllten Kiepen zu den Trögen getragen.

Sie bückte sich und zog mit kräftigem Zupacken an den schmiegsamen Lederstiefeln. Ihr Gebieter, der nicht mit einer solchen Kraft gerechnet hatte, fiel rückwärts gegen die Mauer. Die beiden Söhne lachten über den ungewohnten Anblick und empfingen dafür ein paar deftige Ohrfeigen. Heulend liefen sie davon. Sie werden mich hassen, dachte Sophia.

Ihr Vater war aufgesprungen. »Hedwiga, alte Vettel!«, brüllte er mit zornbebender Stimme. »Komm her, und zwar sofort!«

Am Eingang zum Küchenbau erschien eine Gestalt, die Sophia mit Entsetzen betrachtete. Eine bucklige Greisin mit einem grauen Gesicht voller Runzeln schlurfte mühsam herbei und fiel vor ihrem Gebieter auf die Knie. Ihre kaum hörbare Stimme zitterte. »Was befehlt Ihr, Herr?«

Ibn Aschar warf einen angewiderten Blick auf die zusammengesunkene Gestalt und wandte sich an Sophia. »Du wirst von heute an die Arbeit von Hedwiga übernehmen. Sie wird dir deine künftigen Aufgaben mitteilen. Denn sie spricht deine Sprache, obwohl sie in den langen Jahren der Gefangenschaft viele fränkische Wörter vergessen hat. Jetzt geht mir aus den Augen, alle beide!«

Hedwiga hatte schon den Vorhang beiseite geschoben, der zum Hinterhof führte, als ein scharfer Befehl Sophia zurückbeorderte. »Die Alte ist zu nichts mehr nutz, und ich werde sie wohl für ein paar Münzen auf dem Sklavenmarkt verkaufen. Es ist besser, wenn ich dich persönlich ermahne, jedem Befehl meiner drei Frauen zu folgen, die drüben in meinem Harem untergebracht sind.«

Sophia zeigte sich nicht verwundert. Sie hatte davon gehört, dass es den Muslimen gestattet war, mehrere Frauen zu heiraten und sie nach Belieben wieder zu verstoßen. Sie zuckte mit keinem Muskel ihres Gesichts, als Ibn Aschar bei dieser Mitteilung lachte und dann fortfuhr: »Jede Beschwerde, die mir zu Ohren kommt, werde ich streng bestrafen. Frage Hedwiga und lass dir ihren Rücken zeigen!«

In der Küche stand mit glühenden Wangen eine arabische Frau vor dem offenen Feuer und hantierte mit Tiegeln und Pfannen. Sie nahm von Sophia keinerlei Notiz. Hedwiga zupfte Sophia am Ärmel und zog sie mit nach draußen auf den gepflasterten Vorhof. »Sie ist taubstumm«, erklärte sie das Verhalten der Köchin. »Denn sie stößt nicht einmal einen Schrei aus, wenn sie von der Herrin geschlagen wird. Alte Frau ist sehr böse, fast so schlecht wie der Herr. Zweite Frau liegt ganzen Tag auf Bett und stopft Süßigkeiten in Mund. Ist sehr dick. Aber jüngst Frau von Ibn Aschar ist gut, hat viel Mitleid mit armer Sklavin.« Die alte Frau bekreuzigte sich, während sie ängstlich hinter sich schaute.

Sophia konnte die Wortfetzen, die Hedwiga mühsam in ihrem zahnlosen Mund formte, kaum verstehen. Aber auch diese kurzen Sätze hatten genügt, um sie mit Entsetzen zu erfüllen. Warum habe ich nicht auf meine Eltern gehört, dachte sie voller Reue. Gott steh mir bei, dass ich nicht ende wie dieses elende Wesen hier! Auch sie schlug das Kreuzzeichen.

***

Die Köchin war zwar angeblich taubstumm, aber sie verstand es durchaus, mit grunzenden Lauten das Bürsten der angesetzten Töpfe und das Schrubben des Steinbodens anzuordnen. Sie deutete auf zwei Wassereimer.

»Komm mit!«, bat Hedwiga und bückte sich schwerfällig. »Wir müssen draußen am Ziehbrunnen Wasser holen.«

Draußen im Vorhof erwartete Sophia neuer Schrecken. In einem Zwinger sprangen zwei riesige Hunde an den eisernen Stäben hoch, fletschten die Zähne und stießen ein mörderisches Gebrüll aus. »Du brauchst dich nicht zu fürchten«, beruhigte Hedwiga sie. »Sie sind fast immer eingesperrt. Ich habe sie nur einmal im Freien erlebt. Das war, als ich zu flüchten versuchte.«

»Um des lieben Himmels willen!«, rief Sophia entsetzt. »Unser Herr, dieses Scheusal, wird doch nicht diese Bestien auf dich gehetzt haben!«

»Wenn es nur das gewesen wäre«, seufzte Hedwiga. »Aber er hat mich so grausam geschlagen, dass ich seitdem eine gebrochene Hüfte habe und hinke.«

Sophia schluckte ihre Tränen hinunter und umarmte die alte Frau. »Von nun an sollst du keine schwere Arbeit mehr leisten. Jetzt bin ich hier und werde auf dich aufpassen, damit keiner dir ein Leid antut.«

Ihren Worten ließ sie die Tat folgen. Sie nahm Hedwiga den Eimer aus der Hand und knüpfte ihn am Haken fest. Rasselnd sauste der Eimer am Seil in die Tiefe und schlug weit unten mit einem dumpfen Laut auf. Vereint zogen sie den wasserbeschwerten Eimer nach oben.

»Hoffentlich hält das Seil. Es sieht nicht sehr stabil aus«, befürchtete Sophia.

Hedwiga bekreuzigte sich und verfolgte ängstlich den Transport des zweiten Eimers. »Wenn das geschieht, springe ich diesmal in den Brunnen«, krächzte sie voller Furcht. »Ich habe schon oft daran gedacht. Aber mir fehlte immer der Mut.«

Das Seil hielt. Aber dennoch stieß ihnen ein anderes Unglück zu. Die beiden Söhne ihres Herrn kamen zum Brunnen gelaufen, betrachteten die gefüllten Eimer und stießen sie unter hämischem Gelächter mit den Füßen um. Das Wasser versickerte augenblicklich im gelben Wüstensand. Hedwiga begann zu weinen, als die Jungen zum Haus rannten und laut nach ihrem Vater riefen. Ehe sie die Eimer erneut füllen konnten, erschien Ibn Aschar.

»Meine Söhne haben mir mitgeteilt, dass ihr das wertvolle Wasser absichtlich ausgeschüttet habt. Dies ist die letzte Bosheit, die ich Hedwiga durchgehen lasse. Morgen werde ich sie auf dem Sklavenmarkt verkaufen.« Er drehte sich um und versetzte Sophia einen Schlag mit seiner Reitgerte. »Dich werde ich schon noch zähmen«, versprach er grimmig.

Sophia zuckte mit keiner Wimper. Auf der oberen Terrasse entdeckte sie die beiden Jungen, die grinsend herabschauten und sich die Hände vor den Mund hielten, um nicht laut zu lachen.

»Ihr könnt mich nur gleich morgen auch verkaufen«, schlug sie mit fester Stimme vor. »Denn noch schlimmer als hier kann es nirgendwo sein.«

Ibn Aschar starrte sie wortlos an. »Hüte deine Zunge!«, brachte er schließlich hervor. »Oder willst du enden wie Hedwiga?«

Sophia hielt es für besser, sich jede Antwort zu ersparen. Aber von diesem Augenblick an dachte sie nur noch daran, wie sie ihre Flucht bewerkstelligen könnte.

***

In der Nähe des Brunnens hatte sie einen Turm entdeckt, der wohl noch aus den Kreuzfahrerzeiten stammen mochte. Vielleicht konnte sie dort Hilfe finden. Sie zuckte zusammen, als von der obersten Empore des Turms eine wohl klingende Männerstimme ertönte. Die Verse, deren Sprache sie nicht verstand, rührten sie auf seltsame Weise, besänftigten ihren Zorn und machten es ihr möglich, die gnädige Hilfe Gottes anzurufen, von dem sie sich in diesem fremden Land verlassen glaubte.

Ibn Aschar versammelte seine Frauen und das Hausgesinde. »Ab in die Moschee! Der Muezzin hat zum Gebet gerufen.«

Sophia hatte durch ihren Vater davon gehört, dass auf der obersten Balustrade eines Minaretts ein Muezzin stehe und fünfmal am Tag seinen Ruf erklingen lasse, um die gläubigen Muslims zum Gebet zu rufen.

Hedwiga zupfte sie am Ärmel. »Christen sind nicht zugelassen«, raunte sie ihr zu.

Aber Ibn Aschar packte Sophia im Genick, wie ein Kaninchen, das geschlachtet werden sollte, und schob sie vor sich her. »Du wirst lange bei uns bleiben und eines Tages eine brave Muslimfrau werden. Dafür werde ich sorgen. Es ist besser für dich, wenn du schon heute anfängst, den Koran zu lernen.«

Ehe ich auch nur die erste Sure kenne, werde ich längst auf und davon sein, dachte Sophia trotzig und stemmte sich gegen den festen Griff. Ibn Aschar gab ihr einen heftigen Stoß, der sie bis zum Eingang der kleinen Moschee beförderte, deren Fundamente auf eine ehemalige christliche Kreuzfahrerkirche hindeuteten. Sichtlich war der Glockenstuhl zum Standort für den Muezzin umgebaut worden.

Soeben tauchte nach einem glühend heißen Tag die Sonne hinter einer Sanddüne unter und hüllte die oberste Empore des Minaretts in ein goldenes Licht. Sophia spürte, wie Ibn Aschar ihre Haare anstarrte, die glänzend den Schein der Sonne widerspiegelten. Als sie sich zu ihm umsah, fühlte er sich offenbar ertappt.

»Bedecke deinen Kopf mit einem Tuch, das hier am Eingang an einem Haken hängt, und ziehe deine Schuhe aus!«, befahl er mit barscher Stimme. »Ich will dich nie wieder ohne Kopftuch sehen.«

Nach der Rückkehr vom Kreuzzug hatte Sophias Vater seiner Familie von den Bräuchen der Muslims berichtet, die von Mohammed, dem Propheten Allahs, aufgestellt worden seien. Ich bin nun einmal in dieses fremde Land verschlagen worden, dachte Sophia ein wenig resigniert. Aber warum sollte ich in diesem Gotteshaus, in dem man zu Allah betet, nicht zu unserem Gott und seinem Sohn Jesus Christus beten? Mit diesem tröstlichen Gedanken betrat sie die Moschee.

Ibn Aschar deutete auf einen Platz in der letzten Reihe und begab sich nach vorn zu den anderen Männern. Vor Sophia hockten die anderen Frauen auf Teppichen, die ihr für diese kleine Moschee allzu kostbar erschienen. Sie war froh, dass sie die einzelnen Bewegungen der Frauen beobachten konnte, ihre Verbeugung und Niederwerfung zwischen den Koranrezitationen. Zwar verstand sie kein Wort von dem, was der Imam rezitierte, aber seine Stimme war klangvoll und melodiös. Beinahe hätte sie vergessen, ihre Gebete zu sprechen, und sie entschuldigte sich vor sich selbst, dass sie alle ihre Konzentration brauchte, um nicht als Fremdling aufzufallen.

Anscheinend hatte der Imam eine lange Koranstelle ausgesucht, denn die Gebete dauerten länger als der Gottesdienst in ihrer Heimat. Aber auch die Frauen vor ihr begannen unaufmerksam zu werden. Die Mittlere, die nach Auskunft von Hedwiga den ganzen Tag auf dem Bett lag und Süßigkeiten verzehrte, wandte sich zu ihr um und vergaß eine Niederwerfung. Die Ältere zischte ihr eine Mahnung zu, und die Jüngste betete inbrünstig mit einem versonnenen Gesichtsausdruck.

Endlich, als sich schon Dunkelheit über die Wüste gelegt hatte, beendete der Imam das Abendgebet. Die Familie Ibn Aschars ging gemeinsam dem Haus zu. Vor dem gewölbten Torbogen blieb der Herr stehen und zog seine mittlere Frau auf die Seite. »Ich habe beobachtet, dass du bei der letzten Rak’a die Niederwerfung vernachlässigt hast.«

Er wandte sich Sophia zu. »Die Rak’a ist der zentrale Teil unseres muslimischen Gebetes. Es zu vernachlässigen, gilt als Sünde. Sieh zu, was mit solchen Sündern geschieht!«

Er rief einen seiner Stallknechte herbei und gab ihm in arabischer Sprache einen Befehl, den Sophia nicht verstehen konnte. Die mittlere Frau begann zu weinen.

»Du gehst mit und schaust zu!«, befahl der Herr seiner Sklavin Sophia. »Es soll dir zur Warnung dienen.«

Nur widerstrebend folgte Sophia dem Stallknecht, der die laut heulende Frau mit sich zerrte. Im Stall band er sie an einer hölzernen Strebe fest und entblößte ihren Rücken.

Ibn Aschar war ihnen gefolgt, um die Ausführung seines Befehls zu überwachen. »Gib ihr zehn mit der Neunschwänzigen, und wehe dir, wenn du Milde zeigst!«

Der Knecht holte eine geflochtene Lederpeitsche aus einer der Pferdebuchten und holte zum Schlag aus. Die Frau schrie laut, als sie der erste Hieb traf. Sophia fühlte ein Würgen und wollte sich abwenden. Aber Ibn Aschar nahm ihren Kopf wie mit einem Schraubstock in seine Hände und zwang sie, die Prozedur bis zum Ende anzusehen.

»Bringe Suleika jetzt in den Harem und reibe ihren blutenden Rücken ein!«, befahl er Sophia, als der Knecht die schreiende Frau losgebunden hatte. »Und vergiss diesen Anblick nie!«

***

In den Gemächern der Frauen duftete es nach Lavendel und Myrrhe. Die beiden anderen Frauen zeigten keine besondere Erregung. Eine Bestrafung dieser Art war für sie offenbar keine Seltenheit. Sie fütterten die mittlere Ehefrau mit Süßigkeiten, während Sophia die blaurot geschwollenen Striemen mit Rosmarinessenz einrieb. Die so brutal bestrafte Frau hörte schnell auf zu weinen und schluckte gierig einige Mandelplätzchen.

Sophia erinnerte sich an eine Bemerkung ihres Vaters, das muslimische Gesetz rate den Ehemännern, ihre ungehorsamen Frauen zu schlagen. Wie würde es da erst einer Sklavin ergehen!

Verstört wollte sie die Gemächer der Frauen verlassen. Aber die jüngste der Ehefrauen rief sie zurück, legte ihr zwei kandierte Orangen in die Hand und lächelte ihr zu.

Sie hätte gerne ihre Schlafstelle aufgesucht, aber Ibn Aschar befahl sie noch einmal zu sich. »Sage meiner jüngsten Ehefrau, dass ich sie zu sehen wünsche, weil sie in der kommenden Nacht mein Lager teilen darf.«

Sophia war ratlos. »Wie soll ich ihr das mitteilen? Ich kann kein Arabisch.«

»Dann lerne es!«, gab der Gebieter ihr zur Antwort. »Oder willst du selbst hier bleiben?« Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und lachte. Sein Lachen klang wie eine Drohung.

Bei dieser Bemerkung lief Sophia so schnell davon, wie ihre Füße sie tragen konnten. Sie zupfte die junge Frau am Ärmel und zog sie mit sich. Dazu bedurfte es keiner großen Anstrengung, denn die noch sehr mädchenhafte Frau wusste sogleich, dass ihr Ehemann nach ihr verlangt hatte. Sie schien nicht einmal abgeneigt, diesem Ruf zu folgen. Die beiden anderen Frauen riefen ihr einige Scherzworte nach und lachten.

Jetzt endlich konnte sich Sophia auf ihrer Schlafmatte ausstrecken. Hier fand sie Ruhe und Frieden, um Schutz und Hilfe der Heiligen Jungfrau Maria zu erflehen.

Kluge Vorbereitungen

Am nächsten Tag war Hedwiga verschwunden. Ihre Schlafstelle war verlassen, und die schmutzigen Matten lagen im Hof vor den Hundezwingern. Was hatte der Hausherr ihr angetan? Hatte er sie wirklich verkauft? Dazu hätte er jedoch das Haus verlassen müssen. Oder hatte er sie von den Klippen ins Meer gestoßen? Sophia hatte nicht übel Lust, nach dem Verbleib der alten Frau zu fragen. Aber sie erkannte selbst, dass dies kein guter Gedanke war.

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