Das Leben des Vernon Subutex 1 - Virginie Despentes - E-Book
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Das Leben des Vernon Subutex 1 E-Book

Virginie Despentes

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Beschreibung

Die literarische Sensation aus Frankreich: ein grandioses Sittengemälde unserer Zeit. Wer ist Vernon Subutex? Eine urbane Legende, der letzte Zeuge einer Welt von Sex, Drugs and Rock 'n' Roll. Einer, mit dem unsere Zeit es nicht gut meint und der trotzdem für eine ganze Generation steht – und für das glanzvolle, furiose Comeback seiner Erfinderin Virginie Despentes. Als der Roman 2015 in Frankreich erschien, erregte er unmittelbar großes Aufsehen. Wochenlang führte er die Bestsellerlisten an, war für zahlreiche Preise nominiert, die Kritik überschlug sich. Erzählt wird die Geschichte von Vernon Subutex und seinem rasanten sozialen Abstieg. Mit seinem Plattenladen hat er Pleite gemacht und steht nun auf der Straße. Weil er sich und der Welt sein Scheitern nicht eingestehen will, nimmt er Zuflucht zu einer Notlüge, die es ihm ermöglicht, sich übergangsweise reihum bei seinen alten Freunden einzuquartieren, die er zum Teil seit Jahren nicht gesehen hat. So entsteht ein vielstimmiges Panorama einer Gesellschaft am Abgrund. Man begegnet den ganz normal Gescheiterten, den scheinbar Erfolgreichen, den Schrillen und den Durchgeknallten. Despentes erspart ihren Figuren nichts, lässt kein gesellschaftliches Thema unberührt, die Islamismusdebatte ebensowenig wie den Aufstieg der Rechten. So gelingt ihr ein beeindruckender literarischer Rundumschlag, ungestüm und trotzdem humorvoll, in dem jedes Wort sitzt, jeder Satz nachhallt. Ein großer Wurf, in Frankreich nicht umsonst mit Balzacs »Die menschliche Komödie« verglichen.

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Seitenzahl: 503

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Virginie Despentes

Das Leben des Vernon Subutex

Roman

Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Virginie Despentes

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Hinweis

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

 

Die Übersetzerin dankt dem Deutschen Übersetzerfonds für die großzügige Unterstützung ihrer Arbeit.

Inhaltsverzeichnis

Non omnis moriar

 

Für Martine Giordano,

Joséphine Pépa Bolivar,

Yanna Pistruin

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

 

 

 

Die Fenster im Haus gegenüber sind schon hell. Sieht aus wie eine Werbeagentur. In dem großen open space bewegen sich vereinzelte Gestalten. Die Putzfrauen fangen um sechs an. Meistens ist Vernon schon wach, wenn sie kommen. Er hat Appetit auf einen starken Kaffee und eine Filterzigarette, er würde sich gern eine Scheibe Brot toasten und beim Frühstück online die Schlagzeilen des Parisien überfliegen.

Kaffee hat er seit Wochen nicht mehr gekauft. Die Zigaretten, die er sich morgens aus den Kippen vom Vortag dreht, sind so dünn, dass er eigentlich nur noch Papier raucht. Er hat nichts zu essen im Haus. Aber das Internetabo hat er behalten. Es wird an dem Tag abgebucht, an dem das Wohngeld überwiesen wird. Das kommt zwar seit Monaten nicht mehr, aber bis jetzt hat es trotzdem irgendwie geklappt. Hoffentlich geht es weiter gut.

Sein Handyabo ist abgelaufen, er macht sich keinen Kopf mehr um Flatrates. Im Angesicht der Katastrophe hält sich Vernon an einen Grundsatz: so tun, als ob nichts wäre. Er hat zugesehen, wie alles den Bach runterging, erst war es wie in Zeitlupe, dann legte der Absturz an Tempo zu. Aber Vernon hat weder die Gleichgültigkeit noch die Eleganz aufgegeben.

Erst haben sie ihm die Stütze gestrichen. Per Post hat er eine Kopie des Berichts bekommen, den seine Beraterin über ihn geschrieben hat. Sie haben sich gut verstanden. Fast drei Jahre lang haben sie sich regelmäßig in ihrer engen Box getroffen, wo sie die Grünpflanzen sterben ließ. Madame Bodard, wie aus dem Ei gepellt, rot gefärbte Haare, mollig, große Brüste. Sie erzählte gern von ihren beiden Söhnen, die ihr Sorgen machten, sie brachte sie häufig zum Kinderarzt und hoffte, dass er Hyperaktivität feststellte, die die Verschreibung von Beruhigungsmitteln rechtfertigen würde. Aber der Arzt fand, sie seien in Hochform, und schickte sie nach Hause. Madame Bodard hatte Vernon erzählt, dass sie als junges Mädchen mit ihren Eltern bei Konzerten von AC/DC und Guns N’Roses gewesen war. Jetzt stand sie mehr auf Camille und Benjamin Biolay, aber er hatte sich jeden abschätzigen Kommentar verkniffen. Sie hatten lange über seinen Fall gesprochen: Vernon war von zwanzig bis fünfundvierzig Plattenverkäufer gewesen. Auf seinem Gebiet waren Stellenangebote noch seltener, als wenn er im Kohlebergbau gearbeitet hätte. Madame Bodard hatte eine Umschulung vorgeschlagen. AFPA, GRETA, CFA, gemeinsam hatten sie sich bei allen Bildungsträgern die Angebote angesehen, die ihm offenstanden, und sich in aller Freundschaft mit der Verabredung getrennt, sich wiederzusehen und die Lage zu besprechen. Zwei Jahre später war seine Bewerbung für eine Ausbildung zum Verwaltungsangestellten abgelehnt worden. Er fand, er habe getan, was seine Pflicht sei, er war zum Spezialisten für Bewerbungen geworden, die er mit schöner Effizienz vorbereitete. Im Laufe der Zeit bekam er den Eindruck, dass sein Job tatsächlich darin bestand, sich im Internet rumzutreiben, nach Stellen zu suchen, die seinem Profil entsprachen, und dann Lebensläufe hinzuschicken, um im Gegenzug Absagen zum Vorzeigen zu bekommen. Wer wollte schon einen fast Fünfzigjährigen ausbilden? Immerhin hatte er ein Praktikum in einem Konzertsaal in der Banlieue und eins in einem Programmkino ergattert – aber abgesehen davon, dass er ein bisschen rauskam, über die Probleme des RER auf dem Laufenden blieb und Leute traf, verschaffte ihm das alles eigentlich nur ein unangenehmes Gefühl von Verschwendung.

In dem Bericht, den Madame Bodard verfasst hatte, um die Streichung seiner Bezüge zu rechtfertigen, erwähnte sie Dinge, die er nebenbei erzählt hatte: dass er kleinere Beträge ausgab, um die Stooges in Le Mans zu sehen, oder mal hundert Euro beim Poker verlor. Anstatt sich wegen der Streichung seiner Stütze zu sorgen, hatte er sich beim Überfliegen des Berichts entsetzlich für sie geschämt. Die Beraterin war um die dreißig. Wie viel verdiente sie, wie viel verdient so ein Mädel, zweitausend brutto? Allerhöchstens. Aber ihre Generation war im Rhythmus der Soap Secret Story aufgewachsen: eine Welt, in der jederzeit das Telefon klingeln kann, um dir die Anweisung zu geben, die Hälfte deiner Kollegen rauszuwerfen. Eliminiere deinen Nächsten, so lautet die goldene Regel der Spiele, die man ihnen mit der Muttermilch eingeflößt hat. Wie soll man heute von ihnen erwarten, dass sie das krank finden?

Als er seinen Bescheid erhielt, hatte sich Vernon gesagt, das werde ihn bestimmt motivieren, »irgendwas« zu finden. Als hätte die Verschärfung seiner Situation einen wohltuenden Einfluss auf seine Fähigkeit, aus der Sackgasse herauszukommen, in die er sich manövriert hatte.

Aber nicht nur mit ihm war es schnell bergab gegangen. Bis zum Beginn des Jahrtausends hatten sich eine Menge Leute irgendwie durchgeschlagen. Da wurden Fahrradboten noch Labelmanager, ergatterten freie Journalisten einen Job als Redakteur der Fernsehseite, endete selbst der größte Versager als Chef der Plattenabteilung in der Fnac … Am Ende des Hauptfelds kamen sogar die am wenigsten Ehrgeizigen noch als Saisonkraft bei einem Festival, mit einem Roadiejob bei einer Tournee oder als Plakatekleber halbwegs über die Runden … Vernon saß zwar an der richtigen Stelle, um das Ausmaß des Napster-Tsunamis zu erfassen, aber er hätte sich nie vorgestellt, dass in Sekunden das ganze Schiff untergeht.

Manche behaupteten, das sei karmisch, die Industrie habe mit der Operation CompactDisk zu viel Aufwind bekommen; sie hatte allen Kunden ihre gesamte Plattensammlung noch einmal verkauft, auf einem Medium, das in der Herstellung billiger war und doppelt so teuer verkauft wurde, und ohne dass ein Musikliebhaber dabei auf seine Kosten kam – niemand hatte sich je über das Vinylformat beklagt. Die Schwachstelle bei der Karmatheorie war, dass man es inzwischen wissen würde, wenn jeder Arschlochauftritt von der Geschichte bestraft würde.

Sein Geschäft hieß Revolver. Vernon hatte mit zwanzig als Verkäufer dort angefangen und den Laden auf eigene Rechnung weitergeführt, als sein Chef beschloss, nach Australien auszuwandern und ein Restaurant aufzumachen. Wenn man ihm im ersten Jahr gesagt hätte, dass er den größten Teil seines Lebens in diesem Laden verbringen würde, hätte er geantwortet, ganz sicher nicht, ich habe zu viel vor. Erst wenn man alt wird, begreift man, dass der Ausruf »Kinder, wie die Zeit vergeht!« den Geist alles Handelns am besten zusammenfasst.

2006 musste er zumachen. Das Schwierigste war, jemanden zu finden, der den Vertrag übernahm, und sich von den Träumen vom großen Geld zu verabschieden. Aber das erste Jahr, ohne Arbeitslosengeld, weil er selbstständig gewesen war, lief gut – ein Auftrag für ein Dutzend Einträge einer Rockenzyklopädie, ein paar Tage Schwarzarbeit beim Ticketverkauf für ein Festival in der Banlieue, Plattenrezensionen für Fachzeitschriften … und er hatte angefangen, im Internet alles zu verkaufen, was er aus dem Laden mitgenommen hatte. Der größte Teil der Bestände war weg, aber ihm blieben noch ein paar Vinylplatten, Schuber und eine beachtliche Sammlung von Plakaten und T-Shirts, die er nicht mit dem Rest hatte verschleudern wollen. Über eBay holte er das Dreifache von dem raus, was er erwartet hatte, alles ohne Theater mit irgendwelcher Buchhaltung. Man muss nur seriös sein, gleich zur Post gehen und auf die Verpackung achten. Im ersten Jahr war er euphorisch gewesen. Das Leben ist oft ein Spiel in zwei Sätzen: Im ersten schläfert es dich ein und lässt dich glauben, dass du führst, und im zweiten, wenn du entspannt und wehrlos bist, serviert es dir seine Schmetterbälle und macht dich alle.

Vernon hatte gerade Zeit, sich wieder ans Ausschlafen zu gewöhnen – mehr als zwanzig Jahre lang hatte er, egal ob es stürmte oder er erkältet war, sechs Tage in der Woche jeden Morgen das gottverdammte Eisengitter seines Ladens hochgezogen. In all den Jahren hatte er die Ladenschlüssel nur dreimal einem Kollegen anvertraut: wegen einer Darmgrippe, eines Zahnimplantats und eines Ischiasanfalls. Er hatte ein Jahr gebraucht, bis er gelernt hatte, morgens wieder im Bett zu bleiben und zu schmökern, wenn er Lust darauf hatte. Der ultimative Kick war für ihn, Radio zu hören und dabei im Netz Pornos zu suchen. Er wusste alles über die Karriere von Sasha Grey, Bobbi Starr oder Nina Roberts. Er machte auch gern Mittagsschlaf, eine halbe Stunde lesen und dann einnicken.

Im zweiten Jahr hatte er sich um das Abbildungsverzeichnis eines Buches über Johnny gekümmert, sich beim Jobcenter angemeldet, das gerade seinen Namen geändert hatte, und angefangen, seine persönliche Sammlung zu verkaufen. Bei eBay kam er auf seine Kosten, er hätte nie gedacht, dass in der Welt 2.0 so ein Fetischrausch herrschte. Alles verkaufte sich: Merchandising, Comics, Plastikfiguren, Plakate, Fanzines, Fotobücher, T-Shirts. Wenn man anfängt zu verkaufen, hält man sich erst mal zurück, aber wenn es läuft, macht es einen Heidenspaß zuzusehen, wie alles verschwindet. Allmählich hatte er seine Wohnung von allen Spuren seines früheren Lebens gereinigt.

Er hörte nicht auf, die Annehmlichkeit eines Morgens zu genießen, an dem einen niemand nervt. Er hatte alle Zeit der Welt, um Musik zu hören. Und die Kills, White Stripes und Strokes konnten so viele Platten rausbringen, wie sie wollten, er musste sich nicht mehr darum kümmern. Er hatte die Nase voll von den ganzen Neuheiten, das hört nie auf; um auf dem Laufenden zu sein, hätte man permanent im Netz hängen und sich ständig neue Töne reinziehen müssen.

Allerdings hatte er nicht vorhergesehen, dass er sich nach der Schließung des Ladens bei den Mädchen derart würde abstrampeln müssen. Man sagt immer, Rock sei Männersache, aber man sagt immer eine Menge Schwachsinn: Er hatte seine Kundinnen, und es gab Nachschub. Er und die Mädchen, das war die große Eintracht. Er war nicht treu, und sie klammerten sich umso fester an seine Rockschöße, weil er nur daran dachte zu verduften. Eine Kleine begleitete ihren Boyfriend auf der Suche nach einer Scheibe, in der Woche drauf kam sie allein wieder. Und dann gab es noch all die, die in der Umgebung arbeiteten. Die Kosmetikerinnen am Ende der Straße, die Mädchen in der Boutique gegenüber, die Mädchen in der Post, die Mädchen im Restaurant, die Mädchen in der Bar, die Mädchen im Schwimmbad. Ein Reservoir, zu dem ihm der Zugang verschlossen war, sobald er die Ladenschlüssel abgegeben hatte.

Er hatte wenig Feste gehabt. Wie viele seiner Bekannten lebte Vernon mit der Erinnerung an das eine Mädchen, das ihn verlassen hatte. Die Einzige, die gezählt hatte. Seine hieß Séverine. Da war er achtundzwanzig. Weil er zu sehr an seinem Ruf als serial lover hing, hatte er nicht rechtzeitig begreifen wollen, dass sie die eine war. Er war der coole Straßenwolf, wild und unabhängig, seine Freunde beneideten ihn um die elegante Lässigkeit, mit der er eine Geschichte an die andere hängte. Zumindest war das die Vorstellung, die er von sich selbst hatte. Der One-Night-Stand, der Verführer, der sich nicht bindet, den die Mädchen nicht einwickeln. Er machte sich keine Illusionen: Wie viele Männer ohne großes Selbstbewusstsein beruhigte es ihn, dass er die Frauen zum Weinen bringen konnte.

Séverine war groß und aufgedreht, so aufgedreht, dass es anstrengend wurde, ihre Beine waren endlos, sie sah aus wie eine reiche Pariserin, der Typ, der Lammfellwesten tragen kann und darin was hermacht. Sie packte die Dinge entschlossen an, erledigte alle Reparaturen im Haus selbst, und nicht mal ein Reifenwechsel auf dem Nothaltestreifen machte ihr Angst, sie war die Sorte Reichentochter, die daran gewöhnt ist, allein klarzukommen und nie zu jammern. Das hinderte sie nicht daran, sich zu entspannen, sobald sie zu zweit waren. Wenn er an sie denkt, sieht er sie nackt im Bett, sie liebte es, das ganze Wochenende dort zu verbringen. Ihre Anlage stand auf dem Boden neben der Matratze, und sie musste nicht mal aufstehen, um die Platte zu wechseln. Rings um ihr Lager drapierte sie Kippen, Wasserflaschen und das Telefon, dessen Spiralleitung immer verknotet war. Das war ihr Reich. Für ein paar Monate war er dort willkommen.

Sie war der Typ Mädchen, dem die Mutter beigebracht hat, dass man nicht in Tränen ausbricht, wenn man erfährt, dass man betrogen wird. Séverine biss die Zähne zusammen. Vernon hatte sich aus Blödheit erwischen lassen – und er war überrascht, dass sie ihn nicht sofort verließ. Sie sagte »Ich gehe« und verzieh ihm. Er schloss daraus, dass sie nicht die Kraft hatte, ihn zu verlassen, und empfand beinahe Verachtung für ihre Charakterschwäche. Also konnte er weitermachen. Sie hatten sich schon drei- oder viermal heftig gezofft, und sie hatte gesagt, pass auf, dass du es nicht übertreibst, wenn du mir keine Wahl lässt, hau ich ab, aber Vernon war überzeugt, dass sie es nicht tun würde. Er hatte es nicht kommen sehen. Als er erfuhr, dass sie einen anderen hatte, packte Vernon ihre Sachen in einen Karton und stellte ihn vor dem Haus auf die Straße. Das Bild der Passanten, die in ihrer Kleidung, den Büchern und Fläschchen wühlten und sie vor seiner Haustür verstreuten, sollte ihn noch jahrelang verfolgen. Er hatte nie mehr von ihr gehört. Vernon brauchte eine ganze Weile, bis er begriff, dass er sich davon nicht erholen würde. Er war gut darin, seine Gefühle zu ignorieren. Er denkt oft daran, wie sein Leben aussehen würde, wenn er bei Séverine geblieben wäre. Wenn er den Mut gehabt hätte, auf das zu verzichten, was er vorher gewesen war, wenn er gewusst hätte, dass man sowieso verliert, woran man hängt, und dass es besser ist, sich darauf einzustellen. Natürlich hat sie Kinder gekriegt. Das war der Typ Mädchen. Die solide werden. Ohne etwas von ihrem Charme zu verlieren. Kein Ehedrachen. Eher entspannt. Sicher isst sie bio und interessiert sich für die Klimaerwärmung, aber er ist überzeugt, dass sie weiter Tricky und Janis Joplin hört. Wenn er bei ihr geblieben wäre, hätte er gleich nach der Schließung des Ladens Arbeit gefunden, weil sie Kinder gehabt hätten und er keine Wahl gehabt hätte. Und heute würden sie sich Gedanken machen, wie man mit dem Kiffen des Großen oder der Anorexie der Kleinen umgeht. Auch gut. Da sagt er sich lieber, dass er den Schaden noch begrenzt hat.

Jetzt vögelt Vernon weniger als ein Ehemann. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass man so lange ohne Sex klarkommt. Facebook oder Meetic sind super Maschinen, um von zu Hause aus Mädchen anzubaggern, aber wenn man nicht auf Second Life abfährt, muss man irgendwann raus, um das Mädchen zu treffen. Die richtigen Klamotten finden, die nach Vintage aussehen und nicht nach Penner, zusehen, dass man nicht im Café oder im Kino landet, erst recht nicht essen gehen … und sie nicht mit nach Hause nehmen, damit sie nicht die leeren Schränke, den trostlosen Kühlschrank und die abstoßende Unordnung sieht, die nichts mit dem sympathischen Chaos eines eingefleischten Single zu tun hat. Bei ihm herrscht der Geruch nach zu lange getragenen Socken, dieser typische Junggesellengestank. Er kann die Fenster aufmachen und sich eindieseln. Aber der Geruch markiert sein Territorium. Also macht er die Mädchen im Internet an und versetzt sie, wenn sie sich mit ihm verabreden.

Vernon kennt die Frauen, er hat eine Menge Erfahrung. Die Stadt ist voll von Verlorenen, die bereit sind, bei ihm aufzuräumen und auf die Knie zu fallen, um ihm ausgiebig einen zu blasen und ihn aufzumuntern. Aber er ist über das Alter hinaus, wo man sich vorstellt, dass man irgendwas ohne entsprechende Gegenleistung bekommt. Nur weil eine Frau alt und hässlich ist, ist sie deshalb nicht weniger nervtötend und anspruchsvoll als eine zwanzigjährige Sexbombe. Es ist typisch für die Frauen, dass sie sich monatelang bedeckt halten, ehe sie eine Ansage machen. Er misstraut der Sorte Weiber, die er anlocken könnte.

Mit den Kumpels ist es anders. Jahrelang zusammen Platten hören, zu Konzerten gehen und über die Gruppen diskutieren, das sind heilige Bande. Man hört nicht auf, sich zu treffen, nur weil man das Lokal wechseln muss. Was sich allerdings geändert hatte, war, dass man sich anrufen musste, um etwas auszumachen, während sie früher einfach aufgekreuzt waren, wenn sie in der Nähe zu tun hatten. Er war es nicht gewöhnt, Abendessen, Kinobesuche oder Joint-Apéros zu planen. Allmählich und ohne dass es ihm auffiel, hatten sich viele Freunde in die Provinz verzogen, weil sie Frau und Kinder hatten und nicht mehr in einer Dreißig-Quadratmeter-Wohnung hausen wollten oder weil Paris zu teuer war und sie sicherheitshalber in ihre Heimatstadt zurückgekehrt waren. Wenn du über vierzig bist, duldet dich Paris in seinen Mauern nur noch als Eigentümerkind, der Rest der Bevölkerung setzt seinen Weg anderswo fort. Vernon war geblieben. Vielleicht war das ein Fehler gewesen.

Dieser Zerfall war ihm erst später bewusst geworden, als ihn die Einsamkeit schon lebendig eingemauert hatte. Und dann kam die schwarze Serie.

Mit Bertrand fing es an. Krebs. Ein Rückfall. Die Krabbe war durch die Kehle zurückgekommen. Schon beim ersten Mal hatte er mächtig gelitten. Danach dachte er, er wäre davongekommen. Seine Freunde feierten seine Genesung jedenfalls wie einen endgültigen Sieg. Aber plötzlich kam der Absturz, es traf sie wie ein Nierenhaken, richtig begriffen hatten sie es erst nach der Beisetzung. In den drei Monaten von der Diagnose bis zu seinem endgültigen Abgang hatte die Krankheit ihn förmlich aufgefressen. Bertrand war immer in schwarzen Hemden mit hochgeschlagenem Kragen rumgelaufen. So trug er sie seit 1988. Irgendwann konnte er sie kaum noch zuknöpfen, weil ihm das Bier eine ordentliche Wampe verpasst hatte. Jenseits der vierzig hatte er lange weiße Haare, eine dunkle Ray-Ban auf der Nase, schöne Schlangenlederstiefel und eine Gaunerfresse. Kupferrose, aber klasse konserviert, ein Koloss.

Es war ein Schock gewesen, ihn im Opa-Pyjama zu sehen. Dass er die Haare verlor, ging noch. Aber der lächerliche Pyjama presste Vernon das Herz zusammen. Bertrand konnte nicht mehr schlucken, daran änderte auch das beste Gras der Welt nichts mehr. Er hatte die Statur verloren, die sein Markenzeichen gewesen war. Die unter der gelblichen Haut hervorspießenden Knochen wirkten obszön. Er bestand darauf, weiter seine Totenkopfringe zu tragen, obwohl sie ihm von den Fingern rutschten. Tag für Tag sah er sich mit vollem Bewusstsein beim Krepieren zu.

Dann kamen der ständige Schmerz, der völlig kraftlose Körper und die Skelettmaske. Sie hörten nicht auf, über die Morphiumpumpe zu lästern, weil dumme Witze ihre einzige Kommunikationsform waren. Manchmal erwähnte Bertrand den Tod, der auf ihn wartete. Er sagte, dass ihn nachts die Angst aufweckte, und er sagte: »Das Schlimmste ist, dass ich noch ganz klar bin, ich spüre, wie mein Körper sich verpisst, und ich kann nichts machen.« Vernon konnte nicht antworten: »Komm schon Alter, das wird wieder, halt die Ohren steif.« Also hörten sie die Cramps, Gun Club und MC5 und tranken Bier, solange Bertrand es noch vertrug. Die Familie regte sich auf, aber mal ehrlich – was blieb ihnen denn sonst?

Und dann eines Morgens die Mitteilung von seinem Tod, per SMS. Erst mal hatte Vernon sich darauf konzentriert, wie die anderen beim Begräbnis eine ordentliche Figur zu machen. Mit Sonnenbrille, die hatten sie alle zu Hause, und einem schönen schwarzen Anzug. Erst danach packte ihn das Entsetzen. Das Entsetzen und die Sehnsucht. Der Reflex, ihn anzurufen, das Unvermögen, seine letzten Nachrichten auf der Mailbox zu löschen, das Unvermögen zu glauben, dass es passiert war. Ab einem bestimmten Alter trennt man sich nicht mehr von den Toten, man bleibt in ihrer Zeit, in ihrer Gesellschaft. Den Todestag von Joe Strummer hatte Vernon begangen, als wäre Bertrand noch da: Er hatte alle Clash-Platten gehört und Bier getrunken. Clash hatte ihn nie besonders interessiert. Aber auch das vermag die Freundschaft: Man lernt, auf dem Terrain der anderen zu spielen.

An jenem Dezembertag 2002 hatten sie zusammen Schlange gestanden, um Lachs zu kaufen, weil Bertrand mit einer Norwegerin Weihnachten feierte, bei der er mit kulinarischer Raffinesse Eindruck schinden wollte. Er war überzeugt, dass man den Räucherlachs in einem bestimmten Laden im Fünften kaufen musste und nirgends sonst. Sie waren eine ganze Weile Metro gefahren, dann mussten sie sich anstellen. Die Schlange zog sich über den Bürgersteig, und es würde mindestens eine halbe Stunde dauern. Vernon ging sich Kippen kaufen und hörte im Radio des Tabakladens, dass Strummer gestorben war. Er kam zu Bertrand zurück. Nein! Du machst Witze! Glaubst du, dass ich damit Witze mache? Bertrand war ganz blass geworden, er hatte trotzdem seinen Lachs gekauft, außerdem zwei Flaschen Wodka. Während sie durchs Zweite liefen, sangen sie Lost In The Supermarket und erinnerten sich daran, dass sie Strummer einmal zusammen bei einem Soloauftritt gesehen hatten. Vernon war nur mitgegangen, um ihn zu begleiten, aber als er einmal dort war, hatte ihn unerwartete Rührung gepackt, er hatte seine Schulter an die des Freundes gedrückt, und ihm waren Tränen in die Augen gestiegen. Darüber hatte er nie gesprochen, aber am Tag des Todes von Joe Strummer hatte er alles erzählt, und Bertrand hatte gesagt, »Ja, ich wusste es, ich habe es gesehen, aber ich hatte keine Lust, dich damit zu nerven. Scheiße, Strummer! Was haben wir danach noch Besseres gehört?«

 

Drei Monate später war Jean-No an der Reihe. Weder betrunken noch zu schnell. Eine Fernstraße, ein Lastwagen, eine Kurve und Nebel. Er war auf dem Rückweg von einem Wochenendtrip mit seiner Frau, wollte den Radiosender wechseln. Sie war mit einer zermatschten Nase davongekommen. Die, die man ihr danach verpasst hatte, war viel schicker als die alte. Jean-No hatte nichts mehr davon.

An dem Sonntag saß Vernon bei einer Freundin auf einer Matratze, die halb auf dem Boden, halb an der Wand lag, der indische Stoff darauf war von so vielen Brandlöchern übersät, dass es wie ein Muster aussah. Sie machten sich einen Alien-Abend, die ganze Serie, mit Beamer. Die Kleine wohnte an der Metrostation Goncourt in einer Dachkammer. In der Nähe gab es einen der letzten DVD-Verleihe. Sie hatten sich schon City Wolf und Mad Max, Der Pate und A Chinese Ghost Story reingezogen. Das Mädchen war eine Perle, hasch- und mangasüchtig. Nicht der Typ, der ständig ausgehen will. Das Einzige, was ihm auf die Eier ging, war ihr »Minou, sei ein Schatz, gehst du mir schnell Bonbons kaufen?«. Fünf Etagen, ohne Fahrstuhl. Vernon war nicht scharf drauf, den diensteifrigen Minou zu mimen. Sie kam mit Colagläsern voll Eis auf einem riesigen Tablett rein, der Film stand auf Pause, und Vernon ging ran, als sein Telefon klingelte, was am Wochenende nur selten vorkam. Aber so lange, wie Emilie nicht mehr angerufen hatte, da ahnte er, dass es wichtig war. Sie hatte es gerade von Jean-Nos kleiner Schwester erfahren. Vernon war überrascht, dass sie es übernahm, die Freunde zu informieren. Immerhin hatte Jean-No eine Frau. Im Moment zwar im Krankenhaus, zugegeben, aber die Info deshalb durch die Geliebte verbreiten zu lassen! Er hatte Emilie sehr gut gekannt, dann hatten sie sich aus den Augen verloren, und das war keine gute Gelegenheit, sich zu erkundigen, wie es ihr ging.

Vernon hatte darauf bestanden, den Film weiterzusehen. Er sagte sich, dass es ihm nicht so viel ausmachte. Das überraschte ihn. Er sagte sich, dass er wohl härter wurde. Immerhin hatte er Jean-No jede Woche gesehen, und nach Bertrands Tod waren sie sich noch nähergekommen. Sie hatten zusammen beim Türken an der Gare du Nord gegessen, immer das gleiche Menü für zwölf Euro bestellt und es mit eiskaltem Bier begossen. Jean-No hatte aufgehört zu rauchen, es hatte ihn mächtig angekotzt. Wenn er gewusst hätte, dass es umsonst war, der Arme, er hätte sich nachts den Wecker gestellt, um ein paar mehr durchzuziehen. Jean-No hatte ein ätzendes Weibsbild geheiratet. Es gibt viele Männer, denen strenge Kontrolle Sicherheit gibt.

Erst später, mitten in der Nacht, hatte es ihn gepackt. Kurz vor dem Einschlafen durchbohrte ihn ein eisiger Stich. Er musste sich anziehen und rausgehen – durch die Kälte laufen, allein sein, Lichter sehen, Körpern begegnen, in der Bewegung aufgehen und den Boden unter den Füßen spüren. Lebendig sein. Er hatte Mühe zu atmen.

Er ging oft nachts raus, um zu laufen. Das hatte er sich Ende der Achtziger angewöhnt, als die Rocker anfingen, Hip-Hop zu hören. Public Enemy und Beastie Boys waren beim selben Label wie Slayer, das hatte einen Bogen geschlagen. Im Laden freundete er sich mit einem Funkadelic-Fan an, ein schweigsamer, verbissener kleiner Weißer, im Rückblick denkt Vernon, dass er auf Heroin war, aber damals hatte er das nicht gecheckt. Der Junge war Sprayer, überall, wo er vorbeikam, hinterließ er sein Tag »Zona«. Ihre Freundschaft hielt nicht lange, Zona hatte die Nase voll von der Straße, »die Metro, das ist der Knaller«, er wollte Züge ramponieren, in die Depots einsteigen, und Vernon hatte keine Lust, ihn da runterzubegleiten. Er hatte sich nicht angesteckt – die Heldengeschichten von 93 MC oder den MKC, Barbarenstil oder Marshmallow-throw-up interessierten ihn einfach nicht. Er begriff zwar, dass es einen Kick gab, ihn aber ließ es kalt. Er riskierte lieber seinen Hals, indem er auf ein Häuserdach stieg und dort zwei Stunden im Schweigen der Spritzpistole verbrachte, ab und zu Pause machte, eine rauchte und die Leute unten vorbeigehen sah, die nicht daran dachten, den Kopf zu heben und die Gestalt des stummen Beobachters zu entdecken.

In der ersten Nacht seines Lebens ohne Jean-No war er gelaufen, bis seine Fußsohlen brannten, und dann weiter. Er dachte an die Kinder von Jean-No, das haute nicht hin. Halbwaisen ohne Vater. Das Wort deckte sich nicht mit dem Bild, das er von den drei debilen Dingern hatte, die ständig nach Aufmerksamkeit, Kuchen oder neuem Spielzeug verlangten.

Jean-No benahm sich vorsätzlich wie ein Vollidiot. Er war arrogant. Er hatte immer schräge Musik gehört, als Teenie liebte er die Einstürzenden Neubauten und Foetus, später verlegte er sich auf meganervendes Zeug, war Fan von Rudimentary Peni und begeisterte sich für Minor Threat, obwohl er soff wie ein Loch. Man musste ihn schon ziemlich mögen, wenn man die Abende mit ihm verbrachte, zumal er absichtlich fies war. Mit vierzig wollte Jean-No bürgerlich werden und verlegte sich auf die Oper. Er zog sich an wie ein Playmobil in Sonntagskleidung und gab schon zehn Jahre, bevor es in Mode kam, rechten Schwachsinn von sich. Damals war das so untypisch, dass es ihm eine besondere Note verlieh.

Fortan lebte Vernon in einer Welt, wo Ian MacKaye sich dem Crack hätte ergeben können, Jean-No war nicht mehr da, um irgendetwas zu verkünden.

Dann war Pedro dran. Kaum acht Monate später. Herzstillstand. Pedro hieß Pierre, aber er nahm so viel Kokain, dass er sich einen südamerikanischen Vornamen verdient hatte.

Vernon wartete vor dem Élysée Montmartre, das noch nicht abgebrannt war und wo die Libertines spielten. Er versuchte, eine ziemlich schräge Praktikantin rumzukriegen, die an einer Sendung über Ardisson arbeitete, sie redete nur von dem Moderator, behauptete, ihn zu hassen, aber er faszinierte sie. Von Weitem sah er einen Kumpel vor dem Eingang und rief ihn, zufrieden, das Mädchen vorzuführen, mit dem er unterwegs war, brünett, Pony, Jeans, Kippe, Pfennigabsätze, wie die Hauptstadt sie Anfang des Jahrtausends in Serie produzierte. Aber der Kumpel fing an zu weinen, als er ihn ankommen sah. Er sagte Pedro, Pedro, Pedro, ohne es aussprechen zu können, und Vernon wurde unendlich müde.

Pedro hatte locker drei Häuser, zwei Ferraris, all seine Affären und Freundschaften, jeden Ansatz einer Karriere, sein Aussehen und sämtliche Zähne durch die Nase gezogen. Er schämte sich nicht dafür und behauptete, er habe kein Problem damit, nein, sein Ding war Großkotzigkeit, hektische Hysterie, lautstarke Leidenschaft. Er rieb es sich ins Zahnfleisch, streute es sich auf die Jacke, er kannte alle Bars von Paris, die er ausschließlich nach der Nutzbarkeit ihrer Toiletten auswählte. Er kam zu Vernon nach Hause und verteilte es überall, zwei Tage später zog er wieder los und ließ ihn als Wrack zurück. Pedros Musik war Marvin Gaye, Bohannon, Diana Ross und die Temptations. Vernon war gern bei ihm zu Besuch, der Sound war Spitze, der Sessel bequem, und Pedro kaufte Whisky, der einen auf Reisen schickte – man hielt sich abwechselnd für einen Gangster, einen Privatdetektiv und einen englischen Dandy.

Vernon hatte ein Foto wiedergefunden, auf dem sie alle vier zu sehen waren. Er und die drei Toten. Sie umringten ihn, es war sein Fünfunddreißigster. Ein schönes Foto, so eines, das jemand mit einem analogen Apparat aufnahm und für die Freunde abziehen ließ. Vier ziemlich benebelte Jungs, aber schlank, mit vollem Haar, lebhaften Augen und einem Lächeln ohne Bitterkeit. Sie hoben ihre Gläser, Vernon war deprimiert an dem Abend, fünfunddreißig zu werden zog ihn runter. Vier hübsche Kerle, glücklich, bescheuert zu sein, nichts zu wissen, und vor allem keine Ahnung zu haben, wie sehr sie auf der guten Seite dessen standen, was das Leben für sie bereithielt. Sie hatten die halbe Nacht Smokey Robinson gehört.

Nach Pedros Beisetzung hatte Vernon aufgehört auszugehen und Anrufe anzunehmen. Er glaubte, es sei eine Phase, sie werde vorbeigehen. Es kam ihm nicht unpassend vor, dass er sich nach dieser Serie so dicht aufeinanderfolgender Trauerfälle in sich selbst zurückziehen musste.

Außerdem war er inzwischen endgültig pleite, was seinen Hang zur Isolierung verschärfte. Dass er kein Geld hatte, eine Flasche mitzubringen, wenn er zu jemandem zum Essen ging, hielt ihn davon ab, Einladungen anzunehmen. Stress, weil in einer Runde jemand Geld für ein Gramm sammelte. Stress, weil die Metrozugänge unüberwindbar waren. Stress, weil die Sohle von den Turnschuhen abging. Stress wegen Kleinigkeiten, auf die er nie geachtet hatte und die ihn jetzt bis zur Besessenheit verfolgten.

Er blieb zu Hause. Verfluchte seine Zeit. Verschlang Musik, Serien, Filme. Allmählich hörte er auf, Radio zu hören. Seit er zwanzig war, hatte er morgens als Erstes die Hand nach dem Einschaltknopf ausgestreckt. Jetzt aber ängstigte es ihn, ohne ihn zu interessieren. Er gewöhnte sich ab, Nachrichten zu hören. Beim Fernsehen war es ganz von selbst gekommen. Er hatte zu viel im Internet zu tun. Da warf er noch ab und zu einen Blick auf die Schlagzeilen. Aber er war vor allem auf Pornoseiten. Er wollte nichts mehr von Krise, Islam, Klimakatastrophe, Schiefergas und misshandelten Orang-Utans hören oder von Roma, die man nicht mehr in den Bus steigen ließ.

Er sitzt in einer bequemen Blase. Darin überlebt er wie unter Wasser. Er reduziert jede Tätigkeit auf ein Minimum. Er isst weniger. Zuerst hat er das Abendessen reduziert. Chinesische Trockensuppe mit Nudeln. Er kauft kein Fleisch mehr, Proteine sind was für Sportler. Er isst vor allem Reis. Holt sich die Fünf-Kilo-Packungen bei Tang Frères. Er minimiert die Zigaretten – schiebt die erste hinaus, wartet mit der zweiten, fragt sich nach dem Morgenkaffee, ob er wirklich Lust auf die dritte hat. Die Kippen legte er beiseite, damit nichts verloren geht. Er kennt die Büroeingänge in seiner Umgebung, wo die Leute tagsüber stehen und rauchen; manchmal geht er dort vorbei, wird langsamer, sammelt die längsten Stummel auf. Er kommt sich vor wie ein altes Feuer, dessen Glut manchmal unter einem Windstoß auflebt, aber nie genug, um das Reisig zu entzünden. Ein sterbender Brandherd.

Manchmal packt es ihn, wie eine Nase voll Speed. Er geht auf LinkedIn und stellt eine Liste der Leute zusammen, die er gekannt hat und die noch Arbeit haben, nimmt sich vor, sie anzurufen. Er denkt sich aus, was er erzählen könnte, anfangen würde er mit einer Weibergeschichte. Sein Image als geiler Bock bringt die Männer in die richtige Stimmung für eine nette Plauderei. Also würde er so was erzählen wie – ich war nicht in Paris, ich hab’s einer kleinen Ungarin besorgt, die mich mit nach Budapest genommen hat, oder einer schönen Amerikanerin, die ständig herumreist, die Nationalität ist unwichtig, Hauptsache, es klingt so, als hätte er sich gut amüsiert, und jetzt bin ich wieder in der Nähe und suche einen Job, egal was, weißt du zufällig was für mich. Er würde einen auf Rumtreiber machen, ganz cool, nur keinen Stress. Was die Kohle angeht, kann er keine Geschichten erzählen, man sieht ihm an, dass er keinen Cent mehr hat. Aber er ist noch nie im Geld geschwommen. Zu seiner Zeit stärkte das die Glaubwürdigkeit. Das war vor dem neuen Jahrtausend, heute trägt im Konzertpublikum jeder ganz selbstverständlich neue und teure Latschen, die richtigen Marken, die angesagte Uhr am Handgelenk, feine Jeans, die genau passen und deren Schnitt bezeugt, dass sie in diesem Jahr gekauft sind. Seit Voltaires Zadig hat das Elend die poetische Aura verloren – nachdem es den Künstler jahrzehntelang aufgewertet hat, den echten, der seine Seele nicht verkauft hat. Heute heißt es Tod den Besiegten, sogar beim Rock.

Aber er ruft nie jemanden an und bittet um Hilfe. Er könnte nicht sagen, was ihn daran hindert. Er hatte genug Zeit, darüber nachzudenken. Das Rätsel bleibt ungelöst. Er hat im Internet nach Ratschlägen für pathologische Prokrastinierer gesucht. Er hat Listen gemacht, was er zu verlieren hätte, was er riskiert, daneben die Liste, was er zu gewinnen hat. Es ändert nichts. Er ruft niemanden an.

 

Alexandre Bleach ist tot. Vernon sieht seinen Namen überall auf Facebook, er begreift es nicht gleich. Man hat ihn tot in einem Hotelzimmer gefunden.

Wer bezahlt jetzt seine ausstehende Miete? Das ist die erste Frage, die sich Vernon stellt. Die Mails und SMS, die er in den letzten Wochen geschrieben hat, sind unbeantwortet geblieben. Seine Hilferufe. Er war daran gewöhnt, dass Alex eine lange Leitung hat. Vernon hat sich auf ihn verlassen. Wie jedes Mal, wenn die Situation kritisch wurde. Am Ende half ihm Alexandre immer aus der Bredouille.

Vernon sitzt vor seinem Computer – widersprüchliche oder einander fremde Regungen kämpfen in seiner Brust, wie Katzen, die von einer flinken und erbarmungslosen Hand in denselben Sack gesteckt wurden. Im Internet verbreitet es sich wie ein Virus. Alexandre gehörte allen, schon lange. Vernon dachte, er sei daran gewöhnt. Wenn Alexandre eine Platte rausbrachte oder auf Tournee ging, konnte man es nicht ignorieren. Keine Stunde am Tag, an der nicht gezeigt wurde, wie er irgendwo herumzappelte oder mit seiner schönen tiefen Stimme eines süchtigen Schnulzensängers Schwachsinn von sich gab. Alexandre war vom Erfolg überrollt worden wie von einem Laster: Er machte nicht gerade den Eindruck, als wäre er unbeschadet davongekommen. Sein Problem war nicht Großkotzigkeit gewesen, eher tiefe Verzweiflung, die seiner Umgebung auf die Nerven ging. Es ist schwer mitanzusehen, wie jemand bekommt, was sich jeder wünscht, und ihn dann auch noch dafür trösten zu müssen.

Es gibt noch keine Fotos von der Leiche im Hotelzimmer. Aber das kommt. Alex ist ertrunken. In der Badewanne. Teamwork von Champagner und Pillen, er ist eingeschlafen. Weiß der Geier, was er ganz allein mitten am Nachmittag in einer Hotelbadewanne zu suchen hatte. Weiß der Geier, was den Mann so total verzweifelt machte. Alex hat sogar seinen Tod verpeilt. Das Hotel ist zu billig, um einen zum Träumen zu bringen, aber nicht erbärmlich genug, damit es exotisch wäre. Es kam oft vor, dass er in der Stadt für ein paar Tage ein Zimmer nahm, er musste sich nur einbilden, vor seinem Haus einen Fotografen zu sehen, schon schlief er woanders. Alex lebte gern im Hotel. Er war sechsundvierzig. Wer wartet auf die Andropause, um an einer Überdosis zu krepieren? Michael Jackson, Whitney Houston … vielleicht so ein Schwarzending.

Bleach traf sich gern mit seinen alten Freunden. Es packte ihn wie der Drang zu pinkeln, immer wieder mal. Ein Jahr lang meldete er sich nicht, manchmal auch zwei, dann rief er plötzlich ständig an wie ein Bekloppter oder bombardierte einen mit Mails, war sogar imstande, plötzlich vor der Tür zu stehen. Einfach in der Kneipe ein Bier mit ihm zu trinken war unmöglich. Jedes Gespräch wurde spätestens nach fünf Minuten von einem Fan unterbrochen, und so ein Fan kann aggressiv sein. Oder total bescheuert. In jedem Fall ist ein Fan, der sich in ein Gespräch reinhängt, lästig. Wenn Alexandre Lust bekam, Vernon zu sehen, rief er an und lud sich bei ihm ein. Sie tranken Bier und taten, als sei alles beim Alten. Ein Witz! Alexandre verdiente mit einem Lied das, was Vernon in mehr als zwanzig Jahren im Laden kassiert hatte. Wie hätte dieses winzige Detail ihre Beziehung nicht verändern sollen?

Alex hatte in seinen VIP-Kreisen viele neue Freunde. Aber er war überzeugt, dass sein »wahres Leben« mit dem Erfolg aufgehört hatte. Vernon hatte oft versucht, ihm zu beweisen, dass das pure Einbildung sei: Ab dreißig verlieren die Dinge allmählich ihren Glanz, egal ob Hungerleider oder Megastar, besser wird es für niemanden. Der Unterschied besteht darin, dass es für die, die den Zug zum Erfolg verpasst haben, keinen Ausgleich gibt. Dass sie nicht, weil die Jugend sich verabschiedet, eine Weltreise in der Businessclass machen, die schönsten Mädchen vögeln, mit coolen Dealern verkehren oder ihr Geld in Harley-Davidsons stecken können. Aber davon wollte Alex nichts hören. Und er schien sich wirklich so mies zu fühlen, dass man ihm schwer klarmachen konnte, was für ein Glückspilz er war.

Als Alexandre zum ersten Mal die Ladentür aufmachte, war er ein Knirps. Seine großen, von langen, gebogenen Wimpern gesäumten Augen ließen ihn besonders kindlich aussehen. Er hatte ein Bier in der Hand, setzte sich auf den Hocker und wollte Platten hören. Für Alex blieb Vernon derjenige, durch den der Zauber gewirkt hatte: Er hatte ihm zum ersten Mal das Live-Doppelalbum von Stiff Little Fingers, die Redskins, die erste EP der Bad Brains, die Peel Session von Sham 69 und Fight Or Die von Code of Honor vorgespielt. Alex war noch minderjährig, er hatte ein rundes Gesicht und markierte nicht den starken Mann. Sein Lächeln hatte ganz sicher einen großen Anteil an seinem kometenhaften Aufstieg – es hatte die gleiche Wirkung wie die Katzenvideos auf Youtube. Man hätte den Panzer eines Psychokillers haben müssen, um ungerührt zu bleiben. Er schrammelte und kreischte wie alle von einer Band zur anderen. Wie so oft schlug der Ruhm da zu, wo niemand ihn erwartete. Es gab Helden in der Szene jener Zeit, Leute, auf die jeder gewettet hätte. Und die sich alle mehr oder weniger in Luft aufgelöst hatten. Alexandres Leidenschaft für Drogen war erst später ausgebrochen und hatte en passant alles mitgenommen. Doch tief in seiner Brust hatte der Junge immer schon einen unsichtbaren Dolch getragen. Auch wenn er bei jedem Anlass lachte, war in seinem Blick etwas explodiert, ein Riss hatte sich aufgetan, den nichts daran hindern würde, sich zu vertiefen.

Eine niederträchtig pragmatische Frage quält Vernon: Wer zahlt jetzt seine Miete? Das hatte kurz nach dem Tod von Jean-No angefangen. Sie hatten sich zufällig an der Metrostation Bonsergent getroffen, und Alexandre war ihm um den Hals gefallen. Sie hatten sich seit dem Tricky-Konzert im Élysée Montmartre nicht mehr gesehen. Nachdem sich die Verlegenheit der ersten Minuten gelegt hatte, die noch durch das Theater verstärkt wurde, das sie spielen mussten, das Stück der alten Kumpels, die sich eine Menge zu erzählen haben, als wären Vernons Geschichten von Verkäufen auf eBay ebenso interessant wie die von nächtlichen Trips auf einer Jacht mit Iggy Pop, war es immer ziemlich cool, mit Alexandre abzuhängen.

Alex war an dem Tag total zugedröhnt. Er war voll wirrer Euphorie und redete, ohne Luft zu holen, wie jemand, der seit Tagen nicht zu Hause gewesen war, aber dringend mal darüber nachdenken sollte. Schnee bedeckte die Straßen, und Vernon musste Alex festhalten, damit er nicht auf die Nase fiel. Aufgedreht wie immer hatte er darauf bestanden, dass Vernon ihn zu seinem Dealer begleitete, der gleich um die Ecke wohnte. Ein Stiefellecker mit der Fresse eines Klassenprimus, der mit GarageBand Musik komponierte. Das holländische Kraut, das er rauchte, war so stark, dass man sofort Kopfschmerzen bekam. Er wollte ihnen unbedingt seine »letzten Sounds« vorspielen. Sie hatten eine ganze Serie von synth pads auf gelinde gesagt erbärmlichen Beats ertragen. Alex war schon völlig bekifft, er hörte sich den Dreck mit größtem Interesse an und erklärte dem Dealer, er arbeite an den Hertz, den Tonschwingungen pro Sekunde, und wenn man sie auf bestimmte Weise anordne, könne man das Gehirn beeinflussen. Er verbohrte sich in diese Geschichte der Synchronisierung der Gehirnwellen, und der Dealer hing an seinen Lippen. Alle wussten Bescheid – Alex war seit Jahren nicht mehr imstande, ein Stück zu komponieren. Er begnügte sich mit den »Alpha waves«, da er keine drei Akkorde aneinanderreihen oder einen halbwegs sinnvollen Refrain dichten konnte.

Als sie wieder auf der Straße standen, war es dunkel. Es gab nur wenig Verkehr, die Straßen waren seltsam, so weiß und still. Vernon hatte über eine Schauspielerin gelästert, die sich ganz in Schwarz auf einem vier mal drei Meter großen Plakat ausbreitete und den Arsch auf einem Motorrad verdrehte. Er hatte etwas Unfreundliches gesagt wie »Die sieht so Stulle aus, dass ich mir lieber eine Plastikpuppe hole«, und Alexandre hatte gezwungen gelacht. Offenbar kannte er sie. Vernon fragte sich, ob er sie gefickt hatte. Alex gefiel den Mädchen, dafür musste er keine Platten verkaufen. Viele seiner Freunde waren VIPs, Leute, deren Namen und Visage man kannte, ohne ihnen je begegnet zu sein. Er speicherte ihre Nummer unter Codenamen in seinem Telefon, falls er es verlieren oder sich stehlen lassen sollte. Er war ganz besessen von der Angst, sein Telefonbuch könnte irgendwem in die Hände fallen. Wenn es klingelte, starrte er oft ratlos auf das Display, weil er sich nicht erinnern konnte, zu wem das Kürzel gehörte, das er dort las. Bei »SB« zum Beispiel grübelte er, ob es sich um Sandrine Bonnaire, Stomy Bugsy, Samuel Benchetrit oder einen komplexeren Codenamen wie Schlampenbraut oder Säuischer Bruder handelte. Es fiel ihm nicht ein, bis er die Nachricht hörte und sich erinnerte: »SB« stand für »Stubenbesen«, weil er über einen solchen gestolpert war, nachdem er stundenlang mit Julien Doré geredet hatte. In dem Moment war es ihm sonnenklar vorgekommen. Wie viele dunkle Dinge, die man nach drei Uhr morgens macht.

»Erinnerst du dich an Jean-No?«, hatte Vernon gefragt. Natürlich erinnerte er sich. Sie hatten Anfang der Neunziger kurz zusammen bei den Nazi Whores gespielt. Seit zehn Jahren hatten sie sich nicht mehr gesehen. Jean-No hasste Alex und alles, was er verkörperte – den textlastigen Rock, das Bobo-Gehabe, obwohl Alex weder Bourgeois noch Boheme war, und vor allem den Wahnsinnserfolg, den man nicht einfach seiner Herkunft zuschreiben konnte und der Jean-No krank machte. Sie waren ein Team gewesen, sie hatten dasselbe Feld beackert – dann hatte der eine einen Steilflug absolviert, und der andere war am Boden kleben geblieben. Der Vergleich war ihm unerträglich – über Alex herzuziehen war eine Beschäftigung, die bei Jean-No viel Raum einnahm. »Weißt du, dass er tot ist?«, und Alex war blass geworden, ganz bestürzt. Vernon fühlte sich schlecht bei so viel ungespieltem Gefühl, aber er brachte es nicht fertig, zu sagen »Mach nicht so ein Gesicht, ganz ehrlich, er konnte dich nicht ausstehen«. Alex hatte darauf bestanden, ihn im Taxi nach Hause zu bringen und mit ihm hochzukommen. Ziemlich bald waren sie auf derselben Wellenlänge – zwei rasende Hamster, die sich im selben Rad drehten. Alex fläzte sich auf seinem Sofa und kam sich vor wie in einer Eierschale. Er liebte die Winzigkeit der Wohnung, er kauerte sich zusammen und fühlte sich bei Vernon geborgen. Sie hörten die Dogs, was sie beide seit zwanzig Jahren nicht mehr getan hatten. Alex blieb drei Tage. Er war besessen von dem, was er seine »Recherche« über die binauralen Beats nannte, und zwang Vernon, bestimmte Wellenarten zu hören, die eine starke Wirkung auf das Unterbewusstsein haben sollten, aber beim praktischen Test nicht mal eine Migräne auslösten. Alex war mit fünf Gramm gekommen. Sie nahmen es, ohne sich zu beeilen, wie alte Hasen. Vernon schnupfte oft – Koks entspannte ihn und half ihm zu schlafen –, und Alex hatte sich in den Kopf gesetzt, sich bei ihm, auf diesem Sofa, selbst zu interviewen. Er hatte eine alte Kamera dabei und stapelte drei kleine Videokassetten von einer Stunde neben dem Fernseher auf, und als Vernon zu sich kam, zog er eine unglaubliche Show ab: »Das ist mein Testament, Junge, checkst du das? Ich überlasse es dir. Ich vertraue dir absolut.« Er war nicht mehr ganz bei Sinnen. Dann hatte er wieder mit seinen Delta- und Gammawellen und dem kreativen Prozess angefangen, mit der Idee, Musik zu machen, die wie eine Droge wirken und die neuronalen Kreisläufe verändern würde. Vernon war erledigt, Alex suchte miese Sounds raus und zwang ihn, sie mit Kopfhörern zu hören.

Dann war Vernon mit der Geldkarte seines Sängerfreundes runtergegangen, um Cola, Kippen, Chips und Whisky zu kaufen. »Gibt es bei dir wirklich nichts zu essen? Wovon lebst du jetzt eigentlich? Soll ich dir ein bisschen Kohle dalassen?« Vernon war mit zwei Mieten im Rückstand, er kämpfte verbissen, dass es keine drei wurden, eine Stadtlegende besagte, bis zu drei Monaten Rückstand würde man nicht rausgeworfen. So hatte es angefangen. Alexandre überwies ihm das Geld für drei Monatsmieten – »Ich schwöre dir, von uns beiden macht es mir die größere Freude«. Und als er ging, bestand er darauf: »Ruf mich an, wenn du Kohle brauchst, ich hab genug, das weißt du … Du meldest dich, versprochen?«

Und Vernon hatte sich gemeldet. Zuerst hatte er gedacht, er würde anders zurechtkommen, aber beim vierten Monat Rückstand hatte er es getan. Alex hatte ausgeholfen. Ohne zu zögern. Und ein paar Monate später hatte Vernon ihn wieder angerufen. Es war peinlich, aber es war auch wie ein Eintauchen in die Vergangenheit. Als seine Eltern noch auf der Welt waren und er sich darauf verlassen konnte, dass sie ihm im Notfall aus der Klemme halfen. In diesem System freundschaftlicher Nothilfe lag auch etwas von behüteter Kindheit. Alex hatte ihn erneut flüssig gemacht. Er hatte Vernons Kontonummer in die Liste seiner Überweisungsvorlagen eingetragen und brachte ihn mit drei Klicks wieder auf die Beine. Vernon sträubte sich, schob den Moment hinaus, bis er es tat. Er schwankte zwischen Schuld und Aggressivität, Dankbarkeit und Erleichterung. Geld war für Alexandre etwas so Einfaches geworden und so schwierig für die anderen. Vernon schickte dem Vermieter einen Scheck, dann legte er einen kleinen Kippen- und Essensvorrat an und achtete darauf, dass in einer Schachtel genug für das tägliche Bier blieb. So überlebte er.

 

Es klingelt an der Wohnungstür. Vernon reagiert nicht. Sicher der Briefträger, der ihm ein Einschreiben aushändigen will. Er unterschreibt nichts. Er kümmert sich nicht mehr um irgendwelche amtlichen Schreiben. Das hat sich so ergeben, ganz allmählich, eine geistige Lähmung – immer mehr relativ einfache Aufgaben kann er nicht erledigen. Er dreht die Musik leise und wartet. Der Briefträger gibt nicht auf. Jetzt klopft es. Vernon sitzt auf seinem Bett, die Hände über den Knien verschränkt, er ist es gewöhnt – er wartet, dass der Klingler geht. Da verrät ihm ein ungewohntes Geräusch im Schloss, dass jemand versucht, sich mit Gewalt Zugang zu verschaffen. Auf der Stelle ist ihm klar, was vor sich geht. Er stürzt sich auf seine Jeans und streift einen sauberen Pullover über. Er bindet sich gerade die Schnürsenkel seiner alten Docs zu, als die Tür aufgeht. Vernon ist hektisch, wie auf schlechtem Speed. Vier Männer kommen herein und sehen ihn an. Einer übernimmt das Reden. »Monsieur, Sie hätten uns aufmachen können.« Er mustert Vernon, schätzt ihn ab. Der Mann trägt einen eleganten marineblauen Schal und eine Brille mit rotem Gestell. Sein grauer Anzug ist zu kurz. Er liest in neutralem Ton etwas von seinem Tablet ab – lalali wohnhaft in lalala, Sie sind Monsieur lalala, der Mieter der Wohnung …

Seit zehn Jahren zahlt er diese Scheißmiete. Zehn Jahre. Mehr als neunzigtausend Euro. In die Taschen eines Arschlochs, das fürs Nichtstun bezahlt wird. Sein Vermieter ist sicher der Typ Erbe, der jammert, dass er zu viel Steuern zahlt. In zehn Jahren keine Renovierung – man muss ihm hinterherlaufen, damit er mal den Boiler reparieren lässt. Neunzigtausend. Keine Stunde Arbeit, kein Besuch, keine Investition. Und jetzt wirft er ihn raus.

Sein Blick bleibt an der Hose des Gerichtsvollziehers hängen, da, wo sie seine Schenkel einschnürt. Vernon wartet, dass die Truppe eine Liste seines Besitzes macht und abzieht, ihm Zeit gibt klarzukommen. Wenn sein Konto nicht schon seit Monaten gesperrt wäre, würde er ihnen einen Scheck ausstellen, um das Verfahren wieder in Gang zu bringen. Irgendwie muss sich das doch hinbiegen lassen – der, den er für den Schlosser hält, scheint ganz in Ordnung zu sein. Mit seinem buschigen grauen Schnurrbart sieht er aus wie ein Gewerkschafter. Hoffentlich hat er das Schloss beim Aufbrechen nicht kaputt gemacht, Vernon hat kein Geld, um es reparieren zu lassen. Und es könnte doch sein, dass er mal fünf Minuten wegmuss. Es gibt nichts mehr zu klauen – selbst ein Kosovare auf der Flucht würde sich nicht die Mühe machen, das Ding mitzuschleppen, das ihm als Computer dient. Die Kiste wiegt Tonnen und stammt aus der Steinzeit. Der Gerichtsvollzieher fordert ihn auf, die Sachen einzupacken, die er in den nächsten Tagen braucht, und die Wohnung zu verlassen. Und keiner von ihnen sagt, kommt schon, wir lassen die Sache ruhen, wir kommen wieder, wir lassen ihm zehn Tage, um alles zu klären, dann sehen wir weiter. Die beiden Rausschmeißer, die noch kein Wort gesagt haben, bauen sich mitten im Zimmer auf und sagen ihm ohne jede Feindseligkeit, er solle sich beeilen.

Vernon sieht sich im Zimmer um – lässt sich irgendetwas im Tausch für eine weitere Frist anbieten? Er spürt, wie ihm gegenüber besorgte Gereiztheit entsteht – die Männer fürchten, dass er heftig reagiert. Sie sind an Pathos und Geschrei gewöhnt. Vernon bittet um eine Viertelstunde, der Gerichtsvollzieher seufzt – aber er ist erleichtert: Dieser Kunde ist kein Verrückter.

Vernon steigt auf einen Hocker und holt die stabilste Tasche, die er hat, vom Schrank. Als er sie runterzieht, rieseln graue Staubflusen auf seine Schultern. Er niest. Manche Situationen sind so absurd, dass man es ablehnt, sich vorzustellen, sie würden tatsächlich stattfinden. Er packt seine Tasche. Kopfhörer, iPod, Jeans, die Bukowski-Briefe, zwei Pullover, alle Unterhosen, ein Autogrammfoto von Lydia Lunch, seinen Pass. Das Entsetzen blockiert jedes Nachdenken. Weil er gerade von Alexandres Tod erfahren hat, denkt er daran, aus der Tiefe eines Schrankes hinter den sauberen Stapeln von Maximum Rock’n’Roll, Mad Movies, Cinéphage, Best und Rock & Folk das kleine Paket mit den drei Kassetten zu holen, die Alex bei seinem letzten Besuch hier aufgenommen hat. Er könnte versuchen, sie zu verkaufen … Dann zieht Vernon die Docs aus und schlüpft in seine Lieblingsstiefel. Er schnappt sich den gelben Plastikwecker, den er vor zehn Jahren in einem Chinabasar gekauft hat und der gut durchhält. Die Tasche ist schwer. Wortlos verlässt er die Wohnung. Der Gerichtsvollzieher hält ihn im Treppenhaus zurück, nein, es gibt kein Möbellager, das er einem anderen vorziehen würde, ja, ein Monat, um seine Sachen zurückzuholen, da unterschreiben, kein Problem. Dann geht er die Treppe runter, eigentlich immer noch überzeugt, dass es nicht ernst ist, dass er wiederkommen wird.

Unterwegs trifft er die Concierge. Bei ihr war er immer gut angeschrieben. Er ist der ideale Mieter, Single, immer eine Bemerkung über den Lärm der neuesten Straßenarbeiten und das Wetter oder ein paar Witze – ein charmantes Umgarnen ohne Tiefgang, das der Sechzigjährigen guttut. Sie fragt, ob alles in Ordnung sei – sie hat nicht verstanden, warum die Schlosser bei ihm waren. Er findet weder die Worte noch den Mut, es ihr zu sagen. Sie wundert sich nicht, dass er mit einer großen Tasche loszieht, sie hat ihn schon Dutzende Male so zur Post gehen sehen. Plötzlich packt ihn die Scham angesichts dieser Situation. Zum letzten Mal haben sie ihn in der Oberschule rausgeschmissen. Er war mit seinem Kumpel Pierrot, der sich später an einem Sonntagmorgen unter einer Brücke aufgehängt hat, auf Acid zum Unterricht gekommen – sie wurden zum Direktor geschickt, der sie von der Schule verwies. Die Erinnerung bringt ihn in die Küche seiner Eltern. Sie sind früh gestorben. Er weiß nicht genau, ob sie ihm geholfen hätten. Sie waren hart. Immer auf den rechten Weg bedacht, nie einverstanden mit seinen ganzen Rock-’n’-Roll-Geschichten. Sie wollten, dass er die Aufnahmeprüfung an einer Verwaltungsschule macht. Plattenhändler – sie haben immer gesagt, dass das ein schlechtes Ende nimmt. Und schließlich haben sie recht behalten.

Auf der Straße tritt die Erinnerung an die Dinge, die er in der Wohnung gelassen hat, in seiner Brust eine Steinlawine los. Mit den Fingerspitzen berührt er das zusammengefaltete offizielle Papier in seiner Hosentasche. Seine Hände zittern, gehorchen ihm nicht mehr. Er muss sich fangen, muss in Ruhe überlegen, einen Weg finden, wie sich alles klären lässt. Tausend Euro. Das ist viel, aber die lassen sich auftreiben. Seine Sachen sind nicht verloren – es gibt mehr, woran er hängt, als er gedacht hätte. Die Uhr, die Jean-Noël ihm geschenkt hat. Die Probepressungen des ersten Albums der Thugs, die er zufällig ergattert hat, als der Labelmanager von Gougnaf Mouvement eine Weile bei ihm untergekrochen ist. Der Motörhead-Flachmann, den ihm Eve von einem Londontrip mitgebracht hat. Der Originalabzug eines Fotos von Jello Biafra, das Carole in New York geschossen hat. Und der Selby mit Widmung.

Die Drohung des Rauswurfs hing schon so lange über ihm, dass er sie irgendwann für die Alarmsirene eines Krieges gehalten hatte, den er immer wieder gewinnen würde. Wenn Alexandre noch da wäre, wüsste Vernon, was er zu tun hätte: Er würde zu ihm gehen, würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um ihn aufzutreiben. Er würde sich deswegen nicht schämen – sein alter Kumpel wäre froh gewesen, ihm aus der Klemme zu helfen. Eigentlich war Vernon genau dazu da: Alexandres Geld einen realen Wert zu geben.

Wenn er sich nur aufgerafft hätte, Alexandre wirklich zu suchen, anstatt ab und zu eine höfliche Mail zu schicken und zu warten, dass er aufwacht. Wenn Vernon sich an Alex gehängt hätte, wäre alles anders gelaufen. Sie hätten sich zusammen zugedröhnt, in aller Ruhe, zu Hause – und Alex wäre nicht in einem beschissenen Hotel in die Badewanne gestiegen. Stattdessen hätten sie Livealben von Led Zep in Japan gehört.

Die Stadt ohne Geld, das kennt Vernon schon eine ganze Weile. Kinos, Klamottenläden, Kneipen, Museen – es gibt wenig Orte, wo man im Warmen sitzen kann, ohne zu zahlen. Bleiben nur Bahnhöfe, Metro, Bibliotheken und Kirchen, hier und da eine Bank, die meisten wurden schon entfernt, damit sich Leute wie er nicht allzu lange gratis niederlassen. Bahnhöfe und Kirchen sind nicht geheizt, die Vorstellung, sich mit seiner Tasche durch die Sperre am Metrozugang zu schmuggeln, schreckt ihn ab. Er geht die Avenue des Gobelins Richtung Place d’Italie. Er hat Glück, die Sonne strahlt auf die Straßen, nachdem es in den letzten Tagen immer geregnet hat. Er hätte nur einen Monat länger durchhalten müssen, dann ist offiziell Winteranfang und sie hätten ihn nicht mehr rauswerfen können.

Er versucht sich aufzumuntern, indem er sich die Mädchen auf der Straße anguckt. In seiner Jugend holten sie beim kleinsten Sonnenstrahl ihre kürzesten Kleidchen raus, um das Ereignis zu feiern. Heute tragen sie weniger Röcke, mehr Turnschuhe, auch die Schminke ist diskreter. Er sieht viele Frauen jenseits der vierzig, sie tun, was sie können, tragen Klamotten, die sie beim Schlussverkauf erstanden haben und die auf den Schaufensterpuppen so schick aussahen, billige Teile, die ihnen wie anständige Kopien gut geschnittener Kleider vorkamen. Aber sobald sie sie anhaben, sieht man nur noch ihr Alter. Und die jungen Mädchen sind zwar immer noch genauso hübsch, aber sie machen nichts mehr aus sich. Die Rückkehr der Achtziger tut ihnen nicht gut.

Donnerstags machen die Bibliotheken erst um vierzehn Uhr auf. Vernon hat schon genug vom Rumlaufen. In der Avenue de Choisy setzt er sich in ein Bushäuschen. Eigentlich wollte er bis zum Park, aber seine Tasche ist zu schwer. Er setzt sich neben eine Vierzigerin, die entfernt an Jean-Jacques Goldman erinnert. Sie hat einen riesigen Leinenbeutel zwischen den Füßen, der mit Hippiefraß vollgestopft ist. Alles an ihr verströmt Intelligenz, Wohlstand, Ernsthaftigkeit und Arroganz. Die Frau meidet demonstrativ seinen Blick, aber der erste Bus, der vorbeikommt, ist nicht ihrer. Sie holt eine Zigarette aus der Jackentasche, er versucht, ein Gespräch anzufangen, natürlich wird sie ihn für einen Trampel halten, aber er muss mit irgendjemandem ein paar Worte wechseln.

»Ist das nicht ein Widerspruch – ich meine bio essen und rauchen?«

»Wollen Sie mir vielleicht Vorschriften machen?«

»Würden Sie mir vielleicht eine geben?«

Sie wendet sich seufzend ab, als würde er sie schon seit drei Stunden belästigen. Nicht übertreiben, denkt Vernon, die Alte ist kein Knüller, nicht mehr sehr frisch, sie kann bestimmt ihre Einkäufe erledigen, ohne alle hundert Meter angemacht zu werden. Vernon lässt nicht locker, er lächelt und zeigt auf seine Tasche:

»Ich bin eben aus meiner Wohnung geflogen. Ich hatte fünf Minuten Zeit, mein Zeug zu packen und zu verschwinden. Da habe ich meine Kippen liegen lassen.«

Sie weiß nicht, ob sie ihm glauben soll, dann ändert sich ihre Haltung. Als sie ihren Bus kommen sieht, holt sie ihre Schachtel aus dem Beutel und gibt sie ihm. Sie sieht ihm in die Augen, Vernon sieht, dass sie betroffen ist. Das ist wohl eine ganz Sensible, sie hat fast Tränen in den Augen.

»Viel kann ich nicht für Sie tun, aber …«

»Sie geben mir die ganze Schachtel? Großartig. Ich werde sie hintereinander wegrauchen. Danke.«

Durch die Scheibe ihres Busses macht sie ihm Zeichen, so was wie »Wird schon«. Das Mitleid ohne Verachtung, das er ihr einflößt, deprimiert Vernon noch mehr, als wenn sie ihn angemotzt hätte.

Nach einer Stunde hat er die fünf Zigaretten aus der Schachtel geraucht. Die Zeit vergeht unerträglich langsam. Vernon würde gern irgendwo seine Tasche loswerden. Wenn es wenigstens an den Bahnhöfen noch Schließfächer gäbe.

Endlich macht die Bibliothek auf. Die Räumlichkeiten sind ihm vertraut. Er hat hier viele Comics und DVDs ausgeliehen. Bevor man alle Zeitungen im Internet lesen konnte, kam er oft her, um in der Tagespresse zu blättern. Er setzt sich neben eine Heizung und schlägt Le Monde auf, obwohl er nicht die geringste Absicht hat zu lesen. Aber wenn er eine Frau wäre, hätte er Lust, einen Mann anzusprechen, der Le Monde liest, vor allem, wenn er ein betroffenes Gesicht macht, das Gesicht eines Typen, der informiert sein will, sich aber nichts vormachen lässt.

Er geht in Gedanken sein Adressbuch durch, macht eine Liste der Leute, die ihm aus der Klemme helfen könnten, vom Buchstaben A bis zum Z. Es muss doch irgendwen geben, bei dem er auftauchen kann, der ihm ein Sofa oder ein Zimmer überlässt. Es wird ihm gleich einfallen.

Am Nebentisch sitzt eine Brünette. Sie hat die Haare hinten zusammengebunden und trägt altmodische Ohrringe, vergoldete Hänger mit kleinen Glitzersteinen. Sie ist gepflegt, aber irgendwas stimmt nicht mit ihrer Eleganz – so was von out! Sieht so aus, als steckte sie in den Fängen der Einsamkeit. Vor sich aufgeschlagene Medizinbücher. Vielleicht leidet sie an einer schweren Krankheit. Sie könnten sich bestimmt arrangieren. Vernon stellt sich vor, dass sie allein in einer großen Wohnung sitzt, die Kinder sind erwachsen, studieren im Ausland und kommen nur zu Weihnachten nach Hause. Dass sie auf Sex und unreife Männer steht und genug gelitten hat, um zu wissen, dass man sich Mühe gibt, wenn man einen guten Kerl erwischt hat, aber auch nicht so sehr, dass sie völlig zerstört wäre. Und dass sie allein ist, zum Beispiel weil sie so von ihrer Arbeit beansprucht wird oder weil sie vor Kurzem von einem Typen verlassen wurde, der noch reicher war als sie und sich plötzlich in eine Junge verknallt hat, deswegen hat er ihr eine Menge Kies dagelassen. Dass sie dankbar sein wird, einen Mann im Haus zu haben, und für Vernon ein Zimmer freiräumt, dass er einen Musiksalon daraus macht, provisorisch eingerichtet, aber in den Sound würde er investieren, und dass sie sich abends manchmal beide dort hinsetzen, dass sie sich freundlich über seine Sammlung mit raubkopierten Platten lustig macht, es aber eigentlich toll findet, dass er so eine edle Leidenschaft hat. Frauen mögen Männer, die Rock mögen, gerade dreckig genug, um sie ein bisschen zu erschrecken, aber immer noch halbwegs passend zum bürgerlichen Komfort.