Das neue Begutachtungsinstrument (BI) - Jutta König - E-Book

Das neue Begutachtungsinstrument (BI) E-Book

Jutta König

0,0

Beschreibung

Mittlerweile ist das 2017 eingeführte „neue“ Begutachtungsinstrument in der Pflege etabliert. Weil es auch geistige bzw. psychische Einschränkungen berücksichtigt, wird die Bestimmung des richtigen Pflegegrades im Einzelfall leichter. Aber der Prozess der Begutachtung ist und bleibt ein Stolperstein. Mangelnde Vorbereitung und lückenhafte Kenntnis der Begutachtungsrichtlinien können den Weg zum perfekten Pflegegrad erschweren – und manchmal sogar verhindern. Dieser Praxisratgeber hilft: klar und verständlich erläutert er die wichtigen Richtlinien. Fallbeispiele illustrieren, worauf es in der Praxis ankommt. Eine unverzichtbare und aktuelle Grundlage für das Gespräch rund um den Pflegegrad.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 151

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jutta König ist Altenpflegerin, Pflegedienst- und Heimleitung, Wirtschaftsdiplombetriebswirtin Gesundheit (VWA), Sachverständige bei verschiedenen Sozialgerichten im Bundesgebiet sowie beim Landessozialgericht in Mainz, Unternehmensberaterin, Dozentin in den Bereichen SGB XI, SGB V, Heimgesetz und Betreuungsrecht. Tätig im gesamten Bundesgebiet für Auftraggeber der privaten Trägerschaft, Trägerschaften der Kirche, der Wohlfahrtsverbände und öffentliche Trägerschaften.

» Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.«

GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG

pflegebrief

– die schnelle Information zwischendurchAnmeldung zum Newsletter unter www.pflegen-online.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8426-0863-4 (Print)ISBN 978-3-8426-9112-4 (PDF)ISBN 978-3-8426-9113-1 (EPUB)

© 2021 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover, www.schluetersche.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages.

Autorin und Verlag haben dieses Buch sorgfältig erstellt und geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus in diesem Buch vorgestellten Erfahrungen, Meinungen, Studien, Therapien, Medikamenten, Methoden und praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen. Insgesamt bieten alle vorgestellten Inhalte und Anregungen keinen Ersatz für eine medizinische Beratung, Betreuung und Behandlung.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in diesem Buch die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich Personenbezeichnungen gleichermaßen auf Angehörige des männlichen und weiblichen Geschlechts sowie auf Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.

Etwaige geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass es sich um freie Warennamen handelt.

Lektorat: Claudia Flöer, Text & Konzept FlöerCovermotiv: tunedin – Fotolia.comCovergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg

Inhalt

Vorwort

1Wesentliches aus dem PSG (Pflegestärkungsgesetz)

1.1Wesentliche Neuerungen durch das PSG II im Überblick

1.2Wesentliche Neuerungen durch das PSG III im Überblick

1.2.1Ziele des PSG III

1.2.2Details des PSG III

2Wesentliche Paragrafen des SGB XI

2.1§ 3 Vorrang der häuslichen Pflege

2.2§ 7 Aufklärung, Auskunft

2.3§ 14 Begriff der Pflegebedürftigkeit

2.4Der Pflegegrad

2.5§ 15 Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument

2.6§ 18 Verfahren zur Einstufung

2.6.1Zu wenig Rehabilitation in den Einrichtungen

2.6.2Die Kassen zieren sich bei der Genehmigung von Rehabilitationen

2.6.3Begutachtungsfristen

2.7§ 19 Begriff der Pflegeperson

2.8§ 28 Leistungen der Pflegeversicherung

2.9§ 33 Leistungsvoraussetzung

2.9.1Ohne Antrag geht in Deutschland gar nichts

2.10§ 36 Pflegesachleistung

2.11§ 37 Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen .

2.12§ 38 Kombination von Geldleistungen und Sachleistung (Kombinationsleistung)

2.13§ 39 Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson

2.14§ 40 Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen

2.14.1Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel?

2.15§ 41 Tagespflege und Nachtpflege

2.16§ 42 Kurzzeitpflege

2.17§ 43 Vollstationäre Pflege

2.17.1Ist die stationäre Pflege wirklich teuer?

2.18§ 43b Zusätzliche Betreuung und Aktivierung in teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen

2.19§ 44 Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen

2.20§ 44 a Zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung

2.21§ 45a Angebote zur Unterstützung im Alltag, Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags (Umwandlungsanspruch), Verordnungsermächtigung

2.21.1§ 45b Entlastungsbetrag

3Die Begutachtung

3.1Aus MDK wird MD

3.2Aufgaben des MDK

3.3Aufbau des Gutachtens

3.3.1Der Gutachter erspart das Rezept für den Rollstuhl .

3.4Feststellung der Pflegebedürftigkeit

3.5Mitwirkungspflichten

3.6Aufwand der Pflegeperson

3.7Sicherstellung der häuslichen Pflegesituation

3.8Erläuterungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit

3.9Erläuterungen der Selbstständigkeit – Was wird wie berechnet?

3.9.1Selbstständig

3.9.2Überwiegend selbstständig

3.9.3Überwiegend unselbstständig

3.9.4Unselbstständig

3.9.5Verkehrte Welt: Die Anleitung zählt weniger als die volle Übernahme

3.9.6Umwandlung der früheren Hilfeformen in die Grade der Selbstständigkeit

3.10Fähigkeiten, Selbstständigkeit – Was wird wie berechnet?

3.10.1Modul 1: Mobilität

3.10.2Besondere Bedarfskonstellation führt automatisch zu Pflegegrad

3.10.3Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

3.10.4Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen _90

3.10.5Modul 4: Selbstversorgung

3.10.6Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

3.10.7Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte

3.10.8Module 7 und 8 werden nicht berechnet

3.11Erläuterungen zu den Modulen – Was wird wie berechnet?

3.11.1Modul 1: Mobilität

3.11.2Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

3.11.3Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen . _104

3.11.4Modul 4: Selbstversorgung

3.11.5Modul 5: Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

3.11.6Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte

3.11.7Die Gewichtung der Punkte

3.12Besonderheiten bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit bei Kindern

3.12.1Die gutachterliche Erhebung

3.12.2Altersentsprechende Betrachtung

3.12.3Ausnahme: Pflegebedürftige Kinder unter 18 Monaten

3.13Der Widerspruch

3.13.1Erst einmal formlos

3.13.2Widerspruch lohnt sich

3.13.3»Antrag abgelehnt« – gibt es Quoten beim MDK? .

3.13.4Wie wird der Widerspruch innerhalb der Kasse behandelt?

4Die neue Begutachtung – Fallbeispiele

4.1Ambulant: körperlich eingeschränkt

4.2Ambulant: demenzielle Erkrankung

4.3Ambulant: demenzielle Erkrankung und bettlägerig

4.4Stationär: Schlaganfall

4.5Stationär: demenzielle Erkrankung, aber mobil

4.6Stationär: demenzielle Erkrankung, vorwiegend bettlägerig

4.7Auswirkungen des BI auf die Pflegedokumentation

5Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung

5.1Die Pflegeversicherung steht nicht auf solidem Sockel – Ausgaben und Einnahmen

5.1.1Die Sozialausgaben steigen weiter

5.1.2Finanzentwicklung

5.2Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst stetig

5.3Die höhere Pflegebedürftigkeit nimmt seit Jahren ab

6Warum das BI nicht nur der Einstufung dient

6.1Warum das BI nicht nur der Einstufung dient

Schlusswort

Literatur

Register

Vorwort

Alle sprechen vom NBA, dem neuen Begutachtungsassessment. Doch in den Begutachtungs-Richtlinien1 (BRi) findet sich der Begriff »Begutachtungsassessment « kein einziges Mal, stattdessen ist stets vom neuen Begutachtungsinstrument die Rede. Die Erklärung für diese Begriffsverwirrung liefert der MDS: »… mit dem Gesetz werden zum 1. Januar 2017 ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff und damit auch ein neues Begutachtungsinstrument – das Neue Begutachtungsassessment (NBA) – in der Pflegeversicherung eingeführt.«2 Heute sagen wir nicht mehr NBA oder NBI, sondern BI für Begutachtungsinstrument, denn neu ist es mittlerweile nicht mehr.

Info

Die Begutachtungs-Richtlinien sprechen konsequent vom »Begutachtungsinstrument«, abgekürzt BI. Und so halte ich das in diesem Buch auch.

Die Änderungen und die weitere Reform der Pflegeversicherung mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff waren überfällig. Bereits 2008 von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eingeleitet, hat Hermann Gröhe 2014 endlich finalisiert. Die PSG I, II und III (Pflege-Stärkungsgesetze) gehen auf ihn zurück. Sein Nachfolger Jens Spahn versprach für das Frühjahr 2021 eine grundlegende Reform, insbesondere der Finanzierung. Diese Gesetzesänderung wurde pandemiebedingt bis dato nicht umgesetzt (Stand: Mai 2021). Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff befasst sich mit dem Grad der Selbstständigkeit einer Person. Und somit folgt diese Haltung – aus Sicht des Pflegebedürftigen – dem Strukturmodell und ging andererseits den neuen Qualitätsprüfungen voraus. Zumindest für die stationäre Altenhilfe gibt es zwischen dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und den neuen Qualitätsprüfungsrichtlinien einen klaren Zusammenhang über die Qualitätsindikatoren.

Die in diesem Buch zitierten gültigen Begutachtungsrichtlinien stammen aus Mai 2021 (Onlineversion). In der gedruckten Broschüre (lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor) können die angegebenen Seitenzahlen abweichen.

 

Uelversheim, Juni 2021

Jutta König

_________________

1 Richtlinien zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien – BRi) vom 15. 05. 2016, geändert durch Beschluss vom 22. 03. 2021, https://www.mds-ev.de/themen-des-mds/pflegebeduerftigkeit-und-pflegebegutachtung/begutachtungs-richtlinien.html

2 Das neue Begutachtungsinstrument: Die Selbständigkeit als Maß der Pflegebedürftigkeit. https://www.mds-ev.de/themen-des-mds/pflegebeduerftigkeit-und-pflegebegutachtung/das-begutachtungsinstrument.html

1 Wesentliches aus dem PSG (Pflegestärkungsgesetz)

1.1Wesentliche Neuerungen durch das PSG II im Überblick

Es änderten sich viele Paragrafen durch die Gesetzgebung ab 2016/2017, hier einige wesentliche Paragrafen im Überblick:

• § 7: Beratung, Beratungsanspruch, Beratungsgutscheine

• § 14 Begriff der Pflegebedürftigkeit: Künftig zählt nicht mehr der Hilfebedarf in Minuten, sondern der Grad der Abhängigkeit und Einschränkungen

• § 15: aus Pflegestufen werden Pflegegrade

• § 17: Einige Richtlinien müssen geändert werden als Wegebnung für die Umsetzung des Gesetzes, z. B. Begutachtungs-Richtlinien

• § 18: Verfahren zur Eingradung statt Verfahren zur Einstufung

• § 19: Begriff der Pflegeperson wird neu definiert, weil aus Pflegestufen nun Pflegegrade werden und diese nicht mehr an Einsatzzeiten gekoppelt wie bisher

• § 28: Die Leistung für den Pflegegrad 1 entspricht in etwa dem Leistungsanspruch der alten Pflegestufe »0« mit eingeschränkter Alltagskompetenz.

• § 40: Pflegehilfsmittel und Wohnumfeldverbesserung werden ab Pflegegrad 1 gezahlt

• § 41: Tages-/Nachtpflege erhält neue Entgelte

• § 42: Kurzzeitpflege muss im Entgelt neu verhandelt werden

• § 43: Die vollstationäre Pflege hat einen einheitlichen Anteil des pflegerelevanten Entgelts für alle Pflegebedürftigen Grad 2 bis 5

• § 43b: Neuer Paragraf als Ersatz für § 87b, der gestrichen wurde

• § 44: Soziale Sicherung der Pflegeperson beginnt bereits ab Pflegegrad 2

• § 45a: Unterstützung im Alltag, früher: niederschwellige Betreuungsangebote

• § 45b Entlastungsbeitrag: Entlastungsleistungen erhält man in jeder Versorgungsleistung in Höhe von 125 Euro als Entlastungsbetrag (vollstationär nur für Pflegegrad 1)

• § 53: Neuregelung für die Qualifikation von Betreuungskräften

• § 87b stationär: gestrichen

• § 92: Die Heimentgeltberechnung ist für 2017 auf den Kopf gestellt, gleicher pflegerelevanter Anteil innerhalb einer Einrichtung

• § 113: Qualitätsausschuss ist gebildet, Darstellung der Prüfergebnisse wird neu geregelt, Personalausstattung wird angepasst

• § 114: Einwilligung durch Pflegebedürftige zur Qualitätsprüfung gilt, wie es früher war, wieder mündlich. Es werden neue Qualitätskriterien gefasst

• § 115: Übergangsregelungen für Pflegetransparenzkriterien und QPR (Qualitätsprüfungs-Richtlinien)

• §§ 122 bis 124: gestrichen

• § 141: Besitzstandswahrung für alle, die bereits 2016 Leistungsempfänger waren

• § 142: Übergangsregelung für alle, die 2016 bereits pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes waren

1.2Wesentliche Neuerungen durch das PSG III im Überblick

1.2.1Ziele des PSG III

Schwerpunkte des PSG III

• Umsetzung der Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege.

– Der Gesetzgeber glaubt, die Kommunen haben die Ressourcen und das Know-how, die Beratung besser zu managen als bisher. »Kommunale Behörden haben daher erfahrenes Personal, und sie kennen die örtlichen Einrichtungen und Verbände, die im Bereich der Pflege aktiv sind.«3

– Ziel der Kommunen ist es, pflegebedürftigen Menschen den Verbleib in der häuslichen Umgebung und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

– Die Pflegekassen sind mit dem PSG III verpflichtet worden, in den regionalen Pflegeausschüssen und Landespflegeausschüssen der jeweiligen Bundesländer mitzuarbeiten.

– Diese Ausschüsse können sog. Pflegestrukturplanungsempfehlungen abgeben, d. h. Vorschläge zur Verbesserung der Versorgungssituation.

• Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ist in das Sozialhilferecht (SGB XII) aufgenommen worden.

• Es gibt Regelungen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug durch Leistungsanbieter.

1.2.2Details des PSG III

Am 28. Juni 2016, kurz vor der politischen Sommerpause, beschloss das Bundeskabinett den Entwurf für ein drittes Pflegestärkungsgesetz beschlossen. Die wichtigsten Inhalte veröffentlichte das Bundesministerium bereits4. Ich zitiere im Folgenden direkt von der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums. 5

»Sicherstellung der Versorgung

Die Länder sind für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Versorgungsinfrastruktur in der Pflege verantwortlich. Dazu können sie Ausschüsse einrichten, die sich mit Versorgungsfragen befassen. Mit dem PSG III sollen die Pflegekassen nun verpflichtet werden, sich an Ausschüssen zu beteiligen, die sich mit regionalen Fragen oder sektorenübergreifender Versorgung beschäftigen. Die Pflegekassen müssen Empfehlungen der Ausschüsse, die sich auf die Verbesserung der Versorgungssituation beziehen, künftig bei Vertragsverhandlungen einbeziehen. Dies kann z. B. zur Vermeidung von Unterversorgung in der ambulanten Pflege notwendig werden, wenn bspw. die Erbringung dieser Leistungen durch einen Pflegedienst wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt werden müsste.

Beratung

Die Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen vor Ort soll verbessert werden. Dazu sollen Kommunen mit dem PSG III für die Dauer von fünf Jahren ein Initiativrecht zur Einrichtung von Pflegestützpunkten erhalten. Darüber hinaus sollen sie künftig Beratungsgutscheine der Versicherten für eine Pflegeberatung einlösen können. Ergänzend zu ihren eigenen Beratungsaufgaben in der Hilfe zur Pflege, der Altenhilfe und der Eingliederungshilfe sollen sie auch Pflegebedürftige, die Pflegegeld beziehen, beraten können, wenn diese das wünschen. Außerdem sind Modellvorhaben zur Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen durch kommunale Beratungsstellen in bis zu 60 Kreisen oder kreisfreien Städten für die Dauer von fünf Jahren vorgesehen. Über die Anträge von Kommunen, die an diesen Modellvorhaben mitwirken wollen, wird von den Ländern entschieden. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen dadurch eine Beratung aus einer Hand erhalten zu allen Leistungen, die sie in Anspruch nehmen können wie z. B. der Hilfe zur Pflege, der Eingliederungshilfe oder der Altenhilfe.«

So steht’s im Gesetz, aber bis dato habe ich nichts Entscheidendes dazu vernommen, schon gar keine konkreten Ergebnisse.

»Angebote zur Unterstützung im Alltag

Das PSG III schafft für Kommunen die Möglichkeit, sich an Maßnahmen zum Auf- und Ausbau der Angebote zur Unterstützung im Alltag auch in Form von Personal- oder Sachmitteln einzubringen. Diese Angebote zur Unterstützung im Alltag richten sich nicht nur an Pflegebedürftige, sondern auch an deren Angehörige, die dadurch entlastet werden. Darüber hinaus sollen Länder, die die ihnen zustehenden Mittel fast vollständig abgerufen haben, auch die Mittel nutzen können, die von anderen Ländern nicht verwendet wurden. Ziel ist die möglichst vollständige Ausschöpfung des Beitrags der Pflegeversicherung von bis zu 25 Mio. Euro für den Aufbau solcher Angebote.

Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Recht der Hilfe zur Pflege

Auch nach Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im SGB XI und nach der deutlichen Verbesserung der Leistungen der Pflegeversicherung kann ein darüber hinausgehender Bedarf an Pflege bestehen. Dieser wird bei finanzieller Bedürftigkeit durch die Hilfe zur Pflege im Rahmen der Sozialhilfe und dem sozialen Entschädigungsrecht gedeckt. Wie im SGB XI soll auch im Recht auf Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) und im Bundesversorgungsgesetz (BVG) der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden, damit sichergestellt ist, dass finanziell Bedürftige im Falle der Pflegebedürftigkeit angemessen versorgt werden.

Regelung der Schnittstellenproblematik zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe

Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im SGB XI wurde im Bereich des Leistungsrechts eine Erweiterung vorgenommen: Nunmehr gehören auch die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen zum Leistungsbereich der Pflegeversicherung. Das führt zu Abgrenzungsfragen zwischen den Leistungen der Eingliederungshilfeund den Leistungen der Pflegeversicherung bzw. Hilfe zur Pflege. Deshalb soll das PSG III für Klarheit sorgen: Geregelt wird daher, dass die Leistungen der Pflege gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe im häuslichen Umfeld grundsätzlich vorrangig sind, es sei denn, bei der Leistungserbringung steht die Erfüllung der Aufgaben der Eingliederungshilfe im Vordergrund.

Außerhalb des häuslichen Umfelds gehen dagegen die Leistungen der Eingliederungshilfe den Leistungen der Pflege vor. Damit enthält der Entwurf klare Abgrenzungsregelungen an den Schnittstellen zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe, die zudem Kostenverschiebungen zwischen den beiden Systemen vermeiden.

Maßnahmen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug in der Pflege

Die Gesetzliche Krankenversicherung erhält ein systematisches Prüfrecht: Auch Pflegedienste, die ausschließlich Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Auftrag der Krankenkassen erbringen, sollen zukünftig regelmäßig von den Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erfasst werden.

Zudem sollen bestehende Instrumente der Qualitätssicherung im Bereich der Pflegeversicherung weiterentwickelt werden: In die Stichproben bei den MDK-Prüfungen von Pflegediensten sollten auch Personen einbezogen werden, die allein Leistungen der häuslichen Krankenpflege erhalten.«

Info

Es gibt für Einrichtungen, die reine SGB V-Leistungen erbringen, mittlerweile eine eigene QPR.

»In der häuslichen Krankenpflege werden die Dokumentationspflichten der Pflegekräfte an die in der ambulanten Altenpflege bereits geltenden Pflichten angepasst. Abrechnungsprüfungen sollen von den Pflegekassen zudem künftig auch unabhängig von den Qualitätsprüfungen des MDK durchgeführt werden, wenn Anhaltspunkte für fehlerhaftes Abrechnungsverhalten vorliegen.

Für Pflegedienste, die in der ambulanten Altenpflege tätig sind, gelten diese Regeln bereits. Sie dürfen im Verdachtsfall unangemeldet kontrolliert werden, und ihre Abrechnungen müssen regelmäßig überprüft werden. Darüber hinaus soll die Pflegeselbstverwaltung in den Ländern gesetzlich verpflichtet werden, in den Landesrahmenverträgen insbesondere Voraussetzungen für Verträge festzulegen, durch die wirksamer gegen bereits auffällig gewordene Anbieter vorgegangen werden kann. Damit soll sichergestellt werden, dass sich beispielsweise kriminelle Pflegedienste nicht einfach unter neuem Namen oder über Strohmänner eine neue Zulassung erschleichen können.

Die Pflegeselbstverwaltung wird zudem verpflichtet, klare Qualitätsstandards für ambulante Wohngruppen zu erarbeiten.«6

Info

Die Selbstverwaltung in Gestalt des Qualitätsausschusses Pflege hat schon 2017 den Auftrag an die Uni Bremen weitergereicht, die ihn auch prompt erledigte: Der Abschlussbericht zur »Entwicklung und Erprobung eines Konzeptes und von Instrumenten zur internen und externen Qualitätssicherung und Qualitätsberichterstattung in neuen Wohnformen nach § 113b Abs. 4 SGB XI« liegt seit dem 16. 01. 2019 öffentlich vor. Was seitdem weiter unternommen wurde, wie es mit dem Abschlussbericht weitergeht und welche Erkenntnisse umgesetzt werden sollen, ist nach mehr als zwei Jahre (Redaktionsschluss dieses Buches: Mai 2021) nicht bekannt. Auf der Homepage des Qualitätsausschusses ist zu diesem Thema zu lesen: »Der Qualitätsausschuss Pflege wird sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Erprobungsprojekt weiter befassen.«* Gut Ding will nun mal Weile haben.

*https://www.gs-qsa-pflege.de/unsere-aktuellen-projekte/#Entwicklung%20und%20Erprobung%20eines%20Konzepts%20f%C3%BCr%20eine%20Qualit%C3%A4tssicherung%20in%20neuen%20Wohnformen%20gem%C3%A4%C3%9F%20%C2%A7%20113b%20Absatz%204%20Satz%202%20Nr.%206%20SGB%20XI

_________________

3 Vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2016/juni/psg-iii-kabinett.html

4https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2016/juni/psg-iii-kabinett.html

5 Ebd.

6 Ebd.

2 Wesentliche Paragrafen des SGB XI

2.1§ 3 Vorrang der häuslichen Pflege

»Die Pflegeversicherung soll mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Leistungen der teilstationären Pflege und der Kurzzeitpflege gehen den Leistungen der vollstationären Pflege vor«, heißt es im Gesetz. Dieser Grundsatz spiegelt sich in verschiedenen Entscheidungen wider. So ist es manchmal verwunderlich, wenn man im häuslichen Bereich Pflegebedürftige mit einer Pflegestufe antrifft, die einem etwas zu hoch erscheint. Die Einstufung im häuslichen Bereich erweckt den Eindruck, dass gelegentlich mal ein Auge zugedrückt wird. Auch die deutlichen finanziellen Verbesserungen gerade in den vergangenen zwei Jahren haben weitgehend ambulant stattgefunden. Ambulant waren am 31. Dezember 2019 insgesamt 3,14 Mio. Menschen pflegebedürftig – das sind fast doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. Wie lange der Grundsatz »ambulant vor stationär« noch standhalten kann, ist angesichts der derzeitigen Entwicklung fraglich. Hier ein Rechenbeispiel (Tab. 1):

Tab. 1: Beispielhafe Leistungen für einen Pfegebedürfigen (Grad 3) – ambulant und statonär

 

Ambulante Leistungen

Stationäre Leistung

Differenz im Jahr

Sachleistungen

1.298 Euro/Monat

1.262 Euro/Monat

432 Euro

Beratungseinsatz

46 Euro jährlich

0 Euro

46 Euro

Betreuungsleistung

125 Euro/Monat

0 Euro

1.500 Euro

Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel

40 Euro/Monat

0 Euro

480 Euro

Tages-Nachtpflege

1.298 Euro/Monat

0 Euro

15.576 Euro

Wohnumfeldverbessernde Maßnahme

4.000 Euro max. pro Maßnahme

0 Euro

4.000 Euro

Beitrag zur Rentenversicherung für Pflegeperson*

263,13 Euro/Monat (alte Bundesländer)

0 Euro

3.157,56 Euro

Beitrag zur Arbeitslosenversicherung für Pflegeperson

39,48 Euro/Monat (alte Bundesländer) maximal

0 Euro

473,76 Euro

Zuschüsse zur Krankenversicherung für Pflegeperson bei Pflegezeit

174,37 Euro/Monat maximal

0 Euro

2.092,44 Euro

Zuschuss zur Pflegeversicherung für Pflegeperson bei Pflegezeit

33,45 Euro/Tag maximal

0 Euro

401,30 Euro

* Bsp. PG 3: Pfegeperson im Westen pfegt 20 Stunden/Woche

Tabelle 1