Das neue Pilgern - Waltraud Hönes - E-Book

Das neue Pilgern E-Book

Waltraud Hönes

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Beschreibung

Denn ist es nicht Zeit, andere Wege einzuschlagen? Diese neue Art des Pilgerns, bei der es darum geht, die Erde als lebendiges Wesen zu erfahren und mit ihr in einen wechselseitigen Austausch zu treten, kann richtungsweisend für eine lebenswerte Zukunft von uns Menschen auf und mit der Erde sein. Es gilt aufzubrechen, um ein größeres Selbst zu entdecken, das um die Verbundenheit von allem in der einen Weltseele weiß. Das bedeutet, sich selbst zu erweitern und dazu beizutragen, dass wir Menschen wieder in »rechte Beziehung« mit der Erde kommen und ihre Heiligkeit empfinden können. Wenn wir in diesem Geist pilgern, bringen wir etwas zu den bezaubernden Plätzen, die wir besuchen, anstatt nur etwas für uns mitnehmen zu wollen. Wir geben ihnen aus Freude am Geben, und das lässt unser Herz immer kristallklarer werden. Das Herz ist das Tor zur Seele, die aufblüht, wenn wir als neue Pilger die sieben Gold-Silber-Regenbogenwege zum unvergleichlich strahlenden Stein aus dem neu belebten Weltmythos von Fanes in den Dolomiten einschlagen, die in diesem Buch vorgestellt werden. Wir sind exemplarisch mit einer Gruppe von Pilgern aus verschiedenen Ländern in einer großartigen Landschaft unterwegs, sammeln erste Erfahrungen auf diesen geistvollen Seelenwegen und erhalten die Lehren der mythischen Gestalten, die uns dabei begleiten. Ein Praxisteil gibt Anleitungen, wie wir selbst, ganz gleich wo wir zu Hause sind, mit dieser neuen Form des Pilgerns und der dazugehörigen Lebensweise beginnen können, um aktiv zu einer kulturellen und spirituellen Erneuerung beizutragen.

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Seitenzahl: 370

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Waltraud Hönes

Das neue Pilgern

Begegnung mit der lebendigen Erde

Auf dem siebenfachen Weg deskristallenen Herzens einerlebenswerten Zukunft entgegen

Hinweis des Verlages

Die in diesem Buch gemachten Aussagen und Empfehlungen können die professionelle Hilfe von Ärzten oder Heilpraktikern nicht ersetzen. Die Autorin hat nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Sie gibt den neuesten Wissensstand bei der Veröffentlichung der Originalausgabe wieder. Eine Haftung der Autorin, des Verlages oder seiner Beauftragten für etwaige Personen-, Sach-oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Bücher haben feste Preise.

1. Auflage 2022

Waltraud Hönes

Das neue Pilgern: Begegnung mit der lebendigen Erde

© Neue Erde GmbH 2022

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlag:

Foto: Kent Unrau

Gestaltung: Dragon Design, GB

Satz und Gestaltung:

Dragon Design, GB

eISBN 978-3-89060-371-1

ISBN 978-3-89060-812-9

Neue Erde GmbH

Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken

Deutschland · Planet Erde

www.neue-erde.de

Inhalt

Dank

Vorwort

1. Teil:Pilgern für das Zeitalter des Wiederzusammenkommens

Einführung: Wohin wollen wir gehen?

Die mythische Vision

Pilgern: sich bewegen, um der lebendigen Erde mit kristallklarem Herzen zu begegnen

Die sieben Goldsilbernen Regenbogenwege

2. Teil:Auf den Strahlen der Rayeta durch die Landschaft der Weltseele

Der Goldsilberne Rote Weg der klangvollen Vision

Der Goldsilberne Orangene Weg der wahren Erkenntnis

Der Goldsilberne Gelbe Weg der Vollendung des Selbst

Der Goldsilberne Grüne Weg des beherzten Handelns im Wissen um den Traum

Der Goldsilberne Blaue Weg der vollkommenen Hingabe

Der Goldsilberne Violette Weg der schöpferischen Inspiration und Transformation

Der ringförmige Goldsilberne Hellblaue Weg des Wiederzusammenkommens im kristallenen Herzen

3. Teil:Eine neue Pilgerbewegung

Die ersten Schritte

Da-Sein mit anderen Wesen

Die eigene Welt erweitern: Pilgerwandern

Weitergehen: Pilgern auf den Goldsilber-Regenbogenwegen

Die Einladung von Moltina und Turmin auf den Goldsilbernen Roten Weg der klangvollen Vision

Die Einladung von Trusilla und Philamon auf den Goldsilbernen Orangenen Weg

Die Einladung von Yimela und Sjuleiki auf den Goldsilbernen Gelben Weg

Die Einladung von Dolasilla-Luyanta und Elaynad auf den Goldsilbernen Grünen Weg

Die Einladung von Samblina und Ramanes auf den Goldsilbernen Blauen Weg

Die Einladung von Ishmeira, der Tsikuta und Shilamuyul auf den Goldsilbernen Violetten Weg

Die Einladung der ganzen königlichen Familie von Fanes auf den Goldsilbernen Hellblauen Weg

Noch einen Schritt weiter: Gemeinsam das Lichtnetz erweitern und in eine neue (T)Raumzeit aufbrechen

Bau eines einfachen Steinschreins

Verbindungsmeditation über das kristallene Herz mit dem erweiterten Wayna Fanes-Symbol

Die lunaren und solaren Zyklen mit einem Ritual der heiligen Wechselseitigkeit würdigen

Nachwort

Glossar der mythischen Gestalten

Glossar der fremdsprachigen Begriffe

Bibliographie

Über die Autorin

Dank

Ich danke zuallererst den Apukuna, meinen heiligen Bergen der Dolomiten und darüber hinaus, für ihren Weisheitsschatz, den sie großzügig mit mir teilen und der zur Grundlage der Wayna Fanes-Tradition geworden ist. So viel haben sie mich in den letzten 21 Jahren gelehrt, das sich wunderbar mit dem ergänzt hat, was ich von den großen alten Medizinpersonen der Anden und den dortigen Apukuna mit auf den Weg bekommen habe. Geduldig und behutsam haben sie mich zu dem hingeführt, was heute als der siebenfache Weg des kristallenen Herzens Gestalt angenommen hat. Immer sind sie mir beschützend und lehrend zur Seite gestanden, auch in den schwierigsten Momenten. Es ist meine Verpflichtung und große Freude, für die heiligen Orte in ihrem Lichtnetz zu sorgen.

Eine besondere Rolle spielen dabei die Apukuna von Fanes, die uns die Erinnerung an die große Geschichte von der Welt, die wir den Neuen Mythos von Fanes nennen, bewahrt haben und die Vision vom unvergleichlich strahlenden Stein beherbergen, um sie in uns zu stärken. Bei ihnen ist meine Seelenheimat, dort, wo auch die mythischen Wegbegleiter/innen auf den Geraden Wegen zur Rayeta zuhause sind. Ihnen danke ich dafür, dass sie uns allen vorausgegangen sind, indem sie ihre Irrwege verlassen und damit die Grundlage für diese Geraden Wege, die tatsächlich zur Rayeta führen, geschaffen haben. Ihre Umkehr ist geschehen; die Weltseele weiß darum, und deshalb können auch wir es schaffen.

Aber es wäre auch nicht ohne die Menschen gegangen, die sich mit mir zusammen auf den Weg gemacht haben und bereit waren, ihre eigene Heilung zu wagen, zu lernen, mit mir auf den sieben Regenbogenwegen zu pilgern und Wayna Fanes, junge Fanes zu werden: Ich danke den Mitgliedern des Dolomiten Ayllu dafür, dass sie selbst in diesen schwierigen Zeiten zusammengeblieben sind und mutig nach einer neuen gemeinschaftlichen Lebensform suchen, um Medizin für die Welt zu werden. Dazu gehört auch mein Mann Kent Unrau, der sich mit mir auf dieses Abenteuer eingelassen hat und auch in stürmischen Zeiten an Bord geblieben ist. Die Fotos für dieses Buch hat er beigesteuert.

Schließlich möchte ich auch Andreas Lentz vom Neue Erde-Verlag dafür danken, dass er hartnäckig immer wieder bei mir »angeklopft« hat, um zu fragen, ob ich dieses Buch nicht endlich schreiben will.

Zur Verwendung der männlichen und weiblichen Form im Plural: Aus Gründen der Lesbarkeit ist in diesem Buch von »Pilgern« und nicht von Pilger/innen die Rede, wobei immer sowohl Frauen als auch Männer gemeint sind.

Vorwort

»Man kann auf dem spirituellen Weg zwei Fehler machen: Einer ist, schon angekommen sein zu wollen, ohne überhaupt gegangen zu sein, und der andere ist, zu gehen, ohne je ankommen zu wollen«, stellte vor einiger Zeit einer meiner heiligen Berge fest.

Das wesentliche ist also, überhaupt einen Weg einzuschlagen, denn weder, wenn man glaubt, schon angekommen zu sein, noch wenn man nirgendwo hingehen will, ist man wirklich unterwegs.

Den Weg, auf den ich euch hier mitnehmen will, nenne ich den »siebenfachen Weg des kristallenen Herzens«. Er spricht das ganze Lichtspektrum der Seele an und führt deshalb zu ihr selbst in ihrer schönsten, vollendeten Form hin, zu dem kostbaren Juwel, als das sie erträumt ist. Unterwegs wird euer Herz seine ursprüngliche kristallklare Natur wiederfinden, und ihr werdet schließlich euch selbst, euren Mitmenschen und der lebendigen Erde wiederbegegnen. Die Seele der Welt wird genesen, wenn wir tatsächlich zu gehen beginnen und unser Ziel eine Ordnung in Schönheit ist, so vollendet schön wie das Facettenmuster des mythischen unvergleichlich strahlenden Steins, der Rayeta.

Pilgern ist so alt wie die Menschheit. Es hat im Laufe der Zeit und in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Formen angenommen. Persönliche Motive haben dabei manchmal eine größere, manchmal eine kleinere Rolle gespielt. Angefangen hat es wahrscheinlich so, dass Medizinpersonen sich aufmachten, um heiligen Orten ihre Gaben zu bringen. Im Gegenzug erhielten sie Kraft von diesen besonderen Plätzen, um sie zum Wohle der menschlichen Gemeinschaft zu verwenden, die sie als Teil einer größeren Gemeinschaft von Wesen der Natur und des Kosmos verstanden.

Das neue Pilgern, von dem hier die Rede sein wird, ist also eigentlich eine Rückbesinnung auf seine älteste Form. Sie ist aktueller denn je, wobei es in dieser Zeit darum geht, dass wir persönlich und kollektiv unsere gestörte Beziehung mit der Erde wieder in Ordnung bringen. Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht ausreichend; wir müssen (wieder) zu einem Bewusstsein von heiliger Wechselseitigkeit mit unserer Mutter, der Erde finden. Es ist nicht damit getan, dass ein paar wenige, die sich um die Heilung unseres Planeten kümmern, für alte heilige Stätten sorgen und mit ihren Kräften arbeiten. Wir alle sind aufgerufen, als Pilgerinnen und Pilger der Erde etwas zurückzugeben für das, was wir Menschen tagtäglich von ihr bekommen oder gedankenlos von ihr genommen haben, ohne für einen Ausgleich zu sorgen. Wenn wir ihr so begegnen, schlagen wir eine andere Richtung ein und begehen eine neue Pilgerroute, nämlich die der göttlich weiblichen Kraft, die in die Welt hereindrängt, um im kommenden Weltzeitalter ein Gleichgewicht zwischen solarem und lunarem Bewusstsein zu schaffen, denn nur dann kann die Weltseele zur Blüte kommen und die Rayeta erscheinen.

Wir müssen als Menschheit endlich erwachsen werden und Verantwortung übernehmen – höhere Wesen können dieses Mal nicht einfach eingreifen und für uns die Dinge wieder in Ordnung bringen, wie das so viele immer noch hoffen.

Doch was können wir mit kleinen Gaben schon ausrichten? werdet ihr vielleicht fragen. Es ist viel mehr, als ihr denkt, denn da ist das Herz. Wenn unser Geben von Herzen kommt, ist es starke Medizin, und zwar genau diejenige, die Pachamama, Mutter Erde und wir selbst brauchen. Ja, es ist auch Medizin für uns selbst, und wir werden bei diesem Pilgern auf viel tiefere, höhere und weitere Art zu uns selbst finden als je zuvor.

So wünsche ich euch viele heilsame, geist-reiche Entdeckungen und ein freudiges Herz auf den sieben Gold-Silber-Regenbogenwegen!

1. Teil:Pilgern für das Zeitalter des Wiederzusammenkommens

Einführung:Wohin wollen wir gehen?

Uns Menschen ist die Freiheit der Wahl gegeben, auch wenn wir dazu neigen, sie falsch zu verstehen. Denn wir gehören dem großen göttlichen Schöpfungstraum an und können nur innerhalb von ihm agieren. Wir haben die Fähigkeit mitzuschöpfen, doch können wir niemals Alleinschöpfer sein. Die große göttliche Vision von der Welt ist von Munay, liebendem Willen, angetrieben. Wenn wir uns als Mitschöpferinnen und Mitschöpfer verstehen, wird auch unser Wille ein liebender sein und unser Wirken in der Welt wird die Schönheit des Traumes widerspiegeln. Je nachdem, wie schnell wir das begreifen, wählen wir, wie viele Umwege wir noch machen wollen, um dort anzukommen, wohin wir bestimmt sind zu gelangen, sobald die Blüte der Weltseele ihre vollste Entfaltung erreicht haben wird.

In der Sprache des Neuen Mythos von Fanes wird dies mit dem Zusammenkommen der Welten in Gegenwart des unvergleichlich strahlenden Steins, auch Rayeta genannt, geschehen. Dieses unbeschreiblich schöne Juwel wird dann die Welt erleuchten und im kristallklar gewordenen Herzen von allen Menschen seinen Platz finden. Wir könnten dem schon ganz nahe sein oder noch sehr weit weg davon. Wenn wir davon überzeugt sind, dass dieses Ereignis in unerreichbarer Ferne liegt, werden wir anders denken, fühlen und handeln als im anderen Fall, wenn wir die Möglichkeit offenlassen, dass es schon morgen sein könnte. Es ist unschwer zu erkennen, welche der beiden Lebenseinstellungen mehr Kraft für konstruktives Mitschöpfen mobilisieren wird!

Wir leben zweifellos in der Zeit eines großen Umbruches. So sehr wir alles selbst kontrollieren und bestimmen wollen, so gerne würden wir dann auch wieder die Verantwortung den höheren Mächten zuschieben, wenn wir in Schwierigkeiten geraten. Wieso können sie uns nicht einfach retten? Damit sind wir genau bei dem kritischen Entwicklungsschritt angekommen, vor dem wir als Menschheit stehen: Es geht ums Erwachsenwerden. Das heißt, dass wir aufgefordert sind, Verantwortung zu übernehmen, und zwar nicht nur für uns selbst, sondern für die Seele der Welt, der wir angehören. Und genau deshalb können göttliche Wesen jetzt nicht in der Weise eingreifen, wie es Eltern für ihre Kinder tun.

Es ist wirklich eine große Weltumkehr, ein Pachakuti, wie man es in den Anden nennt, was wir im Augenblick erleben. Der kosmische Zeitpunkt dafür ist gegeben. Wie dieser Pachakuti jedoch weiter verlaufen und wohin er uns führen wird: dabei entscheiden wir selbst maßgeblich mit. Finden wir den Weg zurück in den großen göttlichen Traum und schlagen die sieben goldsilbernen Regenbogenwege zur Rayeta ein? Oder wollen wir noch weiter in die Irre gehen, indem wir den Phantasien unseres Egos den Vorzug geben? Es könnte der Pachakuti des kristallenen Herzens sein, dem wir den Weg bereiten, und es könnte ohne eine große globale Katastrophe vonstattengehen, wenn wir nur wollten. Der göttlich weibliche geistige Einfluss, der in dieser Zeit mit Macht in die Welt drängt, könnte uns tragen und beflügeln, wenn wir seiner transformierenden Kraft nicht so viel Widerstand entgegensetzen würden. Wir müssten uns nur daran erinnern, dass wir eine Seele haben, deren längst vergessene Sehnsucht die Rayeta ist, und dann mit Munay, liebendem Willen, zu Pilgern für ihr Erscheinen in dieser Welt werden. Wir wählen selbst, wohin wir gehen wollen.

Die mythische Vision

Himmlisches GeschenkVerborgen wächst es heranErde die Mutter

Unsere Welt ist von einem erstaunlichen Mangel an Vision geprägt, und damit meine ich eine umfassende Vision für die Menschheit. Deshalb fühlen wir uns im Grunde verloren, denn wir spüren einen Mangel an klarer Orientierung und Lebenssinn. Es fehlt uns eine gemeinsame ethische Basis für unser Handeln ebenso wie eine klare Perspektive über unser jetziges Leben hinaus. Betrachten wir zunächst, wie es dazu gekommen ist.

Große Weltmythen haben in früheren Zeiten dafür gesorgt, dass Menschen ihren Platz im Gesamtgefüge des Kosmos ihrer Kultur finden und mit diesem Rückhalt leben konnten. Sie fanden ihn zwischen Ursprung und Bestimmung ihres Volkes, dem sie sich zugehörig fühlten, und in der Ordnung, die der Mythos als die »rechte« definierte. Der Begriff von der rechten Ordnung wird von vielen indigenen Völkern gebraucht. Doch was verstehen sie darunter?

Gemeint ist eine göttliche Ordnung, die in der Sphäre der Sterne zum Ausdruck kommt und auch auf der Erde etabliert werden soll, um den Einfluss des Himmels auf ihr sicherzustellen. Sie legt die Beziehung zwischen den Menschen und allen anderen Wesen – ob sichtbar oder unsichtbar – fest, das heißt, auch die Beziehung mit der Erde selbst, die als lebendiges Wesen und Gottheit begriffen wird. In der Tradition der Anden ist sie die physische Repräsentation des kosmischen Prinzips Pachamama, was man am genauesten mit »Mutter der Raumzeit« übersetzen kann. Nachdem diese Ordnung also diejenige ist, die der großen kosmischen Ordnung entspricht, die unser Leben überhaupt möglich macht, ist sie zweifellos die »rechte«. Oft sieht sich ein Volk in besonderer Weise mit einer bestimmten Gruppe von Sternen (was nicht unbedingt den uns bekannten Sternbildern entsprechen muss) verbunden, und so kommen diejenigen Aspekte der kosmischen Ordnung, die von dem betreffenden Volk hier auf der Erde gelebt werden sollen, von genau diesen Sternen. Jeder Stamm oder jedes Volk und jeder Mensch, der ihnen angehört, haben also einen Platz und damit verbunden auch ihre Eigenart und ihre spezifische Funktion in diesem Weltgefüge, und einen Namen, der diese benennt. Die ethische Grundlage einer solchen Kultur ergibt sich dementsprechend ganz von selbst aus dieser rechten Ordnung, der eigenen Herkunft (von den betreffenden Sternen) und der Vision von einer gemeinsamen Bestimmung, die wiederum mit der Vollendung der göttlichen Ordnung auf der Erde zu tun hat.

Jeder Ort in der Landschaft, in der diese Menschen leben, ist von lehrreichen mythischen Ereignissen geprägt und deshalb eine Quelle von Medizin für sie: ein heil-iger Ort. Einen solchen Ort wird man hüten und pflegen, um in wechselseitigem Austausch mit ihm seine Medizin empfangen zu können. Besitzen-Wollen ist bei einer solchen Beziehung mit der Landschaft ein unsinniges Konzept; vielmehr geht es darum, dass uns ein Stück vom Körper der heiligen Erde anvertraut ist, für das wir sorgen sollen, um in rechter Beziehung zu stehen.

Nun wird ersichtlich, wie fatal der Verlust der mythischen Weltsicht für uns ist, die wir einfach nicht mit unserer rational-analytischen Betrachtungsweise zusammenbringen können. Indem wir jedoch das Mythische als primitiv und überholt ablehnen, öffnen wir Tor und Tür für unerkannte Scheinmythen (die nichts mit der kosmischen Ordnung zu tun haben), die sich in unser ach so wissenschaftliches Weltbild unbemerkt einschleichen, weil eben unsere Seele immer das Mythische sucht. Die metaphorische Sprache des Mythos ist die Sprache der Seele, und so sehr wir sie samt ihrem lästigen Mangel an »Vernunft« und »Objektivität« auch abschaffen wollen, wirkt sie dennoch in uns und durch uns, denn ohne sie würden wir nicht einmal leben.

Für sie ist nichts linear, und alles hat vielfach überlappende und vielschichtige Bedeutungen, die sich zudem auch noch wandeln können. Alles ist im Fluss, und Monokausalität jenseits von den wahren oder ersten Ursachen liegt der Seele fern. Kaum etwas könnte eine größere Herausforderung für die Weltsicht unserer Gesellschaft sein, und dennoch schleicht sich ständig etwas davon in sie ein. So erlebe ich es immer wieder, wie es gerade die überzeugten Rationalisten sind, die besonders emotional auf Erkenntnisse reagieren, die ihren Mythos vom allmächtigen digitalisierten Menschen, der die Natur mittels Technologie kontrolliert, in Frage stellen und diese dann ganz einfach »nicht glauben«. Natürlich gibt es auch diejenigen, die umgekehrt alles, was wissenschaftlich ist, von vornherein ablehnen und sich höchstens selektiv ein paar Brocken davon zu eigen machen, die zu ihren Überzeugungen passen. Auch sie sind von einem modernen Scheinmythos geleitet, der nur den Gegenpol zum erstgenannten darstellt. An diesem Punkt gelange ich zu einer verblüffenden Frage: Wenn es unsere Überzeugung ist, dass alle Erkenntnis über die Welt auf wissenschaftlicher Basis stehen soll, aber dann jeder den Teil davon glaubt, der ins eigene (mythische) Weltbild passt, wäre dann ein bewusst gepflegter Mythos, der eine Vision vermittelt, für die es sich zu leben lohnt, nicht die bessere Wahl?

Ich habe diese Entscheidung getroffen und versuche die Gratwanderung, mitten in einer rational-naturwissenschaftlich geprägten Kultur einen Mythos zu leben, der sich mir durch mein In-Beziehung-Treten mit der Seele einer Landschaft, in deren Gedächtnis er noch gespeichert war, neu erzählt hat und jetzt seine Fortsetzung findet. Es ist der Neue Mythos von Fanes in den Dolomiten, der zusammen mit dem, was ich von der Tradition der Anden gelernt habe, das Fundament der von mir gegründeten Wayna Fanes-Tradition bildet. Aus seiner mythischen Vision heraus sind die sieben goldsilbernen Regenbogenwege entstanden, auf die ich die Leserinnen und Leser mitnehmen will, um gemeinsam mit uns jungen Fanes der Rayeta entgegenzupilgern.

Mythen wollen erzählt werden, nicht aufgeschrieben, denn sie sind lebendig wie die Landschaft, in denen sie beheimatet sind. Ihre archetypischen Bilder sind zugleich universell und aufs engste mit ihrem Ursprungsort verbunden, wie oben beschrieben. Wenn ich im Folgenden einen kurzen Überblick über die wesentlichen (Welt) seelen-Dynamiken im Neuen Mythos von Fanes gebe, dann ist es nur, um einen ersten Eindruck von der universellen mythischen Vision vermitteln zu können, die weit über Fanes hinaus Menschen ermutigen soll, voller Freude ihre Verantwortung für die Anima Mundi anzunehmen und durch ihr Pilgern eben diese lichtvolle Vision in die Erde einzuprägen.

Der Neue Mythos von Fanes ist die große Geschichte von der Rayeta, dem unvergleichlich strahlenden Stein, den die große Göttin vor undenklich langer Zeit auf die Erde gebracht hat, um ihn den Menschen zu schenken, die jedoch noch nicht reif für ihn waren. Im Laufe der mythischen Zeitalter tauchen die zwei Teile, in die er zerbricht, nacheinander wieder auf.

Im ersten Zeitalter von Fanes kehrt die erste Hälfte des Juwels zurück, und zwar durch die Murmeltiere, die es für lange Zeit sorgfältig in der Erde verwahrt hatten. Moltina, die große Gründerin des Fanesreiches, auf die das segensreiche Bündnis der Fanes mit den Murmeltieren zurückgeht, ist durch die Kraft der Rayeta in der Lage, die Traumzeit des alten Fanes ins Leben zu singen. Turmin, der vormalige Prinz von Landro, lässt sein Leben im Tal hinter sich, um ihr zur Seite zu stehen und die rechte Ordnung im Fanesreich an seinem Ursprungsfelsen zu erlauschen. Die von weit her kommenden Fanes werden von den Murmeltieren in ihr Reich aufgenommen. Alles wächst, blüht und gedeiht im goldenen Licht der reichlich vorhandenen Sonne, alle wissen um ihren Platz und Namen, und in einem wunderbaren Rosengarten wächst für alle Bewohner des Reiches ein Rosenstrauch. Die kosmische Ordnung wird mit den angemessenen zeremoniellen Festen gewürdigt und gefeiert. Heilige Orte werden angelegt, die bestens gepflegt werden, während die Schätze in der Erde gelassen und genährt werden.

Das alles ändert sich grundlegend im zweiten Zeitalter von Fanes. Es ist das Zeitalter des Getrenntseins, in dem das heilige Wechselseitigkeitsprinzip verlorengeht und die Menschen ihren eigenen Vorteil auf Kosten anderer suchen. Das alte Wissen über die rechte Ordnung geht verloren. Alle mythischen Gestalten sind auf unterschiedlichen Irrwegen unterwegs, von denen keiner zur Rayeta führt. Den eigenen Namen zu vergessen (oder nie zu erfahren) und einen anderen anzunehmen, festigt bei einigen von ihnen die eingeschränkte Identität, die sie angenommen haben. Das bringt den Niedergang des legendären verborgenen Reiches, das nie Kriege geführt hat, mit sich. Es kommt so weit, dass die junge Königin das alte Bündnis mit den Murmeltieren bricht, die bisher über die rechte Ordnung gewacht hatten, und die Rayeta verliert. Spina de Mul stiehlt sie ihr, denn er will sie besitzen, um durch sie zum allmächtigen Magier zu werden. Sie holt den falschen König ins Reich, der seinerseits hofft, durch die Rayeta Zugang zu einem riesigen Goldschatz in der Erde zu bekommen, und ihr verspricht, das Reich mächtiger zu machen als je zuvor. Zwar gelingt es einem verwegenen jungen Mann, mit Hilfe von faulem Zauber Spina de Mul die Rayeta in einem nächtlichen Kampf abzuringen, um durch sie zur Königstochter zu gelangen. Doch hat der geheimnisvolle Stein seine Leuchtkraft verloren und überzeugt den König nicht. Schließlich gelingt es den Murmeltieren, den untröstlichen verhinderten Liebhaber davon zu überzeugen, ihnen die Rayeta zurückzugeben; also verschwindet sie wieder in der Erde. Spina de Mul ist jedoch durch seine Niederlage aufgewacht und besinnt sich auf seinen wahren Namen Shilamuyul, doch noch kann er nichts ausrichten. Dem jungen Mann gibt er den vorläufigen Namen Ey-de-net (Nachtauge).

So nehmen die Dinge weiter ihren Lauf. Der König verhindert die Murmeltier-Einweihung seiner Tochter, um sie, die rechtmäßige Trägerin der Rayeta, unter seiner Kontrolle zu haben, während die Königin resigniert und tatenlos zuschaut. Tatsächlich empfängt die Königstochter mit dem Namen Dolasilla die zweite Hälfte der Rayeta, die in einer Mondnacht von den Sternen herunterfällt, und wird mit einem Hermelinmantel, einem silbernen Bogen und nie fehlenden silbernen Pfeilen ausgestattet. Diese sind dazu da, um den Menschen wieder die richtigen Träume zu bringen, die sie dazu bewegen sollen, bei Tag wieder das Richtige zu tun. Doch der König, der mittlerweile den Zugang zum legendären Goldschatz der Aurona erobern will, bringt sie dazu, sie im Kampf einzusetzen, denn bei Tag sind sie tödlich. Die silbrige magische Kraft des Mondes ist entdeckt, wird aber für die falschen Zwecke verwendet.

In der Tsikuta, der einstige Zeremonienmeisterin der Fanes, die sich seit der Ankunft des falschen Königs mit dem roten Mohn eingelullt hatte, erwacht der Zorn. Sie schleudert einen vernichtenden Blitz, der die ganze Landschaft verwüstet. Er brennt ein Loch in Dolasillas Hermelinmantel, so dass er sie nicht mehr zuverlässig schützt. Daraufhin beruhigt die Tsikuta ihren empörten Sohn Ey-de-Net damit, dass sie ihm einen Hinweis gibt, wie er zu einem Zauberschild kommen könne, um Dolasilla zu beschützen. Dieser verschafft ihm endlich Einlass ins Schloss, und sie zieht trotz eines Warntraums in seiner Begleitung weiter in den Krieg.

Philamon, der alter Salvan,* sitzt indessen auf einem Gipfel, hüllt sich in ein Gespinst von Lichtfäden ein und wendet sich von den Menschen ab. Seine Freundin, die Rabenfrau Trusilla, versteht die Stimme der heiligen Berge nicht mehr, hört stattdessen auf die vielen verwirrenden Stimmen der Menschen und macht sich mit schlauen, doch nicht klugen Ratschlägen wichtig.

Es dauert noch einige Zeit, bis endlich der Punkt erreicht ist, an dem alle Beteiligten merken, welches Unheil sie angerichtet haben und nach und nach aus diesem Alptraum aufwachen. Die Tsikuta beendet ihren Dämmerschlaf und wird von ihrem Bruder Shilamuyul wieder mit ihrem Namen Ishmeira angeredet. Zusammen übermitteln sie Dolasilla drei heilsame Blitze, die ihr den entscheidenden Traum und die Kraft bringen, ihm zu folgen. Ey-de-Net erkennt, dass Liebe etwas anderes ist, als er bisher dachte, und entdeckt zusammen mit der eigentlichen Funktion seines Schildes seinen wahren Namen Elaynad.

Trusilla, vom Wind gebeutelt, wird so von ihrem schlechten Gewissen geplagt, dass sie auf einmal wieder die Stimme der heiligen Berge hören kann und sich an die alten Erzählungen erinnert. Philamon purzelt unsanft von seinem hohen Thron und erinnert sich ebenfalls – an die unvorstellbar lang zurückliegende Ankunft der Rayeta durch die »Mondprinzessin« und an seine Aufgaben als ältester Salvan. Dann ist der Moment da, in dem Dolasilla aus dem Schloss flüchten und sich endlich am Ort ihrer misslungenen Einweihung mit ihrer Murmeltierseele vereinigen kann. Dabei kehrt die erste Hälfte der Rayeta zurück und verschmilzt mit der zweiten. Sie selbst ist jetzt wieder vollständig und trägt den Namen Dolasilla-Luyanta.

Nun hat auch die inzwischen erblindete Königin den Mut, zu flüchten und die Murmeltiere um Verzeihung zu bitten, was die Voraussetzung dafür ist, dass sie zur sehenden Königin Samblina werden kann. Und zum guten Schluss wird der falsche König in seiner letzten Schlacht so vernichtend geschlagen, dass er tatsächlich in wahrer Demut die höheren Mächte um Hilfe anfleht, während er bis dahin ganz ohne sie die Welt nach seinen Maßstäben formen wollte. Die Murmeltiere verzeihen auch ihm, nehmen ihn an und nennen ihn bei seinem wahren Namen Ramanes.

Wie die einzelnen mythischen Wesen zu dem Punkt gelangen, an dem ihre Transformation geschieht, ist höchst unterschiedlich. Manche benötigen einen Anstoß durch andere, die bereits eine Umkehr gemacht haben, oder durch bestimmte drastische Ereignisse, die ihnen die Augen öffnen. Einige erhalten ein ums andere Mal Lehren von hilfreichen Wesen, bis sie endlich zuhören und verstehen, was diese ihnen sagen wollen. Es ist offensichtlich, dass alle auf ihre Weise zur destruktiven Dynamik beitragen, weil alle eine so stark eingeengte Identität angenommen haben, dass sie die Auswirkung ihrer Taten auf das ganze Fanesreich nicht mehr sehen können und sich letzten Endes auch selbst mit ihnen schaden. Man könnte nie den einen »Übeltäter« identifizieren, der an allem schuld ist, während die anderen nur arme Opfer sind. Nicht einmal der falsche König hätte ohne die Kollaboration aller anderen den Untergang des Reiches bewirken können! Doch genau, wie sich alle zusammen in eine Abwärtsspirale hineindrehen, so wendet sich das Blatt auch erstaunlich schnell, sobald sich die ersten aus diesem Strudel befreien und nach und nach die anderen mitziehen. Das sollte auch uns den Mut geben, geleitet von einer neuen Vision, unseren Mitmenschen vorauszugehen und sie damit einzuladen, sich anzuschließen. Die weiteren mythischen Ereignisse geben uns den Rückhalt dafür.

Bis zur Morgendämmerung des dritten Zeitalters lassen alle im Inneren des Berges ihren Wandel tief wirken und bereiten sich auf ihre neuen Aufgaben vor. Sie sollen die rechte Ordnung wieder herstellen, jetzt mit Hilfe von Murmeltier und Hermelin. Das alte Fanesreich können sie nicht mehr retten, doch ein neues kann entstehen, weil ihre Wandlung vollständig ist. Für dieses zukünftige neue Fanes sind beide Hälften der Rayeta wieder eins geworden, wie einst von der Gottheit verfügt. Doch muss das Juwel zunächst noch in der Erde bleiben, um dort weiter heranzuwachsen und eine neue Form anzunehmen. Wenn es dann wieder auftauchen wird, soll es, vereint mit seinem himmlischen Ebenbild, aus dem Herzen aller Menschen strahlen, denn nur damit ist sichergestellt, dass es entsprechend des göttlichen Traumes verwendet werden wird. Dann werden auch die Zwillinge Yimela und Sjuleiki in dieser Welt erscheinen, die bereits im Inneren des Heiligen Berges zusammen mit der Rayeta heranwachsen.

Als endlich Menschen auftauchen, die beginnen, die heiligen Berge wieder zu ehren und die mythischen Schauplätze wiederzuentdecken, wird es Zeit für die königliche Familie von Fanes, diese innere Welt wieder zu verlassen, um ihnen bei ihrer eigenen heilsamen Transformation zu helfen und sie zu lehren, was sie selbst gelernt haben. Auf Geraden Wegen sollen die jungen Fanes ihr Herz klären und der Rayeta entgegengehen, die nur über diese Wege erreichbar ist.

So werden wir auf den sieben Regenbogenwegen den gewandelten mythischen Wesen als Lehrer/innen und Wegbegleiter/innen begegnen und sie genauer kennenlernen.

* Salvans sind kleine hilfreiche Wesen, die im Inneren des Berges die Schätze hüten und auf den Gipfeln Sonnen-, Mond-oder Sternenlicht zu Fäden verspinnen können.

Pilgern: sich bewegen, um der lebendigen Erde mit kristallklarem Herzen zu begegnen

Herz aus KristallFunkelnde Wellen wogenWeit offen das Tor

Im ersten Zeitalter von Fanes trug Moltina die Rayeta, die von den Murmeltieren in der Erde verwahrt worden war, auf ihrem Nabel. Sie hatte ein mildes, fast nach innen gerichtetes Leuchten, und das gab ihr die Kraft, das Fanesreich ins Leben zu singen. Moltina ließ sozusagen die Leuchtkraft der Rayeta bis in ihr Herz aufsteigen, das von diesem Licht überfloss. Das waren die Klänge, die sie in die Landschaft hineinsang. Wenn sie früh morgens mit den Murmeltieren aufstand, um am Ursprungsfelsen zu singen und der Morgenstern am Himmel stand, dann schien es ihr, als funkle von dort oben das Gegenstück zu der Rayeta, die sie auf ihrem Nabel trug, zu ihr herunter. Obwohl sie eigentlich nur eine Hälfte des Juwels bei sich hatte, war sie dennoch mit der anderen verbunden.

Im zweiten Zeitalter war Dolasillas »neue« Rayeta, die vom Abendstern her zu ihr heruntergefallen war, an einem Stirnband aus Hermelinfell befestigt. Diese Hälfte des unvergleichlich strahlenden Steins strahlte brillant nach außen, so hell, dass sie sicherlich bei Nacht mit den silbernen Pfeilen ihr Ziel genau getroffen hätte. Sie hätte auf den Punkt zwischen den Augenbrauen zielen sollen, durch den die transformierende Träume, die von den Pfeilen gebracht worden wären, in die schlafenden Menschen eingedrungen wären. Die erste Hälfte der Rayeta war wieder in der Erde verschwunden und ohne ihre Murmeltierseele nicht für sie zugänglich. Die Hermelinmedizin, die zu ihr gekommen war, konnte sie ohne ihr Murmeltierwesen nicht meistern: Hohe Kräfte von oben nutzen nicht viel oder schaden sogar, wenn die Verbindung zur Erde verlorengegangen ist. Als sie dann zu Dolasilla-Luyanta wurde und sich beide Hälften der Rayeta in ihren Händen wiedervereinten, hielt sie den Stein aller Steine vor ihrem Herz. Im Herzen kommen Oben und Unten zusammen und sind im Gleichgewicht. Aus ihm heraus zu entscheiden und dann mit liebendem Willen zu tun, wofür man sich entschieden hat, hat konstruktive Kraft. Es lässt uns zu verantwortungsbewussten Mitschöpferinnen und Mitschöpfern von Realität werden.

Das Herz ist auch das Tor zur Seele, zu dieser ganz besonderen Essenz, die unsichtbar ist, sich jedoch im sichtbaren physischen Körper einnistet, um in dieser Welt zu wirken. Auch sie vereint himmlische und irdische Qualitäten, weil sie zwischen Geist und Materie steht. Aus ihr kommt unser göttlicher kreativer Funke; das heißt, durch sie wirken die Schöpfungskräfte, sei es die Weltseele oder unsere individuelle Seele. Im Zusammenhang mit den Regenbogenwegen werden wir wieder darauf zurückkommen.

Worum es aber jetzt gehen soll, ist die Bedeutung des kristallenen Herzens. Unter Kristall stellt man sich ja im allgemeinen etwas Hartes und Kantiges vor, beides nicht gerade Eigenschaften, die man dem Herz zuschreiben würde. Man sollte sich das kristallene Herz als klar und brillant, doch fluide vorstellen: so etwas wie dickflüssiger Kristall. Gemeint ist ein Herz, das alles, was es getrübt und betrübt hat, umgewandelt hat. Betrachtet man Wasser, das durch aufgewirbelten Sand trüb geworden ist, dann wird man feststellen, dass man nur warten muss, bis der Sand sich abgesetzt hat, damit das Wasser wieder klar wird. Sobald man aber den Sand wieder aufwirbelt, wird auch das Wasser wieder trüb. Um das Herz dauerhaft zu klären, wird es also mehr bedürfen, als nur Zeit verstreichen zu lassen, in der es nicht aufgewühlt wird. Es liegt in der Natur des Herzens, dass es bewegt ist, und dieses zu verhindern, wäre tatsächlich verhängnisvoll: Das Resultat wäre ein erstarrtes, nicht ein kristallklares Herz.

Dolasilla-Luyantas Herz wurde kristallklar, als sie die gerade wieder vereinte Rayeta tief im Heiligen Berg für alle Menschen dieser Erde hergab. Um unser Herz kristallen werden zu lassen, wird es auch für uns notwendig sein, zum Geben von Herzen zu finden. Ein Herz, das sich bedürftig fühlt oder sich ängstlich zusammenzieht, weil es etwas verlieren könnte, wird nie strahlen können, weder nach innen noch nach außen. Geben weitet, wenn es Freude bereitet. Freude ist ein leuchtendes Gefühl, um so mehr, wenn es die Vorfreude auf den unvergleichlich strahlenden Stein ist. Der Mythos spricht von der heiligen Flamme der Sehnsucht nach der Rayeta, die wir an einem bestimmten Ort in der Landschaft sehen können und die in unserem eigenen Herz zu brennen beginnt, sobald es klar genug geworden ist. Nur in einem kristallenen Herzen kann diese Flamme brennen, ein gewöhnliches würde sie verzehren. Ja, Sehnsucht kann uns verzehren! Doch im kristallenen Herz wird diese Ur-Sehnsucht der Seele zur Vorfreude auf die Rayeta, denn ein solches Herz ist von liebendem Willen bewegt und hat sich dafür entschieden, an der Manifestation der großen Vision schöpferisch mitzuwirken. Die heilige Flamme sorgt dafür, dass das Kristallherz immer flüssig bleibt und klar genug, um das farbige Licht der Seele durch es durchschimmern zu lassen. Nur ein kristallklares Herz wird den Zugang zum vollen Potential der verkörperten Seele gewährleisten. Ist dieses Tor einmal offen, dann wird die Seele Schönheit schaffen wollen und die alten Seelendramen hinter sich lassen. Sie wird, vom Geist inspiriert, die Schöpfungskräfte auf ihre einmalige Art durch sich wirken lassen und sich dabei ihrer Zugehörigkeit zur Seele der Welt bewusst sein.

Das kristallene Herz ist mitfühlend, nicht mitleidend, und erlaubt deshalb der aufblühenden Seele, verantwortungsvoll, liebevoll und freudig für die Erde und ihre Wesen zu sorgen, anstatt sie aus Angst davor, nicht genug zu haben, dominieren und kontrollieren zu wollen. Anders ausgedrückt: Das kristallene Herz ist ein großartiges Instrument für die Transformation, die zum Zeitalter des Wiederzusammenkommens führen wird. Es trägt eindeutig die Handschrift des göttlich Weiblichen, das uns auf die Rayeta vorbereiten will. Die große Göttin, im Neuen Mythos von Fanes Mondprinzessin genannt, hat es uns geschenkt, damit wir dieses Mal für die Rayeta reif sein werden, wenn sie in neuer Form zurückkehren wird. Dann wird es unser aller kristallenes Herz sein, das den unvergleichlich strahlenden Stein in sich aufnehmen beziehungsweise sich in ihn verwandeln kann.

Der Gang auf den sechs Geraden Wegen, geformt von den Strahlen der zukünftigen Rayeta, die schon jetzt in der Welt wirken, ist dazu da, unser Herz so klar werden zu lassen, dass wir auf dem siebten, dem ringförmigen Weg wieder zusammenkommen können. Die Kunst des Gebens wird uns auf all diesen Wegen in unterschiedlicher Färbung begegnen und uns erst zu wahren Pilgern machen, die heiligen Orten etwas bringen wollen, um sie zum Wohle von allen zu stärken. So werden wir zu wahren Pilgern und bahnen dem Pachakuti des kristallenen Herzens den Weg.

Geben und Nehmen sind grundlegende Vorgänge in dem komplexen Beziehungsgefüge, das wir die Welt nennen. Genauer gesagt sind sie das, was die Welt zusammenhält. Ist das Verhältnis zwischen beiden gestört, stellt sich ein Ungleichgewicht ein, das schließlich zu einer Stagnation des Flusses durch die Stränge des Weltgewebes führen kann, was sich in der Form von Krankheit eines Menschen, einer Gesellschaft, eines Ökosystems oder gar der ganzen Erde (und damit auch der Weltseele) äußern wird. Dies wird sofort verständlich, wenn man sich klarmacht, dass sich alle Wesen von anderen nähren und ihnen wiederum Nahrung geben. Betrachtet man die Erde selbst und alles, was zu ihr gehört, als lebendig, also auch die mineralische Welt und die Luft, die wir atmen, dann gilt dies auch für Pflanzen und Pilze. Wenn nun manche Wesen zu viel nehmen (essen), weil sich zu viele von ihnen in einem Lebensraum aufhalten oder weil ihr Verhalten zu gefräßig beziehungsweise verschwenderisch geworden ist, wird ihnen alsbald die Nahrung ausgehen. Um so mehr wird dies der Fall sein, wenn es an anderen Wesen mangelt, die sich von ihnen ernähren und damit eine regulierende Funktion ausüben. All das ist simple Biologie, doch gilt das gleiche Prinzip auch im Geistigen, das ja eine »verdünnte« Form des Materiellen ist, wie ich bereits in meinem Buch »Seele der Landschaft – Landschaft der Seele« näher ausgeführt habe.

Unsere Vorfahren haben, genau wie heutige indigene Völker, diese natürlichen Vorgänge genauestens beobachtet und verstanden, dass es sich hier um ein grundlegendes Gesetz des Lebens handelt: das heilige Wechselseitigkeitsprinzip. In den Anden nennt man es Ayni, was meistens mit »heute für mich, morgen für dich« umschrieben wird. Es ist für die Menschen dort ein ethischer Grundsatz, in Ayni zu leben. Wenn ich will, dass ich genügend zu essen habe, werde ich von mir aus diejenigen Wesen füttern, die dazu beitragen, dass beispielsweise mein Getreide gut wächst und meine Herde gesund bleibt. Das schließt selbstverständlich auch die unsichtbare Welt ein. Vernachlässige ich meine Gaben, dann werden sie hingegen etwas von mir nehmen müssen, und das könnte sehr unangenehm für mich werden. Krankheiten sind ein Zeichen dafür, doch auch soziale Störungen oder ungünstige Wetterbedingungen. Dämmert uns da etwas?

Medizinpersonen haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Fluss von Ayni in Gang bleibt oder wiederhergestellt wird, sollte er irgendwo zum Stillstand gekommen sein. Nichts ist mehr zu fürchten als Stagnation, denn nur daran könnte tatsächlich das ganze Universum zugrundegehen. Solange sich etwas bewegt, kann alles umgewandelt werden, auch das Schlimmste. Nach diesem Verständnis ist das, was wir den Tod nennen, nur ein Durchgangsstadium in einem großen Transformationsprozess. Würde das Weltgewebe jedoch erstarren, weil der Fluss von Ayni vollkommen zum Erliegen gekommen wäre, dann würde es tatsächlich auseinanderfallen und die Schöpfung müsste von vorne beginnen. Stagnation ist also das einzige, was zu fürchten ist und muss daher unter allen Umständen vermieden werden. Betrachtet man die Dinge unter diesem Gesichtspunkt, dann ist es offensichtlich, dass es nie eine Lösung sein wird, das Leben zu stoppen oder immer mehr Mauern zwischen uns und unseren Mitwesen aufzustellen. Schließlich ist ja gerade das Getrenntsein das Leiden dieses Pacha (dieser Raumzeit), die vom Taripay Pacha, der Raumzeit des Wiederzusammenkommens abgelöst werden soll, in der Ayni ungehindert durch alle Stränge des Weltgewebes fließen wird.

Was den Fluss erzeugt, ist die Spannung zwischen den Polaritäten, die folglich nicht aufgehoben, sondern nur fein ausbalanciert werden sollen, denn genau durch sie ist das Spiel des Lebens, das Pukllay Kawsay, erst möglich. Wo sie in einem dynamischen Kräftegleichgewicht zusammenkommen, entsteht hingegen eine Einheit auf einer höheren beziehungsweise umfassenderen Ebene, wie es bei der Wiedervereinigung der beiden Hälften der Rayeta bereits geschehen ist. So ist auch das prophezeite Zusammenkommen von Sonne und Mond, Gold und Silber in der »Verheißenen Zeit« zu verstehen, wenn die Rayeta auf einer goldenen und silbernen Scheibe in eine erneuerte Welt zurückgekehrt sein wird, in der dann obere, untere und mittlere Welt vereint sein werden.

Aus dem Prinzip von Ayni heraus wird auch verständlich, wieso es in der Kultur der Inka keinen Handel gab, etwas, das für uns Europäer vollkommen unvorstellbar ist. Keine Märkte, keine Geschäfte, Geld sowieso nicht, aber auch kein Tauschhandel? Wenn ich das jemandem zu erklären versuche, stoße ich meistens auf ungläubiges Staunen. Wie kann so etwas überhaupt funktionieren? Wohlgemerkt, es handelt sich nicht um Kommunismus, wie manche meinen, denn auch in ihm gibt es Handel. In wenigen, noch intakten Ayllus (Gemeinschaften auf der Basis von Ayni) in den Anden, kann man noch einiges von dem sehen, wie es einmal war. Ein Ayllu ist nie ein einzelnes Dorf, sondern besteht aus mehreren Siedlungen auf einem vertikalen Streifen Land, der mehrere Vegetationsstufen umfasst. So wird es möglich, dass sich auch die Bewohner der höhergelegenen Bereiche, wo nicht mehr viel wächst, ausgewogen ernähren können. Alle bearbeiten ihr eigenes Stück Land, doch sollte einmal die Ernte nicht ausreichend sein, helfen die anderen aus: Heute für mich, morgen für dich. Das gleiche gilt für anfallende Arbeiten – sei es für einen einzelnen Haushalt oder etwa für das gemeinsam betreute Bewässerungssystem, die eine größere Zahl von Personen beziehungsweise Personen mit speziellen Kenntnissen erfordern. Es werden auch gemeinsame Vorräte angelegt und einzelne Felder gemeinschaftlich bewirtschaftet, auf denen das wächst, was als Gaben für die heiligen Orte benötigt wird.

Man pflanzt also etwas mehr an, als man für sich selbst benötigt, jedoch nicht, um den Überschuss zu verkaufen, sondern um für die Gemeinschaft mitsorgen zu können, wozu auch die nichtmenschlichen Wesen (zum Beispiel Insekten, aber auch der Hagel) gehören. Das ist ein großer Unterschied zu »nachhaltigem Wirtschaften«, bei dem man von der Erde so viel nimmt, wie sie gerade noch verkraften kann.

Der Vorsteher eines Ayllu hat dafür zu sorgen, dass alle haben, was sie brauchen, und alle ihren Teil dazu beitragen. Nicht umsonst war in der Inkazeit Faulheit das größte Verbrechen! Doch gab es in ihrer Kultur nicht nur Bauern, sondern auch zum Beispiel Kunsthandwerker, Architekten, Gelehrte, Spezialisten für Zeremonien und so weiter, die ebenfalls erhielten, was sie zum Leben brauchten. Erben konnte man jedoch nichts, denn dies würde ein großes Ayni-Problem bedeuten: Es würde einem Menschen einen unverdienten Vorteil gegenüber anderen verschaffen. Also gingen das Stück Land, für das jemand gesorgt hatte, (das ist ein anderes Konzept als Besitz!) und sein Haus zurück an die Gemeinschaft und wurden neu vergeben, so wie es auch heute noch in einem funktionierenden Ayllu ist.

Und das ist der springende Punkt: Ohne Handel gibt es kein Konzept von Profit gegenüber (oder auf Kosten von) anderen. Und es ist genau das Streben nach einem Vorteil gegenüber anderen, wo Konkurrenz viel wichtiger ist als Kooperation, das uns in den Zustand des Getrenntseins gebracht hat: das zweite Zeitalter von Fanes. Wollten wir es wagen, eine neue Gesellschaftsordnung auf der Basis von Ayni zu schaffen, dann wäre es natürlich eine große Frage, was wir denn zum Leben brauchen, was also für alle Menschen verfügbar sein sollte. Und das ist in unserer Kultur sicherlich eine viel kompliziertere Frage, als es bei den Inka war. Eines ist jedoch klar: Wir würden höchstwahrscheinlich viel weniger überflüssige Dinge produzieren, die nur deswegen hergestellt werden, weil eine Firma sich gegenüber einer anderen einen Marktvorteil verschaffen will. Pachamama, die lebendige Erde, würde das sicherlich sehr schätzen.

Unseren Sinn für einen heiligen wechselseitigen Austausch zu schärfen, ist also von grundlegender Bedeutung, wenn wir zu einer Art des Pilgerns finden wollen, dessen Ziel eine Begegnung mit der lebendigen Erde ist. Ayni ist keine Kalkulation, sondern ein gefühlter Zustand von »rechter Beziehung«.

Wenn wir Ayni mit Pachamama wiederherstellen wollen, müssen wir selbst den ersten Schritt tun und erst einmal geben. Dies wiederum lässt unser Herz klarer und klarer werden, und um so leichter werden wir geben. Doch auch das Empfangen will gelernt sein. Es hat mit Nehmen zu tun, ist jedoch nicht ein und dasselbe. Nehmen heißt noch nicht, etwas tatsächlich aufzunehmen, Empfangen hingegen schon. Ein verschlossenes Herz hat nicht nur Schwierigkeiten zu geben, sondern auch zu empfangen. Es lässt nichts in sich ein und kann nichts aus sich herausholen. Angenommen, ich verstehe die Notwendigkeit des Gebens und fange an, es zu praktizieren, auch wenn mein Herz noch nicht ganz dabei ist. Doch kann ich den Fluss von Ayni wieder in Gang bringen, wenn ich mich zwar zu geben bemühe, jedoch nicht in der Lage bin zu empfangen?

Die Wesen, die ich füttere, werden mir etwas zurückgeben wollen, sei es vitale Lebenskraft, Freude oder Inspiration. Wenn ich es nicht annehme, kann ich keine Beziehung mit ihnen anknüpfen, denn sie erreichen mich nicht. Ich selbst werde enttäuscht sein (und sie auch) und mich immer schwerertun, zu geben, weil ich nichts zu mir zurückkommen spüre. Meine hungrige Seele wird wieder nicht genährt werden, weil das Tor zu ihr verschlossen bleibt. Also gilt auch hier: Trennen ist sinnlos; Geben und Nehmen bilden eine Einheit. Selbst wenn mein wahrgenommenes Ayni-Defizit riesengroß ist, verlangt es die kosmische Ordnung, dass ich gebe und mich dafür öffne, zu empfangen. Nach und nach wird sich das Verhältnis zwischen beidem verschieben, das ist alles.

Es ist eine Frage von Liebe, um die es geht, wenn wir unsere Beziehung mit Pachamama in Ordnung bringen wollen, die unsere eigentliche Mutter ist. Eine Liebesbeziehung erfordert immer beides: Geben und Empfangen. So viel Schaden wir Menschen ihr auch mit unserem falschverstandenen freien Willen zufügen können, wenn es kein liebender Willen ist, so sind wir doch auch diejenigen Geschöpfe, die in der Lage sind, sie zu lieben. Und unsere Gaben werden sie nur dann überzeugen, wenn sie aus Liebe gegeben sind. Das ist das Geben, das Freude bereitet! Tatsächlich ist es allein durch unsere Fähigkeit zu lieben möglich, dass wir überhaupt Ayni mit unserer Mutter Erde wiederherstellen können. Zweifellos kann sie auch ohne uns leben und sitzt an einem weitaus längeren Hebel als wir. Es sind wir, die auf sie angewiesen sind und nicht sie auf uns. Doch macht es eine Mutter traurig, wenn sie ihre Kinder verliert. Bliebe ihr eines Tages nichts anders übrig, als uns zu verschlingen, wäre das nichts anderes als eine Rettung in höchster Not ihrerseits. Sie will uns wachsen und gedeihen sehen und gibt unserer verkörperten Seele großzügig, was wir dafür brauchen. Wenn wir uns jedoch selbst das Wasser abgraben, dürfen wir uns nicht darüber beklagen. Sie ist ein mächtiges Wesen und verlangt von uns, dass wir lernen, ihr mit dem angemessenen Respekt zu begegnen, wozu auch gehört, ihr von dem Überfluss, den sie uns beschert, etwas zurückzugeben, damit sie uns weiter erhalten und nähren kann. Wie der falsche König die Schätze, die in ihrem Inneren verborgen sind, auszurauben, ist einer der größten Fehler, den wir machen können, denn aus diesen inneren Bereichen nähren sich die Wurzeln des Lebensbaumes.

Wenn wir die enorme transformative Kraft des kristallenen Herzens einmal gespürt und die heilsame Wirkung, die ein tiefempfundener wechselseitiger Austausch mit anderen Wesen auf uns hat, selbst erfahren haben, werden wir verstehen, wieso Pilgern, um Pachamama mit liebendem Willen zu füttern, eine so bedeutsame rituelle Handlung ist, um die Welt wieder in die rechte Ordnung zu bringen. Die Impulsivität und Rücksichtslosigkeit, mit der die Erde im Augenblick ausgebeutet wird, sind ein deutliches Zeichen für ein drastisches Ungleichgewicht in der Polarität von weiblichem und männlichem Prinzip. Deshalb steht die gegenwärtige Weltumkehr, der Pachakuti, im Zeichen des kristallenen Herzens als göttlich weiblichem Attribut.

Wie ich in »Seele der Landschaft – Landschaft der Seele« ausführlich beschrieben habe, sprechen die Weisheitshüterinnen und -hüter der Andentradition von einer großen weltumspannenden Pilgerroute, genannt Ruta de Wiraqocha