Das Riesling-Ritual - Sigrid Ramge - E-Book

Das Riesling-Ritual E-Book

Sigrid Ramge

4,6

  • Herausgeber: Silberburg
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Kriminalkommissarin Irma Eichhorns kleptomanisch veranlagte und mannstolle Mutter Helga lernt auf dem Cannstatter Frühlingsfest den Taschendieb Luigi Baresi kennen. Gemeinsam gehen sie auf Diebestour. Unbeabsichtigt stirbt dabei ein Exhibitionist. Luigi verschwindet aus Stuttgart - doch Monate später taucht er wieder bei Helga auf. Aber Luigi ist kein Glück beschieden: Nach einer erneuten Diebestour auf dem Stuttgarter Sommerfest wacht er am Eugensplatz neben einer Leiche auf. Die Kripo stellt zwar bald fest, dass Luigi nicht der Mörder der jungen Frau ist, aber er muss wegen seiner Diebstähle hinter Gitter. Auf der Suche nach dem Mörder vom Eugensplatz stoßen Kriminalhauptkommissar Schmoll und sein Team auf einen skurrilen Verdächtigen nach dem anderen. Nachdem schließlich ein Geständiger verhaftet worden ist, scheint der Fall gelöst. Aber da kommt ein junger Mann auf mysteriöse Weise ums Leben. Irma ahnt als Einzige Zusammenhänge zwischen den beiden Todesfällen und ermittelt auf eigene Faust. Ihre Nachforschungen führen sie bis nach Sizilien …

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Seitenzahl: 330

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Sigrid RamgeDas Riesling-Ritual

Sigrid Ramge

Das Riesling-Ritual

Ein Baden-Württemberg-Krimi

 

Sigrid Ramge, geboren in Bad Köstritz in Thüringen, studierte Musik, später Gartenarchitektur. Sie ist seit über dreißig Jahren in Stuttgart zu Hause. Neben mehreren Büchern sind von ihr Kurzkrimis in verschiedenen Anthologien erschienen. Sigrid Ramge leitete zehn Jahre lang die Schreibwerkstatt an der Universität Stuttgart/Studium Generale. Sie ist Mitglied des Schriftstellerverbandes Baden-Württemberg. Von Sigrid Ramge sind im Silberburg-Verlag bereits die Stuttgart-Krimis »Tod im Trollinger«, »Cannstatter Zuckerle« und »Lemberger Leiche« erschienen.

Weitere Informationen im Internet:www.sigrid-ramge.de

1. Auflage 2014

© 2014 by Silberburg-Verlag GmbH,Schönbuchstraße 48, D-72074 Tübingen.Alle Rechte vorbehalten.Umschlaggestaltung: Christoph Wöhler, Tübingen.Coverfoto: © zoom-zoom – iStockphoto.Druck: CPI books, Leck.Printed in Germany.

E-Book im EPUB-Format: ISBN 978-3-8425-1626-7E-Book im PDF-Format: ISBN 978-3-8425-1627-4Gedrucktes Buch: ISBN 978-3-8425-1318-1

Besuchen Sie uns im Internetund entdecken Sie die Vielfalt unseres Verlagsprogramms:www.silberburg.de

Inhalt

Prolog

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Epilog

Herzlichen Dank

Prolog

Stuttgarter Weindorf

Die Eröffnungsfeier des 35. Stuttgarter Weindorfs verzögerte sich. Das lag nicht nur an dem Gewitterschauer, der die Gäste im Innenhof des Alten Schlosses unter die Arkaden drängte, sondern auch an Stuttgart 21. Vor den Absperrgittern im Hof und den Toren des Schlosses standen Projektgegner, die mit Plakaten und lautstarken Chören »Schuster weg!« und »Oben bleiben!« verlangten. Halb so schlimm eigentlich, denn vor einem Jahr hatten hier wesentlich mehr Demonstranten protestiert. Damals hatten Abrissbagger zeitgleich und gierig damit begonnen, den Nordflügel des Hauptbahnhofes bis auf die Fundamente abzunagen. Am Tag der diesjährigen Eröffnungsfeier fanden zwar keine Abriss-Aktionen statt, aber vorsichtshalber hatte der Veranstalter Sicherheitskräfte und Polizisten vor Ort gestellt. Derartig bewacht, konnte die schwäbisch-stimmungsvolle Feier mit nur einer Stunde Verspätung beginnen.

Zwischen den Ehrengästen saß ein Herr, seines Zeichens mittelhoher Beamter des Ministeriums für Ländlichen Raum und von Beruf Weinbauingenieur. Gemeinsam mit seiner Gattin lauschte er den Reden des Innenministers und Oberbürgermeisters, die leider teilweise in den Pfiffen der Demonstranten untergingen. Die Gattin begann verschämt durch die Nasenlöcher zu gähnen. Da man aber im Schlosshof sehr gemütlich saß, der Regenschauer überstanden war und die Sonne wieder lachte, der württembergische Wein nicht ausging und dazu allerlei gute Häppchen angeboten wurden, schwanden die Stunden rasch und angenehm dahin.

Die Feier ging friedlich zu Ende, und die geladenen Gäste huschten durch den Hinterausgang, um sich nicht an den Stuttgart-21-Gegnern zu reiben. Obwohl der stattliche Weinbaubeamte und seine kleine mollige Gattin nicht mehr zu den Jüngsten gehörten, hatten sie bis zum Schluss durchgehalten. Untergehakt und gut gelaunt machten sie sich eine Stunde vor Mitternacht auf den Heimweg.

Es gelang ihnen, ohne wesentlich zu wanken, den Schillerplatz zu überqueren, der vor Leuten wimmelte, da die Weinlaubenwirte Feierabend machten. Vom Menschenstrom mitgezogen, passierte das Ehepaar das Nadelöhr der Schiller-Passage und strebte zur U-Bahn-Haltestelle am Schlossplatz. Im Untergrund auf dem Hochbahnsteig herrschte enormes Gedränge – und deswegen war nicht gleich festzustellen, weshalb die Gattin des Weinbauingenieurs auf die Gleise stürzte. Zwar konnte die U 15 rechtzeitig bremsen, aber der Notarzt diagnostizierte einen tödlichen Genickbruch.

Noch bevor die Polizei eintraf, brach der Herr Weinbauingenieur zusammen und wurde mit Verdacht auf Schlaganfall unverzüglich ins Robert-Bosch-Krankenhaus gebracht.

Kriminalhauptkommissar Schmoll vom Stuttgarter Morddezernat leitete vor Ort die ersten Ermittlungen. Leider ergaben sich dabei keine Aufschlüsse über den Ablauf des Unglücks.

Sobald der schlaganfallgeschädigte Weinbauingenieur vernehmungsfähig war, suchte ihn Schmoll im Krankenhaus auf. Der Patient war zwar durch eine linksseitige Lähmung behindert, aber sein Kopf hatte offenbar keinen Schaden genommen. Der Schmerz um seine Frau schien weniger groß zu sein als die Sorgen, die er sich um seinen Hund machte. Nachdem der Kranke von dem liebenswürdigen goldbraunen Labrador erzählt hatte, nahm er einen Anruf seiner Sekretärin entgegen. Er erfuhr, dass sie den Zweitschlüssel zu seinem Haus in der Schreibtischschublade seines Büros gefunden und, wie gestern telefonisch besprochen, den Hund abgeholt und bei sich aufgenommen habe. Auf diese Nachricht hin lebte der Herr Weinbauingenieur sichtlich auf und beantwortete bereitwillig Schmolls Fragen. Er beteuerte, seine Frau sei auf die Gleise gestürzt, weil sie ein Mann mutwillig angerempelt habe.

»Ein junger Mann mit langen dunklen Haaren und einem Wangenbart. Er ist weggelaufen und die Treppe zum Ausgang hinaufgerannt.«

Durch diese Aussagen wurde von der Staatsanwaltschaft das Todesermittlungsverfahren zu einem Strafverfahren mit Tötungsdelikt umgewandelt.

Dem Presseaufruf mit der Bitte an Zeugen, sich zu melden, kamen nur wenige Leute nach. Alle hatten die Frau auf den Gleisen liegen sehen, wussten aber nicht, wie sie dahin gekommen war. Den Mann auf dem Phantombild, das nach Angaben des Witwers angefertigt worden war, wollte zwar der eine oder andere gesehen haben, aber niemand kannte ihn. Schmoll kam zu dem Schluss, dass am ersten Tag des Weindorfes keiner auf dem überfüllten Bahnsteig nüchtern genug gewesen war, um irgendetwas genau wahrzunehmen.

Als nach mehreren Wochen kein Tatverdächtiger im Zusammenhang mit dem tödlichen Sturz an der Straßenbahnhaltestelle ermittelt werden konnte, wurde das Verfahren eingestellt.

Eins

Weihnachtlicher Dienstausklang

Im Morddezernat des Stuttgarter Polizeipräsidiums verlief der Vormittag des Heiligen Abends ruhig. Es gab keinen akuten Fall, der Hauptkommissar Peter Schmolls Team aus der wohlverdienten Ruhe hätte aufscheuchen können. Kurz vor Feierabend saßen sie im Chefbüro beim Kaffee und naschten aus einer altmodischen Riesendose von den zwölferlei selbstgebackenen Weihnachtsguatsle, die Kommissar Katz’ Großmutter spendiert hatte. Die junge Kommissarin Irma Eichhorn, die aus Norddeutschland stammte, hatte sich in den drei Jahren, die sie zum Morddezernat gehörte, so gut bei den Schwaben eingewöhnt, dass ihr das Wort Guatsle, wie man hier die Plätzchen nennt, so auf der Zunge zerging wie die Guatsle selbst. Mit vollen Backen blickte sie aus dem Fenster über die kahlen Weinberge hinunter auf Feuerbachs verkehrsreichste Kreuzung, den Pragsattel.

»Es nieselt immer noch«, sagte Irma. »Wer in den Schwarzwald zum Wintersport will, hat Pech gehabt.«

»I ben froh, dass koin Schnee liegt«, sagte Katz. Er biss einem Zimtstern die Zacken ab, streckte seine dünnen Beine von sich und zupfte nachdenklich an seinem Lippenbärtchen. »Da ka mei Oma wenigschtens net ins Rutsche komma. Mit vierondachtzig sollt mr sich net die Knocha brecha.«

»Aber Guatsle kann sie backen wie ein Weltmeister«, sagte Hauptkommissar Schmoll und streichelte sein Feinkostgewölbe, das den Pullover ausbeulte.

Der Bauch passte zu seiner Statur, die alle seine Mitarbeiter klein aussehen ließ. Während er nun ebenfalls ins regnerische Treiben vor dem Fenster sah, verwandelte sich seine Stirn samt Glatze in Wellblech.

Er griff geistesabwesend in die Guatsledose, steckte sich ein zuckergussüberzogenes Lebkuchenherz zwischen die kräftigen Zähne und nuschelte: »In der Zeitung steht, wir hätten bisher den fünftwärmsten Winter seit den Wetteraufzeichnungen von 1881!«

Irma entgegnete: »Aber der Wind bringt es seit ein paar Tagen auf Orkanstärke. Ich komme mir vor wie in Norddeutschland. Meine Mutter behauptete gestern am Telefon, man wird in Hamburg fast von der Straße geweht.«

»Ich denk, die Mama wohnt in Itzehoe?« Schmoll sagte wie immer »Itzehö«.

Irma hatte es sich längst abgewöhnt, ihn zu korrigieren, gab ihm aber die gewünschte Auskunft: »Meine Mam feiert Weihnachten mit dem galanten Kai-Friedrich aus Hamburg, von dem ich euch erzählt habe. Er ist immer noch ihr Favorit. Ich bin froh, dass sie so etwas Solides gefunden hat.«

»Solid und guet bei Kass«, ergänzte Katz und verdrehte seine treuherzigen braunen Dackelaugen vielsagend zur Decke.

Irma zuckte mit den Schultern, warf ihre rotbraune Lockenmähne in den Nacken und sagte grinsend: »Jedenfalls ist er kein sparsamer Schwabe.«

»Das saß«, sagte Schmoll und warf bedächtig vier Stück Würfelzucker in seinen Kaffee.

Er kannte zwar diesen soliden Kai-Friedrich nicht, aber er und auch Katz kannten Mama Eichhorn von einem gemeinsamen Ausflug auf den Feuerbacher Lemberg. Bei dieser Wanderung waren sie über eine Leiche gestolpert, die die Mordkommission in Atem gehalten hatte.

Eine halbe Stunde später wünschten sich Schmoll, Katz und Irma schöne Weihnachten und machten sich auf den Heimweg.

Irma freute sich auf ihren Freund Leo, Katz auf seine Freundin Ina, mit der er bei seiner Oma feiern würde. Schmoll schob freiwillig Bereitschaftsdienst, weil er niemanden hatte, mit dem er feiern konnte. Es war das dritte Weihnachten, das er ohne Karin, die ihm kurz vor der Silberhochzeit davongelaufen war, verbringen musste.

Zwei

Turtelurlaub und Mama Eichhorn

Für Irma war das Jahr 2011 turbulent gewesen. Erst hatte sie der Mord am Feuerbacher Lemberg in Atem gehalten, und als der endlich aufgeklärt war, folgten sofort anstrengende Tag- und Nachtschichten wegen weiterer schwieriger Fälle. Außerdem musste sie ihr Privatleben neu gestalten. Ihr Freund Leo hatte seinen Job als Fitnesstrainer aufgegeben und seinen Wohnsitz von Mallorca zurück nach Stuttgart verlegt. Seitdem unterrichtete er an der Bismarckschule in Feuerbach Sport und Geschichte. Obwohl Irma sich danach gesehnt hatte, Leo in der Nähe zu haben, war der Schritt aus ihrem gewohnten Single-Leben in die Zweisamkeit nicht einfach gewesen. Leo war im Herbst bei Irma in der Thomastraße eingezogen. Irmas Wunschvorstellung von einer größeren gemeinsamen Behausung ließ auf sich warten. Trotz aller Liebe wurde es in ihrer kleinen Wohnung ziemlich eng. Im Gegensatz zu Irma gefiel Leo das, jedenfalls machte er keine ernsthaften Versuche, für sie beide eine größere Wohnung zu finden.

»Nächstes Jahr«, sagte er fast jeden Abend zu Irma und verteilte zwischen jedem Wort kleine Tupferküsse auf die Sommersprossen in ihrem Gesicht, »nächstes Jahr suchen wir uns eine Wohnung zwischen den Weinbergen in Halbhöhenlage und gucken jeden Abend runter auf die Lichter Stuttgarts oder in den Sternenhimmel. Und zwischendurch …«

Irma entließ einen Glücksseufzer und genoss seine Liebkosungen. Im Bett war der Platzmangel in der Wohnung kein Problem.

In den letzten Tagen des alten Jahres verlebten sie gemeinsame Urlaubstage. Weder Irma noch Leo hatten ihre Ferien je daheim verbracht. Nun machten sie die arbeitsfreien Tage zu Flitterwochen. Sie kamen morgens nicht aus den Federn, bekochten sich gegenseitig und machten weite Spaziergänge, die bei dem sonnigen Wetter vermehrt Frühlingsgefühle auslösten. Eifrig erkundeten sie die Gegend um Stuttgart und nebenher sich gegenseitig. Sie wanderten von Schloss Solitude zum Bärenschlössle und über den Feuerbacher Höhenweg zum Kotzenloch, in dem voriges Jahr die »Lemberger Leiche« gelegen hatte.

An einem Vormittag, an dem ein blauer Himmel und eine strahlende Sonne den Dezember verspotteten, entschlossen sie sich zu einem Ganztagsausflug. Zuerst fuhren sie mit der Straßenbahn quer durch Stuttgart nach Obertürkheim. Dort begann der Weinwanderweg durch die schönsten Reblagen Stuttgarts, der hinauf nach Uhlbach führte.

Auf halber Strecke überholte sie ein schnittiger Sportwagen, der ihnen schon in Obertürkheim aufgefallen war, wo er vor einem Appartementhaus gestanden hatte.

»Ein echter Porsche«, sagte Leo ehrfurchtsvoll, während der knallrote Flitzer in unerlaubt flottem Tempo die nächste Kurve nahm.

»Nur kein Neid«, sagte Irma, die mit Autos nicht viel am Hut hatte. »Ich verstehe nicht, wieso jemand bei so schönem Wetter in einem Luxusschlitten spazieren fährt, anstatt zu wandern.«

Leo grinste und legte einen Schritt zu: »Vielleicht sind die beiden, die in dem Flitzer saßen, nicht so fit wie wir!«

»So stolz, wie die ihr Köpfchen gehalten hat, damit ihr Kopftuch malerisch im Fahrtwind flattern konnte, sah sie nicht aus, als ob sie gehbehindert wäre – und der Kerl mit seiner affigen Rennfahrermütze auch nicht.«

»Vielleicht hat er eine Glatze und friert ohne Mütze«, schlug Leo vor.

»Kann sein.«

Nach einer Stunde kamen sie in Uhlbach an. Vor dem Gasthaus »Beim Hasenwirt« stand der rote Porsche.

Leo studierte die ausgehängte Speisekarte und sagte: »Wenn wir uns schon keinen Porsche leisten können, so haben wir doch immerhin genug Knete, um hier einzukehren.«

Im Gastraum entdeckte Irma an einem Tisch in einer hinteren Ecke den Porschefahrer. Ohne seine Rennfahrermütze sah er mit seinen kurzen Locken und dem griechischen Profil unglaublich gut aus. Die Frau hatte das Kopftuch abgelegt und offensichtlich nach der flotten Fahrt schon ihr Make-up und ihre halblangen, glatten, blonden Haare in Ordnung gebracht.

Als die zwei später Händchen haltend zum Ausgang gingen, stellte Leo fest: »Die beiden passen zu ihrem Porsche!«

Nach einem prüfenden Blick auf die beiden entgegnete Irma: »Sie ist mindestens fünfzehn Jahre älter als ihr Beau.«

Irma und Leo gönnten sich eine deftige Maultaschenmahlzeit und tranken dazu eine ganze Flasche Rotenberger Schlossberg. Eingestimmt und beschwingt vom Wein beschlossen sie, das Uhlbacher Weinbaumuseum zu besichtigen, und bestaunten eine Stunde lang die Ausstellung über 2000 Jahre Weinbaugeschichte. Danach ging es weiter über Serpentinenwege zwischen den Rebenreihen hinauf zum Württemberg. Die Weinstöcke hielten Winterschlaf. Ihre knorrigen Stämme regten Irmas Fantasie an.

»Sie stehen in Reih und Glied wie verhutzelte Soldaten, die gern losmarschieren würden, wenn sie nicht angebunden wären!«

Endlich erreichten sie das Weindorf Rotenberg. Seit Irma das erste Mal vor zwei Jahren die Grabkapelle mit der grünschimmernden Kuppel von weitem inmitten der Weinberge gesehen und ihr Schmoll von der Zarentochter Katharina erzählt hatte, nannte Irma dieses Tempelchen den schwäbischen Tadsch Mahal. Nun stand sie endlich davor, und die Kapelle erschien ihr aus der Nähe genauso märchenhaft wie aus der Ferne.

Nachdem sie und Leo die Freitreppe emporgestiegen waren, umrundeten sie das Gebäude. Bei dem Rundumblick auf Stuttgart und das Neckartal blieb ihnen buchstäblich die Luft weg.

Als sie später die Kapelle betreten wollten, stand der Porschefahrer vor dem Portal.

Seine Beifahrerin trat mit dem Fotoapparat zurück, zeigte affektiert auf die goldenen Lettern über dem Portal und las theatralisch die Inschrift: »Die Liebe höret nimmer auf.«

Nachdem sie den Schönen oft genug abgelichtet hatte, küsste sie ihn und hakte sich besitzergreifend bei ihm ein. Irma und Leo sahen ihnen nach, wie sie die Freitreppe hinunterschritten.

»Ein Porsche fahrendes Zarenpaar«, sagte Irma kichernd.

Als sie den Kuppelsaal der Kapelle betraten, sagte Irma begeistert: »Wie das Pantheon in Rom!«

Der Satz schwebte in die Kuppel und hallte dort feierlich nach. Die Akustik war so prägnant, dass Irma und Leo nur noch flüsterten, um die Zarentochter Katharina und ihren Gemahl König Wilhelm I., der ihr diese Kapelle auf dem Württemberg als ewigen Liebesbeweis hatte errichten lassen, nicht zu stören.

Dann war es Zeit, den Heimweg anzutreten. Sie marschierten durch Obstgärten und Weinberge über den Kappelberg nach Fellbach hinunter. Als sie dort ankamen, war es dunkel und sie fuhren mit der Straßenbahn nach Hause.

Leider ging Irmas und Leos Turtelurlaub abrupt zu Ende. Am vorletzten Tag des alten Jahres erhielt Irma die Nachricht, dass ihre Mutter gestürzt sei und im Hamburger Marienkrankenhaus läge.

Im Morgengrauen des Silvestertags rollte Irma im ICE gen Norden. Da sie keine Platzkarte mehr bekommen hatte, trat sie stundenlang von einem müden Bein auf das andere und hockte sich schließlich zu einer Jugendgruppe im Gang auf den Boden. Die Zeit vertröpfelte langsam und zäh, und Irma dachte wehmütig an die wanderfrohen Tage und wünschte sich sehnlichst in Leos Arme zurück.

Jedenfalls kam sie noch im Jahr 2011 in der orthopädischen Abteilung des Marienkrankenhauses an. Mama Eichhorn fand Irmas Blitzbesuch von Stuttgart nach Hamburg ganz selbstverständlich. Irma hielt Händchen, ließ sich geduldig alle blauen Flecken zeigen und spendete Trost, so gut sie konnte. Der Stationsarzt hatte ihr bereits gesagt, ihre Mutter habe sich bei dem Sturz mehrere Risse in der linken Hüftpfanne zugezogen. Eine Operation wäre nur zu umgehen, wenn das Bein mindestens ein Vierteljahr nicht belastet würde. Das heiße Rollstuhl und für kleine Wege Gehhilfen.

Da Mama Eichhorn nie ernsthaft krank gewesen war und außer bei einer Blinddarmoperation vor mindestens zwanzig Jahren nie im Krankenhaus gelegen hatte, empfand sie ihre Situation als hochgradig unerträglich und ungerecht. Sie stöhnte, drückte die Augen zu und den Kopf ins Kissen.

»Meine Güte, min Deern, Risse in der Hüftpfanne! Ich wusste ja nicht mal, dass ich so eine Pfanne habe. Und nun muss ich wegen diesem dämlichen Ding drei Monate im Rollstuhl sitzen!«

»Der Arzt sagt«, erklärte Irma, »wenn du das Bein belastest, drücke der Oberschenkel in deine angeknackste Pfanne und sie bricht ganz durch.«

»Bricht durch – Gottogott! So ein Gedöns aber auch!«, flüsterte Mama.

»Also, Mam, willst du nun eine aufwendige Operation auf dich nehmen oder mal eine Weile im Rollstuhl sitzen? Kai-Friedrich wird dich sicher gern spazieren fahren. Wo ist er überhaupt? War er bei dem Unfall dabei? Wie ist das denn eigentlich passiert?«

An dieser Stelle wurde Mama Eichhorns Nasenspitze so weiß wie ihr Kopfkissen.

Und während sie von der Katastrophe, wie sie es nannte, berichtete, machte sie lange Pausen und heulte wie ein Schlosshund. Mit Katastrophe meinte sie nicht etwa den Sturz und den Knochenbruch, vielmehr die Trennung von Kai-Friedrich.

Irma wusste, dass Kai-Friedrich Jansen ihrer lebenslustigen, leider leicht kleptomanisch veranlagten Mutter schon vieles verziehen hatte. Er war immer nobel gewesen, weil er in diese quirlige Frau, mit der man viel Spaß haben konnte, bis über seine fast siebzigjährigen Ohren verliebt war. Er hatte ihr sogar vergeben, dass sie voriges Jahr im Casino in Baden-Baden sein Geld verzockt hatte. Geld, das sie ihm überdies vorher geklaut hatte. Diesmal schien das Maß voll gewesen zu sein.

Mama Eichhorn lehnte ihren Kopf mit der wuscheligen Kurzhaarfrisur, deren Tizianrot sich malerisch von dem weißen Kissen abhob, gegen das hochgestellte Kopfteil ihres Krankenbettes und erzählte teils salbungsvoll, teils grimmig von dem Tag, an dem sich die Katastrophe ereignet hatte: Sie habe mit ihrem Kai-Friedrich in dessen Wohnung an der Elbchaussee ein sehr harmonisches, mit Liebe und Zukunftsplänen angereichertes Weihnachten gefeiert. Das milde Wetter, das auch in Hamburg die Schneeglöckchen aus der Erde trieb, war zwar von einigen Sturmtiefs begleitet, aber sowohl für kuschelige Stunden vor dem Kamin wie auch für gemeinsame Spaziergänge am Elbufer geeignet gewesen. Die glückliche Zweisamkeit sollte bis über Silvester fortgesetzt werden.

Doch zwei Tage vor diesem schicksalsträchtigen Silvestertag war Frau Eichhorn eingefallen, dass sie für die Silvesterfeier, zu der sie Kai-Friedrich in ein vornehmes Restaurant am Elbufer ausführen wollte, nichts Geeignetes anzuziehen hatte.

»Das verstehst du doch sicher, Irma: in ein Gourmet-Restaurant, wo vor der Panoramascheibe Kreuzfahrtriesen und historische Museumsschiffe auf der Elbe vorbeiziehen, wo lukullisch gespeist wird, später getanzt und um Mitternacht alle Gäste gemeinsam von der Terrasse aus dem Feuerwerk zuschauen – da muss man doch elegant sein!«

Mama Eichhorn war aus der Puste gekommen, doch ihre Augen hatten bei dieser Rückblende ihren Glanz zurückbekommen. Die hübschen grünen Augen mit den goldenen Pünktchen, die Irma geerbt hatte, funkelten in Gedanken an das verpasste Feuerwerk.

Doch Irma ließ sich nicht vom Thema ablenken und verlangte: »Komm zur Sache, Mam! Was ist passiert?«

Mama würgte einen Schluchzer runter, wobei ihre Augen an Glanz verloren, und nun erfuhr Irma, wie Kai-Friedrich mit seinem Helgahäschen zu Hamburgs gehobener Einkaufsmeile in die Möckebergstraße, die »Mö«, geeilt war, wo sie sich von internationalen Top-Marken hatten inspirieren lassen. Nachdem Dutzende festliche Kleider, Röcke und Blusen anprobiert worden waren, entschied sich Kai-Friedrich für einen sündhaft teuren Hosenanzug. Eine Bluse, die dazu passen würde, so versicherte Helga, besäße sie bereits. Während Kai-Friedrich bezahlte, verdrückte sich Helga Richtung Rolltreppe. Bevor sie diese jedoch erreicht hatte, wurde sie von einem gutaussehenden Herrn aufgehalten – der sich als Kaufhausdetektiv entpuppte.

Es gab keinen Zweifel: Helga Eichhorn hatte einen kleptomanischen Rückfall erlitten, und es nützte ihr nichts, zu beteuern, die Bluse, die sie unter ihrem Pulli trug, sei nach der Anprobe rein aus Vergesslichkeit dort zurückgeblieben.

Als Kai-Friedrich dazukam, rannte Helga in Panik davon, sprang auf die Rolltreppe, stürzte und blieb liegen, als die rollenden Stufen sie in der nächstunteren Etage heruntergeschoben hatten. Ein Loch im Kopf, ein Dutzend gut verteilte Blutergüsse und, wie sich später im Krankenhaus herausstellte, eine zerbrochene Hüftpfanne hatten Frau Eichhorns körperliche und kleptomanische Aktivität lahmgelegt. Die Ursache, die dazu geführt hatte, hatte wiederum Kai-Friedrichs Geduld lahmgelegt. Er hatte noch für Schadensbegrenzung und Krankentransport gesorgt und sich seither nie wieder bei Helga blicken lassen.

An diesem Punkt ihrer Beichte angelangt, stellte Mama Irma vor die Alternative: »Entweder, min lütt Deern, bleibst du hier in Hamburg, bis ich wieder aufn Damm bin, oder ich komm zu dir nach Stuttgart.«

Irma mietete sich ein Hotelzimmer in der Nähe des Krankenhauses. Als sie dort endlich zur Ruhe kam, überdachte sie Mamas Aussage: »Ich komme zu dir nach Stuttgart.«

Da Irma wusste, dass ihre Mutter hartnäckig durchsetzte, was sie sich vorgenommen hatte, wurde ihr bei dem Gedanken ziemlich unbehaglich. Sie nahm sich vor, noch ein, zwei Tage in Hamburg zu bleiben, und hoffte, in dieser Zeit ihrer Mutter diesen Plan ausreden zu können.

Auf ihrem Handy hatten sich Leos SMS angesammelt, und obwohl Irma todmüde war, rief sie ihn endlich zurück. Er saß bereits zusammen mit Steffen und Ina beim Silvesteressen in Oma Katz’ Wohnstube. Irma beneidete Leo, der sich bei der urigen Oma mit schwäbischen Köstlichkeiten vollstopfen konnte und einen lustigen Abend haben würde. Später würde er zusammen mit Steffen noch eine Runde mit Omas Mixmops Nutella drehen und nach Mitternacht würde Leo leicht beschwipst mit dem Nachtbus nach Hause fahren.

Irma erzählte Leo rasch vom Stand der Dinge, und dass sie frühestens am dritten Januar zurückkäme. Katz solle Schmoll Bescheid geben, dass sie mit Verspätung im Präsidium erscheinen würde. Von Mamas Drang, zu ihr nach Stuttgart zu kommen, erzählte Irma noch nichts.

Vor dem Hotelfenster tobte das Feuerwerk der Silvesternacht und raubte Irma bis gegen zwei Uhr früh den Schlaf. Als sie am Neujahrstag erwachte, brummte ihr Kopf, als hätte sie die Nacht durchgefeiert.

Während sie frühstückte und der Kaffee ihre Lebensgeister weckte, rief Leo an. Er erzählte von seinem fröhlichen Rutsch nach 2012 und wünschte ihr ein glückliches neues Jahr.

Bevor Irma gegen Mittag ins Marienkrankenhaus ging, rief sie noch Helene an. Helene Ranberg war Irmas beste Freundin, obwohl sie dreißig Jahre älter war als sie. Irma hatte Helene bei ihrem ersten Fall, den sie in Stuttgart mit Schmolls Team gelöst hatte, kennengelernt.

Helene, die Mutter des damaligen Mordopfers, hatte es Irma nicht vergessen, wie sie ihr beigestanden hatte, über den Verlust des einzigen Sohnes hinwegzukommen. Seither betrachtete Helene Irma wie ihre Tochter und zeigte großes Interesse an ihrer Arbeit. Obwohl Irma die wissbegierige Helene nur teilweise in ihre Ermittlungen einweihen durfte, hatte sich die pfiffige alte Dame schon ein paar Mal als Miss Marple bewährt.

Irma begann mit Neujahrswünschen. Als die getauscht waren, hatte Helene schon herausgehört, dass Irma irgendwo der Schuh drückte, und sie fragte, wo es brenne. Irma war froh, mit Helene über ihre Mutter sprechen zu können.

Abschließend sagte sie: »Stell dir vor, Helene, nach all dem Mist, den sie gebaut hat, sagte Mam zu mir: ›Entweder du bleibst bei mir oder ich komme zu dir nach Stuttgart!‹«

In der Leitung wurde es still und Irma spürte, wie Helene nachdachte. Dann aber hörte sie einen Seufzer durchs Handy und es folgte die sachliche Frage, ob Mama Eichhorn nach dem Krankenhausaufenthalt eine Rehabilitation verordnet bekäme.

»Der Arzt sagt, ich soll entscheiden, in welche Reha-Klinik Mam gehen soll.«

Nach dieser Auskunft hatte Helene eine Idee.

Irma harrte noch zwei Tage in Hamburg aus. Stundenlang saß sie am Krankenbett ihrer Mutter.

Wenn Irma von Abreise sprach, veranstaltete Mama jedes Mal ein mordsmäßiges Gejammer: »Du kannst mich in meinem erbärmlichen Zustand nicht alleine lassen, min Deern! Ich hab doch nur dich!«

Nach langen Debatten rückte Irma mit Helenes Idee heraus. Es wurde beschlossen, dass Mama die notwendige Rehabilitation in einer Klinik in der Nähe von Stuttgart absolvieren sollte.

Drei

Bad Urach

Irma musste einen kombinierten Transport aus Rollstuhl, Krankentaxi und Flugzeug von Hamburg nach Bad Urach organisieren. Und so kam es, dass ihre Mutter nach zehntägigem Krankenhausaufenthalt den Rest des Januars sowie den halben Februar in der orthopädischen Fachklinik Hohenurach verbrachte.

Irma versah ihre Tochterpflicht, indem sie, so oft sie konnte, die erwarteten Besuche abstattete. Da sie sich noch immer einem eigenen Auto verweigerte, zog sie, wie gewohnt, die Bundesbahn der Autobahn vor. Das war schon deswegen sinnvoll, weil dem Frühlingswetter, mit dem das Jahr 2012 begonnen hatte, Frost und Schnee gefolgt waren.

Von Stuttgart nach Urach war ein Katzensprung von nicht viel mehr als einer Stunde Fahrzeit. Zu diesen Pflichtausflügen startete Irma von Gleis 2 des inzwischen flügellosen Stuttgarter Hauptbahnhofs. Da dies immerhin noch oberirdisch möglich war, konnte sie im Schlossgarten die alten Baumriesen, jedenfalls jene, die bisher noch nicht gefällt worden waren, bewundern. Irma lehnte sich auf ihrem Fensterplatz der oberen Etage des Doppelstockwagens zurück und lernte ein neues Stück ihrer Wahlheimat kennen.

Wenn auf der Fahrt nach Urach die ersten Weinberge in Sicht kamen, hielt sie Ausschau nach der Kapelle mit der grünschimmernden Kuppel, die über dem Weindorf Rotenberg thront. Der Tag, an dem sie mit Leo dort oben gewesen war, schien eine Ewigkeit zurückzuliegen. Nach Esslingen verloren sich die Weinberge, und das Tal weitete sich zu Wiesen und Ackerland.

In Wendlingen stieg ein junger Mann zu und setzte sich Irma gegenüber. Sein rundes sympathisches Gesicht glänzte wie Zartbitterschokolade. Als er Irma anlächelte, lächelte sie zurück und hoffte, dass dies der Auftakt zu einem interessanten Gespräch über Nigeria, Kongo, Namibia oder einem anderen afrikanischen Land sein würde. Doch Irmas Hoffnung erfüllte sich nicht, da der junge Mann unverzüglich sein Handy zog und lospalaverte. Und zwar in einem Schwäbisch, gegen das Katz schon fast Hochdeutsch sprach.

Kurz bevor der Zug in Metzingen ankam, steckte der junge Mann sein Handy weg, sah mit verdrießlicher Miene aus dem Fenster und sagte vorwurfsvoll: »So en Mischt. Jetzt fängt’s scho wieder an zum schneie!«

Irma nickte verständnisvoll, obwohl sie das Schneegestöber wunderbar fand. Sie wäre gern ausgestiegen, um auf der Obstbaumwiese einen Schneemann zu bauen. Das Flöckeln mauserte sich zum Schneetreiben. Kaum dass der Zug hielt, sprang der Junge mit einem Satz auf den Bahnsteig, wo ihm ein zartes blondes Mädchen in die Arme rannte. Sie standen im Schneegestöber und küssten sich, als ob sie nie mehr damit aufhören wollten. Irma lächelte und bekam Sehnsucht nach Leo.

Zehn Minuten später saß Irma in der Ermstalbahn. Die moderne Variante der musikalisch-berühmten »Schwäbischen Eisenbahne« flitzte elektrisch und ohne jedes Trullala durch die verschneite Landschaft. Nach einer Viertelstunde stieg Irma an der Haltestelle »Uracher Wasserfall« aus.

Das letzte Wegstück war ein Zehnminutenmarsch durch knöchelhohen Neuschnee bis zur Eingangshalle des Klinikums. Dort wartete Mama Eichhorn in ihrem Rollstuhl zwischen vielen anderen Bein-, Knie- oder Rückengeschädigten, die entweder mit Rollstühlen und Gehwägelchen vorgefahren waren oder sich an Krücken fortbewegten.

Irmas Besuche bei ihrer Mutter verliefen immer gleich: Nach einer herzlichen Begrüßung gingen sie ins Restaurant der Klinik, weil es meist schon Mittag war und Mama Hunger hatte.

Sobald Mama einigermaßen satt war, begann sie über das Therapieprogramm zu jammern: »Keine ruhige Minute hat man hier! Sofort nach dieser Schiet-Embolie-Spritze, die einem die Schwester schon vor dem Aufstehen in den Bauch rammt, muss man aus den Federn und zum Frühstück eilen. Danach hetzt man von einer Anwendung zur anderen: Einzelgymnastik, Elektrotherapie, Hüftgruppe, Massage, Wärmepackungen.«

»Es gibt doch eine Mittagspause!«, wandte Irma ein.

»Viel zu kurz, kann ich dir sagen. Kaum sind die Teller leer, geht’s mit vollem Magen wieder zu Gehübungen, Bewegungsbädern und so weiter und so fort, bis es nachmittags um fünf Abendbrot gibt.«

Irma lachte. »Wie im Knast, da gibt es auch die letzte Mahlzeit um sieben Uhr abends. Danach werden alle in die Zellen gesteckt bis zum nächsten Morgen um halb sechs. Du kannst wenigstens abends noch einen Rollstuhlspaziergang durch den Park machen.«

»Also, erstens«, sagte die Mama, »ist es um fünf schon dunkel, zweitens macht das bei diesem Schietwetter keinen Spaß und drittens bin ich abends zu müde für Ausflüge.«

Mama war echt empört, was ihr alles abverlangt wurde, aber Irma dachte ohne Mitleid: selber schuld!

Wenn das Sonntagsmenü verdrückt war, begaben sich die Damen Eichhorn in den Aufenthaltsraum zum Klönschnack. Bei gutem Wetter machten sie danach einen Abstecher in den vierten Stock auf die Dachterrasse. Dort zeigte die Mama ihrer Tochter die bewaldeten Vorlandberge des Albtraufs und den Kegel mit der Burgruine Hohenurach und versicherte, wie gut ihr diese Landschaft gefallen würde.

»Spätestens im März bist du wieder in deiner gewohnten Umgebung«, sagte Irma. »Dein flaches Holstein wird dir auch wieder gefallen.«

»Ja, ja«, sagte Mama ohne Begeisterung.

Irma half ihrer Mama wieder in den Rollstuhl und schob sie ein Stündchen durch den Kurpark spazieren. Erst nachdem sie sich noch Kaffee und Kuchen genehmigt hatten, machte sich Irma auf den Heimweg.

Bei Irmas letztem Besuch schneite es von früh bis abends. An einen Parkspaziergang war nicht zu denken. Trotzdem war Mama Eichhorn bester Laune. Während sie geheimnisvoll lächelte und ihre grünen Augen begeistert glänzten, erzählte sie von einem Patienten, der ihr nachsteigen würde.

»Otto verehrt mich!«, sagte Mama im Brustton der Überzeugung.

Irma wurde wieder einmal schmerzhaft bewusst, dass ihre Mutter nicht nur leicht kleptomanisch, sondern auch schwer mannstoll war. Da hatte sich nichts gebessert, obwohl sie inzwischen über sechzig war. Immerhin sah sie sogar im Rollstuhl adrett aus. Irma wusste, dass Mama überzeugt war, mit ihren hübschen Augen jeden Mann bezirzen zu können.

Jetzt war sie in ihrem Element und erzählte: »Otto ist zwar schon so um die siebzig, aber sehr gut erhalten. Er ist wegen seiner Knieprothese hier. Wir schwänzen gemeinsam die Gymnastik und gehen in die Uracher Therme zum Schwimmen.«

»Mit dem Rollstuhl?«

»Den brauche ich nur zur Anfahrt, auf kurzen Strecken komme ich mit meinen Gehhilfen zurecht. Otto darf schon Zweipunktschritt und kommt ganz flott voran. Manchmal lädt er mich ins Hotel »Graf Eberhard« zum Kaffeetrinken ein. Sehr nobles Restaurant – es liegt gleich hinterm Kurpark.«

»Mir scheint«, sagte Irma, »du hast nette Abwechslungen hier: Der Hüftpfannenbruch und die Knieprothese planschen gemeinsam in der Uracher Mineralquelle oder gehen ins Café und essen Sahnetorte.«

»Otto bezahlt. Er hat eine gute Pension. War früher Schuldirektor in Reutlingen.«

»Ich hoffe nur, Mam, du übertreibst es nicht mit deinem Kurschatten – du bist in einer Reha-Klinik und nicht in der Sommerfrische!«

»Bisschen Spaß muss man doch haben!«, sagte Mama. »Otto hat mir versprochen, wenn wir erst hier raus und wieder gehfähig sind, treffen wir uns in Urach und sehen uns die Altstadt an oder wandern zum Wasserfall!« Mama seufzte. »Ach, min lütt Deern, wie ist es doch hübsch hier! Ich kann dich endlich verstehen, dass du dich in Süddeutschland wohl fühlst. Am liebsten würde ich hierbleiben.«

Irma sagte nichts. Sie dachte nur: um Gottes willen!

Am 10. Februar holte Irma ihre Mutter aus der Reha-Klinik Bad Urach ab und fuhr mit ihr im Taxi nach Stuttgart. Das Problem, wo Irma ihre Mutter einquartieren konnte, hatte Leo gelöst, indem er die Flucht ergriff.

»Ich komm ja bald wieder«, hatte er Irma und sich selbst getröstet und sich kurzerhand bei seiner Schwester Line in der Kanalstraße einquartiert, wo die Geschwister früher gemeinsam gewohnt hatten.

Allerdings musste Lines Freund Moritz deswegen notgedrungen zurück zu seinem Vater und seinen drei kleinen Schwestern ziehen.

Irmas zweites Problem war, wie sie Mama ohne Aufzug in die Dachwohnung bugsieren sollte. Allerdings war das Gott sei Dank eine leichte Übung. Mama hatte in Urach gelernt, mit Krücken Treppen zu steigen.

Leider hielt die für Stuttgarts Verhältnisse sibirische Kälte mit mehr als zehn Grad minus an. Der Wind pfiff ums Haus und die Dachfenster verzierten Schneekristalle. Mama jammerte, in der Wohnung sei es zu kalt. Sie lag unter zwei Steppdecken im Bett und ließ sich von Irma betochtern.

Nach ein paar Tagen drängte sich die Sonne durch die Wolkendecke, lachte zum Fenster herein und ermunterte Mama aufzustehen. Sie humpelte mit ihren Gehhilfen in die Küche und begann ihr angeborenes Haushaltstalent zu entfalten. Da Irma dringend zurück zum Dienst musste, ließ sie Mama gern gewähren. Sie brauchte nur einzukaufen, konnte sich abends an den gedeckten Tisch setzen und durfte nicht vergessen, das Essen zu loben. Dieses Leben gefiel der Mama, und da sie außer der Hausarbeit noch genügend Zeit zum Nachdenken hatte, reifte bei ihr ein Entschluss.

Als Irma sie nach vierzehn Tagen daran erinnerte, dass die Wohnung in Itzehoe seit zwei Monaten leer stände und Mama doch mal über die Rückkehr in ihre eigenen vier Wände nachdenken solle, hatte sich Mama Eichhorn schon ihr Veto zurechtgelegt: »Hör zu, min Deern: Mir ist das Schwabenland ans Herz gewachsen. Ich habe mich entschlossen, hier ein neues Leben anzufangen.«

»Ist es wegen Otto?«, fragte Irma entgeistert.

»Nö. Der hat gar nichts mehr von sich hören lassen. So ein Benehmen kann ich sowieso nicht ab. Ich bleib hier, weil es mir im Schwabenländle gefällt!«

Nun redet sie schon Schwäbisch, dachte Irma. Wie soll ich ihr diese Marotte mit dem Hierbleiben ausreden?

Doch Mama sagte: »Mein Entschluss ist gefasst. Nach Itzehoe zurück kriegst du mich nur über meine Leiche!«

In den nächsten Wochen waren der bei Irma ausquartierte Leo und der bei Line ausquartierte Moritz fieberhaft damit beschäftigt, für Mama Eichhorn eine geeignete Bleibe zu suchen. Erfolg in dieser dringenden Angelegenheit hatte schließlich Moritz. Im Stadtteil Freiberg, wo er zurzeit wieder bei seiner Familie untergekommen war, fand er im benachbarten Hochhaus ein freies Zweizimmerdomizil.

Mama Eichhorn zickte zuerst herum. Doch als sie das erste Mal auf dem Balkon dieses Appartements stand, schmolz ihr Widerstand vor der traumhaften Aussicht.

Der Herr von der Baugenossenschaft, der die Vermietungen betreute, hatte den Hausmeister mitgebracht.

Mama Eichhorn zog die Herren auf den Balkon und versicherte: »Also, obwohl wir in Norddeutschland einen weiteren Horizont haben, kann ich mir nicht mehr vorstellen, in diesem eintönigen Flachland zu leben.« Sie zeigte über die Landschaft und hauchte: »Ich bin überwältigt.«

Der Hausmeister war geschmeichelt. »Sie haben sich eine schöne Wohnlage ausgesucht, Frau Eichhorn. Frische Luft und schöne Aussicht! Auch die Infrastruktur stimmt: Supermarkt, Bäcker und Metzger fast vor der Haustür, dazu Ärzte, Banken, Friseur. Zur Straßenbahnhaltestelle sind es fünf Minuten. Und das Beste ist: Sie brauchen nur die kleine Kehrwoche zu machen, die große erledige ich.«

Für Helga Eichhorn gab es kein Halten mehr. Sie unterzeichnete den Mietvertrag, ohne ihn vorher durchzulesen.

Irma musste nach Itzehoe fahren, um Mamas alte Wohnung aufzulösen und den Möbelwagen auf den Weg nach Stuttgart zu bringen. Sie zögerte es hinaus, weil sie hoffte, ihre Mutter würde sich diesen Schritt überlegen und doch lieber wieder nach Norddeutschland zurückkehren. Aber Frau Eichhorn wollte, wenn sie nun schon auf Kai-Friedrich verzichten musste, wenigstens in der Nähe ihrer Tochter sein.

Irma resignierte. Ihre Mutter brauchte jemanden, den sie mit ihrem Charme berieseln konnte, genauso nötig wie jemanden, dem sie auf die Nerven gehen konnte. Sonst war sie offensichtlich nicht glücklich.

Doch nachdem Mama Eichhorn ihre neue Wohnung im zwölften Stock in Besitz genommen hatte, war sie wider Erwarten glücklich und hatte vorerst kein Bedürfnis, an jemandem ihren Charme auszuprobieren oder Irma auf die Nerven zu gehen. Nach vier Wochen war sich Irma sicher, dass sich ihre Mutter in der neuen Umgebung eingewöhnt hatte. Offensichtlich kam sie perfekt allein zurecht.

Vier

Cannstatter Frühlingsfest

Obgleich Frau Eichhorns Hüftpfanne inzwischen wieder zusammengewachsen war, konnte sie sich nicht von ihrem Rollstuhl trennen. Er war ihr lieb und teuer geworden, und sie benutzte ihn zum Einkaufen und auch für Spazierfahrten in den nahegelegenen Weinbergen. Wenn sie zu größeren Spritztouren ausfuhr, machte sie sich immer todschick. In ihrem Schrank hingen zeitlos elegante Kleider. Die hatten sich über die Jahre angesammelt. Passend zu ihren schicken Klamotten besaß sie schachtelweise Modeschmuck, der, wie sie fand, wie echt aussah. Der gesteigerte Wert, den Frau Eichhorn auf ihre äußere Erscheinung legte, war eine Marotte, die sie sich als Verkäuferin in dem vornehmen Schuhgeschäft zugelegt hatte, in dem sie vierzig Jahre lang gearbeitet hatte.

An einem sommerlich warmen Tag Ende April machte sich Helga Eichhorn picobello aufgebrezelt auf den Weg zum Cannstatter Frühlingsfest. Sie fuhr mit der U 7 zum Hauptbahnhof und stürmte dort mit den Volksmassen die Volksfestlinie U 11. Dank ihres Rollstuhls hatte sie immer einen Sitzplatz.

Eine Dirndldame, die sich neben ihr an einer Haltestange festklammerte, sagte: »Der Elfer macht an Omweg. Des isch a lohnende Schtadtrondfahrt. Da kenne mr wenigschtens onser Fahrgeld ausnutze.«

Da die Bahn zuerst unterirdisch fuhr, konnte sich Frau Eichhorn nicht recht orientieren. Als sie die Liederhalle erkannte, war sie erleichtert, wieder zu wissen, wo sie sich befand, und war froh, dass es nun ein Stück oberirdisch weiterging. Doch bald tauchte die sogenannte Stuttgarter U-Bahn wieder in den Untergrund zur Haltestelle Stadtmitte, tunnelte sich unter dem Charlottenplatz und der Staatsgalerie durch und kam erst hinterm Neckartor wieder ans Tageslicht. Ab da konnten die Fahrgäste die Aussichtshöhepunkte der Reststrecke genießen: Die Bahn kurvte entlang der berühmten Cannstatter Sprudler, die in regelmäßigen Phasen schäumende Fontänen in die Luft spuckten, um danach wehleidig in sich zusammenzufallen. Dann ging es vorbei an den Mineralbädern Berg und Leuze. Nachdem die Bahn den Neckar auf der König-Karls-Brücke überquert hatte und vor dem Haupteingang zum Cannstatter Wasen hielt, stiegen die meisten Leute und auch Frau Eichhorn aus.

Es war inzwischen drei Uhr nachmittags und hochsommerlich warm. Gut gelaunt rollte sie hinein ins Getümmel und war froh, nicht laufen zu müssen. Es machte ihr Spaß, hin und wieder jemandem in die Fersen zu fahren.

Den älteren Herrn anzurempeln hatte sie eigentlich nicht vorgehabt, er war ihr vor die Räder gestolpert und geradezu in den Schoß gefallen. Das spielte sich unterm Riesenrad vor dem Stand mit den gebrannten Mandeln ab. Als sich der Herr mit Entschuldigungsgemurmel zurückziehen wollte, sah Frau Eichhorn aus ihrer Rollstuhl-Froschperspektive ihre Geldbörse in seiner Hosentasche verschwinden. Blitzschnell krallte sie sich an seinem Jackett fest und sprang wie eine Furie aus dem Rollstuhl.

»Her damit«, knirschte sie, »oder ich schrei einen Volksauflauf zusammen.«

Obwohl die Jacke in den Nähten krachte, ließ Frau Eichhorn nicht locker. Der Mann blickte sie verblüfft an, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so viel Kraft aufbringen würde. Er konnte ja nicht wissen, dass sie durch vier Monate Rollstuhlfahren und an Krücken laufen Armmuskeln wie ein Mittelklasse-Gewichtheber bekommen hatte.

Da einige Leute stehen blieben, ihr zwar nicht halfen, nur glotzten, zischelte der Mann: »Schon gut, gnädige Frau. Geben Sie bitte einen Moment Ruhe und es kommt alles wieder in Ordnung.«

Frau Eichhorn befahl ihm, sich mit ihr aus dem Menschengewühl zu entfernen. Erst als er nickte, ließ sie sein Jackett los, bestieg ihren Rollstuhl und setzte sich hoheitsvoll zurecht wie die Queen in ihrer Staatskarosse. Sie war erstaunt, dass er sie wirklich hinter eine Losbude schob, wo keine Leute waren.

Dort angekommen, rief sie »Stopp« und sah den Kerl wie eine strafende Göttin an. »Schämen Sie sich nicht, einer alten Frau ihr bisschen Rente zu klauen?«

Er zog ihre Geldbörse aus seiner Tasche und überreichte sie ihr wie ein Geburtstagsgeschenk.

Mama Eichhorn zählte vorsichtshalber den Inhalt und knurrte: »Zwanzig Euro und dreiundzwanzig Cent. Stimmt.«

»Ich habe Sie überschätzt«, sagte er. »Warum takeln Sie sich auch so auf? Fette Perlenkette, und an jedem Finger Brillantringe!«

»Sie haben keine Ahnung!«, fauchte sie ihn an. »Nach welchen Kriterien beklauen Sie denn die Leute – ich bin doch sicher nicht die Einzige?«

»Normalerweise hab ich einen Blick dafür, wer es verkraften kann, wenn ihm etwas abhanden kommt. Aber Sie hab ich nicht nur überschätzt, vielmehr auch unterschätzt, da Sie ja offensichtlich topfit und bestens auf den Beinen sind.«

Frau Eichhorn lächelte süß wie Zuckerwatte. Er lächelte verlegen zurück, und dieses Lächeln erinnerte sie an irgendjemanden. Und da er weiterhin neben ihr stehen blieb und lächelte, fiel ihr plötzlich ein, wem er ähnlich sah.

»Sie sehen aus wie Heinz Rühmann!«

»Ich weiß«, sagte er bescheiden. »Diese Ähnlichkeit ist ein wahrer Segen für meine Geschäfte – ich kann immer damit rechnen, dass mir meine Mitmenschen Vertrauen schenken. Doch wenn ich das bemerken darf: Sie, gnädige Frau, sehen aus wie Inge Meysel in ihren besten Jahren.«

»Kann sein«, sagte Frau Eichhorn. »Sie können Helga zu mir sagen.«

Er schloss den mittleren Knopf seines gut geschnittenen, teuer aussehenden Jacketts, lupfte den Strohhut und verbeugte sich: »Luigi. Luigi Baresi.«

»So, so. Das klingt italienisch.«

»Ich bin Sizilianer!«, sagte Luigi. »Das ist ein Unterschied.«

»Aha«, sagte Helga. »Mafia, ich verstehe. Wenn Sie trotzdem ein wenig Anstand im Leib haben, dürfen Sie mich jetzt eine Runde schieben und damit Ihren Fehlgriff büßen.«

Sie schoben los. Etwa nach einer Viertelstunde fragte Helga über die Schulter: »Wie viel haben Sie denn heute schon eingenommen?«

Luigi rangierte den Rollstuhl hinter einen Currywurststand, stellte sich mit dem Rücken zum Publikum und griff in verschiedene Taschen seiner Hose.

»Diese Trekkinghosen mit den vielen Taschen«, sagte er mit verschmitztem Grinsen, »sind das Beste, was die Modefritzen in den letzten Jahren erfunden haben. Ich nehme nur Papiergeld. Münzen klimpern beim Laufen.«