Das Schicksal von Iris - Helen Adams - E-Book
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Das Schicksal von Iris E-Book

Helen Adams

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Beschreibung

Iris, eine junge Frau, verliebt sich das erste mal und muss Rückschläge in Kauf nehmen. Ihr begegnen Menschen, die ihren Lebensweg beeinflussen und ihr Schicksal mitbestimmen. Ihr Leben ist von harter Arbeit geprägt und äussere Umstände eskalieren und zwingen sie ihr Leben vollständig zu ändern.

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Inhalt

Am Erdbeersee

Die Ohrfeige

Der erste Kuss

Im Garten

Zukunftspläne

Die Diagnose

Mein 18. Geburtstag

Ende der Schulzeit

In der Klinik

Wieder Zuhause

Die Stelle als Praktikantin

Die Stelle als Kirchenmalerin

Die Ausbildung zur Krankenschwester

Beim Tanzen

Die Bergwanderung

Der Skiausflug

Die Reise nach Paris

Unser Urlaub

Arbeit und Schule

Berlin

Stress

Am Grüntensee

23. Veränderungen

Eifersucht

Die Abschlussfahrt

Leos Familie

Im OP

Die Entscheidung

Unser Urlaub in Italien

Der Umzug

Die standesamtliche Hochzeit

Der Alltag am Hof

Hofübernahme

Geburt und kirchliche Hochzeit

Alltag als Mutter und Bäuerin

Urlaub in Kreta

Das Ende der Ehe

Personenverzeichnis zum Roman »Das Schicksal von Iris«:

Iris (ich), geb. Weber, verheiratet: Schuster

Wolfgang/Wolfi, Jugendfreund von Iris

Vater von Wolfgang

Tante Pia

Hr. und Fr. Weber, Vater und Mutter von Iris

Onkel Richard

Tante Linda

Onkel Eddi

Paula, Schwester von Iris

Robbie, Bruder von Iris

Cousine Britta

Karl Maier, 2. Jugendfreund von Iris

Ehepaar Maier, Eltern von Karl

Krankenhauspersonal: Lehrschwester Adelhild, Schwester Consuela, Dr. Ludwig,

Schwester Marlene, Pfleger Max, OP-Chefin Schwester Imelda

Arbeitskolleginnen von Iris: Katie, Bettina, Nora und Pedi

Fr. Weishaupt, Vermieterin der 1. Wohnung

Familie Schuster:

Senior-Landwirt Pius Schuster, Schwiegervater von Iris

Austragsbäuerin Berta Schuster, Schwiegermutter von Iris

Geschwister/Kinder der Familie Schuster mit Angehörigen:

1. Erich mit Frau Sigi, 1 Sohn und 1 Tochter

2. Otto

3. Friedrich mit Freundin/Frau Fiona, Tochter Elisabeth und 2 weiteren Söhnen

4. Leo mit Frau Iris, gemeinsame Kinder: Georg, Daniel, Nick, Jens und Sabine

5. Sepp und Frau Dore, 3 Söhne

6. Marie und Schwager Peter, 1 Tochter, 1 Sohn

7. Kurt mit Frau Gitte, 2 Töchter

Cousin von Leo: Erwin mit Freundin/Frau Ulricke, 1 Sohn

Arbeiter Xaver, polnische und deutsche Arbeiter Nachbar Anderl

Tina, Freundin von Iris

Tante Inge, Schwester von Pius Schuster

Tante »Adda«, alte Frau vom Dorf

Am Erdbeersee

Es war an jenem Sommertag sehr heiß und ich, Iris Weber, beschloss, an einem romantischen See in der Nähe, dem Erdbeersee, schwimmen zu gehen. »Erdbeersee« wurde er deshalb so genannt, weil neben dem See ein Erdbeerfeld lag, wo sich so manche zu bedienen wussten, weil sie durch das Loch des Zaunes schlüpften, der das Feld umgab.

Mit meinem weiß gestrichenen Fahrrad machte ich mich von Zuhause auf, nachdem ich meine Badesachen in einer Tasche auf dem Gepäckträger meines Fahrrads verstaut hatte. Das heiße, herrliche Wetter lud geradezu zu einer Radtour ein und ein Gefühl von Freiheit machte sich in mir breit, ich hätte vor Freude die ganze Welt umarmen können, so unbekümmert fühlte ich mich.

Bis zu meinem 18. Geburtstag waren es noch 3 Monate. Dann konnte ich endlich den Führerschein machen und mich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft betrachten und vielleicht ein älteres Auto kaufen. Mein erspartes Geld, das ich mir im Laufe der Jahre zusammen gespart hatte, würde für einen alten Golf als Anfängerauto gerade mal so reichen, überlegte ich, während ich die Pedale des Fahrrads tüchtig trat und auf Nebenwegen und Feldwegen dem Ziel zusteuerte.

Ich glaubte, nie glücklicher gewesen zu sein, als in diesem Sommer, der mein weiteres Leben schicksalhaft verändern würde. Ich hatte blondes, langes Haar, braun-grüne Augen, war 1, 72 Meter gross und schlank und ganz ansehnlich. Mein Äusseres konnte sich sehen lassen und ich bekam im Sommer auch kleine Sommersprossen rund um meine Nase und mein Teint färbte sich langsam ins Bräunliche.

Als ich nach vierzig Minuten Radeln endlich total verschwitzt am ersehnten See angekommen war, stürzte ich mich sogleich in das angenehm warme Wasser, nachdem ich mich meiner Kleidung entledigt hatte.

Meinen Badeanzug hatte ich schon zuhause angezogen, damit ich schnell umgezogen war und mich gleich in das kühle Nass stürzen konnte. Ich schwamm genießerisch und schnell durch den See und wähnte allerlei Jugendliche, die auf dieselbe Idee gekommen waren und die Gunst der Stunde zum Schwimmen nutzten.

Nach einiger Zeit zogen Wolken auf und weil sich die Hitze gestaut hatte, sahen die immer bedrohlicher wirkenden Wolken am Himmel als ein nahendes Gewitter aus. Der Himmel verdunkelte sich zunehmend und in weiter Ferne hörte man schon den Donner grollen. Ich packte meine Klamotten zusammen, nachdem ich mich in mein extra breites Badekleid umgezogen hatte und wollte gerade auf mein Rad klettern, als ich feststellen musste, dass ich einen Platten im Vorderrad hatte.

»Oh je!« stöhnte ich und schob mein Fahrrad ein kurzes Stück weiter. Am Ufer dort saß ein junger Mann, der auch im Aufbruch war. »Hättest Du zufällig eine Luftpumpe für mein Fahrrad? Ich habe leider einen Platten im Vorderreifen!« »Nein, habe ich leider nicht. Tut mir leid. Aber vielleicht kann ich dich mit meinem Motorroller ein Stück mitnehmen, wenn du willst.« »Ja. Das wäre nett von dir. Vielleicht bis zu meiner Oma, die wohnt in der Nähe. Dann kann ich das Fahrrad ja absperren und ein anderes Mal holen lassen.«

Auf dem roten Motorroller auf dem Rücksitz fühlte ich mich wohl, um dem drohenden Gewitter zu entweichen. Außerdem sah der junge Mann wirklich gut aus und war genau mein Typ. Er hatte kurz geschnittenes, dunkles Haar, rehbraune, gutmütige Augen, einen markanten Gesichtsschnitt und trug eine Brille, die sein intellektuelles Wesen zur Geltung brachten.

Auf halber Strecke fragte er mich ein wenig aus, wo ich wohne, wie ich heiße und was mein Vater von Beruf sei. Damals dachte ich mir nichts weiter und beantwortete seine neugierigen Fragen wahrheitsgemäß. Als wir am Ende unserer Fahrt in der Straße von meiner Oma angekommen waren, wußte ich auch seinen Namen. Er hieß Wolfgang, Spitzname Charlie und er fragte mich, ob wir uns wiedersehnen könnten. Ich war überglücklich und wir verabredeten uns zwei Tage später wieder zum Schwimmen, allerdings am Silbersee. Wolfgang hatte versprochen, mich am kommenden Samstag von Zuhause abzuholen.

Inzwischen fielen dicke Regentropfen vom Himmel. Blitze erhellten den zugezogenen, düsteren Himmel immer wieder und entluden sich in Sekundenschnelle. Donnergrollen war jetzt nähergekommen und ich war froh, bei meiner Oma ein Dach über dem Kopf gefunden zu haben. Meine Tante Pia war auch da und versprach mir, mein Fahrrad vom See in ihren Kofferraum zu packen und mich nach Hause zu fahren. Ich war gerettet und überglücklich.

Ich konnte mein Glück nicht fassen, denn ich hatte mich Hals über Kopf in Wolfgang verliebt und er bedeutete für mich von Anfang an sehr, sehr viel. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben eine Verabredung mit einem attraktiven, jungen Mann, der zudem schon 20 Jahre alt war und sein Abitur schon in der Tasche hatte, wie sich herausstellen sollte. Außerdem war er sehr ehrgeizig und wollte den Beruf als Arzt ergreifen. Ich war ebenfalls an medizinischen Berufen interessiert und konnte ihn gut verstehen. Von Anfang an verband uns eine Vertrautheit und ein Gefühl, den anderen näher kennenlernen zu wollen. Ich wollte ihm gefallen.

Wie er empfand, konnte ich nur ahnen, jedenfalls hatte er sich nochmal mit mir treffen wollen und das verhieß Gutes. Ich dachte die ganze Zeit an ihn, wie wir uns kennengelernt hatten und sehnte mich nach dem Samstag, an dem wir uns wiedersehen würden.

Die Ohrfeige

Endlich war der Samstag da und ich hielt Ausschau aus dem Küchenfenster, als ich einen Motor in der Einfahrt wahrnahm. Mein Wahrnehmungsvermögen hatte mich nicht betrogen. Wolfgang stieg aus einem weißen VW aus und lief auf das Haus zu. Ich war schrecklich aufgeregt und gespannt. Als er geklingelt hatte, öffnete ich die Haustüre und er begrüßte mich freudig:« Hallo Iris, na, bist du fertig?«

»Na, klar. Habe meine Badesachen eingepackt. Es kann losgehen.« lachte ich zurück, schnappte meine Badetasche und stieg zu ihm ins Auto. Die Gräser am Straßenrand wogen leicht im Sommerwind und mir fiel in Gedanken ein Lied ein.

»Es war der Sommerwind, ganz leise und geschwind, weht die Liebe in dein Herz! Es war der Sommerwind, Blumen blühn’ am Straßenrand, mein Herz ist außer Rand und Band.«

Wie meine Gedanken, schwappte auch mein Gefühl in kryptische Höhen. Im Auto mit offenen Dachfenster flogen meine langen Haare wild durcheinander. Es war eine tolle Autofahrt, die ich genoß. Beim Silbersee angekommen, suchten wir uns ein lauschiges Plätzchen und breiteten eine Decke aus, auf der wir es uns bequem machten.

»Gehst du noch zur Schule?« wollte Wolfi wissen. »Ja, ich komme in die 12. Klasse Gymnasium. Ich möchte mal Kunst studieren. Deshalb möchte ich das Abi machen.«

»Dann wünsche ich dir viel Glück für dein Abitur!« »Ja, danke dir. Übe auch schon fleißig die Untertauchtechnik und die richtige Atmung beim Schwimmen. Möchte nämlich Sport Leistungskurs belegen und da ist es wichtig, sich fit zu halten. Außerdem habe ich vor, in den Sommerferien nach England zu reisen, um mein Englisch zu verbessern. Mein zweites Leistungskursfach ist Englisch.« , antwortete ich.

»Tja, da hast du ja noch viel vor. Ich bin zur Zeit beim roten Kreuz als Zivildienstleistender angestelltund fahre vorwiegend in den Notarztwagen mit. Ich sage dir, dass ich da schon sehr schlimme Dinge gesehen habe und die Unfälle, wo wir im Einsatz waren, waren sehr tragisch. Aber ich möchte meinen Traum, Arzt zu werden, auf jeden Fall verwirklichen, denn ich habe in München schon einen Studienplatz bekommen und fange im Herbst zu studieren an.« erzählte Wolfgang mir ausführlich.

»Es wird bestimmt nicht leicht für dich werden. Schon allein die Wohnungssuche in München ist eine Herausforderung, da es sehr wenige freie Wohnungen gibt und die Mieten dort recht teuer sind«, schlussfolgerte ich. »Ja, das stimmt sicher. Auch das Medizinstudium wird nicht einfach werden, aber irgendwie werde ich es schon hinbekommen. Was hältst du jetzt von Schwimmen? Hast du Lust?« fragte er mich.

Wir sprangen von der Decke unseres gemütlichen Platzes auf und liefen zum Seeufer und ich stürzte mich ohne Abkühlen ins Wasser. Wolfgang schüttelte den Kopf und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, schalt mich aber trotzdem, ich solle mich in Zukunft abkühlen, weil er miterlebt hat, wie ein Soldat in der Nacht unabgekühlt ins Wasser gesprungen war und einen Herzstillstand gehabt hatte und er sich nicht wünsche, daß mir das auch passiert. Der allzu besorgte Wolfgang kühlte sich also vorschriftsmäßig langsam ab und schwamm mir gemächlich hinterher. So verbrachten wir den ganzen Nachmittag und sogar den Abend mit Reden, Schwimmen, Picknicken und freuten uns aneinander. Die Zeit verging wie im Flug. Es machte unglaublich großen Spaß zu zweit zu sein und wir hatten die Zeit und alles um uns herum ganz vergessen, denn allmählich wurde es schon dunkel, als Wolfgang und ich uns endlich aufmachten und den Rückweg nach Hause ansteuerten.

Da es Sommerzeit war, wurde es erst ziemlich spät dunkel. Es war mindestens schon nach zehn Uhr Abends, als wir bei mir zuhause endlich ankamen und wir uns im Auto verabschiedeten.

Meine Eltern warteten schon voller Ungeduld auf mich, denn ich war ja zum ersten Mal mit einem ihnen unbekannten, jungen Mann unterwegs gewesen. Mein Vater hatte einen hochroten Kopf und steigerte sich in diese Situation noch hinein. Er baute sich förmlich vor mir auf und knallte mir seine Hand auf meine Wange mit den Worten: »Dass mir das ja nicht wieder vorkommt, dass du so spät heimkommst und wir nicht wissen, was du treibst.« Ich hatte die Nase gestrichen voll von dieser Belehrung und zog mich in mein Zimmer zurück und ließ meinen Tränen freien Lauf. Aber trotz dieser jämmerlichen Schelte war ich innerlich glückseelig. Ich hatte meinen ersten Freund und war mit meinen 17 Jahren einfach nur froh, so ein unsägliches Glück zu verspüren. Ich war total in Wolf-gang verliebt und war total euphorisch trotz der Ohrfeige, die mir kurzerhand verpasst worden war.

Der erste Kuss

Ich hielt es nicht länger aus, zu warten und radelte mit meinem schmucken, alten, weißen Fahrrad zu Wolfgang, weil ich wusste, dass er nachmittags zuhause war und keinen Dienst hatte. Er machte mir an der Haustüre auf und sagte« Hallo!« zu mir. Meine Badesachen hatte ich vorsorglich mitgenommen und wir einigten uns, mit dem Roller nochmal zum Erdbeersee zu düsen. Meine langen, blonden Haare spielten mit dem Wind und wirbelten mir um den Kopf. Wolfgang konzentrierte sich aufs Fahren und sagte während der Fahrt nicht viel.

Als wir am Erdbeersee ankamen, schien die Sonne sehr intensiv, sodass wir froh waren, unter einem Baum ein Schattenplätzchen zu ergattern. Wir schlugen eine Decke für uns zwei auf und zogen T-Shirt und kurze Hose aus. Darunter hatten wir die Badeklamotten an. Zunächst cremten wir uns ein und den Rücken des jeweils anderen streichelten wir besonders behutsam. Die Sonne brannte an jenem Tag so erbarmungslos, dass wir schon bald ins kühle Nass hüpften und uns vorher gegenseitig nass spritzten. Ich konnte mich nicht abhalten, zu sagen, ob es genug Abkühlung war und wir spritzten und lachten und waren froher Dinge. Nichts lag zwischen uns.

Wir verbrachten den ganzen Nachmittag am See und gegen Abend nahm mich Wolfgang wieder zu sich nach Hause mit. Er fragte mich, ob ich sein Zimmer sehen wollte. Als ich bejahte, führte er mich nach oben in den ersten Stock des Wohnhauses. Ich sah mich interessiert um und entdeckte eine blecherne Dose, die Wolfgang aber schnell mit seinem Fuß unter sein Nachtkästchen schob und mir zu verstehen gab, dass dessen Inhalt geheimnisvoll sei und nicht für jedermann einsehbar. Ich zügelte meine Neugier und da im Zimmer kein Stuhl vorhanden war setzte ich mich auf sein gemachtes Bett. Er ging zum Fenster und zog den Rollladen herunter und verdunkelte das Zimmer. Danach setzte er sich neben mich, legte seinen Arm um mich und zog mich auf das Laken quer über sein Bett. Ich war aus dem Häuschen, völlig aufgeregt. Mein Herz schlug ziemlich heftig und ich glaube, dass es jeder hören würde. Ich lag völlig überrumpelt auf seinem Bett und er küsste mich stürmisch auf den Mund. Damit hatte ich nicht gerechnet. Was würde als nächstes passieren?

Ich bekam es mit der Angst zu tun und malte mir aus, wie es wäre, wenn ich mit ihm schlafen würde. Ich verhütete ja nicht. Es war das erste Mal, dass ich in einer so ungewöhnlichen Situation war, wo es so knisterte, dass es bald zu hören war. Ich fand ihn ungemein anziehend und sexy, aber das Risiko jetzt mit ihm zu schlafen und vielleicht schwanger zu werden, war zu groß. Mit einem Ruck schnellte ich vom Bett auf und verließ fluchtartig das Zimmer. Kurz darauf sagte ich »Tschüss, ich muss heimgehen!« und verließ sein Haus. Ich hatte plötzlich links und rechts im Unterbauch so ein Ziehen, wie wenn es ein doppelter Eisprung wäre, so folgerte ich. Meine Emotionen und mein Bauchgefühl wegen diesem ersten Kuss brachte mich völlig aus dem Konzept. Ich war völlig durcheinander und radelte wie eine Irre nach Hause. Meine Gefühle spielten Achterbahn und ich flog wie der Wind mit meinem Rad und träumte mit offenen Augen von meiner ersten großen Liebe, von Wolfgang.

Ein paar Tage später rief Wolfi bei mir zuhause an. Ich stürmte zum Telefon, als meine Mutter mich rief, denn sie hatte das Telefonat angenommen. Verwundert gab sie mir mit einem Schmunzeln den Hörer und ich nahm ihn freudig entgegen. »Wie geht’s Dir? Was machst du heute noch?, fragte ich ihn. »Hör zu, Iris, was hältst du davon, wenn ich dich mit dem Auto abhole und wir zum Silbersee zum Schwimmen fahren?« wollte Wolfgang wissen.« Gute Idee! Wann willst du kommen?« »Bis wann wär’s dir recht? 14. 00 Uhr vielleicht? so schloss Wolfgang. »Ok. Einverstanden. Also bis um zwei, dann. Ich freue mich sehr!«, antwortete ich.

Pünktlich um 14 Uhr fuhr das weißes Auto von Wolfgang an unserer Straße vor und ich eilte an die Haustür, als es klingelte. »Hallo, freut mich, dass es geklappt hat. Fahren wir gleich? beeilte ich mich, um neugierige Beobachter möglichst wenig von unserer Verabredung teilhaben zu lassen. Dabei dachte ich in erster Linie an meine Eltern, die mit Argusaugen unsere Treffen registrierten. Vor allem für meinen Vater war die Situation eine völlig neue, da ich die älteste Tochter war und sozusagen eine Vorreiterrolle, was Verabredungen mit dem männlichen Geschlecht anbelangte.

Das Wetter war an diesem Tag ein Traum: sonnig, wolkenlos, ein leichter Sommerwind wehte um Die Nase und in Gedanken kam mir wieder das Lied »Sommerwind« in den Kopf, als ich neben Wolfi auf dem Beifahrersitz im VW saß. Von der Seite blickte ich ihn freundlich an und was ich sah, erfreute mein Herz. Er lenkte das Fahrzeug behutsam in den Kurven und sein leicht gebräuntes Gesicht lächelte vor sich hin. Was mochte er wohl in diesem Augenblick denken?

»Wie lange darfst du wegbleiben?« wollte er wissen. »Solange ich will, nur muss ich aufpassen, dass Ich mir am Ende keine Ohrfeige einhandle.« , bemerkte ich.

»Warum denn das?« fragte er und ich erzählte von meiner Bestrafung, der Ohrfeige, die mir mein Vater an jenem Abend verpasst hatte. Wolfi hörte gespannt zu und meinte, dass das eigentlich völlig überzogen sei und er darauf achten werde, dass so was nicht mehr vorkommt. »Was hältst du davon, wenn ich dich auf ein paar Feldwegen mit meinem Auto fahren üben lasse?« schlug Wolfi vor. Ganz begeistert von seinem Vorschlag setzte ich diesen gleich in die Tat um. Kurz vor dem Silbersee wechselten wir Fahrerund Beifahrerseite und ich gab auf dem Feldweg Gas und steuerte Das fast neue Auto in mäßigem Tempo auf den Silbersee zu. Wolfgang ließ mich gewähren und erklärte mir die Gangschaltung und die Bremse. So trudelten wir in aller Seelenruhe auf den See zu und am Schluß kam der Wagen durch abruptes Bremsen zum Stehen und starb ab. Wir waren am Silbersee angelangt und ich hatte meinen inständigen Traum verwirklichen können, auch mal Fahren zu üben. Ich war Wolfgang überaus dankbar für sein Vertrauen in mich, obwohl sich herausstellte, dass der Wagen nicht ihm, sondern seinem Bruder gehörte, der ihn zur Zeit nicht brauchte.

Der Wind wehte leicht durch meine langen, blonden, glatten Haare und das Licht reflektierte meine braungrünen Augen und hob sie von meinem leicht gebräunten Teint der Gesichtshaut ab. Wolfgangs braunes Haar glänzte in der Sonne und als er am See seine Brille, die er zum Fahren brauchte, abnahm, konnte man seine rehbraunen Augen besser beobachten, die mich lebhaft mit einem Lächeln in den Augenwinkeln anstrahlten.

Wir sonnten uns zuerst auf der mitgebrachten Decke, unterhielten uns über unsere Schulzeit, über Freunde, über Gedanken, die uns bewegten, über unsere weiteren privaten und beruflichen Pläne und schwammen von Zeit zu Zeit auch gerne zur Abkühlung. So verging der Nachmittag wie im Flug und um nicht wieder eine herbe Abreibung zu bekommen, setzte mich Wolfgang auch kurz vor 18 Uhr wieder zuhause ab und verabschiedete sich mit einem Kuss. Ich war sehr, sehr glücklich als könnte ich die ganze Welt umarmen. Niemals hätte ich gedacht, dass Schicksal für mich noch so viel anderes bestimmen würde.

Im Garten

Im Juni nahm ich von meinem Geld, das ich durch Nachhilfestunden für meine Cousins schwer erarbeitetet hatte, Reitstunden. Ich radelte zum Reiterhof fünf Kilometer in die Stadt Offingen und setzte meinen ganzen Charme ein, um einen lahmen Gaul, der mir zugeteilt worden war, zum Laufen zu bringen. Jedes Mal, wenn ich den Druck meiner Füße auf den Bauch der Mähre erhöhte, lief sie wieder ein oder zwei Schritte, um dann wieder stehen zu bleiben. Da war es doch ein anderes Gefühl bei meiner Freundin Inge an die Loge genommen zu werden. Denn Ihre Stute war feuriger und machte nicht Anstalten, ständig stehen zu bleiben, sondern lief wie es der Reiter es wollte oder derjenige, der es an der Leine führte. Einmal stieg es vor Schrecken sogar in die Höhe und machte dann einen Satz nach vorne. Ich parierte und konnte mich mit den Beinen am Pferderumpf festklammern, sodass ich nicht abrutschte oder gar von Pferd fiel. Inge lobte meine Reaktion auf das Verhalten ihres Pferdes und ich war stolz, mich so gut im Sattel gehalten zu haben.

Mein zweites eher über Jahre praktiziertes Hobby war Tischtennis. Mein Vater, der sonst eher nicht gern Auto fuhr, begleitete mich fast jedes zweite Wochenende zu den Tischtennisturnieren, die meistens nicht in unmittelbarer Nähe zu unserem Wohnort stattfanden, sondern regional oder sogar überregional in ganz Bayern stattfanden. Unser allgemeiner Gesprächsstoff am Abend nach einem Turnier oder Spiel war vom Thema über meine Gegner im Tischtennis geprägt, über deren Technikenund meine Taktiken und Spielergebnisse. Mein Bruder mochte diese Gespräche nicht allzu sehr, denn er hasste das Tischtennisspiel, weil er es nicht so gut konnte wie ich oder meine Schwester. Uns war damals in unserem Nachbardorf die Möglichkeit eröffnet worden in einer dort ansässigen Fabrikhalle Tischtennis spielen zu dürfen, sodass wir die Gelegenheit nutzten und selbst an klirrend kalten Wintertagen mit Handschuhen spielten. So übten wir fleißig und wurden mit der Zeit immer besser und nahmen daher an den Platzierungen auf den Turnieren immer bessere Plätze ein.

Einmal konnte ich sogar schwäbische Meisterin werden, worauf ich auch sehr stolz war. Wir mussten Sommer wie Winter mit dem Fahrrad in den Nachbarort zum Training radeln. Uns wurde in dieser Hinsicht nichts geschenkt. Wir wurden nicht durch nachsichtige Eltern belohnt, die uns dorthin gefahren hätten, ganz im Gegenteil: Bei Regen und Schnee, bei Glatteis und Dunkelheit mussten wir dorthin radeln, um am Tischtennis-Training teilnehmen zu können. Es war manchmal ganz schön hart, was von uns, meiner Schwester und mir verlangt wurde. Wolfgang erzählte ich auch von meinen Hobbies, als er mich wieder einmal besuchen kam und wir hielten uns längere Zeit im Garten auf. Unser Garten war mit einer Hecke von Weiher getrennt, in dem sich auch Frösche tummelten. In der Hecke wuchsen auch Brennnesseln. Ich pflückte eine davon vorsichtig und berührte absichtlich die Hand von Wolfgang. Ich wollte, dass er sich an der Brennnessel verbrannte, so wie ich an seiner Liebe verbrannte und mein Herz lichterloh in Flammen stand. Er schrie natürlich kurz »Autsch!« und lachte dabei. Wir sprachen im Garten auch über seine Arbeit beim Roten Kreuz und bald darauf verabschiedete er sich wieder, versprach mir aber sich bald wieder zu melden. Er wollte mir beim nächsten Mal die Klinik seines Vaters zeigen, der von Beruf Arzt war.

Ich versprach, beim nächsten Treffen zu ihm nach Hause zu kommen, damit er mir alles zeigen könne. Er legte zum Abschied seinen Daumen auf meine Wange und streichelte mich zärtlich, bevor er mich auf dem Mund küsste, in sein Auto stieg und Richtung Heimat davonfuhr.

Ich hatte schon beim Abschied wieder dieses innige Gefühl, dieses Begehren, ihn in meiner Nähe zu wissen, mit ihm zu reden und hatte auch intimere Gedanken im Kopf, aber nicht deren Umsetzung. Da hätte ich noch genügend Zeit, ich war ja erst 17.

Ich bekam meine Periode ein paar Tage danach und vermutete wegen dem Ziehen auf beiden Seiten im Unterbauch damals nach dem ersten Kuss, dass ich einen doppelten Eisprung hatte und falls wir damals miteinander geschlafen hätten, dass wir bestimmt Zwillinge bekommen hätten. So viel Gefühl hegte ich für die Empfindungen und sensiblen Schwingungen unserer jungen Liebe.

Zukunftspläne

Bald darauf telefonierten wir und er lud mich zu sich nach Hause ein. Außerdem war das günstig, bevor seine Eltern aus dem Urlaub kamen. So hatten wir sturmfreie Bude und konnten tun und lassen, was wir wollten ohne von jemanden beobachtet oder eingeschätzt zu werden. Das erleichterte unser Kennenlernen ungemein.

Also radelte ich zu Wolfgang nach Hause und wir machten zunächst einen kleinen Spaziergang durch die Anlagen der Klinik, die in nächster Nähe zu seinem Zuhause zwischen den Gebäuden der umfangreichen, baulichen Objekte des Krankenhauses waren. Da der Vater von Wolfgang als leitender Direktor der Klinik den Bürgermeister der Kreisstadt sehr gut kannte, wusste auch Wolfgang über bauliche Veränderungen der nahegelegenen Staatsstraße, die an das Klinikum grenzte, gut Bescheid und erzählte mir in aller Ausführlichkeit von zukünftigen baulichen Veränderungen der Straßenführung, einer geplanten Brücke und von künftigen Veränderungen innerhalb der Klinik.

Es war ein wunderbarer, sonniger Sommertag, der das Herz schneller schlagen ließ, wenn sich in den rehbraunen Augen von Wolfgang das Licht der Sonne reflektierte und er mich mit seinem Charme Und seiner positiven, aber sehr ernsten Art immer wieder faszinierte. Ich hatte hunderttausend Schmetterlinge im Bauch und war beeindruckt, was Wolfgang alles wusste und konnte. Die Anlagen der Klinik waren malerisch mit Blumenbeeten umsäumt und der Weg führte uns auch an den Musiksaal der Klinik vorbei.

Im Musiksaal, der zufällig geöffnet war standen verschiedene Instrumente. So war da ein riesengroßer Flügel und ein paar angeschlossene Elektrogitarren vorhanden. Wolfgang setzte sich an das Klavier und spielte mir aus seinem reichhaltigen Schatz an Musikkompositionen etwas vor. Da ich keines der Instrumente beherrschte, wollte ich dennoch mal mit der Elektrogitarre herumklimpern und diese mal ausprobieren. Da das ziemlich schräg klang, was die Gitarre von sich gab, war Wolfgang etwas verstimmt und hörte mit seinem Klavierspiel sofort auf. Er nahm immer alles gleich so ernst und ich in meiner euphorischen Stimmung wollte ihn ein wenig auf die Probe stellen und seine Reaktionen auf mich testen. Wie sollte ich ihn sonst kennenlernen? Er nahm mir die Gitarre aus der Hand und legte sie wieder auf den Boden und vor uns jemand erwischen konnte, verließen wir den Musiksaal wieder. Wir schlenderten danach in den Park gegenüber, der von hohen Eichen, Buchen und Erlen gesäumt war und am Ende des Parks blieben wir stehen, weil das Gespräch über unsere Zukunft und deren Planung konkrete Züge angenommen hatte.

Der Sommerwind streichelte die Blätter der großen Eichen, als wir uns darunter eine Aussprache über künftige Lebenspläne hatten.

Ich sagte:« Ich wünsche mir einen Beruf, der mit Malen und Zeichnen zu tun hat und vier Kinder. Was wünscht du dir?« Er antwortete:« Ich möchte unbedingt Arzt werden und ich werde mein Studium sehr ernst nehmen. Ich finde es schön, dass du an Kinder denkst.« »Ja, Ich mag Kinder sehr, aber es muss ja nicht gleich sein. Zuerst muss ich die Schule abschließen, dann sehen wir weiter.« »Ja, das ist vernünftig. Da musst du auf dein Abitur lernen und das Beste daraus machen.« »Wann fängt dein Studium an?« fragte ich.« Im September muss ich nach München und mir dort ein Zimmer nehmen. Das wird schwierig, weil dort Wohnungsmangel herrscht, aber mein Bruder hat Bekannte dort, vielleicht bekomme ich dann eine vernünftige Wohnung oder kann bei den Bekannten zunächst wohnen. Das muss man alles abwarten. Jedenfalls bin ich bis Anfang August noch als Zivildienstleistender beim Roten Kreuz verpflichtet und danach muss ich mich auf mein Studium vorbereiten.« »Im August habe ich Geburtstag. Da möchte ich dich einladen!« freute ich mich. »Wie viele Leute werden da kommen?« wollte Wolfgang wissen. »Ich weiß es nicht genau. Ich habe meine Klassenkameraden eingeladen.«, entgegnete ich. »Ich gebe dir noch vorher Bescheid!«, wich Wolfgang meinem freundlichen Angebot aus.

Da es schon ganz schön spät geworden war, gingen wir zu seinem Elternhaus zurück und ich verabschiedete mich von ihm mit einem Kuss und fuhr mit meinem weiß gestrichenen Fahrrad wieder Richtung Heimat in Gedanken an unseren Spaziergang und ich hatte so ein Ziehen dabei im Bauch, lauter Schmetterlinge, dachte ich und ich war so selig, Wolfgang gefunden zu haben, der meinen Idealvorstellungen eines jungen ernsthaft zu nehmenden, angehenden Arztes verkörperte.

Die Diagnose

Es war schon Ende Juli, ein heißer Tag. Ich hatte Lust, Schwimmen zu gehen und rief Wolfi an, ob er Zeit und Lust habe zum Schwimmen zu gehen. Er sagte mir, dass er erst um 16. 00 Uhr seinen Dienst beim Roten Kreuz beenden könne. Ich könnte ja schon mal vorausfahren an den Erdbeersee vorausfahren und er würde mir dann nachfolgen, sobald er freihätte. Also fuhr ich mit dem Fahrrad um ca. 14. 00 Uhr los, weil gegen Ende des Schuljahres hatten wir – Gott sei Dank- keine Hausaufgaben mehr. Ich wollte sowieso diese Untertauchtechnik im Schwimmen üben, bei der man lange Gleitzüge beim Brustschwimmen unternimmt und auch die geeignete Atemtechnik koordinieren muss. Die Sonne schien so heiß, dass ich ganz verschwitzt vom Radfahren mein Vehikel zur Seite stellte und meine Badesachen auspackte. Ich verzichtete, auf die Decke zu liegen, die ich unter einem größeren Baum ausgebreitet hatte, weil ich von der Sonne immer erst rot wurde und empfindlich wie ich war, auch meistens einen Sonnenbrand, bevor die angenehme leichte Bräune meiner Haut einsetzte. Ich sprang aus lauter Begeisterung ins Wasser und versuchte mich in der Gleittechnik, setzte auch die richtige Atmung ein und versuchte schneller zu werden. Natürlich wollte ich in der nächsten Klasse im Sport Leistungskurs gute Noten bekommen, darum strengte ich mich beim Schwimmen so an. So hatte ich eine Runde durch den See geschwommen, hatte einen anderen Badeanzug angezogen und sonnte mich gerade auf meiner kuscheligen Decke, als Wolfgang mit seinem Roller herandüste. Er begrüßte mich mit: »Hallo, wie geht’s dir? Lange nicht gesehen!«, parkte sein Moped und kam auf mich zu. »Hallo Wolfi, hab schon eine Runde Brustschwimmen hinter mir. Wollen wir nochmal ins Wasser gehen?« »Ja, klar, wir schwimmen noch eine Runde. Freu mich schon drauf, weil es gar so heiß ist.« »Ok, einverstanden, also los komm schon.« Drängte ich ihn ins Wasser und sprang auch sogleich ohne Abkühlung hinein. Wolfgang schaute ganz böse und schimpfte:« Ohne Abkühlung soll man nicht ins Wasser gehen. Da sind schon sehr schlimme Dinge passiert. Eines Nachts sind drei Soldaten etwas angetrunken in einen See gesprungen und einer von ihnen hatte aufgrund des Kälteschocks einen Herzstillstand, vermutet man. Also nächstes Mal abkühlen!« »Ja, ist ja gut!« gab ich zurück, dachte aber bei mir das das schon ein bisschen arg übertrieben war.

Wolfgang kühlte sich in aller Ausführlichkeit ab und wir schwammen durch den Erdbeersee und wieder zurück zum Ufer, zogen unsere nassen Sachen aus und neue Badekleidung an und sonnten uns noch ein wenig. Wir unterhielten uns über alles Mögliche und so vergaßen wir die Zeit. Es war schon nach 18 Uhr als wir aufbrachen und ich mit meinem Fahrrad hielt mich an Wolfgangs Arm fest und ließ mich von seinem Roller und ihm mitziehen. So gelangten wir das kurze Stück über Feldwege und Nebenstraßen zu Wolfgangs Zuhause und er fragte, ob ich durstig sei. Als ich bejahte, holte er mir ein erfrischendes Getränk auf die Terrasse und Wolfgang eröffnete mir, dass ich sehr hübsch sei, aber er hatte mich auch genau genug beobachtet, dass er festgestellt hatte, dass mein linker Fuß nicht symmetrisch zum rechten verlief. Er ließ mich ein paar Schritte nach vorne laufen und stellte wiederum fest, dass ich mit dem linken Fuß etwas nach innen lief und so mit der Sandale meinen rechten berührte. Daher hatte ich wahrscheinlich ab und zu eine kleine Schramme am rechten Fuß, weil die Sandale dort unbewusst anstieß. Also hatte er doch eine ziemlich genaue Beobachtungsgabe, die er als künftiger Arzt als Voraussetzung zu Diagnosen brauchte.

Da wir noch ein wenig hungrig waren, folgte ich Wolfgang in die Küche seiner Wohnung. Als er in den Kühlschrank schaute, ging urplötzlich die Zimmertüre auf und seine Eltern standen in der Tür! Was für eine Überraschung! Ich war ganz schön perplex und verdattert und brachte nach einer Schweigeminute nur ein unpersönliches »Grüß Gott!« heraus. Der Vater von Wolfgang funkelte böse mit seinen Augen und wollte von Wolfgang Rechenschaft. Ich verabschiedete mich in aller Eile, weil ich nicht Gegenstand von Diskussionen werden wollte und radelte heim. Niemals in meinem Leben hätte ich gedacht, dass die Begegnung mit Wolfgangs Vater eine entscheidende Wendung in meinem Leben bringen würde. Kurz vor meinem 18. Geburtstag bekam ich dann einen Brief von Wolfgang.

Er schrieb mir folgendes:

»Liebe Iris, wie du ja mitbekommen hast sind meine Eltern nun vom Urlaub wieder zurückgekommen und waren sehr überrascht, dich zu sehen. Ich musste ihnen erklären, dass wir uns schon öfter getroffen haben und dass du erst 17 bist, konnte ich auch nicht geheim halten. Mein Vater war ungehalten, denn er hat mir den Umgang mit dir zwar nicht ausdrücklich verboten, nur gewarnt, ich solle mich auf mein Studium konzentrieren. Du hast ja bald Geburtstag und weißt selbst nicht, wie viele Leute zu dir an diesem Tag kommen. Daher werde ich nicht zu deinem Geburtstag kommen. Vielleicht können wir uns ein anderes Mal treffen.

Viele Grüße von Wolfgang«

So traurig endete der Brief und ich war sehr enttäuscht, dass Wolfgang nicht zu meinem Geburtstag erscheinen wollte. Ich wusste also, dass ich Wolfgang liebte, wie ich noch nie einen Menschen geliebt hatte, doch ich wusste nicht, dass sein Vater meine Eltern angerufen hatte, um ihnen mitzuteilen, dass ich eine euphorische Hochphase hätte und dringend untersucht werden müsse, um eine genaue Diagnosestellung über meine Krankheit machen zu können. Da Wolfgang nichts von sich hören ließ, zog mich sein Heimatort magisch an, weil ich ihm nahe sein wollte und weil ich hoffte, ihm zu begegnen. Also setzte ich mich auf mein Fahrrad und fuhr in die Nähe seines Elternhauses und streunte im Park dort spazieren. Ich sah die ganze Welt durch eine rosarote Brille und hätte alles für eine Zusammenkunft mit Wolfgang getan. Als ich abends wieder nach Hause kam, wollten meine Eltern wissen, wo ich gewesen war.